RN/33
12.00
Abgeordneter Veit Valentin Dengler (NEOS): Sehr geehrte Vertreterinnen und Vertreter des Volkes! (Unruhe im Saal. – Präsident Haubner gibt das Glockenzeichen. – Abg. Steiner [FPÖ]: Also den ÖVP-Weihnachtsfrieden nicht stören! – Abg. Tanner [ÖVP]: ... erste Rede, seid einmal ruhig!) Also, die Demokratie, wie wir sehen … (Anhaltende Unruhe im Saal.)
Präsident Peter Haubner: Können wir bitte dem Redner die Aufmerksamkeit schenken? – Danke vielmals.
Abgeordneter Veit Valentin Dengler (fortsetzend): Die Demokratie, wie wir gerade sehen, ist die menschenwürdigste Staatsform, die wir zustande gebracht haben. Wir können uns hier so offen austauschen. Sie hat nur einen großen Nachteil gegenüber einer Diktatur. In einer Diktatur entscheidet einer, und der setzt dann seine Entscheidung – mit Gewalt, mit Terror, mit der Ermordung von Gegnern – durch.
Wir hier haben eine andere Art. Wir haben eine gemeinsame Meinungsbildung und Entscheidung. Das ist langwierig, das ist manchmal mühsam; mühsam deswegen, weil grundsätzlich alle Meinungen zulässig und wichtig sind; auch solche, die, wenn sie umgesetzt würden, zur Selbstzerstörung der Demokratie führen würden. Das macht es für Länder wie China und Russland auch so attraktiv, so interessant, sich in unsere Politik einzumischen: anonym, im Geheimen, zum Beispiel über die sozialen Medien.
Manchmal, wie heute, gelangen solche selbstzerstörerischen Meinungen bis ins Parlament. Ich rede von der Behauptung, die Unterstützung der Ukraine sei Kriegstreiberei.
Das Kriegsvölkerrecht misst die Berechtigung von Kriegen am Recht zum Krieg. Das heißt, es gibt nur wenige Fälle, in denen es legitim ist, vor allem zur Selbstverteidigung; also etwa wenn ein Nachbar einen anderen überfällt, wie zum Beispiel Russland die Ukraine. Ein Angriffskrieg, so wie ihn Russland führt, ist grundsätzlich völkerrechtswidrig. Also die Diagnose ist eindeutig: Die Ukraine führt einen gerechten Krieg und Russland nicht.
Dann gibt es das Recht im Krieg, das festlegt, welche Kriegshandlungen zulässig sind und welche nicht. Nicht zulässig ist es, Wohnheime zu bombardieren, Krankenhäuser, Spitäler, Schulen zu bombardieren. Es ist nicht zulässig, Massenvergewaltigungen zu haben. Es ist nicht zulässig, systematisch Kinder zu verschleppen. Und wegen dieses letzten Punktes hat der Internationale Strafgerichtshof einen Haftbefehl gegen den Präsidenten von Russland erlassen. (Abg. Kickl [FPÖ]: Da gibt es noch einen!) Also auch da ist die Diagnose eindeutig.
Schließlich gibt es, was gerne übersehen wird, auch ein Recht nach dem Krieg. Dabei geht es um die nachhaltige Friedenssicherung. Diese Friedenssicherung hat beim ersten russischen Überfall auf die Ukraine, 2014, der dann auch zur Annexion der Krim geführt hat, nicht funktioniert, mit der Folge, dass wenige Jahre später die Ukraine wieder überfallen worden ist und weitere Gebiete von Russland annektiert worden sind.
Es ist nämlich ein sehr einfacher Automatismus: Solange Kriegführen zum Erfolg führt, werden Aggressoren auf der ganzen Welt immer wieder zu neuen Schlägen ausholen. Wenn Russland sich erfolgreich Stück um Stück ein anderes Land einverleiben wird – dieses Land hat das Pech gehabt, Teil der ehemaligen Sowjetunion gewesen zu sein –, dann wird Russland seine Gelüste bald auch auf andere Gebiete richten; zum Beispiel das mit der EU assoziierte Moldawien – praktisch wehrlos –; das EU-Mitglied Litauen – strategisch sehr günstig für Russland –; und so weiter.
Unsere Neutralität hat nie Passivität bedeutet. Sie hat nie Gleichgültigkeit bedeutet. Der Kalte Krieg wurde auch hier in unseren Konferenzzentren und den Wiener Cafés ausgefochten, aber wo Österreich steht, war immer klar. Bruno Kreisky hat unsere geografische Lage genutzt, er hat sich nicht dahinter versteckt. Europa ist der Geburtsort der Demokratie, der das verteidigt, was wir in unserer blutigen Geschichte hart erlernt haben.
Solange Russland so verfasst ist, besteht die einzige Möglichkeit für einen dauerhaften Frieden in Europa darin, zu verhindern, dass diese Spezialoperation für Russland ein Erfolg wird. Das hat nichts, gar nichts mit Kriegstreiberei zu tun. Ganz im Gegenteil! Wer nämlich umgekehrt die Unterstützung der Ukraine ablehnt, befürwortet die Unterwerfung und die Versklavung des ukrainischen Volkes.
Für unsere ukrainischen Schwestern und Brüder ende ich mit den unvergesslichen Worten von der Band „Meine Zeit“: „Müssen Berge versetzen, dafür kämpfen, bis sich Mut und Glück endlich ergänzen“ und ihr am Ende Frieden und Freiheit habt. (Beifall bei den NEOS sowie bei Abgeordneten von ÖVP und Grünen.)
12.00
Präsident Peter Haubner: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Klubobmann Werner Kogler.