RN/4

Anfrage 53/M

Abgeordneter Hermann Brückl, MA (FPÖ): Vielen Dank, Herr Präsident! Guten Morgen, Herr Minister! Herr Minister, als außerordentliche Schüler gelten jene, die dem Regelunterricht nicht folgen können, weil sie nicht ausreichend Deutsch können. Im Schuljahr 2024/25 beispielsweise lag dieser Anteil bei den Wiener Erstklässlern bei nahezu 50 Prozent, das bedeutet also, dass fast die Hälfte dieser Schüler wie gesagt dem Unterricht nicht folgen kann. Das stellt eine große Herausforderung für das Bildungssystem dar, und Schüler ohne ausreichende Sprachkenntnisse verlangsamen auch den Fortschritt der gesamten Klasse.

Herr Bundesminister!

„Wie wollen Sie sicherstellen, dass Schüler ohne ausreichende Deutschkenntnisse nicht den Lernerfolg der Mitschüler gefährden, wenn die Deutschförderung sogar während des Regelunterrichts stattfinden kann?“

Präsident Dr. Walter Rosenkranz: Bitte, Herr Bundesminister.

Bundesminister für Bildung Christoph Wiederkehr, MA: Schönen guten Morgen am Tag der Kinderrechte! Es ist ein Kinderrecht, die Sprache gut zu lernen, und in Österreich ist es wichtig, die deutsche Sprache zu erlernen, denn die deutsche Sprache ist der Schlüssel für eine gelungene Bildungslaufbahn. Am besten kann diese erworben werden, wenn die Kinder ein Sprachförderangebot bekommen und die Bildungseinrichtung – das heißt, die Schule und die Klassenlehrkraft – engagiert diese Sprachförderung vorantreibt.

Meine Grundauffassung ist, Eigenverantwortung ist ein hoher Wert. Verantwortung am Schulstandort zu übernehmen, wie die Deutschförderung am besten stattfindet, hat auch die höchsten Ergebnisse, die wir uns erwarten. Wenn am Standort ein Deutschförderkonzept erarbeitet wird, ist es aus meiner Sicht effektiver, als wenn ein Modell für alle Schulen stattfindet. Auch im bisherigen Modell war es ja so, dass bei einer Schüleranzahl von wenigen Kindern ein integrativer Unterricht stattgefunden hat; auch bisher schon gab es eine gewisse Durchmischung. In Zukunft haben die Schulen ein Regelmodell, das ist das bisherige, oder sie haben aufgrund von pädagogischer Arbeit und Konzepten ein eigenes autonomes Modell, mit dem sie sowohl integrativ Deutschförderung machen können als auch in eigenen Klassen oder in eigenen Kursen.

Es wird nicht ein Modell für jede Schule geben, sondern individuell pro Standort angepasst. Aufgabe des Ministeriums und der Schulaufsicht ist es, die Qualität sicherzustellen, denn alle Kinder haben ein Recht auf guten Spracherwerb.

Präsident Dr. Walter Rosenkranz: Zusatzfrage?

RN/4.1

Abgeordneter Hermann Brückl, MA (FPÖ): Unter dem Titel der Schulautonomie übertragen Sie oder überlassen Sie jetzt sozusagen die Entscheidung über die Organisation der Deutschförderung den Schulen vor Ort. Mit welchen konkreten, differenzierten Maßnahmen, Herr Bundesminister, stellen Sie aber sicher, dass die notwendige Sprachförderung im Regelunterricht den Lernfortschritt, wie gesagt, der Mitschüler nicht ausbremst, sondern dass beide Gruppen effektiv unterstützt werden?

Präsident Dr. Walter Rosenkranz: Bitte, Herr Bundesminister.

Bundesminister für Bildung Christoph Wiederkehr, MA: Da geht es um eine Sprachvermittlung, die weit über einen Deutschförderkurs oder eine Deutschförderklasse hinausgeht, nämlich um einen sprachbewussten Unterricht. In allen Unterrichtsgegenständen kann eine Deutschförderung stattfinden, und so muss es auch gedacht werden: Schule als Ort der Förderung. 

Aber ja, es gibt Kinder, die einen besonderen Deutschförderbedarf haben, und die bekommen auch zusätzliche Ressourcen. Das heißt, die Schule bekommt pro außerordentlichen Schüler zusätzliche Ressourcen zugeteilt, und das unabhängig vom Modell der Deutschförderung. Damit ist sichergestellt, dass bei den Kindern, die Förderbedarf haben, die Förderung auch stattfindet. 

Es geht einerseits um die Quantität der Ressourcen, die wir aufgestockt haben, und andererseits um die Treffsicherheit der Maßnahme, und ich vertraue darauf, dass die Schulen, die ja pädagogische Erfahrung haben, die sich auskennen, die richtigen Modelle wählen werden. Das ist auch eine Form der Autonomie, nämlich die organisatorische Autonomie.

Präsident Dr. Walter Rosenkranz: Zusatzfrage.

RN/4.2

Abgeordneter Nico Marchetti (ÖVP): Wie schon angesprochen: Deutschförderung ist eine der größten Herausforderungen in den Schulen. Jedes vierte Kind hat nicht Deutsch als Muttersprache. Das ist eine große Herausforderung für die Gesellschaft, für die Schulen und auch für die Lehrkräfte. Wir haben damals die Deutschförderklassen eingeführt und es war dann auch eine Verbesserung im Vergleich zu davor, als es kein einheitliches Modell gab, messbar. Jetzt haben wir uns dafür entschieden – Sie haben das auch präsentiert –, dass die Deutschförderklassen der Mindeststandard sind, dass wir davon nicht weiter abgehen, sondern quasi schulautonom nur noch bessere Modelle, die ein noch besseres Ergebnis erzielen, eingeführt werden. Deswegen interessiert uns natürlich insbesondere das Thema Qualitätssicherung. Wie werden Sie zur Weiterentwicklung der Deutschförderung in Sachen Qualitätssicherung auch für einen Ausbau im Bereich des Personals Vorsorge treffen, Herr Minister?

Präsident Dr. Walter Rosenkranz: Bitte, Herr Bundesminister. 

Bundesminister für Bildung Christoph Wiederkehr, MA: Autonomie bedeutet nicht nur Freiheit, sondern auch Verantwortung – das ist die zweite Seite der Medaille, um gute Ergebnisse zu erzielen, auch in der Deutschförderung. Das heißt, wenn von dem Regelmodell abgegangen wird, dann mit der Intention, dass es qualitativ besser funktioniert, nämlich dass die Deutschförderung schneller stattfindet. 

Aufgabe von mir als Minister und insbesondere der Schulaufsicht ist es, die Qualität sicherzustellen, nämlich über die Qualitätssicherung. Es gibt laufend Gespräche der Schulen mit der Aufsicht, mit den Schulqualitätsmanagerinnen und -managern in unserem Land, um sich gemeinsame Ziele zu geben, und Teil dieser Gespräche wird es auch sein, die Deutschförderung zu besprechen und, wenn es eigene autonome Modelle gibt, die Qualitätssicherung sicherzustellen. 

Wir haben Leistungsdaten von allen Schulen durch unsere IKM-plus-Erhebungen, und wenn wir in Zukunft sehen, dass autonome Modelle nicht zu den Ergebnissen führen, haben wir die Möglichkeit, über die Schulaufsicht zu intervenieren und zu Verbesserungen beizutragen. Und wenn der schulautonome Rahmen qualitativ nicht erfüllt werden kann, gibt es auch ein Regelmodell, das dann zur Anwendung kommen kann. 

Ich bin zuversichtlich, dass die Schulstandorte, die sich Gedanken machen, auch ein qualitativ gutes Angebot für die Schülerinnen und Schüler zur Verfügung stellen werden. Wir werden auch wissenschaftlich evaluieren, welche Form der Deutschförderung – in Zukunft wird es ja unterschiedliche Modelle geben – besonders effektiv ist, um aufgrund von dieser wissenschaftlichen Erkenntnis dann noch besser zu werden.

Präsident Dr. Walter Rosenkranz: Nächste Zusatzfrage: Herr Abgeordneter Juvan. - Bitte, Herr Abgeordneter.

RN/4.3

Abgeordneter Mag. (FH) Janos Juvan (NEOS): Herr Bundesminister, als Kärntner ist es ja grundsätzlich meine Grundüberzeugung, dass Sprachenvielfalt gerade für unsere Kinder eine riesige Chance ist. Wenn wir aber auf den notwendigen Kompetenzerwerb und Lernerfolg in den Schulen schauen, dann sehen wir eben auch, dass es eine große Herausforderung ist. Insbesondere die aktuelle Pisa-Studie belegt, dass ein Viertel der Kinder die Grundkompetenzen in Mathematik und Deutsch nicht beherrscht. Daher auch meine Frage an Sie: Welche Überlegungen Ihrerseits gibt es denn, im Zusammenhang mit der Ausgestaltung der mittleren Reife sicherzustellen, dass am Ende der Pflichtschulzeit zumindest diese grundlegenden Kompetenzen bei allen Kindern bestehen?

Präsident Dr. Walter Rosenkranz: Bitte, Herr Bundesminister.

Bundesminister für Bildung Christoph Wiederkehr, MA: Die Grundkompetenzen in der Bildung sind das Fundament, und wie bei einem Haus gilt, wenn das Fundament nicht steht, werden auch die Stockwerke darüber nicht stabil sein. Das Fundament in der Bildung sind die Grundkompetenzen Lesen, Schreiben, Rechnen und aus meiner Sicht heutzutage auch der Umgang mit dem Internet als vierte Grundkompetenz. Diese werden wir und diese müssen wir in allen Altersstufen, bis zum Ende der Schulpflicht, stärken. 

Jetzt ist es aber leider so, wie Sie erwähnt haben, dass es einige Jugendliche gibt, die die Schulpflicht absolvieren, die Grundkompetenzen allerdings auch dann nicht beherrschen, und das stellt für unsere Gesellschaft, aber insbesondere auch für die Kinder, für die Jugendlichen nach Ende der Schulpflicht eine schwierige Situation dar, weil es auch am Arbeitsmarkt in diesem Bereich weniger Jobs gibt. Darum haben wir uns vorgenommen und im Koalitionsübereinkommen festgehalten, eine mittlere Reife einzuführen. Das ist eine Abkehr von der schulrechtlichen Vorstellung, dass eine bestimmte Anzahl an Schuljahren ausreicht, hin zu einer Kompetenzorientierung, indem mit einer mittleren Reife überprüft wird, ob diejenigen, die nicht mehr schulpflichtig sind, auch wirklich die Grundqualifikationen mitbringen. Wenn sie es nicht tun, wird es weitere Förderangebote geben. 

Dieses Projekt ist gerade in Diskussion, um es im Laufe der Legislaturperiode in Umsetzung zu bringen.

Präsident Dr. Walter Rosenkranz: Nächste Zusatzfrage: Herr Abgeordneter Oxonitsch. – Bitte, Herr Abgeordneter.

RN/4.4

Abgeordneter Christian Oxonitsch (SPÖ): Danke schön und guten Morgen auch von meiner Seite. – Es ist ja schon besprochen worden, es ist jetzt erfreulicherweise tatsächlich so, dass sich Schulstandorte für bessere Modelle zur Deutschförderung entscheiden können. Es gab ja große Kritik der Wissenschaft, aber auch von vielen Schulstandorten, dass dieses starre Modell die optimale Förderung der Kinder letztendlich eigentlich behindert. Danke, dass da tatsächlich ein neues Modell aufgesetzt wurde. 

Klar ist auch: Eine wesentliche Verantwortung kommt natürlich auch dem Lehrpersonal zu. Was werden Sie tun, um die Qualität bei Deutsch als Zweitsprache in der Lehrerinnen- und Lehrerausbildung, Pädagoginnen- und Pädagogenausbildung zu stärken?

Präsident Dr. Walter Rosenkranz: Herr Bundesminister.

Bundesminister für Bildung Christoph Wiederkehr, MA: Eine ganz wichtige Frage, denn die Deutschförderung kann nur so gut sein, wie die Qualität der Lehrkraft es zulässt, und es geht auch darum, ob es ausreichend Lehrkräfte gibt. Dementsprechend haben wir die Anzahl der Lehrkräfte für die Deutschförderung auf bis zu 1 300 Planstellen aufgestockt. Um diese mit fachkundigen Personen zu besetzen, nämlich denjenigen, die auch Deutsch als Zweitsprache und Deutsch als Fremdsprache als Kompetenz haben, haben wir die Fortbildungs- und Weiterbildungsmöglichkeiten ausgebaut. Es gab beispielsweise schon im Sommer eine eigene Akademie für Lehrkräfte, die sich in den Bereichen Deutsch als Zweitsprache, Deutsch als Fremdsprache weiterbilden wollten, die sehr gut angenommen worden ist.

Diese Bemühungen werden weiter anhalten. Auch während der Schulsemester gibt es laufend Fortbildungen, Ausbildungen, um die Lehrkräfte noch besser zu qualifizieren und ausreichend Personal zu haben, das in diesem Bereich geschult ist. Das ist das Ziel mittelfristig: dass ausschließlich Personen, die auch Aus- und Weiterbildungen haben, in diesem Bereich der Sprachförderung zum Einsatz kommen.

Präsident Dr. Walter Rosenkranz: Wir kommen zur 2. Anfrage, 56/M, jener des Abgeordneten Nico Marchetti. – Bitte, Herr Abgeordneter.