RN/92
16.09
Abgeordneter Mag. Wolfgang Gerstl (ÖVP): Herr Präsident! Hohes Haus! Fünf Auslieferungsbegehren gegen FPÖ-Abgeordnete in den letzten Monaten – das heißt: im Schnitt pro Monat ein Auslieferungsbegehren gegenüber einem FPÖ-Abgeordneten. (Abg. Deimek [FPÖ]: Was ist das für ein dämlicher …? – Weitere Zwischenrufe bei der FPÖ.)
Seit 3. Dezember wissen wir, dass zwei FPÖ-Abgeordnete – ein Ex-FPÖ-Abgeordneter und ein aktiver FPÖ-Abgeordneter – rechtskräftig verurteilt sind. Wir haben daher seit 3. Dezember einen rechtskräftig verurteilten Parlamentarier in unseren Reihen. Welche Überraschung, dass er heute hier gar nicht anwesend ist! Er wird überlegen, was er zu tun hat, nachdem er rechtskräftig verurteilt wurde.
RN/92.1
Meine Damen und Herren, das ist aber noch nicht der Gipfel, denn heute haben wir eine Sitzung des Immunitätsausschusses gehabt, in der die FPÖ versucht hat, die Verfolgung des Herrn Abgeordneten Graf mit dem Hinweis, er sei Abgeordneter zum Europarat, nochmals zu verzögern. Das kommt gerade von einer Partei, die internationale Organisationen ablehnt (Zwischenruf des Abg. Deimek [FPÖ]), die sogar eines der wichtigsten Vertragswerke des Europarates, nämlich die Menschenrechtskonvention, abzuändern versucht, weil sie ihr nicht passt. (Abg. Belakowitsch [FPÖ]: Meinen Sie da jetzt den Herrn Wöginger? Der wollte das auch schon!) Sich aber dann, wenn es zu Ihren Gunsten ist, darauf berufen zu wollen, dass Sie ein Mitglied des Europarates sind und deswegen gegen Sie nicht strafrechtlich vorgegangen werden kann, das ist Scheinheiligkeit, das kann ich Ihnen nur sagen. (Beifall bei der ÖVP. – Zwischenruf des Abg. Deimek [FPÖ]. – Abg. Belakowitsch [FPÖ]: Jetzt gibt es aber einen Ordnungsruf!)
Meine Damen und Herren, es ist ganz einfach, die Regelungen des Europarates sind ganz klar: Die Immunität als Europaratsabgeordneter genießt man nur dann, wenn man in den Sitzungen des Europarates ist, oder für die An- und Abreise. Sie waren bei einem Begräbnis, Herr Kollege Graf. Diese Sache hat nichts damit zu tun gehabt, dass Sie im Europarat waren. Sie wollten nur ganz bewusst verzögern.
Da erscheint dann natürlich auch in einem sehr, sehr schlechten Licht, was Herr Präsident Rosenkranz gemacht hat: die Geschichte mit diesen drei Parlamentariern, bei denen nun von der Staatsanwaltschaft ersucht wird, dass sie vom Parlament wegen nationalsozialistischer Wiederbetätigung ausgeliefert werden. (Abg. Belakowitsch [FPÖ]: Was reden Sie denn da?) Dass diese drei Ansuchen auf komische Art und Weise irgendwo im Büro des Nationalratspräsidenten liegen geblieben sind, ist nur ein zusätzliches Zeichen dafür, dass Sie – wie jetzt mit diesem Ersuchen im Immunitätsausschuss – auch noch einmal verzögern wollten, dass Abgeordneter Graf ausgeliefert wird.
Meine Damen und Herren, das ist ein Sittenbild der FPÖ (Zwischenruf des Abg. Deimek [FPÖ]), wie es keiner Partei, die in Österreich kandidiert und die Menschen in Österreich vertritt, ansteht, es sich zuschreiben zu lassen. Es ist ein wesentlicher Punkt, dass wir in einer liberalen Demokratie von Parlamentariern vertreten werden, denen nicht ständig nachgesagt wird, dass ihnen vielleicht eine strafrechtliche Verurteilung ins Haus stehen könnte und sie deswegen ausgeliefert werden müssen. (Beifall bei der ÖVP.)
Meine Damen und Herren, es geht aber noch einen Schritt weiter. Auf orf.at war am 5. Dezember zu lesen, dass ein Verheimlichen der Ansuchen nichts gebracht hätte – so wird im Büro von Präsident Rosenkranz argumentiert –, denn nach acht Wochen würden die Mandatare automatisch ihre parlamentarische Immunität verlieren. Soll das heißen, dass wir das nächste Mal, wenn gegen irgendeinen von uns Abgeordneten, egal von welcher Partei, untersucht wird, dann vielleicht gar nicht mehr erfahren, dass gegen uns untersucht wird, und die Ansuchen liegen bleiben, weil nach acht Wochen automatisch ausgeliefert wird? – Nein.
Herr Präsident, Sie haben in Ihrer Antrittsrede gesagt, der erste und wichtigste Maßstab für Sie ist, Verfassung, Freiheits- und Grundrechte, Geschäftsordnungsgesetz entsprechend zu vollziehen. – Sie haben das Geschäftsordnungsgesetz nicht entsprechend vollzogen. Viele sind schon enttäuscht von Ihrer Amtsführung, viele erwarten sich eine Entschuldigung.
Ich denke, Sie sollten hier auch wirklich Besserung geloben (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der SPÖ), ansonsten können wir Ihren Aussagen in Ihrer Antrittsrede nicht weiter glauben. – Vielen Dank. (Beifall bei der ÖVP.)
16.14
RN/92.2
Präsident Dr. Walter Rosenkranz: Danke, Herr Abgeordneter.
Sie sind sich dessen bewusst, dass die Formulierung „Scheinheiligkeit“ in alter Tradition des Hauses an sich einen Ordnungsruf hervorruft. Ich würde Ihnen die Gelegenheit geben, dass Sie anstelle dieses Ausdrucks gegenüber der Fraktion eine andere Wortwahl treffen und das zurückziehen. (Abg. Gerstl [ÖVP]: Geben Sie mir den Ordnungsruf!) – Ist das ein Nein? (Abg. Gerstl [ÖVP]: Geben Sie mir den Ordnungsruf! – Abg. Belakowitsch [FPÖ]: Er will einen Ordnungsruf!)