RN/13
10.17
Abgeordnete Petra Bayr, MA MLS (SPÖ): Sehr geehrte Damen und Herren! Ich möchte diese Aktuelle Stunde zum Anlass nehmen, Ihnen etwas über jemanden aus meinem Heimatbezirk Favoriten zu erzählen: einen Juristen, Geschäftsmann, der in seinem Leben kein Gesetz gebrochen hat, der keine Verbrechen begangen hat, der keine Schulden angehäuft hat. Trotzdem hat Paul Weis über Nacht alles verloren, er ist aller Rechte beraubt worden, weil er Jude war. Er ist ins KZ Dachau verschleppt worden, von dort ist ihm dann 1939 die Flucht nach Großbritannien gelungen, wo er auch fast ein Jahr inhaftiert war. Nach seiner Haft dort hat er sich dann für andere Flüchtlinge eingesetzt, hat vor allem seine juristische Expertise eingebracht. Er als einziger Überlebender des NS-Regimes seiner Familie kannte Verfolgung, Beraubung von allem, was er gehabt hat, Deportation, Ermordung aller Familienangehöriger und Exil.
Dieser Erfahrung ist ein völkerrechtlicher Leitgedanke entsprungen: dass man, wenn einem das Heimatland jeden Schutz verwehrt, individuell das Recht haben muss, in einem anderen Land Schutz zu suchen, Schutz zu erhalten, als Flüchtling mit individuellen Rechten. Die Genfer Flüchtlingskonvention trägt in ganz, ganz weiten Teilen die Handschrift dieses Paul Weis aus Favoriten.
Der individuelle Schutz als Flüchtling ist ein Menschenrecht, und er ist genauso ein Menschenrecht wie etwa das Recht auf Familie, das Recht auf Gesundheit, das Recht auf Bildung. Darum finde ich auch den Titel der Aktuellen Stunde ein bisschen verstörend, denn ich kann mir auch keine Familienbremse, keine Gesundheitsbremse oder Bildungsbremse vorstellen – ich möchte sie mir nicht vorstellen.
Im Asylbereich ist zweifellos sehr, sehr viel Handlungsbedarf, sehr viel zu tun, vor allem – um jetzt nur ein Thema zu nennen – was die Aufteilung von Schutzsuchenden betrifft, sei es jetzt innerhalb der EU – dazu ist schon einiges gesagt worden – oder auch innerhalb von Österreich. Da haben sich die Innenminister und Innenministerinnen der letzten Jahre nicht unbedingt mit Ruhm bekleckert. Ich hoffe, dass das in dieser Gesetzgebungsperiode besser wird. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Kickl [FPÖ]: ... bei den NEOS der Stimmenüberhang nicht allzu groß!)
Lassen Sie mich auch etwas zu Syrien sagen: Ja, in der Tat, weltweit haben Millionen Menschen den Fall, den Sturz des Assad-Regimes gefeiert, auch hier in Österreich. Das heißt aber nicht unbedingt, dass sie den neuen Machthaber mit gefeiert haben, weil bei der neuen Führung noch sehr, sehr vieles vollkommen unklar ist, auch wenn die HTS jetzt offenbar Kreide gefressen hat und versöhnliche Töne anschlägt. (Abg. Wurm [FPÖ]: Das war alles auf Arabisch, ich habe es nicht verstanden!) Ich mag nur daran erinnern, dass die Taliban nach der Machtübernahme im August 2021 ganz ähnliche Töne angeschlagen haben, und wenn wir uns anschauen, wie heute die Situation der Menschen, die Situation der Frauen ganz im Speziellen in Afghanistan ist, ist festzuhalten, das ist nichts, das auch nur ansatzweise zu bejubeln ist. Es ist eine menschenrechtliche und eine frauenrechtliche Katastrophe, auch wenn es damals noch einige gegeben hat, die gemeint haben, man möge doch die Taliban an ihren Taten messen. (Zwischenruf der Abg. Belakowitsch [FPÖ].) Das kann man jetzt tun. Wir tun das auch dementsprechend. (Beifall bei der SPÖ, bei Abgeordneten der Grünen sowie der Abg. Krisper [NEOS].)
Und ja, die aktuellen Entwicklungen können auch eine große Chance für die ganze Region sein. Man darf jetzt nicht Kräfte unterstützen, die die gleiche Ideologie wie Al Kaida, die Taliban und der IS haben. Da bin ich grundsätzlich sehr vorsichtig.
Bei jenen Syrer:innen, die sich entscheiden, zurückzukehren zu wollen, verstehe ich auch, wenn sie jetzt noch ein bisschen warten. Wenn sie sich aber entscheiden, zurückzukehren, dann werden wir sie individuell wohl genauso unterstützen müssen, wie wir das ganze Land dabei werden unterstützen müssen, es wieder aufzubauen, damit es ein stabiles, autonomes und eigenständiges Syrien wird.
Dabei – das ist mir sehr wichtig zu sagen – dürfen wir aber nicht aufs falsche Pferd setzen. Ich denke mir, dass wir von Anfang an die demokratischen Kräfte unterstützen müssen – von Beginn an! Ich sehe, dass in vielen kurdischen Regionen nicht nur in Syrien, aber auch in Syrien eine Koexistenz von unterschiedlichen Ethnien sehr gut gelingt, auch hinsichtlich Einbeziehen in demokratische Strukturen in Kommunalverwaltungen, in denen es absolut friedlich zugeht und die Koexistenz wirklich gelebt wird. Ich glaube, auf diese Kräfte sollten wir setzen.
Ich erwarte mir sowohl von EU-Ebene und von Kommissar Brunner ebenso wie auch von einer künftigen österreichischen Regierung, dass sie eine sehr seriöse Einschätzung der Lage trifft, dass sie verantwortungsvolle Entscheidungen in den Konsequenzen für Geflüchtete trifft und dass diese umsichtige Bewertung der Lage einfach auch dazu führen wird, dass wir mithelfen, ein Syrien zu schaffen, in dem alle Syrerinnen und Syrer eine friedliche, eine sichere, eine gedeihliche Zukunft finden können, in einem demokratischen Syrien mit klaren Grenzen ohne Einmischung von außen. Unsere Unterstützung wird dabei sicherlich sehr gefragt sein. (Beifall bei der SPÖ.)
10.22
Präsident Dr. Walter Rosenkranz: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Krisper.
Die angezeigte Rede ist noch nicht nach § 52 Abs. 2 GOG-NR autorisiert.