RN/120
16.52
Abgeordnete Dr. Alma Zadić, LL.M. (Grüne): Vielen Dank, Herr Präsident! Sehr geschätzte Frau Ministerin! Geschätzter Herr Staatssekretär! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Zuseherinnen und Zuseher! Wir haben es schon gehört: Nächste Woche beginnen die 16 Tage gegen Gewalt an Frauen – ein Zeitraum, in dem weltweit darauf aufmerksam gemacht wird, dass Gewalt an Frauen nicht hinzunehmen ist. Orange the World heißt die Kampagne – eine weltweite Kampagne der UN –, um auf diesen schrecklichen Missstand aufmerksam zu machen, dass für viel zu viele Frauen Gewalt zu ihrem Alltag gehört. Ich bin mir sicher, auch heuer werden wieder viele Ministeriengebäude orange beleuchtet. Es zeigt aber, dass Leuchten alleine nicht ausreicht, denn solange nicht alle Frauen ein selbstbestimmtes und gewaltfreies Leben leben können, ist unsere Arbeit als Politikerinnen und Politiker nicht getan. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)
Ja, dafür braucht es Gesetze, Maßnahmen, finanzielle Mittel und eben nicht nur Ankündigungen.
Heuer wurden bereits 14 Frauen ermordet – aus dem einzigen Grund: weil sie Frauen sind. Sie waren Mütter, Schwestern, Freundinnen. Bevor es zu einem Femizid kommt, haben viele dieser Frauen bereits jahrelang körperliche, psychische, sexuelle Gewalt erlebt. Die große Mehrheit dieser Frauen hat sich nie an staatliche Stellen gewandt.
In Österreich erlebt jede dritte Frau im Laufe ihres Lebens Gewalt. Jede dritte Frau – das sind Arbeitskolleginnen, Nachbarinnen, Freundinnen, und das sind Frauen aus unterschiedlichen Altersgruppen aller Einkommensstufen, aller Bildungsstufen. Es ist kein Problem von Randgruppen, es ist ein gesamtgesellschaftliches Problem, und es ist das Ergebnis patriarchaler Strukturen. Ja, Herr Kollege Stefan, ich gebe Ihnen recht: Wir dürfen nicht wegschauen, dass wir patriarchale Strukturen in Österreich haben und dass diese patriarchalen Strukturen dazu führen, dass es nach wie vor Gewalt gegen Frauen gibt. (Beifall bei den Grünen.)
Wenn wir Gewalt an Frauen wirklich bekämpfen wollen, müssen wir an vielen Schrauben drehen, und eine dieser Schrauben ist eben das Strafrecht. Wir brauchen ein modernes Sexualstrafrecht, das das Konsensprinzip verankert.
Wir haben in Österreich nach wie vor eine sehr niedrige Verurteilungsrate. Im Grevio-Bericht, den wir heute noch diskutieren werden, steht das nach wie vor drin: Die Verurteilungsrate, gerade wenn es um sexuelle Gewalt geht, ist viel zu niedrig. Da müssen wir etwas tun. Österreich muss die sexuelle Selbstbestimmung und Integrität aller Menschen konsequent schützen. (Zwischenruf des Abg. Martin Graf [FPÖ].) Sexuelle Handlungen dürfen nur dann als einvernehmlich gelten, wenn alle Beteiligten eindeutig zugestimmt haben, oder kurz gesagt: Nur Ja heißt Ja! (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)
Zahlreiche europäische Länder haben das bereits umgesetzt. Spanien, Schweden, Frankreich, Norwegen haben dieses Prinzip bereits umgesetzt, und es ist höchste Zeit, dass wir das in Österreich auch tun. Warum verweigern wir das? Warum verweigern wir die Realität, dass das jetzt dringend notwendig wäre?
Warum ist das notwendig? Ich erkläre das auch ganz einfach: Vor Gericht muss derzeit das Opfer von sexueller Gewalt erklären, dass es sich eh gewehrt hat, dass es eh aktiv und laut Nein gesagt hat. Mit dieser Retraumatisierung vor Gericht muss endlich Schluss sein. Frauen, die unter Tränen erklären müssen, dass sie sich nicht erinnern können, was sie in dem Moment gesagt haben: Damit muss Schluss sein! Das muss doch für uns alle in diesem Haus klar sein: Wir wollen diese patriarchalen Strukturen im Strafrecht nicht! Wir wollen nicht, dass Frauen unter Tränen erklären müssen, dass sie sich eh zur Wehr gesetzt haben. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)
In einem modernen Rechtsstaat muss sich doch der Täter rechtfertigen und erklären, dass er eh eine Zustimmung eingeholt hat! Wie Frau Pelicot aus Frankreich sagte: „Die Scham muss die Seite wechseln.“ – Dieser Satz ist ein Appell, er ist auch ein Aufschrei. Er ist ein Aufschrei gegen ein System, das Betroffene zu Rechtfertigung zwingt, während diejenigen, die Gewalt ausüben, sich noch immer hinter juristischen Grauzonen verstecken können. Genau darum geht es heute: Es darf nicht länger das Opfer sein, das erklären muss, warum es erstarrt ist, warum es geschwiegen hat, warum es nicht sofort zur Polizei gegangen ist! Gisèle Pelicot hat in Frankreich den Mut aufgebracht, die öffentliche Debatte zu verändern. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)
Wenn wir heute diesen Dringlichen Antrag einbringen, dann tun wir das nicht nur für die, die laut geworden sind, wir tun es auch für all jene, deren Stimmen leise geblieben sind, weil sie nicht konnten, weil sie Angst hatten, weil das System ihnen keinen Raum gelassen hat – für sie alle müssen wir die Scham dorthin verschieben, wo sie hingehört. Genau deswegen brauchen wir eine Änderung im Strafrecht, damit es endlich heißt: Nur Ja heißt Ja! – Vielen Dank. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ. – Abg. Martin Graf [FPÖ]: Die Grünen gehören endlich einmal in die Regierung!)
16.58
Präsident Dr. Walter Rosenkranz: Als Nächste zu Wort gemeldet: Frau Abgeordnete Belakowitsch. Eingemeldete Redezeit: 5 Minuten. – Bitte, Frau Abgeordnete.
Die angezeigte Rede ist noch nicht nach § 52 Abs. 2 GOG-NR autorisiert.