RN/5

Aktuelle Stunde

„Schluss mit der Zwangsfinanzierung gieriger ÖVP-Gagenkaiser durch Österreichs tüchtige Unternehmer!“

Präsident Dr. Walter Rosenkranz: Wir gelangen nun zur Aktuellen Stunde.

Als Erster zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Schnedlitz. Ich erteile es ihm und mache ihn darauf aufmerksam, dass die Redezeit 10 Minuten beträgt. – Herr Abgeordneter, Sie sind am Wort.

RN/6

9.08

Abgeordneter Michael Schnedlitz (FPÖ): Vielen Dank, Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Schönen guten Morgen auch Ihnen zu Hause vor dem Fernsehschirmen und vor allem schönen guten Morgen in die Firmen und die Unternehmen der Republik! Der Grund für dieses Thema der heutigen Aktuellen Stunde ist der Umstand, dass die ÖVP in der Wirtschaftskammer damit aufgeflogen ist, dass man sich Gagenerhöhungen von bis zu deutlich über 50 Prozent – in einigen Fällen über 100 Prozent, das bedeutet Gagen-, also Gehaltsverdoppelung – geben will. Und jetzt Achtung: nicht wollte, sondern noch immer will – unfreiwillig bezahlt von Unternehmern mitten in der Krise!

Seit nunmehr zwei Wochen ist deshalb Feuer am Dach der Republik und bis heute kommt die ÖVP und kommen die handelnden Personen nicht zur Vernunft. Ich spreche deshalb von der ÖVP und nicht von Herrn Mahrer, weil es nicht um eine Gagenerhöhung geht, für Herrn Mahrer, sondern aufgeflogen sind zig Gagenerhöhungen im großen Stil, für zig Personen auf Bundesebene, Länderebene und unzählige weitere Personen in den Untergruppen. Aufgeflogen sind zig Personen aus der Bundes-ÖVP, den schwarzen Landesparteien in den Bundesländern und auch aus dem direkten Umfeld der ÖVP-Landeshauptleute. (Beifall bei der FPÖ.)

Die Gier ist dabei offensichtlich so groß, dass man das Ganze, obwohl die Hütte lichterloh brennt, ohne Rücksicht auf Verluste bis zur jetzigen Minute weiter durchziehen will. Gestern etwa hat man erst bekannt gegeben, dass die Pläne zwar vorübergehend – mit Betonung auf vorübergehend – ausgesetzt werden sollen, das heißt aufgeschoben werden, aufgeschoben ist aber nicht aufgehoben. Etwas zeitversetzt, dann, wenn niemand mehr hinsieht, sollen die vollen Erhöhungen kommen. Jeder meiner Nachredner, der etwas anderes behauptet, gehört zu jenen, die weiter versuchen – wie bereits die letzten zwei Wochen –, Sie für dumm zu verkaufen, aber ich verspreche Ihnen, wir werden das, wie bereits die letzten zwei Wochen, nicht zulassen. (Beifall bei der FPÖ.) 

Es geht darum, sehr geehrte Damen und Herren, dass man in der Volkspartei nicht einsieht, dass man das in einer Krise nicht machen kann. Es geht darum, dass man sich überhaupt nicht an Geldern anderer bereichert, liebe Österreichische Volkspartei. Die ÖVP versucht, den Menschen, Ihnen zu Hause vor den Bildschirmen und auch den Unternehmern, allen Ernstes zu erklären: Wir haben eh den Mahrer ausgetauscht und warten jetzt ein bisschen, bis wir die Erhöhung machen. Also gehen Sie weiter, es gibt nichts mehr zu sehen! – Genau das, genau das sagen die Gleichen, die bei den Gehaltsverhandlungen den Steuerzahlern, den Arbeitern und den Angestellten seit Jahren ausrichten, dass die Gehaltserhöhungen ja nicht zu hoch ausfallen dürfen. Die Folge ist dann etwa ein Gehaltsabschluss wie heuer bei den Metallern von 1,9 Prozent. Dieselben, die den Arbeitern ausrichten, dass man in einer Krise um nicht mehr als 1,9 Prozent erhöhen kann, geben sich dann selbst 21 Prozent, 27 Prozent, 62 Prozent, 55 Prozent, 63 Prozent, 55 Prozent, 49 Prozent, 62 Prozent und so weiter.

 Ich weiß nicht, was in Ihnen vorgeht, sehr geehrte Damen und Herren von der Österreichischen Volkspartei, aber ich sage Ihnen in aller Deutlichkeit: Damit werden Sie nicht durchkommen. (Beifall bei der FPÖ.) 

Dann tauscht man Mahrer gegen Schultz aus und denkt, man könne in der Sache selbst weitermachen wie bisher. (Zwischenruf des Abg. Hörl [ÖVP].) Das ist so absurd, wie wenn man bei einem Bankraub auf frischer Tat erwischt wird und dann sagt: Okay, ihr habt uns erwischt, aber wir tauschen den Kopf der Bande aus. Und mit leichter Zeitverschiebung rauben wir die Bank dann trotzdem aus. Damit werden wir schon durchkommen. – So absurd ist das, sehr geehrte Damen und Herren von der Österreichischen Volkspartei. (Beifall bei der FPÖ.) 

Jetzt einmal ernsthaft: Für wie blöd halten Sie die Menschen in diesem Land? 

Und dann wird es wirklich spannend: Dann beginnt nämlich die Österreichische Volkspartei zu kommunizieren und sagt: Das einzige Problem in den letzten Tagen und letzten Wochen war, dass Herr Mahrer schlecht kommuniziert hat. Weil er schlecht kommuniziert hat, deshalb musste er gehen. – Sehr spannend: In der Österreichischen Volkspartei ist schlecht kommuniziert offensichtlich ein Synonym für: weil man uns dabei erwischt hat. Hätte man euch nicht dabei erwischt, wäre Mahrer bis heute im Amt. Das sind doch die Fakten! (Beifall bei der FPÖ.)

Jetzt halten Sie sich fest! Jetzt wird es nämlich richtig abenteuerlich, jetzt zeigt uns nämlich die von der ÖVP entsendete neue Wirtschaftskammerchefin, die Mahrer-Nachfolgerin, Frau Schultz, wie man korrekt kommuniziert. Man veröffentlicht folgende Information auf der offiziellen Homepage der Wirtschaftskammer – man schreibt –: „Fakten statt Mythen: Richtigstellungen [...]. Aktuell kursieren immer wieder irreführende Berichte über die Wirtschaftskammerorganisation in den heimischen Medien.“ 

Deshalb gibt es jetzt Fakten zu diesen Gagenerhöhungen – Zitat –: „Auf Bundesebene wird es 2026 keine Erhöhung der Entschädigungen für Funktionärinnen und Funktionäre geben.“ – Bumm!, denkt man sich da. Dann ist ja alles gut, ist alles in Ordnung, es gibt keine Erhöhungen. Blöderweise geht dieser Text aber noch weiter. – „Für jene Funktionäre, die eine Entschädigung erhalten, gab es seit den 1990er-Jahren eine Systematik – angelehnt an die Politikergehaltspyramide auf Bund- und Landesebene.“ – Das heißt im Übrigen auch nicht, wie falsch behauptet, dass es dort seit Jahren keine Gehaltserhöhungen gegeben hat. Die hat es sehr wohl gegeben, und zwar immer dann, wenn die Politikergehälter gestiegen sind, ist das automatisch mit passiert. 

Aber weiter im Text: „Dieses System wurde auf Anregung auch der Grünen Wirtschaft“ – da sieht man auch schon die enge Verbindung dieser Bundesregierung mit den Kammern – „2025 reformiert. Die bisherige Systematik war über 30 Jahre alt, regional unterschiedlich geregelt und teilweise noch auf alten Schillingwerten basierend. Der Beginn der neuen Funktionsperiode zu Jahresbeginn war Anlass, dieses System zu modernisieren“. – Da habe ich mir gedacht: Gott sei Dank! Es wird doch nicht zu Erhöhungen kommen, aber das Ganze wird ja nur modernisiert und nicht erhöht.

Ich zitiere weiter: „Das Ergebnis: eine zeitgemäße, transparente und für die Bundes- und Landesebene jeweils einheitliche Systematik sowie der Wegfall von Zuschlägen.“

Das Ergebnis aus Sicht der Unternehmer und eines Normalsterblichen (ein Schriftstück in die Höhe haltend): diese Liste. Gagenerhöhungen ab - - Pardon! Modernisierungen bis zu über 100 Prozent, das heißt Verdoppelungen. Sehr geehrte Damen und Herren, da sieht man, wie Sie mit den Menschen umgehen. (Beifall bei der FPÖ.) 

Dann habe ich mich gefragt: Warum hat denn das der Mahrer nicht gleich so erklärt? Warum ist denn der Mahrer nicht auf die Idee gekommen, die Erhöhungen einfach Modernisierungen zu nennen? Dann hätte er gar nicht zurücktreten müssen. Bei uns haben auch Arbeiter angerufen und haben gesagt: Wir brauchen keine Gehaltserhöhungen, aber eine Modernisierung um 60 Prozent, das wäre schon ganz gut für uns Metaller!

Verstehen Sie, was Sie hier in der Republik mit Ihren absurden Kommunikationsversuchen aufführen? Diese Kommunikation mit den Modernisierungen, also die Erhöhungen dann Modernisierung zu nennen, das ist noch abenteuerlicher und noch absurder als die gesamte Kommunikation des Herrn Mahrer über sämtliche Tage hinweg. (Beifall bei der FPÖ.)

Genau das hat dann auch die Österreichische Volkspartei durchschaut und hat der Frau entsendeten Nachfolgerin von Herrn Mahrer gesagt: Pah, damit sind wir jetzt nicht durchgekommen, du musst noch einmal kommunizieren! Die Frau Schultz ist dann gestern hergegangen und hat noch einmal kommuniziert, per OTS-Aussendung. Ich darf weiter zitieren:
„Designierte Mahrer-Nachfolgerin Schultz will Sachlichkeit in Diskussion über Wirtschaftskammer-Reformen bringen. Nach großer Aufregung samt Rücktritt des bisherigen Wirtschaftskammer- und ÖVP-Wirtschaftsbund-Präsidenten Harald Mahrer wird die Erhöhung der Entschädigung für Spitzenfunktionäre vorübergehend“ – mit Betonung auf vorübergehend – „ausgesetzt.“

Sehr geehrte Damen und Herren zu Hause vor den Bildschirmen! Geschätzte Unternehmer! Geschätzte Firmenchefs! Haben Sie noch irgendwelche Fragen? Nicht nicht gemacht, nur „vorübergehend ausgesetzt“ wird das Ganze, bis niemand mehr hinsieht. Gratulation der Österreichischen Volkspartei für diesen nächsten Knieschuss in der Kommunikation! (Beifall bei der FPÖ.) 

Jeder, jeder, der von Ihnen heute hier herauskommt und etwas anderes behauptet, behauptet die Unwahrheit. (Zwischenrufe bei der ÖVP.) Selbiges gilt auch für die Behauptung, es würde um irgendwelche Angriffe auf die Interessenvertretung gehen. Es geht darum, dass Sie sich bereichern wollen und damit seit Tagen nicht durchkommen, aber daran festhalten wollen. Da geht es nicht um Herrn Mahrer, da geht es nicht um eine fehlgeleitete Kommunikation. Nicht Herr Mahrer ist das Problem, die Österreichische Volkspartei ist das Problem – in aller Deutlichkeit! (Beifall bei der FPÖ.) 

Ihr habt es bis jetzt nicht eingesehen. Euch ist wirklich nicht mehr zu helfen. Das werden sich die Menschen aber nicht gefallen lassen. Das werden sich die Unternehmer nicht gefallen lassen. Das wird sich niemand mehr gefallen lassen. Wer so etwas macht, der wird bei der nächsten Wahl von den Menschen die Rechnung präsentiert bekommen. Ich verspreche Ihnen: Diese Rechnung wird saftiger als Ihre Gagenerhöhungen ausfallen. (Beifall bei der FPÖ.) 

9.18

Präsident Dr. Walter Rosenkranz: Zu einer einleitenden Stellungnahme zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesminister für Wirtschaft, Energie und Tourismus Dr. Wolfgang Hattmannsdorfer. Die Redezeit soll 10 Minuten nicht überschreiten. (Zwischenrufe bei der FPÖ.)

RN/7

9.19

Bundesminister für Wirtschaft, Energie und Tourismus Mag. Dr. Wolfgang Hattmannsdorfer: Sehr geehrter Herr Präsident! Geschätzte Abgeordnete! Werte Zuseher hier im Hohen Haus und vor den Bildschirmen! Ich möchte eingangs unmissverständlich und klar festhalten, dass wir nicht zulassen dürfen, dass die berechtigte Kritik und Aufregung um die Vorkommnisse in der Wirtschaftskammer jetzt dazu missbraucht werden, um das Miteinander in diesem Land infrage zu stellen (Rufe bei der FPÖ: Ah ja! – Zwischenruf des Abg. Lausch [FPÖ), um die Sozialpartnerschaft in Österreich infrage zu stellen. (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Schnedlitz [FPÖ]: Dich wollte man nicht einmal als Mahrer-Nachfolger in der ÖVP!) 

Meine Überzeugung ist eine andere. Gerade in wirtschaftlich fordernden Zeiten braucht es eine starke Interessenvertretung der Wirtschaft, braucht es eine Interessenvertretung, die glaubwürdig ist, die Vertrauen genießt und dadurch auch wieder schlagkräftig ist. 

Sie können mir glauben, dass ich als Wirtschaftsminister alles andere als Verständnis habe für das Bild (Zwischenruf des Abg. Kassegger [FPÖ]), das in den vergangenen Wochen abgegeben wurde. Es ist in den letzten zwei Wochen enorm viel Vertrauen verloren gegangen, es hat enorm viel verständlichen Unmut gegeben, auch bei Funktionärinnen und Funktionären der Wirtschaftskammer, und es gibt auch von mir die ganz klare Erwartung, dass jetzt auch die notwendigen Konsequenzen, Reformschritte gesetzt werden (Abg. Kickl [FPÖ]: Jetzt aber, jetzt aber, jetzt aber! – Abg. Belakowitsch [FPÖ]: Ja, jetzt sicher!), um das Vertrauen zurückzugewinnen. Und ich bin der festen Überzeugung – und das ist auch meine persönliche Sichtweise –, dass die Konsequenzen und die richtigen Schritte auch bereits eingeleitet wurden. (Abg. Kassegger [FPÖ]: Sie haben das ja alles mitbeschlossen! Als Generalsekretär ... das alles mitbeschlossen!) 

Harald Mahrer hat als ehemaliger Präsident der Wirtschaftskammer Verantwortung übernommen und ist zurückgetreten. Ich darf hier aber noch anmerken, dass die notwendigen Beschlüsse im erweiterten Präsidium der Wirtschaftskammer gefällt wurden, und soviel ich weiß, ist dort auch ein Vertreter der Freiheitlichen Partei gesessen (Abg. Kickl [FPÖ]: Einer von wie vielen? Einer von wie vielen? – Zwischenrufe bei der ÖVP), der ebenfalls in all die Beschlüsse, die jetzt auch zu diesem Unmut geführt haben, eingebunden war. (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Kassegger [FPÖ]: Der hat ja eine Mehrheit gehabt im ...!)

Weiters erwarte ich mir, dass es jetzt auch ein klares, ein unmissverständliches Signal an die Mitglieder, an die Funktionäre und an die Öffentlichkeit gibt, dass jetzt ein konsequenter Reformweg eingeschlagen wird, und ich habe großes Vertrauen, dass das nun durch die neue Präsidentin (Abg. Lausch [FPÖ]: Jetzt endlich! Jetzt endlich!), die jetzt mit der Führung des Hauses beauftragt wurde, richtig passieren wird. 

Ich habe großes Vertrauen in Martha Schultz, dass sie in dieser aktuellen Situation die richtige ist – sie ist eine gestandene Unternehmerin, die die Sorgen und Nöte der Wirtschaft kennt, die auch die Notwendigkeiten sieht und die Kompetenz hat, die Strukturen der Wirtschaftskammer gut zu kennen und auch zu verändern – und dass sie die richtige ist, um die Wirtschaftskammer jetzt wieder in ruhigere Fahrwasser zu bringen und die Weichen zu stellen. (Abg. Belakowitsch [FPÖ]: Ach so, genau!) Der beste Beweis dafür war gestern ihre erste Ankündigung – noch vor dem ersten Wirtschaftsparlament, das nächste Woche unter ihrer Verantwortung stattfinden wird –, dass sie das Vertrauen zurückgewinnt mit der ganz klaren Ansage, die Erhöhung der Funktionärsentschädigungen auszusetzen (Abg. Kassegger [FPÖ]: Vorübergehend! Vorübergehend!), was die Funktionäre auf Bundesebene betrifft, das klare Commitment der Präsidentin und Präsidenten der Länderkammern, das ebenfalls zu machen, und das klare Commitment, dass diese Vorgabe auch für alle Fachorganisationen gelten muss und umgesetzt werden muss. Ich glaube, das ist die richtige Ankündigung, die richtige Konsequenz, die da gezogen wird, und auch die richtige Maßnahme, die das verloren gegangene Vertrauen wieder zurückgewinnen wird. 

Ich möchte aber diese Aktuelle Stunde auch dafür nutzen, ganz klar zu sagen, dass ich kein Verständnis dafür habe, wenn jetzt Unternehmerinnen und Unternehmer pauschal verurteilt werden, weil sie sich – neben der Übernahme von Verantwortung in ihrem Betrieb, neben der Bereitschaft, ins persönliche Risiko zu gehen, Verantwortung für Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu übernehmen – auch in der Wirtschaftskammer engagieren, weil sie ihre Stimme für die österreichischen Betriebe erheben. (Beifall bei der ÖVP.)

Ich glaube, wir brauchen genau jetzt hier eine schlagkräftige Interessenvertretung in der Begleitung der Betriebe, wenn es um die Aus- und Weiterbildung geht, wenn ich an das Wifi denke, wenn es um die Serviceorientierung geht, wenn es um die Exportwirtschaft geht (Zwischenruf des Abg. Deimek [FPÖ]), auch mit der Außenwirtschaft: Unsere Betriebe brauchen jetzt eine starke Begleitung. 

Sie brauchen aber auch eine starke Interessenvertretung (Abg. Kickl [FPÖ]: Eine starke Befreiung!), die weit über die Wirtschaftskammer hinausgeht, die auch die gesamte Sozialpartnerschaft betrifft, denn wir werden nur im Miteinander mit der Arbeitnehmervertretung, mit den Wirtschaftsvertretungen die großen Fragen dieser Zeit beantworten können – ob es um die Frage geht, wie wir als Wirtschaftsstandort wieder wettbewerbsfähig werden, wie wir Jobs sichern können, den Wohlstand sichern können (Abg. Kassegger [FPÖ]: Nicht mit der Organisation, das ist ja wohl klar! Nicht mit einer Organisation aus dem 20. Jahrhundert!), den Sozialstaat erhalten können, wenn es darum geht, wie wir auch leistbare Energiepreise schaffen, jetzt mit dem Billigstromgesetz – das geht nur im Miteinander, mit den Sozialpartnern –, oder auch wenn es um die Frage geht, wie wir die Industrie mit der Industriestrategie in Österreich halten können. All diese Fragen gehen nur mit einer starken Sozialpartnerschaft (Abg. Kassegger [FPÖ]: Das ist ja genau der Irrglaube!), all diese Fragen gehen nur, wenn die Regierung zusammenhält, wenn die Opposition bereit ist, mitzumachen, und wenn es eine starke und gute Einbindung der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, der Unternehmerinnen und Unternehmer gibt. 

Was es jetzt nicht braucht, ist, das Miteinander infrage zu stellen, und was es jetzt nicht braucht, ist, die Notwendigkeit einer starken Interessenvertretung infrage zu stellen. Wir brauchen beides, wenn wir die großen Probleme lösen wollen: mehr Miteinander, mehr Einbindung. (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Belakowitsch [FPÖ]: Nicht einmal der ÖVP hat die Rede gefallen!)

9.25

Präsident Dr. Walter Rosenkranz: Ich mache darauf aufmerksam, dass die Redezeit aller weiteren Teilnehmer an der Aktuellen Stunde laut § 97a Abs. 6 der Geschäftsordnung 5 Minuten nicht übersteigen darf. 

Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Fürtbauer. Ich erteile es ihm. - Bitte, Herr Abgeordneter. 

RN/8

9.25

Abgeordneter Michael Fürtbauer (FPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! (Der Redner stellt eine Tafel mit der Aufschrift „Petition www.kammerreform.at“ auf das Rednerinnen- und Rednerpult.) Hohes Haus! Werte Zwangsmitglieder und Pflichtmitgliedsbeitragszahler irgendeiner Kammer in Österreich! Haben Sie sich schon einmal die Frage gestellt, warum dieses Kammersystem in Österreich so verteidigt wird, wie es verteidigt wird, ob es hier wirklich um die Interessen der einzelnen Berufsgruppen geht oder ob es um die üblichen Verdächtigen geht: Macht, Geld und Parteiinteresse? (Beifall bei der FPÖ.)

Ein kleiner Gedankenanstoß dazu: Die U.S. Chamber of Commerce ist die größte Wirtschaftsvertretung der Welt, vertritt drei Millionen Mitglieder und hat ein Budget von rund 200 Millionen Euro; die Wirtschaftskammer Österreich hat rund 600 000 Mitglieder und ein Budget von 1,3 Milliarden Euro. Das heißt, wir sind ungefähr fünfmal so klein und haben mehr als sechsmal so viel Geld wie diese Vertretung – und das Geld fließt in ein Funktionärsbiotop, das seinesgleichen sucht: zehn Präsidenten, 50 Vizepräsidenten, 3 000 Obleute, 6 000 Mitarbeiter, in Summe 13 000 Funktionäre.

Wer glaubt, dass es sich da um ein reines Wirtschaftskammerphänomen handelt, der irrt: In der Landwirtschaftskammer finden wir grundsätzlich dieselbe Struktur bis auf die Fachgruppen; bei den fast ausschließlich ÖVP-Spitzenfunktionären gibt es auch dort welche, die Ämter wie Briefmarken sammeln. Ein Beispiel dazu: Mag. Franz Waldenberger, seines Zeichens Bürgermeister von Pennewang, Präsident der Landwirtschaftskammer Oberösterreich, Ausschussobmann in der Landwirtschaftskammer Österreich, Obmannstellvertreter der SVS, Vorstandsmitglied im oberösterreichischen Raiffeisenverband, Aufsichtsrat der Österreichischen Hagelversicherung, Delegierter der österreichischen Wechselseitigen Versicherung – und von den ÖVP-Funktionen spreche ich noch gar nicht –: ein Mann, sieben Spitzenfunktionen, ohne Parteifunktionen. Meine Damen und Herren, das ist keine Interessenvertretung mehr, das ist ein geschlossener Funktionärsblock, oder wie man in der ÖVP zu sagen pflegt: Wir sind Familie. (Beifall bei der FPÖ.)

In der Arbeiterkammer achtet man dezidiert mehr auf die Work-Life-Balance: Präsidenten dürfen nur einen Job ausüben, dafür verdienen sie aber netto ungefähr so viel wie Prof. Mahrer mit seiner Wirtschaftskammer- und seiner Nationalbankfunktion zusammen, denn das sind 15 000 Euro, und das 14-mal. 

Wo könnte die Wirtschaftskammer bei sich entbürokratisieren, aber wo ist man leider Verhinderer? – Bei der Neukodifizierung der Gewerbeordnung, ein Gewerbeschein für alle freien Gewerbe, Abschaffung der Teilgewerbe, Abschaffung der Doppelmitgliedschaften, reglementierte Gewerbe nur mehr dort, wo Leib und Leben in Gefahr sind. Deutschland hat 50 reglementierte Gewerbe, Österreich hat noch immer 80 reglementierte Gewerbe, und warum Tapezierer und Dekorateure reglementiert sind, weiß wahrscheinlich nicht einmal Herr Egger. 

Und wenn die Vertreter der Wirtschaftskammer und der ÖVP ständig Worte wie: Leistung muss sich wieder lohnen! (Ruf bei der ÖVP: Ja!), und: Entbürokratisierung!, strapazieren, sollte man nicht vergessen, wer die bestimmenden Verhandler in diesem Bereich waren: für Budget Dr. Mahrer, damals Wirtschaftskammerpräsident; für Wirtschaft Dr. Hattmannsdorfer, damals Kurzzeit-Wirtschaftskammergeneralsekretär, Mag. Egger, Generalsekretär des Wirtschaftsbundes und der Gruppe Gewerbereform, Mag. Zehetner, damals Wirtschaftskammermitarbeiterin. Was ist der Output dieser geballten Verhandlungsmacht der Wirtschaftskammer? - Sie ist bis jetzt recht überschaubar: bei der Neuregelung des Trinkgeldes für Selbstständige – es gibt kein Trinkgeld; jeder Taxifahrer, jeder Würstelstandbesitzer ist voll abgabenpflichtig –; Kürzung der bislang schon lächerlichen Übergangsstundenbegünstigung von 18 Stunden 200 Euro auf zehn Stunden 120 Euro: Das nenne ich tatsächlich Förderung der Leistungswilligen. (Beifall bei der FPÖ.)

Und bei der Flattax haben sie anscheinend auf die Selbstständigen betreffend die Pensionisten völlig vergessen, sonst könnte sich der Herr Finanzminister nicht auf diese Position zurückziehen. Da sieht man ganz klar: Die Wirtschaftskammer vertritt nur die Funktionäre, nicht ihre Mitglieder.

Für die, die das noch immer nicht glauben wollen, habe ich ein wunderbares Bild mitgenommen. (Der Redner hält ein Foto, das Harald Mahrer, Karl Nehammer und Christian Stocker vor einer Österreich- und einer EU-Flagge stehend zeigt, in die Höhe.) Auf diesem Bild sieht man Herrn Prof. Mahrer, Bundeskanzler a. D. Nehammer und Bundeskanzler Stocker. (Zwischenruf des Abg. Marchetti [ÖVP].) 

Man glaubt es nicht: Heuer im Juni ist Herr Nehammer für Verdienste um die Wirtschaft ausgezeichnet worden. (Zwischenruf des Abg. Schnedlitz [FPÖ].) Heuer im Juni hat sich die Wirtschaftssituation ungefähr so dargestellt: hohe Inflation, hohe Neuverschuldung, hohe Arbeitslosigkeit, Rekorde an Neukonkursen, kein Wirtschaftswachstum. Auf den Punkt gebracht: Die Wirtschaft liegt am Boden. Und einer der Hauptverantwortlichen für diese Misere, einer, der den Österreichern hinsichtlich der Budgetsituation – wie sagt man richtig? – die Unwahrheit gesagt hat, wird noch mit einem Orden der Wirtschaftskammer geehrt. 

Da sieht man, wie Spitzenfunktionäre ticken: Der eine wird Professor, der andere bekommt einen Orden und den Zwangsmitgliedern bleibt der Weg zum Konkursrichter. (Beifall bei der FPÖ.)

Daher, meine Damen und Herren: Schluss mit der Zwangsmitgliedschaft, Schluss mit den Zwangsbeiträgen! Bitte unterstützen Sie unsere Petition, damit es endlich zu wirklichen Reformen kommt! – Danke. (Beifall bei der FPÖ.)

9.31

Präsident Dr. Walter Rosenkranz: Als nächster Redner zu Wort gemeldet: Herr Abgeordneter Marchetti. – Bitte, Herr Abgeordneter. 

RN/9

9.31

Abgeordneter Nico Marchetti (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Geschätzte Mitglieder der Bundesregierung! Ja, die letzten zwei Wochen waren sicher kein Ruhmesblatt. (Abg. Schnedlitz [FPÖ]: Ihr wollt noch ...! – Weitere Zwischenrufe bei der FPÖ.

Es ist auch nicht so, dass keine Konsequenzen gezogen worden wären. Ja, es gab gewisse Fehler, es gab Fehlentscheidungen, Fehleinschätzungen. (Abg. Belakowitsch [FPÖ]: Die ganze ÖVP ist ein Fehler!) Präsident Mahrer hat immerhin die größtmögliche Konsequenz gezogen und ist von seinen Funktionen zurückgetreten. (Abg. Kickl [FPÖ]: Aber erst mit einem langen Anlauf! – Abg. Belakowitsch [FPÖ]: Ja, aber das hat ein bissl gedauert!) Ich glaube, das kann man auch anerkennen, und im Sinne der Fehlerkultur kann man auch anerkennen, dass jemand zurücktritt, wenn etwas nicht gut gelaufen ist. (Abg. Schnedlitz [FPÖ]: Der Fehler ist nicht der Mahrer, sondern die ÖVP!) Das ist, glaube ich, in diesem Land noch erlaubt. (Beifall bei der ÖVP.)

Wenn ich mir anhöre, was Ihre Kritik ist, dann müsste zum Beispiel eigentlich auch der Vizepräsident der Wirtschaftskammer von der FPÖ, Herr Krenn, in der Sekunde zurücktreten, denn er hat bei diesen Dingen mitgestimmt (Abg. Kickl [FPÖ]: Einer von wie vielen?!), er war in den Gremien überall dabei. (Abg. Kickl [FPÖ]: Einer von wie vielen?!) Es wundert mich, warum Ihre Forderungen nach Konsequenzen immer nur auf andere abzielen und nie auf Sie selbst. Das könnte man im Sinne der Glaubwürdigkeit auch hinterfragen, liebe FPÖ. (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Kickl [FPÖ]: Einer von wie vielen?!)

Ich glaube, das Wichtige ist – das hat jetzt auch Nachfolgerin Martha Schultz gesagt –, dass man wirklich sagt: Okay, wo sind die Probleme, wo braucht die Kammer eine Reform? Das hat sie auch angekündigt, sie hat auch die Bezügeerhöhungen zurückgenommen, sie hat verstanden, sie hat die Zeichen der Zeit erkannt und wird diese Reformen im Sinne der Verbesserung der Wirtschaftskammer einleiten. 

Das ist halt der Unterschied zwischen Ihnen und uns: Uns ist es wichtig, dass man Dinge verbessert, reformiert. (Heiterkeit bei Abgeordneten der FPÖ.) Sie wollen sie einfach zerstören. (Abg. Kassegger [FPÖ]: Satire!) Das ist halt das eine; wir sehen das anders. (Beifall bei der ÖVP.)

Denn: Wie würde Österreich ohne Sozialpartnerschaft, ohne Kollektivverträge ausschauen? Das ist wichtig für den sozialen Frieden, genau da werden die kleinen Arbeiter vertreten (Abg. Belakowitsch [FPÖ]: Welchen sozialen Frieden?!), im Rahmen der Kollektivverträge werden sie geschützt. Lohnanpassungen werden am Verhandlungstisch und nicht auf der Straße ausgemacht. (Abg. Kickl [FPÖ]: Ja, die Welt geht unter ohne euch!) Das ist wichtig für Österreich und das will keiner, der es mit Österreich ernst meint, zerstören. Verbessern: ja, reformieren: ja – aber zerstören, liebe FPÖ, ist sicher nichts, was den Österreicherinnen und Österreichern etwas bringt. (Beifall bei der ÖVP.)

Warum ist es auch wichtig, eine starke Unternehmensvertretung zu haben? Ja, es sind keine leichten Zeiten, wir müssen in diesem Land viel tun. Am meisten geschmerzt hat, dass sich in den letzten Wochen die fleißigen Unternehmerinnen und Unternehmer nicht verstanden gefühlt haben. (Abg. Belakowitsch [FPÖ]: Die fühlen sich noch immer nicht verstanden!) Ja, das ist ein Problem, das tut mir auch persönlich sehr leid, denn wir brauchen sie, damit wir einen Aufschwung für dieses Land, für Österreich schaffen. 

Die Interessenvertretung braucht es auch, um zu guten Lösungen zu kommen, denn – und das muss ich Ihnen sagen – man kann zum Beispiel die US-Zölle nicht mit starken Facebook-Postings wegkickln. Man kann den Ukrainekrieg nicht mit starken Worten wegkickln. (Abg. Kickl [FPÖ]: Aber die ÖVP können wir wegkickln!) Man kann auch gewisse Probleme bei den Energiepreisen nicht wegkickln, sondern da braucht es handfeste Lösungen statt starker Worte. Da braucht es zum Beispiel für das Billigstromgesetz eine Zweidrittelmehrheit. (Abg. Kassegger [FPÖ]: Billigstromgesetz! ... Etikettenschwindel der Extraklasse!) Da braucht es handfeste Arbeit und nicht nur starke Worte, da braucht es das Übernehmen von Verantwortung (Abg. Kickl [FPÖ]: Eure Verantwortung sehen wir! Die sehen wir überall!) und nicht nur Kritik an anderen. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der SPÖ. – Abg. Kassegger [FPÖ]: Billigstromgesetz! ... ein Teuerstromgesetz!)

Weil auch die Gagen kritisiert werden: Herr Schnedlitz, Sie haben sich vorhin ganz selbstbewusst hergestellt und wieder der Welt erklärt, was alles sein muss. Sie verdienen laut Parlamentswebsite (Abg. Schnedlitz [FPÖ]: Weil ich Landwirt bin, einen Beruf ausübe, im Vergleich zu Ihnen! Das ist auch da dabei! So ist es! – Rufe bei der ÖVP: Oh! – Zwischenrufe bei der FPÖ) 22 000 Euro Steuergeld. Was ist Ihr Mehrwert für die Bürgerinnen und Bürger? Bei der Wirtschaftskammer gibt es ein Außenwirtschaftsservice, das bei Exporten unterstützt, da gibt es ein Rechtsservice, das Kollektivverträge verhandelt. Was ist Ihr Mehrwert? – Sie setzen sich in einer wirtschaftlich schwierigen Situation hin und posten auf Facebook eine Liste (Abg. Deimek [FPÖ]: Hörst du dir überhaupt zu?!), machen sich über ÖVP-Funktionäre lustig und beschreiben Rachegelüste. Anstatt sich hinzusetzen und den Entwurf für das Billigstromgesetz durchzulesen, für Mehrheiten in Ihrer Fraktion zu sorgen, machen Sie sich lustig und freuen sich, dass Elli Köstinger nicht mehr Ministerin ist, als würde das irgendeinem Österreicher, einer Österreicherin im Moment irgendetwas bringen! Das ist für 22 000 Euro auch eine schwache Leistung (Zwischenruf des Abg. Schnedlitz [FPÖ]), Herr Schnedlitz, muss ich sagen. (Beifall bei der ÖVP sowie bei Abgeordneten von SPÖ und NEOS.)

Wenn wir in der Politik wirklich etwas erreichen wollen, dann reicht es nicht, Schuldige zu suchen (Zwischenrufe bei der FPÖ), dann muss man nach Lösungen suchen, liebe FPÖ. (Ruf bei der FPÖ: Ja, Abschaffung der Zwangsgebühren, haben wir vorgeschlagen!) Lösungen brauchen wir hinsichtlich des Energiemarkts, das Billigstromgesetz hat die Regierung jetzt eingebracht (Abg. Kassegger [FPÖ]: Teuerstromgesetz!), da braucht es eine Zweidrittelmehrheit. Das ist ein Tag der Wahrheit, der zeigen wird, ob Sie wirklich nach Lösungen oder nur nach Schuldigen suchen. (Abg. Kassegger [FPÖ]: Teuerstromgesetz! – Abg. Darmann [FPÖ]: Eine Lösung wäre euer Rücktritt! Neuwahlen! – Abg. Kassegger [FPÖ]: Ihr macht Teuerstrompolitik!)

Wo ist die FPÖ bei anderen Initiativen, beim Kopftuchverbot et cetera? Wir werden sehen, ob Sie auch nach Lösungen suchen und nicht nur nach Schuldigen, ob Sie nicht nur schauen, wie Sie aus dem Elend der Menschen möglichst viele tolle Umfrageergebnisse und Wählerstimmen machen können, sondern es als Auftrag verstehen, dass wir gemeinsam Reformen angehen – mit den Bundesländern bei der Reformpartnerschaft, in diesem Haus bei Zweidrittelmaterien. Wir werden sehen, ob die FPÖ dabei ist oder ob sie nur ihre Rachegelüste auslebt, ob sie sich nur über andere lustig macht und sich freut, wenn es anderen schlecht geht. Das ist, glaube ich, nicht das, was Österreich weiterbringt. Wir werden sehen, wie Sie sich in den nächsten Wochen und Monaten im Parlament bei den Abstimmungen zu wichtigen Gesetzen, die wir auf Schiene bringen wollen, verhalten werden. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der SPÖ.)

9.36

RN/10

Präsident Dr. Walter Rosenkranz: Herr Abgeordneter Marchetti, ich weise nur darauf hin, dass man sich grundsätzlich darauf verständigt hat, dass man mit Familiennamen von Abgeordneten keine Verballhornungen macht; vielleicht für das nächste Mal. – Danke. (Rufe bei der ÖVP: Mein Gott!) – Da ich Unmut höre: Ich weise darauf hin, dass das tatsächlich die Übereinkunft aller Fraktionen ist. (Abg. Kickl [FPÖ]: Na, ich bin dem Marchetti eh nicht böse!)

Als Nächster zu Wort gemeldet: Herr Abgeordneter Binder. – Bitte schön. 

RN/11

9.37

Abgeordneter Reinhold Binder (SPÖ): Herr Präsident! Sehr geehrte Mitglieder der Bundesregierung! Sehr geehrte Damen und Herren auf der Galerie! Heute sind viele junge Menschen hier im Parlament – recht herzlich willkommen! Werte Zuseherinnen und Zuseher vor den Fernsehschirmen! Die FPÖ hat heute wieder das Thema für die Aktuelle Stunde vorgegeben und wie so oft geht es nicht um Lösungen, nicht um Verantwortung (Abg. Belakowitsch [FPÖ]: Finden Sie das gut, was in der Wirtschaftskammer abgeht?), sondern um das bewährte Muster: spalten, diskreditieren, Feindbilder erzeugen. (Abg. Kickl [FPÖ]: Machts nur weiter so! – Abg. Belakowitsch [FPÖ]: Finden Sie das wirklich gut, diese Gehaltserhöhungen?) 

Alles, bei dem die FPÖ nicht das Sagen hat, wird pauschal schlechtgeredet, Institutionen werden angegriffen (Abg. Belakowitsch [FPÖ]: Finden Sie das gerecht?) und Misstrauen wird gestreut. Das ist die politische Geschäftsgrundlage der Spalterpartei rund um Herbert Kickl. (Abg. Belakowitsch [FPÖ]: Glauben Sie, dass Ihre Wähler das auch so sehen, dass das gut ist?) 

Wenn die FPÖ heute von Zwangsfinanzierung spricht, dann ist das vor allem eines: ein Angriff auf alle gesetzlichen Interessenvertretungen (Abg. Kickl [FPÖ]: Das ist die Wahrheit!), wie die Landwirtschaftskammer, die Apothekerkammer (Abg. Belakowitsch [FPÖ]: Warum müssen Sie das zudecken?), die Arbeiterkammer, die Ärztekammer, die Rechtsanwaltskammer und die Notariatskammer. (Ruf bei der FPÖ: Um die geht’s ja nicht! Es geht ja um die Arbeiterkammer und die Wirtschaftskammer! – Abg. Kickl [FPÖ]: Und die Bauern! – Abg. Kassegger [FPÖ]: Und die Landwirtschaftskammer!) Sie greifen eben nicht nur die Wirtschaftskammer an, sondern Ihnen ist die gesamte Sozialpartnerschaft ein Dorn im Auge. 

Die österreichische Sozialpartnerschaft ist einer der Gründe dafür, dass wir seit Jahrzehnten eine stabilere Arbeitsmarktsituation, faire Löhne und bessere Fachkräfte als viele andere Länder haben. (Abg. Kassegger [FPÖ]: Totalversagen!) Das ist kein Zufall, sondern das Ergebnis gemeinsamer Verantwortung. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Die gesetzliche Mitgliedschaft ist kein Selbstzweck, sie ist die Voraussetzung dafür, dass unser wirtschaftliches System fair, stabil und wettbewerbsfähig ist. (Abg. Belakowitsch [FPÖ]: Machts weiter! – Abg. Kassegger [FPÖ]: Das wird nichts mehr!) Wer die gesetzliche Mitgliedschaft abschaffen möchte – was die Freiheitlichen wollen (Abg. Belakowitsch [FPÖ]: Ja!) –, möchte den sozialen Frieden im Land zu Grabe tragen (Zwischenruf des Abg. Schnedlitz [FPÖ]) und eine Abwärtsspirale der Löhne, Gehälter und Gagen in Gang setzen. (Beifall bei der SPÖ. – Ruf bei der FPÖ: Vor allem in den Chefetagen! ... 20 000 Euro!)

Zur Sache: Die FPÖ attackiert heute die Finanzierung der Wirtschaftskammer. Die Wahrheit ist aber: 

Erstens: Die gesetzliche Mitgliedschaft sichert die Kollektivverträge der Menschen in unserem Land. Ohne Pflichtmitgliedschaft gäbe es keine einheitliche Vertretung aller Betriebe (Abg. Kickl [FPÖ]: Die Welt würde zusammenbrechen!) und ohne diese Einheitlichkeit gäbe es keine österreichische Sozialpartnerschaft, die in Europa ihresgleichen sucht. (Abg. Kickl [FPÖ]: Schaffts den ÖGB ab!) Wir sind stolz darauf, dass 98 Prozent der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer durch einen Kollektivvertrag geschützt sind. (Beifall bei der SPÖ sowie des Abg. Wöginger [ÖVP].)

Gerade für ehrliche Unternehmerinnen und Unternehmer ist es entscheidend, dass gleiche Regeln für alle gelten. Kollektivverträge sorgen für fairen Wettbewerb, Planungssicherheit und branchenspezifische Lösungen, sie schützen vor Lohndumping und sorgen auch dafür, dass sich niemand aus der Verantwortung stiehlt.

Die Kickl-FPÖ möchte also die finanzielle Grundlage der Menschen abschaffen (Abg. Kassegger [FPÖ]: Nein, nicht der Menschen, der Funktionäre! Das ist was anderes!), und weil wir uns Richtung Weihnachten bewegen: Das Urlaubs- und Weihnachtsgeld würden sie dafür auch noch in Gefahr bringen. (Abg. Belakowitsch [FPÖ]: Nein, wir nicht! Das seid schon ihr, die ...!)

Zweitens: Die Wirtschaftskammer macht einen ordentlichen Job, wenn es um die Unterstützung der Exportwirtschaft geht. Die Außenwirtschaft in der Wirtschaftskammer unterstützt tagtäglich Tausende Unternehmen auf internationalen Märkten (Zwischenrufe bei der FPÖ), von Exportberatung bis hin zu Handelsdelegationen. (Zwischenruf des Abg. Deimek [FPÖ].) Dieser Beitrag ist nicht nur wichtig, er ist entscheidend für Wohlstand und Beschäftigung in Österreich! (Beifall bei Abgeordneten der ÖVP.)

Wer das wie die FPÖ schlechtredet, gefährdet letztlich Arbeitsplätze und Wertschöpfung in unserem Land. (Zwischenruf des Abg. Schnedlitz [FPÖ].)

Drittens: Wir sprechen heute über Selbstverwaltung, und ja, das ist ein Grundprinzip. Ja, es sind sehr viele Fehler passiert. Wenn Unternehmerinnen und Unternehmer unzufrieden sind, dann muss sich die Wirtschaftskammer selbst reformieren, und das wird auch passieren müssen. (Abg. Kassegger [FPÖ]: Passiert aber nicht!) Das ist gelebte Selbstverwaltung und keine Aufgabe für populistische Schlagzeilen, sondern für verantwortungsvolle Politik. (Abg. Deimek [FPÖ]: Was hat Selbstverwaltung mit Zwangsmitgliedschaft zu tun?)

Die FPÖ versucht heute, ein Feindbild zu zeichnen, aber die Wahrheit ist: Österreichs Sozialpartner sorgen für Beratung, Weiterbildung, Chancen, Rechtssicherheit und für ein besonderes Service, das fairen Wettbewerb garantiert. Wer das zerstören will, liefert unser Land dem absoluten Chaos aus! (Heiterkeit bei Abgeordneten der FPÖ.)

Wir als SPÖ stehen für Ordnung, Planbarkeit und faire Rahmenbedingungen für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer genauso wie für Unternehmerinnen und Unternehmer, die Verantwortung übernehmen. – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP. – Abg. Steiner [FPÖ]: Ganz schlecht abgelesen!)

9.41

Präsident Dr. Walter Rosenkranz: Als Nächster zu Wort gemeldet: Herr Klubobmann Shetty. – Bitte, Herr Klubobmann. (Ruf bei der FPÖ: Jetzt bin ich gespannt, was von den NEOS kommt! – Abg. Kassegger [FPÖ]: Was sagen die NEOS zum Zwangskammerstaat? – Abg. Belakowitsch [FPÖ]: Sind jetzt auch dafür! Wegen dem Frieden wäre es!)

RN/12

9.42

Abgeordneter Mag. Yannick Shetty (NEOS): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Minister! Frau Staatssekretärin! Liebe Zuseherinnen, liebe Zuseher! Viele in der Kammer sprechen jetzt von einer Neiddebatte. Verstehen Sie mich nicht falsch, ich glaube, wir haben in Österreich ein Problem mit Neiddebatten; meistens dann, wenn Politiker im geschützten Bereich gegen erfolgreiche Unternehmerinnen und Unternehmer giften, weil sie es mit ihrer Leistung weit gebracht haben. Das ist Neid! (Beifall bei den NEOS.)

Hier ist es aber, meine sehr geehrten Damen und Herren, ja genau umgekehrt. Mit dem Geld der fleißigen Unternehmerin, des fleißigen Unternehmers finanziert der geschützte Bereich für sich selbst unangemessene Lohnerhöhungen und fette Funktionärsbezüge. (Abg. Kassegger [FPÖ]: Stimmt!) Das, sehr geehrte Damen und Herren, ist kein Neid! Das ist berechtigter Zorn der fleißigen Menschen in diesem Land darüber, wie man mit ihrem Geld umgeht. Das ist keine Neiddebatte! (Ruf bei der FPÖ: Was heißt das jetzt? Kündigt ihr jetzt die Koalition auf, oder was?!)

Das ist auch das Ergebnis dessen, was wir seit vielen Jahren kritisieren (Abg. Belakowitsch [FPÖ]: Aber?): Wenn man den Menschen die Mitgliedschaft in einer Kammer aufzwingt, braucht sich diese nicht um sie zu bemühen. Es ist kein Wunder, wenn dadurch verursacht wird, dass die Kammerführung sich nicht mehr spürt. Denn wenn sich eine Organisation nicht mehr um ihre Mitglieder kümmern muss, egal ob Wirtschaftskammer, irgendein Fußballverein oder sonst jemand, dann hebt sie ab.

Ich möchte Ihnen auch ein Beispiel einer Organisation bringen, die uns nicht nahesteht. Der ÖGB ist ein Verein, der, wenn ich richtig informiert bin, in den vergangenen Jahren steigende Mitgliederzahlen hatte, der erfolgreiche Arbeit macht, der ohne Zwangsmitgliedschaft funktioniert. Man kann, wenn man gute Arbeit macht, auch ohne Zwang Mitglieder anwerben. (Beifall bei den NEOS sowie der Abg. Erasim [SPÖ].)

Ich möchte aber jetzt nicht länger über Dinge reden, die wir hier, jetzt und heute nicht ändern können. Unsere Position ist bekannt: die Abschaffung der Zwangsmitgliedschaft. Es gibt keine Mehrheit dafür, weil nur zwei Parteien hier im Parlament dafür sind, die FPÖ und wir NEOS. Die FPÖ hat es, glaube ich, in ihrer Regierungsbeteiligung auch nicht ansatzweise dazu gebracht (Abg. Belakowitsch [FPÖ]: Ihr allerdings auch nicht!), nicht einmal im Regierungsprogramm ist auch nur ein Beistrich dazu gestanden. (Abg. Kaniak [FPÖ]: Das ist bei euch im Regierungsprogramm! – Abg. Belakowitsch [FPÖ]: Werdet ihr das schaffen?) Aber reden wir jetzt über Dinge, die wir hier und jetzt realistisch ändern können.

Da möchte ich zuerst auf die sogenannte Kammerumlage 2 kommen. Verehrte Zuseherinnen und Zuseher, zum Verständnis: Die Kammer wird durch mehrere Abgaben finanziert, und darunter ist die Kammerumlage 2. Das ist eine Kammersteuer, die 1979 als Krisenabgabe eingeführt wurde, eine Abgabe für schlechte Zeiten. 50 Jahre später wurde die Krisenabgabe zur Dauerbelastung, und ich möchte Ihnen das kurz illustrieren. (Der Redner hält eine Tafel in die Höhe, auf der das „Wachstum der Kammerumlagen in der WKÖ“ in Form eines Kurvendiagramms abgebildet ist.) Das Wachstum der Kammerumlagen in der Wirtschaftskammer: Hier in Schwarz sehen Sie die Inflation, hier in Blau sehen Sie, wie sich die Kammerumlage 2 entwickelt hat. (Abg. Kickl [FPÖ]: Sieht man nicht!) Die Krisenabgabe ist zu einer Dauerbelastung geworden und zu einer realen Dauerbelastung, weil sie dauernd über der Inflation erhöht wurde, und das ist nicht in Ordnung, sehr geehrte Damen und Herren! (Beifall bei den NEOS.)

Wegen dieser Sache sitzt die Wirtschaftskammer in einer Zeit der wirtschaftlichen Krise auf Rücklagen von 2 Milliarden Euro. Deswegen unterstützen wir die wenigen Reformkräfte in der Wirtschaftskammer, die jetzt als ersten Schritt eine Gesamtreform der Kammer fordern, die Kammerumlage 2 abzuschaffen. Das wäre ein richtiger Schritt, und die Kammer könnte es ganz alleine machen, es braucht keine Gesetzesänderung dafür. (Beifall bei den NEOS.)

Jetzt möchte ich aber gerne noch kurz abschließend auf Herrn Schnedlitz und die Kollegen von der FPÖ zu sprechen kommen, die dieses Thema der Aktuelle Stunde hier verlangt haben; zu Recht, es ist ein aktuelles Thema, das die Menschen beschäftigt.

Kollege Schnedlitz hat hier ganz groß geredet. Ich habe mir aufgeschrieben: fette Bonzen, Gagenkaiser. Jetzt haben wir uns angeschaut: Wer hat denn in der Kammer eigentlich für diese fetten Bonzen und Gagenkaiser – Ihre Worte – gestimmt? (Der Redner hält eine Tafel mit einer Infografik mit dem Text „WKO Gehaltserhöhung“ „Freiheitlichen dafür!“ in die Höhe.) – Siehe da, das waren Schwarz und Rot, das ist ja bekannt, und Blau! Und Blau! (Beifall bei den NEOS. – Rufe bei den NEOS und bei Abgeordneten der ÖVP: Oh!)

Genau das ist es! Herr Kickl, warum sind Sie so leise? Normalerweise ist da in der ersten Reihe ja ein Dauergeschrei bei Reden der anderen Parteien. (Zwischenruf des Abg. Pöttinger [ÖVP].) Sie sind deswegen leise, Herr Kickl, weil Sie ganz genau wissen: Sie sind nur dann gegen den Futtertrog, wenn Sie nicht selber an ihm hängen (die Tafel neuerlich in die Höhe haltend), und das ist der Beweis dafür. (Beifall bei den NEOS. – Zwischenruf des Abg. Kickl [FPÖ].

Herr Kickl, Herr Schnedlitz, na ja, was sind denn Ihre Gegenargumente? Ich höre. (Abg. Kassegger [FPÖ]: Aber bei den Futtertrögen seid ihr ...! Abg. Kickl [FPÖ]: ... ganz einfach!) Ich bin ja offen. Ich bin ja offen für Gegenargumente, aber ich glaube, Fakten (die Tafel neuerlich in die Höhe haltend) kann man nicht negieren, und die werden auch nicht von Ihnen negiert. (Abg. Kickl [FPÖ]: ... bissel eine verzerrte Darstellung!)

Sehr geehrte Damen und Herren, sobald die FPÖ am Geldautomatenverteiler sitzt, drückt sie die Cash-Taste. Das war so, das ist so, und das wird immer so bleiben, und das (die Tafel neuerlich in die Höhe haltend) ist der Beweis dafür, neben vielen anderen, Herr Kickl! (Beifall bei den NEOS. – Abg. Kickl [FPÖ]: Falsche Grafik!)

Präsident Dr. Walter Rosenkranz: Bitte zum Schlusssatz kommen!

Abgeordneter Mag. Yannick Shetty (fortsetzend): Herr Präsident, ich komme zu meinem Schlusssatz: Die Unternehmerinnen und Unternehmer haben eine schlanke, transparente und faire Kammer verdient. Jetzt ist die Zeit für eine umfassende Kammerreform. Die Kammerumlage 2 könnte man jederzeit abschaffen. Die Menschen erwarten sich das. (Abg. Kassegger [FPÖ]: Ihr seid in der Regierung!) Sehr geehrte Wirtschaftskammer, bitte entscheiden Sie im Sinne Ihrer Mitglieder! (Abg. Kassegger [FPÖ]: Ihr seid in der Regierung! Mach was!) – Vielen Dank. (Beifall bei den NEOS.)

9.47

Präsident Dr. Walter Rosenkranz: Als Nächste zu Wort gemeldet: Frau Klubobfrau Gewessler. – Bitte, Frau Klubobfrau.

RN/13

9.47

Abgeordnete Leonore Gewessler, BA (Grüne): Herzlichen Dank, Herr Präsident! Werter Herr Minister! Frau Staatssekretärin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuseherinnen und Zuseher! Das Schauspiel, das sich diesem Land, den Unternehmern, den Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern in den letzten Wochen geboten hat, ist unwürdig, und ich glaube, diesem Befund wird heute hier auch niemand widersprechen. (Zwischenruf des Abg. Oberhofer [NEOS].)

Ja, da geht es um mehr als die überhöhten Gehaltsabschlüsse in der Kammer, während alle anderen angehalten werden zu verzichten. Da geht es um mehr als die fetten Gehälter in den Landeskammern für die Direktoren; da geht es um das Sittenbild, das die Wirtschaftskammer abgegeben hat, das Bild einer Organisation, ich kann es nicht anders sagen, die die Bodenhaftung verloren hat, die das Gespür für ihre Mitglieder verloren hat. Und deswegen sage ich auch: Dass jetzt Konsequenzen gezogen wurden, ist richtig, dass Verantwortung übernommen wurde, auch. Ich bin aber überzeugt: Damit allein ist es nicht getan, denn Vertrauen zu zerschlagen, das ist einfach, aber Vertrauen zurückzugewinnen, ist viel Arbeit, und genau deswegen braucht es jetzt einen Neustart in der Wirtschaftskammer! (Beifall bei den Grünen.)

Es braucht einen Neustart, der die wesentlichen Dinge in den Mittelpunkt stellt, und zwar nicht um der Kammer willen – ich weiß nicht, ob sie mir so am Herzen liegt; nicht um der Kammer willen –, sondern um der vielen Unternehmerinnen und Unternehmer willen in diesem Land, die mir am Herzen liegen, die Unternehmerinnen und Unternehmer, die sich gerade in wirtschaftlich schwierigen Zeiten eine gute und verlässliche Interessenvertretung verdient haben. Die Interessen dieser Unternehmerinnen und Unternehmer – und eben nicht die Interessen der Funktionäre in der Kammer – müssen im Mittelpunkt dieses Neustarts stehen! (Beifall bei den Grünen.)

Von selbst wird das nicht gehen, vom Zuwarten auch nicht, auch nicht allein mit einem neuen Gesicht an der Spitze. Was es braucht, ist Veränderung. Was es braucht, ist erstens die Abschaffung der Kammerumlage 2 (Abg. Kassegger [FPÖ]: Wird nicht passieren!), damit die Mitglieder von geringeren Beiträgen profitieren, Stichwort Lohnnebenkostensenkung. Lieber Kollege Shetty, es liegt ein fertiger Antrag im Parlament, ihr habt ihn vertagt, ihr könntet ihm zustimmen: Abschaffung der Kammerumlage 2.

Zweitens: Verschlankung der Strukturen. (Abg. Kassegger [FPÖ]: Das wird nicht passieren!) Da ist in den letzten Jahren ein Wildwuchs passiert, der niemandem mehr rational zu erklären ist.

Und drittens: Mut zur Bodenhaftung! (Abg. Kassegger [FPÖ]: Wieder einmal die Ursache der Probleme nicht erkannt! Ursache ist die Zwangsmitgliedschaft! Einfachste Ursache-Wirkungs-Zusammenhänge nicht erkannt!) Mir kommt vor, da ist in manchen Bereichen wirklich das Bewusstsein dafür verloren gegangen, dass die Kammer für die Wirtschaft da ist und nicht die Wirtschaft für die Kammer. (Beifall bei den Grünen.)

Lassen Sie mich aber auch eines unterstreichen: Wir Grüne sind überzeugt davon, dass die Wirtschaft eine ordentliche Vertretung verdient hat. Wir halten zum Konzept Sozialpartnerschaft, wir bekennen uns dazu. Und ja, wir sind überzeugt davon, dass auch viel Vernünftiges herausschauen kann, wenn alle ihre Verantwortung übernehmen, dass viel Vernünftiges herausschauen kann, wenn alle ihre Hausaufgaben machen und sich der Verantwortung auch bewusst sind.

Genau das unterscheidet uns auch von der FPÖ, die heute wieder einmal – einmal mehr – zerstören und nicht aufbauen will, weil – nun auch von mir noch ein paar Worte zu Ihnen, liebe Kolleginnen und Kollegen von der FPÖ (Ruf bei der FPÖ: Wir wollen Sümpfe trockenlegen!) – heute wieder einmal sehr auffällig ist, wie Sie sich hier herausstellen, entschlossen von allen anderen Dinge fordern und einfordern, bei denen Sie bei sich selbst überhaupt nicht so streng sind, denn: Wo war denn die FPÖ? – Sie war nicht nur dabei, sondern mittendrin. Wenn Sie sich nämlich heute hier herausstellen und wortgewaltig gegen die Gehaltserhöhungen wettern, dann tun Sie das als Vertreterinnen und Vertreter einer Partei, die in der Vergangenheit immer mittendrin war.

Was war denn letztes Jahr? – Es gab fette Gehaltserhöhungen für die Landespolitiker:innen der FPÖ! (Abg. Kickl [FPÖ]: Sie hätten es in der Hand gehabt, das zu ändern!) Na, was war letztes Jahr? Denken wir an Parteichef Strache, der die Parteiförderung schamlos in die eigene Tasche gesteckt hat, und denken wir an die Grazer Parteikollegen, gegen die gerade in einem Finanzskandal ermittelt wird. (Beifall bei den Grünen. – Abg. Kassegger [FPÖ]: Ermittelt! Ermittelt!) 

Sie predigen Wasser und trinken Wein, und das müssen Sie sich auch vorwerfen lassen und das sollen die Menschen, die heute hier zusehen, auch wissen. (Beifall bei den Grünen.)

Sehr geehrte Damen und Herren! Glaubwürdigkeit in der Politik ist eine wichtige Währung. Diese Glaubwürdigkeit hat die Wirtschaftskammer in den letzten Tagen und Wochen aufs Spiel gesetzt, und ja, sie wäre gut beraten, sie sich in aller Demut wieder zu erarbeiten, nicht als Selbstzweck, sondern für die österreichische Wirtschaft und alle Wirtschaftstreibenden in diesem Land, mit konkreten Reformen, mit mutigen Taten, nicht nur mit Gerede. Glaubwürdigkeit sollten aber auch Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen von der FPÖ, vielleicht wieder einmal suchen und sich danach umsehen, denn wenn es darum geht, die Taschen mit fremdem Geld vollzufüllen (Abg. Kickl [FPÖ]: Machts euch das mit dem ÖAAB aus, untereinander!), da fehlt es in Ihren Reihen ganz besonders. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

9.52

Präsident Dr. Walter Rosenkranz: Als Nächster zu Wort gemeldet: Herr Klubobmann Kickl. – Bitte, Herr Klubobmann.

RN/14

9.52

Abgeordneter Herbert Kickl (FPÖ): Danke schön, Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Meine Damen und Herren auf der Regierungsbank! Ja, der Herr Wirtschaftsminister hat sich ja heute, ich möchte jetzt sagen, als Fanboy – könnte man sagen – oder als Verteidiger des Kammerbonzentums Marke Mahrer, oder eigentlich ÖVP-Wirtschaftsbund, geoutet. Ich finde das sehr bedauerlich, denn das, was Sie heute hier gesagt haben, und das, was Vertreter Ihrer Partei hier nicht zum Besten, sondern zum Schlechtesten gegeben haben, zeigt mir, dass Sie, glaube ich, nicht einmal ansatzweise eine Ahnung davon haben, wie dreckig es der österreichischen Wirtschaft geht. (Beifall bei der FPÖ.)

Wir haben eine Pleitewelle, die sich gewaschen hat. Unternehmen aus allen Bereichen bauen Arbeitsplätze ab. Familienbetriebe, die über Generationen erfolgreich gewesen sind, machen dicht. Die exportierenden Betriebe sind auf den Märkten nicht mehr konkurrenzfähig, ganz einfach deshalb, weil Sie diesen Unternehmen einen riesengroßen Rucksack umhängen, voll mit Vorschriften, mit irgendwelchen sinnlosen Regelungen, mit Inflationsfolgen und mit viel zu teurer Energie – und dann fordern Sie von diesen Unternehmen, sie sollen mit diesem Rucksack genauso schnell und wendig sein wie ihre Konkurrenten; ein Ding der Unmöglichkeit.

Es hat sich vielleicht auch noch nicht bis zu Ihnen herumgesprochen, dass 70 bis 80 Prozent der Unternehmen in Österreich sagen, dass sie nicht mehr bereit sind, hier an diesem Standort zu investieren. Und ich weiß nicht, ob Sie es schon mitbekommen haben, dass die Wirtschaft insgesamt in einer katastrophal schlechten Stimmung ist – besonders trist ist es gegenwärtig im Bereich des Hochbaus und der Industrie, und da reden wir gerade von 600 000 Beschäftigten. 

Das, was mit dem, was ich sage, zum Ausdruck kommt, ist nichts anderes als ein gigantischer Vertrauensverlust in die politischen Entscheider, ein gigantischer Vertrauensverlust in Sie, in diese Verliererkoalition, die ja angetreten ist, um das Land aus der Krise zu führen; den Zustand habe ich Ihnen geschildert. – Das heißt im Übrigen für Sie, Verantwortung dafür zu übernehmen, solche Zustände herbeizuführen. (Abg. Shetty [NEOS]: Sie wollten ja keine Verantwortung übernehmen!)

Und zur Bestätigung – als ob es noch eine gebraucht hätte – versemmeln Sie dann auch noch Ihr eigenes Doppelbudget. Nach ein paar Monaten ist schon alles Makulatur, was Sie da in Richtung Brüssel auf den Weg geschickt haben. Die Schulden explodieren trotz dieses gigantischen Belastungspakets. (Zwischenrufe bei den Grünen.) Und das Ganze wird zur Folge haben, dass die Ratingagenturen Österreich herabstufen und dass wir für unsere Staatsschulden noch mehr zahlen müssen – und das wird zur Folge haben, dass die nächste Belastungskeule kommt. (Beifall bei der FPÖ.)

Das bedeutet nichts anderes, als dass Sie sozusagen Gift in den österreichischen Wirtschaftsstandort hineinschütten. Das Ganze ist Gift für Investitionen, Gift für den Konsum und Gift für das Wirtschaftswachstum.

Jetzt möchte man meinen, dass in einer solchen Situation die Köpfe in der Wirtschaftskammer, wo die selbsternannte wirtschaftspolitische Funktionärselite beieinandersitzt, Tag und Nacht rauchen, und zwar dahin gehend, wie man für die leidgeprüfte Wirtschaft einen Befreiungsschlag setzen kann, wie man dieses Herz-Kreislauf-System des Staates wieder in Gang bringt. Das möchte man meinen. Das wäre im Übrigen auch ihr Auftrag und ihre Verpflichtung, denn dafür haben Sie ja die Zwangsmitgliedschaft und das ganze Kammersystem in die Verfassung hineinschreiben lassen, damit Sie da sozusagen abgesichert Schutzgeld von den Betrieben kassieren können.

Im Jahr 2007 ist dieser Sündenfall passiert, und Sie haben damit argumentiert, dass diese Kammern eine ganz wesentliche Bedeutung für den Staat haben. Nein, meine Damen und Herren, sie haben eine wesentliche Bedeutung für die Systemparteien, für SPÖ und ÖVP. Das ist die Bedeutung der Kammern! (Beifall bei der FPÖ.) 

Die Leute wissen, die Menschen wissen, dass dort, wo Selbstverwaltung draufsteht, Selbstbedienung drinnen ist. Das ist der Zustand, den wir in der Zwischenzeit erreicht haben, und genau dieses System verhindert jede Dynamisierung und jede vernünftige Reform in Österreich. (Beifall bei der FPÖ.)

In Krisenzeiten zeigt sich das, denn die Köpfe rauchen dort nicht für die Unternehmen, sondern für sich selber, die rauchen dafür, wie man sich unanständige Gagenerhöhungen genehmigt. Und wenn man dann auffliegt, dann rauchen sie dafür, wie man es vertuschen kann, und wenn das dann auch noch scheitert, dann rauchen sie dafür, wie man Konsequenzen ziehen kann, die keine sind – das war der Rückzug von Herrn Mahrer, aber nicht aus der Wirtschaftskammer –, und wenn das auch nicht reicht und der Druck dann weiter steigt, dann rauchen die Köpfe dafür, wie man anderen die Schuld zuschieben kann, wie man sich selbst aus der Affäre zieht und wie man Zeit gewinnen kann, damit alles so weitergeht wie bisher. Dafür rauchen die Köpfe in der Wirtschaftskammer! (Beifall bei der FPÖ.) 

Es gibt nur eine logische Konsequenz aus diesen ganzen Ereignissen, und die heißt: Weg mit der Zwangsmitgliedschaft – das ist ja ganz, ganz einfach –, weg mit einem Zustand, in dem sich die Kammern ja selber aus den Regeln des Wettbewerbs herausnehmen, unter denen die Unternehmen arbeiten müssen, die sie angeblich vertreten.

Diese seltsame Logik, wie das funktionieren soll, müssen Sie mir jetzt einmal erklären! (Abg. Michael Hammer [ÖVP]: Das hätt’ der Linder auch so gut hingebracht!) Nur das Ende dieses Zwangs ist der Beginn einer echten Reform – ganz einfach deshalb, weil nur dann Druck entsteht, wenn sie das Geld selber verdienen müssen, wenn sie mit ihrer Leistung die Unternehmer überzeugen können und die das Geld dann freiwillig zahlen. Ich verstehe ja nicht, wovor sie sich fürchten, wenn sie so stark und so schlagkräftig sind, wie sie immer behaupten. (Beifall bei der FPÖ.)

Präsident Dr. Walter Rosenkranz: Bitte zum Schlusssatz kommen.

Abgeordneter Herbert Kickl (fortsetzend): Die Leute würden ihnen in Scharen zulaufen, wenn es so ist – und wenn es nicht so ist, dann haben sie keinen Cent von den Unternehmen verdient. 

Nehmen Sie zur Kenntnis – Schlusssatz –: Das System des Kammerzwangs ist genauso aus der Zeit gefallen (Abg. Marchetti [ÖVP]: Tritt der Krenn jetzt zurück oder nicht?) wie die Systemparteien als solche. (Beifall bei der FPÖ. – Abg. Michael Hammer [ÖVP]: Da hättet ihr den Max Linder auch lassen können ...! – Abg. Kassegger [FPÖ]: Wieder einmal eine qualifizierte Wortmeldung vom Kollegen Hammer! – Abg. Kickl [FPÖ]: Ich glaub’, der kriegt ein Geld für jeden depperten Zwischenruf!)

9.58

Präsident Dr. Walter Rosenkranz: Als Nächster zu Wort gemeldet: Herr Abgeordneter Pöttinger. – Bitte, Herr Abgeordneter, Sie sind am Wort.

RN/15

9.58

Abgeordneter Laurenz Pöttinger (ÖVP): Danke, Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuseherinnen und Zuseher! Herr Klubobmann Kickl, wie erklären Sie Ihre Rede Ihren eigenen Funktionären? (Abg. Kickl [FPÖ]: Das lass’ meine Sorge sein!) Wie machen Sie das jetzt? Müssen die alle zurücktreten? (Abg. Kickl [FPÖ]: So viele sind es ja nicht!) Ist das Ihr Ziel? Muss Matthias Krenn als Vizepräsident aufhören? Muss er als Bürgermeister von Bad Kleinkirchheim zurücktreten, weil er mitgestimmt hat? (Abg. Kickl [FPÖ]: Als Bürgermeister nicht!) – Als Bürgermeister nicht? Das heißt, er muss als Vizepräsident zurücktreten, und alle Ihre Funktionäre.

Wissen Sie eigentlich, was Funktionäre der Wirtschaftskammer sind? Das sind Unternehmerinnen und Unternehmer (Ruf bei der FPÖ: Banditen! – Heiterkeit bei Abgeordneten der FPÖ), die sich freiwillig für eine Interessenvertretung engagieren. So schaut’s aus, ja! (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Kickl [FPÖ]: Ach so? Das freiwillige Engagement ist dann 10 000, 15 000 Euro wert, freiwillig! – Rufe bei der FPÖ: Freiwillig! ... Freiwilligkeit!)

Es ist wirklich unglaublich. Ich sage Ihnen eines: Ein Bezirksobmann verdient netto für sein Engagement - - Was schätzen Sie? (Abg. Kickl [FPÖ]: Jetzt reden wir von den großen Köpfen! Wir reden von Mahrer und Co!) Was, schätzen Sie, bekommt ein Bezirksobmann (Abg. Scherak [NEOS] – erheitert –: Wir brauchen keinen Bezirksobmann!), der sicher zwischen 50 und 100 Stunden für seine Arbeit für die Wirtschaftskammer verwendet (Abg. Kickl [FPÖ]: Ja, was der sich denkt bei dem, was da oben aufgeführt wird!), an Aufwandsentschädigung? Was glauben Sie? Sie wissen es ja nicht einmal (Abg. Kickl [FPÖ]: Ich sag’ Ihnen eines: Das sind die, die auch darunter leiden, was oben aufgeführt wird!), weil Sie so weit auf dieser Höhe fliegen, ein Einkommen haben, das sich gewaschen hat! Und glauben Sie, dass die Bevölkerung auch meint, dass Ihr Verdienst gerechtfertigt ist? – Ich glaube nicht. (Abg. Kickl [FPÖ]: Na ja, wenn ich mir die Umfragen anschaue: mehr als Ihrer!)

Herr Schnedlitz, mit 22 000 Euro, fragen Sie einmal die Leute draußen! – Sie haben heute eine Neiddiskussion begonnen, die ihresgleichen sucht. Ja, Herr Abgeordneter Shetty, ich sage trotzdem, es ist eine Neiddiskussion, weil: Was soll das sonst sein? Es gibt eine Wirtschaftskammer, eine Selbstverwaltung, wo sich Unternehmerinnen und Unternehmer für sich, für ihre eigenen Branchen einsetzen (Zwischenruf der Abg. Tomaselli [Grüne]) – und Sie machen hier ein Schauspiel, das seinesgleichen sucht. Ich finde es unglaublich. (Zwischenruf des Abg. Koza [Grüne].)

Und ich sage an dieser Stelle auch eines: Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Wirtschaftskammer machen einen unglaublich tollen Job, und das haben sie sich nicht verdient, was hier abgeht. (Beifall bei der ÖVP.)

Meine Damen und Herren, entschuldigen Sie die Emotionen (Abg. Steiner [FPÖ]: Aber er verteidigt sein Bonzentum voller Inbrunst!), aber als Unternehmer weiß ich ganz genau – ich habe es mir angesehen –, wie viel ich für die Wirtschaftskammer zahle. Ja, es gibt eine Pflichtmitgliedschaft. Warum und wieso? – Ich sehe es als Versicherungsleistung. Da gibt es eine Versicherungsgemeinschaft, und da zahlt jeder ein. Und ja, es gibt tolle Leistungen, Sie müssen sie nur abholen bei der Wirtschaftskammer, und Sie werden gut beraten. Es wird dort ein toller Job gemacht, egal ob in den Bezirksstellen, in den Landesstellen oder auch in der WKO. (Abg. Kickl [FPÖ]: Warum brauchen Sie dann die Zwangsmitgliedschaft, wenn eh alles so toll ist?) 

Jetzt sage ich Ihnen auch, wie viel ich zahle, ich habe mir das angeschaut – als Unternehmer müssen wir alle Zahlen durchleuchten – und mir die Frage gestellt: Ist es das wert, bei der Wirtschaftskammer dabei zu sein, ja oder nein? Was glauben Sie - - (Abg. Kickl [FPÖ]: Das soll jeder selbst entscheiden, nicht Sie!) – Ja, genau, und dann funktioniert aber - - Wenn Sie sagen, jeder soll selbst entscheiden, dann würde dieser Beitrag explodieren (Zwischenrufe bei der FPÖ), und ich müsste wahrscheinlich statt 18 Euro pro Mitarbeiter wesentlich mehr zahlen. Ja, die Einpersonenunternehmen, die Klein- und Mittelbetriebe profitieren von diesem System auf alle Fälle. (Beifall bei der ÖVP. – Zwischenrufe bei der FPÖ.) 

Ich habe einen Betrieb mit ungefähr 30 Mitarbeitern. Ich zahle 18 Euro pro Monat pro Mitarbeiter. Ich weiß schon, dass das nicht bei allen Betrieben gleich ist, weil auch der Umsatz eine Rolle spielt, aber in Summe gesehen sind es bei mir 6 500 Euro im Jahr. Und ich selbst habe mir die Frage gestellt – es ist ja legitim, einmal darüber nachzudenken: wofür gebe ich mein Geld überhaupt aus? – (Abg. Kickl [FPÖ]: Das können Sie sich aber nicht aussuchen!), und dann bin ich zur Erkenntnis gekommen: Ja, es ist mir das wert und das ist richtig so. (Abg. Kickl [FPÖ]: Es ist wurscht, ob es Ihnen das wert ist, weil Sie es zahlen müssen!) Nur: Wenn nicht alle einzahlen, dann geht sich dieses System nicht aus. (Abg. Kickl [FPÖ]: Auch wenn es Ihnen das nicht wert ist, müssen Sie es zahlen! Weitere Zwischenrufe bei der FPÖ.)

Jetzt zur aktuellen Situation. Es ist tatsächlich so, dass natürlich Fehler passieren – aber bei der FPÖ passiert offensichtlich nie ein Fehler. Nein, Sie stellen sich hierher, geben Gas, zerschlagen alles, was es zu zerschlagen gibt. Das ist offensichtlich Ihre Aufgabe, weil Sie wahrscheinlich den einen oder anderen Wähler dazubekommen. (Abg. Kassegger [FPÖ]: Das sind mehr, als Ihnen lieb ist!)

Es ist wirklich nicht seriös, ein tolles und sehr gutes System, die Sozialpartnerschaft, aufs Spiel zu setzen – und das tun Sie! Die Sozialpartnerschaft hat den sozialen Frieden in unserem Land sehr förderlich begleitet und wir sind der Sozialpartnerschaft immer zu Dank verpflichtet, bei allen Themen, die wir haben (Abg. Kickl [FPÖ]: Das ist ein Nest aus Widersprüchen!), aber diese Zerschlagung, die Sie vorhaben, ist unglaublich, und ich bin wirklich, auch als Unternehmer, entsetzt. (Beifall bei der ÖVP.) 

10.03

Präsident Dr. Walter Rosenkranz: Als Nächste zu Wort gemeldet: Frau Abgeordnete Erasim. – Bitte, Frau Abgeordnete.

RN/16

10.03

Abgeordnete Melanie Erasim, MSc (SPÖ): Vielen Dank, Herr Präsident! Herr Bundesminister! Frau Staatssekretärin! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Werte Zuseherinnen und Zuseher! Vor allem aber liebe enttäuschte, zu Recht enttäuschte Unternehmerinnen und Unternehmer! Der Krug geht so lange zum Brunnen, bis er bricht – und ja, dieser Krug, der Krug des Vertrauens, liegt in Scherben.

Als sozialdemokratische Sprecherin für rund 585 000 kleine, kleinste, mittlere und Einpersonenunternehmen habe ich die Entwicklungen um die Causa Mahrer in den letzten Tagen und Wochen mit großer Sorge, aber auch mit großem Entsetzen mitverfolgt. Mit großem Entsetzen deshalb, weil ich mich frage: Wie abgehoben kann man sein, dass man durch persönliche Gier und den Hals-nicht-vollkriegen-Wollen die Reputation einer so wichtigen Institution wie die der Wirtschaftskammer so derart in Verruf bringt?!

Eines muss ich an dieser Stelle ganz klar sagen: Ein großer Teil des Wohlstandes dieses Landes, ein großer Teil des friedlichen Miteinanders und ein großer Teil des Interessenausgleichs wurde auf den Schultern einer ausgezeichnet funktionierenden Sozialpartnerschaft aufgebaut. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP. – Zwischenruf des Abg. Kickl [FPÖ].) Und diese soll für mich und für uns weiterhin eine zentrale Rolle in diesem Land spielen. 

Müssen wir darüber reden, wie gerade jetzt, in Zeiten extrem schwieriger wirtschaftlicher Entwicklungen, noch besser gearbeitet werden muss; wie man sich reformieren muss, damit das Vertrauen wieder auf allen Ebenen hergestellt wird? – Ja, doch! (Abg. Kassegger [FPÖ]: Das heißt, das Vertrauen ist vollkommen weg, oder wie?)

Wenn die FPÖ – danke, dass Sie gerade den Zwischenruf tätigten – heute diese Aktuelle Stunde auf die Tagesordnung setzt und versucht, sich als Retter der Verderbten darzustellen, dann mache ich sehr gerne für Sie, geschätzte Zuseherinnen und Zuseher, einen Faktencheck. (Zwischenrufe bei der FPÖ.) Wenn man nicht auf die Inszenierung der freiheitlichen Abgeordneten hört, sondern in die Bundesländer sieht – da wird die Aufregung in den rechten Reihen sofort sehr groß –, sieht man ganz deutlich, dass sich hier der Bock zum Gärtner machen möchte.

Beispiel eins von mir als Niederösterreicherin: Udo Landbauer in Niederösterreich gönnt sich eine 10-prozentige Gehaltserhöhung, damit er endlich mehr verdient als ein Bundesminister – hat ihn sicher voll gefreut. Und er kämpft bei den Koalitionsverhandlungen um seinen allerwichtigsten Punkt: nämlich zusätzliche Vorstandsposten bei der EVN für seine FPÖ-Parteikolleginnen und -kollegen, wo es um rund 400 000 Euro Jahresgage geht. (Beifall bei der SPÖ sowie des Abg. Wöginger [ÖVP].)

Beispiel zwei: Marlene Svazek gönnt sich rund 10 000 Euro Gehaltserhöhung pro Jahr – streicht aber zugleich das Gehalt von rund 10 000 Pflegekräften um 170 Euro. Da könnte man ja sagen, da hat es wenigstens eine Gegenfinanzierung gegeben – aber eine Gegenfinanzierung, mit der wir als Sozialdemokratie nicht gut können. (Beifall bei Abgeordneten der SPÖ sowie der Abg. Voglauer [Grüne].)

Beispiel drei, dieses Mal direkt aus der Wirtschaftskammer: ein gewisser Herr Krenn, den Sie anscheinend jetzt doch gar nicht so gut kennen, der als Multifunktionär sogar den Weg in den „Standard“ geschafft hat, wo die Frage aufgeworfen wird, ob diese Vielzahl an hoch bezahlten Spitzenfunktionen überhaupt mit dem Bezügebegrenzungsgesetz vereinbar ist. – Antwort gibt es dazu von der FPÖ keine.

Die ganze Stunde haben wir jetzt diskutiert: ebenso keinen einzigen Vorschlag dazu, wie man hier eine positive Reform machen könnte (Abg. Deimek [FPÖ]: Hunderte Anträge eingebracht – und Sie kommen wieder mit der alten Leier: keine Vorschläge vorgelegt!), wie man dieses Land wieder in ein positives Fahrwasser bringen könnte. Aber das sind wir ja gewohnt. 

Antworten brauchen wir aber jetzt, damit sich die rund 600 000 Unternehmen wieder gut vertreten fühlen, und da kommt auf Martha Schultz und ihr gesamtes Team eine gewaltige Aufgabe zu. Ich kenne Martha Schultz persönlich und schätze sie als integre Persönlichkeit, die diese Mammutaufgabe auch schaffen kann. Sie muss es schaffen, die Glaubwürdigkeit der Wirtschaftskammer wiederherzustellen, Ordnung sowie Transparenz nach innen und außen zu erreichen, um eben eine der wesentlichen Säulen der Sozialpartnerschaft abzusichern und wieder tragfähig zu machen.

Wir reichen ihr gerne die Hand, um mitzuarbeiten und mitzugestalten, um über Reformen mit nachzudenken, die die Wirtschaftskammer zukunftsfit machen werden, denn uns geht es darum, etwas zum gesellschaftlichen Zusammenhalt beizutragen, und nicht, sich als Saubermacher aufzuspielen, wenn man selbst den meisten Dreck am Stecken kleben hat. Schämen Sie sich, Kolleginnen und Kollegen von der FPÖ! (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Kassegger [FPÖ]: Das ist eine bösartige Unterstellung!) 

10.09 

Präsident Dr. Walter Rosenkranz: Als Nächster zu Wort gemeldet: Herr Abgeordneter Bernhard. – Bitte, Herr Abgeordneter.

RN/17

10.09

Abgeordneter Michael Bernhard (NEOS): Danke, Herr Präsident! Geschätzte Mitglieder auf der Regierungsbank! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen und liebe Zuseherinnen und Zuseher! Wir haben es in den letzten Wochen erlebt und die unternehmerische Realität gesehen, die wirklich so aussieht, dass jeder Unternehmer und jede Unternehmerin wirklich hart um jeden Kunden und jeden Umsatz kämpfen muss, dass sie oft mit dem Rücken zur Wand stehen, dass gegen Jahresende hin nicht wenige Unternehmerinnen und Unternehmer noch eine Ratenvereinbarung bei der Gebietskrankenkasse oder beim Finanzamt abschließen, dass viele besorgt auf das Budget für nächstes Jahr schauen und sich überlegen, wie sich die Personalkosten entwickeln, wie sich die Energiekosten entwickeln werden, wie sehr sie auch der Wettbewerb wieder unter Druck setzen wird.

In der gleichen Zeit, in der es unternehmerisch wahrscheinlich nicht viele im Land gibt, die total tiefenentspannt sind, haben sich die Wirtschaftskammerfunktionäre und -funktionärinnen 60 Prozent Bezugserhöhung gegönnt, den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern 4,2 Prozent mehr Gehalt versprochen und damit eine einzige Sache wirklich unter Beweis gestellt: dass die Wirtschaftskammer nichts mit einer unternehmerischen Realität zu tun hat. (Beifall bei den NEOS.)

Wie soll eine Interessenvertretung Interessen vertreten, wenn sie ihre Mitglieder nicht versteht? Da hat Kickl vielleicht an einem einzigen Punkt seiner Rede wirklich recht gehabt. Nur muss man ehrlicherweise sagen – und das ist schon ein Riesenunterschied –: Während die Freiheitliche Partei immer die Grundfeste niederbrennen will und keine einzige Lösung vorbringt (Rufe bei der FPÖ: Doch! – Abg. Kassegger [FPÖ]: Abschaffung der Zwangsmitgliedschaft, ganz einfach! Freiheit für die Wirtschaft, Abschaffung der Zwangsmitgliedschaft!) – das ist schon ein Riesenunterschied; Herr Kickl, Sie haben abgesehen von der Frage der Pflichtmitgliedschaft keinerlei Reformvorschläge gebracht (Abg. Kickl [FPÖ]: Schauen S’ einmal ins Antragsarchiv zum Thema Wirtschaftskammer! – Abg. Kassegger [FPÖ]: Waren Sie bei der Regierungsverhandlung dabei, oder was?) –, möchten wir als NEOS und auch als unternehmerische NEOS, nämlich als Unos, über ganz konkrete Reformen sprechen. (Abg. Kickl [FPÖ]: Ja, ja, ihr machts denen jetzt die Lebensverlängerung!)

Wie könnte eine echte Unternehmer:innenkammer der Zukunft ausschauen? (Zwischenruf des Abg. Deimek [FPÖ].) – Eines ist vollkommen klar: Die Wirtschaftskammer muss nicht den österreichischen Föderalismus nachbauen. Wir brauchen keine zehn Wirtschaftskammern mit zehn Präsidentinnen und Präsidenten, mit 45 Vizepräsidenten und -präsidentinnen. (Abg. Kickl [FPÖ]: Aber ihr unterstützts das alles! Das ist ja der Grund eurer Regierungsbeteiligung: der billige Mehrheitsbeschaffer für genau das! – Abg. Kassegger [FPÖ]: Ihr deckts das alles!) Es reicht vollkommen aus, wenn man das Ganze auf maximal drei Regionalkammern zusammenfasst – das haben wir auch konkret vorgeschlagen –: eine für den Westen mit Sitz in Innsbruck, eine für den Zentralraum mit Sitz in Linz und eine für den Südosten mit Sitz in Graz. (Zwischenruf des Abg. Deimek [FPÖ].)

Da kann man tatsächlich viele Dinge, die auch von den Befürwortern der Kammer ins Feld geführt werden, nämlich Kollektivvertragsverhandlungen, Regionalität, Verstehen von unterschiedlichen Wirtschaftszweigen, sehr gut machen. Man kann dabei zwei Drittel der ganzen Wirtschaftskammerorganisation einsparen: Man kann von den 865 Organisationen, die es in der Wirtschaftskammer gibt, knapp 600 einsparen. (Beifall bei den NEOS. – Zwischenruf des Abg. Kickl [FPÖ].)

Wer zwei Drittel der Wirtschaftskammerorganisation einspart, braucht auch keine 1,3 Milliarden Euro an Strafsteuer für das österreichische Unternehmertum mehr (Heiterkeit der Abg. Gewessler [Grüne]), der kommt mit wesentlich weniger Geld aus. Das ist auch unser erklärtes Ziel: Mitgliedsbeiträge sollen tatsächlich fallen. Bei der Kammerumlage 2 wurde vor 50 Jahren versprochen, sie temporär für notleidende Betriebe einzuführen. Sie kommt nur noch einem notleidenden Bereich zugute, nämlich dem Wirtschaftsbund mit den Funktionärsbezügen, und das braucht kein Mensch. (Beifall bei den NEOS. – Zwischenruf des Abg. Linder [FPÖ]. – Abg. Kickl [FPÖ]: Die machen aber die Wirtschaftspolitik, die ihr unterstützt!)

Deswegen fordern wir Unos auch einen tatsächlichen Solidaritätsbeitrag. Wenn man über das Sparen redet, sollte man auch über sich selbst reden. Wir sind der Auffassung, dass die Wählergruppenförderung – das ist das Gegenüber der Parteienförderung –, die derzeit 25 Millionen Euro pro Jahr ausmacht, für alle Wählergruppen halbiert werden soll. (Abg. Shetty [NEOS]: Was sagt die Freiheitliche Wirtschaft dazu?) Wir würden da als Unos natürlich auch entsprechend mitmachen. Wir hoffen auf die Freiheitliche Wirtschaft, also dass sie auch sich selbst beschneiden würde. (Beifall bei den NEOS. – Abg. Kassegger [FPÖ]: Fangen wir mal mit der KU 2 an, Kollege! Setzen S’ einmal durch in der Regierung, dass die KU 2 abgeschafft wird, dann reden wir weiter!)

Die Freiheitlichen sagen schon, bei sich selbst wollen sie nicht sparen, sie wollen nur bei den anderen sparen. – Das hat man, glaube ich, nicht so gut gehört. (Beifall bei den NEOS.)

Was es auch braucht, ist Transparenz. Wir fordern eine Konzernbilanzierung, damit wir einmal verstehen, was in der Wirtschaftskammer alles drinnen ist, wo das Geld versteckt ist (Abg. Schnedlitz [FPÖ]: Deshalb seids in die Regierung gekommen: um Forderungen zu stellen! Die Reise ist zu Ende!), damit man auch weiß, wo man richtig sparen kann.

Jetzt lassen Sie mich auch zur Frage der Demokratisierung der Wirtschaftskammer etwas sagen: Wie konnte es denn so weit kommen? – Wenn eine Gruppe alleine Macht ausübt und die Kontrolle schwach ist und überall ausgehebelt wird, dann passiert so etwas zwangsläufig (Abg. Kickl [FPÖ]: Ah, eine Gruppe allein übt Macht aus! Ja, jetzt haben wir’s gehört!)  ich wage zu behaupten, egal welche politische Gruppe an der Macht ist.

Deswegen braucht es eine echte Demokratisierung. (Abg. Kassegger [FPÖ]: Im Umkehrschluss heißt das: Das gibt’s alles nicht!) Das heißt, wir brauchen ein anderes Wahlsystem, mit dem wir von 25 Prozent Wahlbeteiligung wegkommen, nämlich dahin, dass über ein E-Voting wirklich die Mehrheit der Unternehmerschaft abstimmt. Wir brauchen auch eine einfachere Möglichkeit für Kandidaturen. (Beifall bei den NEOS.)

Lassen Sie mich deswegen sagen: Es braucht eine komplett andere Kammer der Unternehmerinnen und Unternehmer. Am Ende muss immer – das muss auch vollkommen klar sein – auch das Ende der Pflichtmitgliedschaft stehen. Es braucht eine echte freiwillige Kammer der Unternehmerinnen und Unternehmer (Abg. Kassegger [FPÖ]: Richtig!), weil es am Ende des Tages kein Argument für eine Pflicht gibt. (Abg. Kassegger [FPÖ]: Richtig!) Es gibt nur eine Möglichkeit – und das ist für uns NEOS und für alle Unos vollkommen klar –: In unserem Herzen ist die Freiheit, und wir werden am Grab der Pflichtmitgliedschaft tanzen. – Vielen Dank. (Beifall bei den NEOS. – Abg. Kassegger [FPÖ]: Aber nicht die nächsten fünf Jahre, weil da seids in der Regierung! – Zwischenruf des Abg. Linder [FPÖ].)

10.14

Präsident Dr. Walter Rosenkranz: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Götze. – Bitte schön, Frau Abgeordnete.

RN/18

10.14

Abgeordnete Dr. Elisabeth Götze (Grüne): Danke, Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Minister! Frau Staatssekretärin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuseherinnen und Zuseher! Geht’s der Wirtschaftskammer gut, geht’s der Wirtschaftskammer gut. – Ich zitiere „Willkommen Österreich“, und wenn eine Organisation es einmal dorthin geschafft hat, dann hat sie wirklich ein Problem. (Beifall bei den Grünen sowie der Abg. Doppelbauer [NEOS]. – Abg. Kickl [FPÖ]: War der Werner dort nicht schon zu Gast?)

Das sieht man auch an den Gesprächen und den heftigen Diskussionen heute hier, aber auch in allen Gesprächen, die ich in den letzten Wochen geführt habe – und wahrscheinlich ist es Ihnen ähnlich gegangen –, ist irgendwann das Thema Wirtschaftskammer zur Sprache gekommen. Ich möchte jetzt gar nicht alle Verfehlungen, die da in den letzten zwei Wochen passiert sind – denn das ist wirklich nur die Spitze des Eisbergs –, aufrollen, sondern ich möchte zum Grundsätzlichen kommen.

Unter der Führung von Präsident Mahrer hat die Wirtschaftskammer leider wirklich die Bodenhaftung verloren, komplett den Bezug zu den Unternehmen verloren – und noch einmal: Das ist aus unserer Sicht nur die Spitze des Eisbergs. Die Wirtschaftskammer ist wie die Titanic, die zu sinken droht. (Beifall bei den Grünen.)

Präsident Mahrer ist Geschichte, und gerade gestern hat mir jemand gesagt: Dass es der Kammer wirklich so schlecht geht, sieht man auch daran, dass jetzt eine Frau den Karren aus dem Dreck ziehen soll. Erstmals seit 79 Jahren – die Kammer gibt es seit 1946 – ist eine Frau an der Spitze der Wirtschaftskammer. Auch das ist ein klares Zeichen, dass sich etwas ändern muss. Ich begrüße das und wünsche Martha Schultz alles Gute. (Beifall bei den Grünen.)

Es gibt nämlich wirklich viel zu tun. Krise als Chance – selten passt diese abgedroschene Phrase so gut wie da, denn ich möchte ganz klar sagen: Die Wirtschaftskammer hat eine wichtige Aufgabe, eine wichtige Funktion und Rolle in Österreich, und das ist im Rahmen der Sozialpartnerschaft. Es wurde schon sehr deutlich gesagt: Die Sozialpartnerschaft ist die Basis für die Stabilität im Land, für Aushandlungen von Kollektivverträgen, von Gehältern, von Arbeitsbedingungen, und all das brauchen wir dringend.

Gleichzeitig ist dafür aber auch die Pflichtmitgliedschaft erforderlich, weil das die nötige Legitimation für diese Verhandlungen gibt. (Abg. Kickl [FPÖ]: Wenn keiner mehr wählt!) Also daran dürfen wir nicht rütteln. Das heißt aber nicht, dass sich nicht ganz viel ändern muss.

Einen Punkt möchte ich schon lobend erwähnen: Die Kammer ist auch eine gute Serviceorganisation – das höre ich auch immer wieder von den Betrieben –, zum Beispiel bei Unternehmensgründungen, für gute Beratung oder – es wurde auch schon angesprochen – im Export, es gibt über 100 Außenhandelsstellen, und überall da unterstützt die Kammer auch wirklich gut; das muss man auch sagen. Insbesondere für kleine Betriebe ist das über die sehr geringen Beiträge relativ kostengünstig verfügbar, also sozusagen auch ein Ausgleich.

Gleichzeitig: Ja, die Kammer wird durch Beiträge finanziert, und wie kann es sein, dass die Kammer in einer krisenhaften Zeit 2 Milliarden Euro an Rücklagen ansammelt (Abg. Kickl [FPÖ]: Ja, das haben wir den Mahrer auch gefragt bei den Verhandlungen!) und darüber hinaus – darüber haben wir heute ausführlich diskutiert – den Funktionären massive Funktionsabgeltungserhöhungen zahlen kann? Da geht irgendetwas schief, und das versteht niemand. (Beifall bei den Grünen.)

Das zeigt, die Kammerbeiträge gehen komplett an der Realität vorbei – an der wirtschaftlichen Realität der Unternehmen, aber auch an der Situation –, und wir brauchen dringend eine Senkung einerseits der Kammerbeiträge und andererseits auch – das hören wir immer – der Lohnnebenkosten. Dafür haben wir schon Anfang des Jahres einen konkreten Gesetzesvorschlag eingebracht. Im Wirtschaftsausschuss wurde er zweimal wohlwollend diskutiert, aber immer wieder auf die lange Bank geschoben. Intern heißt das, er wurde vertagt. Ich gehe also davon aus, dass wir jetzt ernsthaft über das, was wir hier im Haus tun können, diskutieren und die Dinge auch umsetzen.

Noch ein Thema ist die sinkende Wahlbeteiligung: Sie ist um weitere 7 Prozentpunkte deutlich unter 30 Prozent gesunken, und das zeigt, die Kammer hat auch ein demokratisches Problem – Vertrauensverlust bei den Unternehmen. Man muss leider wirklich auch die ÖVP ansprechen: Seit Beginn der Wirtschaftskammer ist immer die ÖVP in der Führung, und es gilt, eine Demokratisierung der Wirtschaftskammer voranzutreiben.

Packen wir es an! Gehen wir es an! Krise als Chance! Wir haben hier viele Möglichkeiten, dass Kammergesetz entsprechend zu ändern. Ich appelliere an Sie: Für unseren Standort und vor allem für die Unternehmen ist das dringend nötig. (Beifall bei den Grünen.)

10.20

 Präsident Dr. Walter Rosenkranz: Zu Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist geschlossen.