RN/197

20.51

Abgeordneter Michael Bernhard (NEOS): Danke, Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Geschätzte Zuseherinnen und Zuseher! Wir diskutieren über die parlamentarischen Bürgerinitiativen und Petitionen, die wir im letzten Petitionsausschuss behandelt haben, zu denen wir auch Hearings hatten. Jetzt möchte ich eine Petition, eine parlamentarische Bürgerinitiative besonders hervorheben, die wir behandelt haben, nämlich eine Initiative der Unos, der unternehmerischen NEOS, die eine Initiative zur Abschaffung der Pflichtmitgliedschaft in der Wirtschaftskammer eingebracht haben. (Beifall bei den NEOS.)

Es sind dazu auch Stellungnahmen vom Wirtschaftsministerium und von der Wirtschaftskammer Österreich eingelangt, die ich gerne hier im Plenum teilen möchte, weil sie schon interessant sind.

Das Wirtschaftsministerium hat im Grunde nur drei Gründe angeführt, warum die Abschaffung der Pflichtmitgliedschaft nicht möglich ist. Der erste war: Es war bei der Gründung 1848 und 1849 Wesenskern der Handelskammer. Das, könnte man sagen, ist schon ein Weilchen her, und es hat sich einiges verändert.

Der zweite ist: Es steht im Verfassungsrang, deswegen ist eine Abschaffung realpolitisch nicht möglich.

Der dritte ist: Es gab bereits 1995 eine Urabstimmung. Damals übrigens war ja noch Vranitzky Bundeskanzler und Schüssel Vizekanzler. Die meisten Unternehmerinnen und Unternehmer, die damals abgestimmt haben, sind heute in ihrer verdienten Pension.

Das waren die einzigen Gründe, die das Wirtschaftsministerium angeführt hat, also: 1848, dann: es steht in der Verfassung; und tatsächlich auch: Es wurde vor 30 Jahren einmal abgestimmt. Es gab keine einzige inhaltliche Begründung aus der Gegenwart, warum die Pflichtmitgliedschaft nicht abgeschafft werden kann. Deswegen glaube ich eigentlich, man wollte uns indirekt signalisieren: Ihr solltet das im Nationalrat endlich machen. (Beifall bei den NEOS.) 

Inhaltlich war die Wirtschaftskammer noch abenteuerlicher. Die hat natürlich eine Reihe von Gründen angeführt. Sie hat gesagt, die Abschaffung der Pflichtmitgliedschaft würde den Wirtschaftsstandort Österreich nachhaltig beschädigen. Jetzt muss man ehrlicherweise sagen: Wie beschädigt wäre der denn ohne Wirtschaftskammerpflichtmitgliedschaft gewesen? Ich meine, wir sind in allen Rankings auf dem letzten Platz in der Europäischen Union. Wir sind international nicht mehr wettbewerbsfähig, was die Industrie betrifft. Wir haben die höchsten Lohnzuwächse in allen europäischen Mitgliedstaaten gehabt, die höchsten Energiepreise. Also ich würde sagen, das ist ein Beweis dafür, dass man die Pflichtmitgliedschaft nicht unbedingt braucht. (Beifall bei den NEOS.) 

Weiters hat sie angeführt: Dienstleistungen der Wirtschaftskammer haben einen individuellen Nutzen für kleine und mittelständische Betriebe. – Das mag sein. Das stellen wir auch gar nicht in Abrede. Dafür braucht es aber keine Pflichtmitgliedschaft, weil nämlich Dienstleistungen, die einen individuellen Nutzen stiften, überhaupt nichts mit dem eigentlichen Auftrag der Interessenvertretung zu tun haben. Das kann man in einem freiwilligen Verband machen. Das muss man aber bei einer gesetzlichen Interessenvertretung nicht machen. Auch das wäre natürlich kein Grund für eine Pflichtmitgliedschaft. (Beifall bei den NEOS.) 

Sie führt weiters an, es müssen alle Unternehmerinnen und Unternehmer oder Unternehmen Pflichtmitglieder in der Wirtschaftskammer Österreich sein, weil nämlich darüber die kollektivvertraglichen Verhandlungen stattfinden. Man vergisst dabei aber, dass 50 Prozent – 50 Prozent! – aller Mitglieder in der Wirtschaftskammer überhaupt keinen Kollektivvertrag haben oder keine Mitarbeiter. Die Hälfte der Mitglieder, die verpflichtet sind, werden gar nicht im Kollektivvertrag erfasst. Auch das ist also eine Einladung für die Abschaffung der Pflichtmitgliedschaft. (Beifall bei den NEOS.)

Sie weisen weiters darauf hin, dass der Verlust der Pflichtmitgliedschaft tatsächlich die Position der Wirtschaft im Staat massiv schwächen würde. Sie vergessen dabei aber, dass es über 400 freiwillige Wirtschaftsverbände gibt, weil die allermeisten Branchen sich freiwillig organisieren, weil ja die Wirtschaftskammer ohnehin nicht ihre wirklichen Interessen vertritt. (Beifall bei den NEOS.)

Sie erwähnt dann aber diese Verbände und sagt: Verbände können die Aufgabe nicht übernehmen, weil die Sozialpartnerschaft durch die Pflichtmitgliedschaft abgesichert ist. Ich meine jetzt, wenn man ganz genau schaut, sieht man, dass die Sozialpartnerschaft auch hervorragend durch die Gewerkschaft vertreten ist, die eine solche Pflichtmitgliedschaft nicht hat. Das heißt, auch das ist ein eindeutiges Zeichen, dass die Wirtschaftskammer in Wirklichkeit sehnsüchtig darauf wartet, dass wir im Nationalrat tätig werden und es ihr leichter machen, dass sie die Pflichtmitgliedschaft in Zukunft selbst auflösen kann.

Wir haben die Antworten des Wirtschaftsministeriums und der Wirtschaftskammer verstanden. Es waren sehr indirekte Aufforderungen, die Pflichtmitgliedschaft zu beenden. Wir sind aber sehr zuversichtlich, dass wir das gemeinsam gut lösen können. Ich wünsche einen schönen Abend. (Beifall bei den NEOS.) 

20.56

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