RN/21
11.10
Abgeordneter Mag. Jörg Leichtfried (SPÖ): Vielen Dank, Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Sehr geehrte Damen und Herren! Wenn man die Intention der Freiheitlichen Partei bei dieser Aktuellen Europastunde zusammenfassen möchte – ich lese Ihnen jetzt nicht den Titel vor, denn dieser ist etwas abstrus –, dann wäre das: Zurück zum Schilling, raus aus der Europäischen Union und weg mit allem, was Europa bedeutet!
Das ist natürlich etwas, was wirklich sehr, sehr abstrus ist, und ich habe jetzt einmal versucht, für Sie nachzuvollziehen, wie man vielleicht im freiheitlichen Klub auf so etwas überhaupt kommen kann, wie da die Diskussion gelaufen sein könnte – oder ich könnte auch sagen: The Life of Herbert.
Markige Ansprache von Herrn Kickl: Liebe Freundinnen und Freunde! (Abg. Kickl [FPÖ]: Das ist schon falsch!) Wir müssen raus aus dieser Europäischen Union! Wir müssen raus! Was haben wir von dieser Union je gehabt?
Eine Stimme aus dem Hintergrund: Na ja, den Binnenmarkt vielleicht.
Herr Kickl: Na gut, der Binnenmarkt. Aber was haben wir sonst von dieser Europäischen Union gehabt?
Wieder eine Stimme aus dem Hintergrund: Na ja, die Fördergelder. (Abg. Belakowitsch [FPÖ]: Herr Kollege, machen Sie ein Kabarett? – Aber das ist schlecht!)
Herr Kickl: Na ja, die Fördergelder. Aber sonst haben wir nichts von dieser Europäischen Union gehabt.
Jemand anderer aus dem FPÖ-Klub, wieder von weiter hinten: Na ja, Erasmus vielleicht. (Abg. Belakowitsch [FPÖ]: Das hat es schon vorher gegeben! Sie sollten nicht jeden Blödsinn nachplappern!)
Herr Kickl: Na ja, Erasmus. Aber sonst? – Aber sonst gibt es nichts, was uns die Europäische Union gebracht hat. (Abg. Linder [FPÖ]: Sie haben nicht das Charisma von Herbert Kickl!)
Wieder eine Stimme: Na ja, Konsument:innenschutz.
Einwand von Herrn Vilimsky: Konsument:innenschutz, Konsument:innenschutz – durch die haben wir das Schildlausjoghurt bekommen!
Recht hast du, Kollege Vilimsky!, sagt Herbert Kickl.
Noch ein Einwand: Roaminggebühren.
Herbert Kickl: Ach was, Roaminggebühren! Wofür brauchen wir Roaminggebühren? – Wir faxen ja noch!
Nächster Einwand: Die Reisefreiheit! Die Reisefreiheit!
Herbert Kickl: Reisefreiheit – was brauchen wir Reisefreiheit?!
Ein letzter Einwand: der Friede! Seit 80 Jahren – seit 80 Jahren! – Friede in Zentraleuropa; das hat es seit dem Römischen Imperium nicht gegeben.
Aber Herr Kickl wischt das weg: Na gut, abgesehen vom Binnenmarkt, von Fördergeldern, Erasmus, Konsumentenrechten, Reisefreiheit und Frieden, was hat uns die EU gebracht? – Nichts hat sie uns gebracht! Deshalb gehen wir morgen so in diese Europastunde. Wir sagen nicht, dass wir austreten wollen, aber wir tun so.
Herr Kickl, das, was Sie hier machen, ist unverantwortlich. Das ist schlecht für Österreich. (Beifall bei der SPÖ sowie bei Abgeordneten von ÖVP, NEOS und Grünen. – Abg. Kickl [FPÖ]: Ist das grindig!)
Selbstverständlich müssen wir darüber diskutieren, ob das, was in der Europäischen Union passiert, gut ist. Für uns Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten gibt es genug zu kritisieren. Das, was neoliberale, konservative Mehrheiten über Jahrzehnte aus der Europäischen Union gemacht haben, ja, darüber müssen wir reden, aber man kann doch nicht sagen, wir treten jetzt aus – wie Sie verklausuliert sagen, Herr Kickl –, und alles wegwerfen, was uns hilft. (Abg. Kickl [FPÖ]: Ich habe es gar nie so scharf formuliert wie der Babler!)
Der Tourismus hätte bei uns enorme Probleme, die Industrie, die Exportindustrie hätte enorme Probleme, aber auch andere Wirtschaftszweige. Sie wollen das einfach wegwerfen für Ihren billigen Populismus. – Dagegen treten wir an, Herr Kickl, das sage ich Ihnen persönlich. (Beifall bei der SPÖ. – Zwischenruf der Abg. Belakowitsch [FPÖ].)
Dazu kommt, und das wollen Sie ja auch, die politische Isolation Österreichs gegenüber unseren Freunden in der Europäischen Union. Sie sehen die Zukunft Österreichs im Osten, deswegen schließen Sie auch entsprechende Verträge ab. Sie schließen einen Vertrag mit Russland ab, Sie schließen einen Vertrag mit Ungarn ab. Wir sehen das nicht so. Wir sehen Österreich im Herzen Europas. Wir sehen ein Österreich, in dem die Menschen von seiner Zugehörigkeit zur Europäischen Union profitieren.
Ich sage Ihnen ganz, ganz klar: Ihr Anbiedern an Putin, Ihr Anbiedern an Orbán, Ihre Gefährdung der österreichischen Interessen dadurch ist unwürdig, unseriös und einfach unpackbar. – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der Grünen.)
11.15
Präsident Peter Haubner: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Klubobfrau Beate Meinl-Reisinger. – Bitte.