RN/8
9.25
Abgeordneter Michael Fürtbauer (FPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! (Der Redner stellt eine Tafel mit der Aufschrift „Petition www.kammerreform.at“ auf das Rednerinnen- und Rednerpult.) Hohes Haus! Werte Zwangsmitglieder und Pflichtmitgliedsbeitragszahler irgendeiner Kammer in Österreich! Haben Sie sich schon einmal die Frage gestellt, warum dieses Kammersystem in Österreich so verteidigt wird, wie es verteidigt wird, ob es hier wirklich um die Interessen der einzelnen Berufsgruppen geht oder ob es um die üblichen Verdächtigen geht: Macht, Geld und Parteiinteresse? (Beifall bei der FPÖ.)
Ein kleiner Gedankenanstoß dazu: Die U.S. Chamber of Commerce ist die größte Wirtschaftsvertretung der Welt, vertritt drei Millionen Mitglieder und hat ein Budget von rund 200 Millionen Euro; die Wirtschaftskammer Österreich hat rund 600 000 Mitglieder und ein Budget von 1,3 Milliarden Euro. Das heißt, wir sind ungefähr fünfmal so klein und haben mehr als sechsmal so viel Geld wie diese Vertretung – und das Geld fließt in ein Funktionärsbiotop, das seinesgleichen sucht: zehn Präsidenten, 50 Vizepräsidenten, 3 000 Obleute, 6 000 Mitarbeiter, in Summe 13 000 Funktionäre.
Wer glaubt, dass es sich da um ein reines Wirtschaftskammerphänomen handelt, der irrt: In der Landwirtschaftskammer finden wir grundsätzlich dieselbe Struktur bis auf die Fachgruppen; bei den fast ausschließlich ÖVP-Spitzenfunktionären gibt es auch dort welche, die Ämter wie Briefmarken sammeln. Ein Beispiel dazu: Mag. Franz Waldenberger, seines Zeichens Bürgermeister von Pennewang, Präsident der Landwirtschaftskammer Oberösterreich, Ausschussobmann in der Landwirtschaftskammer Österreich, Obmannstellvertreter der SVS, Vorstandsmitglied im oberösterreichischen Raiffeisenverband, Aufsichtsrat der Österreichischen Hagelversicherung, Delegierter der österreichischen Wechselseitigen Versicherung – und von den ÖVP-Funktionen spreche ich noch gar nicht –: ein Mann, sieben Spitzenfunktionen, ohne Parteifunktionen. Meine Damen und Herren, das ist keine Interessenvertretung mehr, das ist ein geschlossener Funktionärsblock, oder wie man in der ÖVP zu sagen pflegt: Wir sind Familie. (Beifall bei der FPÖ.)
In der Arbeiterkammer achtet man dezidiert mehr auf die Work-Life-Balance: Präsidenten dürfen nur einen Job ausüben, dafür verdienen sie aber netto ungefähr so viel wie Prof. Mahrer mit seiner Wirtschaftskammer- und seiner Nationalbankfunktion zusammen, denn das sind 15 000 Euro, und das 14-mal.
Wo könnte die Wirtschaftskammer bei sich entbürokratisieren, aber wo ist man leider Verhinderer? – Bei der Neukodifizierung der Gewerbeordnung, ein Gewerbeschein für alle freien Gewerbe, Abschaffung der Teilgewerbe, Abschaffung der Doppelmitgliedschaften, reglementierte Gewerbe nur mehr dort, wo Leib und Leben in Gefahr sind. Deutschland hat 50 reglementierte Gewerbe, Österreich hat noch immer 80 reglementierte Gewerbe, und warum Tapezierer und Dekorateure reglementiert sind, weiß wahrscheinlich nicht einmal Herr Egger.
Und wenn die Vertreter der Wirtschaftskammer und der ÖVP ständig Worte wie: Leistung muss sich wieder lohnen! (Ruf bei der ÖVP: Ja!), und: Entbürokratisierung!, strapazieren, sollte man nicht vergessen, wer die bestimmenden Verhandler in diesem Bereich waren: für Budget Dr. Mahrer, damals Wirtschaftskammerpräsident; für Wirtschaft Dr. Hattmannsdorfer, damals Kurzzeit-Wirtschaftskammergeneralsekretär, Mag. Egger, Generalsekretär des Wirtschaftsbundes und der Gruppe Gewerbereform, Mag. Zehetner, damals Wirtschaftskammermitarbeiterin. Was ist der Output dieser geballten Verhandlungsmacht der Wirtschaftskammer? - Sie ist bis jetzt recht überschaubar: bei der Neuregelung des Trinkgeldes für Selbstständige – es gibt kein Trinkgeld; jeder Taxifahrer, jeder Würstelstandbesitzer ist voll abgabenpflichtig –; Kürzung der bislang schon lächerlichen Übergangsstundenbegünstigung von 18 Stunden 200 Euro auf zehn Stunden 120 Euro: Das nenne ich tatsächlich Förderung der Leistungswilligen. (Beifall bei der FPÖ.)
Und bei der Flattax haben sie anscheinend auf die Selbstständigen betreffend die Pensionisten völlig vergessen, sonst könnte sich der Herr Finanzminister nicht auf diese Position zurückziehen. Da sieht man ganz klar: Die Wirtschaftskammer vertritt nur die Funktionäre, nicht ihre Mitglieder.
Für die, die das noch immer nicht glauben wollen, habe ich ein wunderbares Bild mitgenommen. (Der Redner hält ein Foto, das Harald Mahrer, Karl Nehammer und Christian Stocker vor einer Österreich- und einer EU-Flagge stehend zeigt, in die Höhe.) Auf diesem Bild sieht man Herrn Prof. Mahrer, Bundeskanzler a. D. Nehammer und Bundeskanzler Stocker. (Zwischenruf des Abg. Marchetti [ÖVP].)
Man glaubt es nicht: Heuer im Juni ist Herr Nehammer für Verdienste um die Wirtschaft ausgezeichnet worden. (Zwischenruf des Abg. Schnedlitz [FPÖ].) Heuer im Juni hat sich die Wirtschaftssituation ungefähr so dargestellt: hohe Inflation, hohe Neuverschuldung, hohe Arbeitslosigkeit, Rekorde an Neukonkursen, kein Wirtschaftswachstum. Auf den Punkt gebracht: Die Wirtschaft liegt am Boden. Und einer der Hauptverantwortlichen für diese Misere, einer, der den Österreichern hinsichtlich der Budgetsituation – wie sagt man richtig? – die Unwahrheit gesagt hat, wird noch mit einem Orden der Wirtschaftskammer geehrt.
Da sieht man, wie Spitzenfunktionäre ticken: Der eine wird Professor, der andere bekommt einen Orden und den Zwangsmitgliedern bleibt der Weg zum Konkursrichter. (Beifall bei der FPÖ.)
Daher, meine Damen und Herren: Schluss mit der Zwangsmitgliedschaft, Schluss mit den Zwangsbeiträgen! Bitte unterstützen Sie unsere Petition, damit es endlich zu wirklichen Reformen kommt! – Danke. (Beifall bei der FPÖ.)
9.31
Präsident Dr. Walter Rosenkranz: Als nächster Redner zu Wort gemeldet: Herr Abgeordneter Marchetti. – Bitte, Herr Abgeordneter.
Die angezeigte Rede ist noch nicht nach § 52 Abs. 2 GOG-NR autorisiert.