RN/7

Anfrage 59/M

Abgeordnete Mag. Martina von Künsberg Sarre (NEOS): Herr Minister! Die Gesellschaft verändert sich unglaublich schnell, die Anforderungen an unsere Kinder und Jugendlichen steigen, auch die Anforderungen an Schule und Beruf. Die damit verbundene Frage ist, welche Kompetenzen und welches Wissen Kinder und Jugendliche zukünftig brauchen, um ein selbstbestimmtes Leben führen zu können. Schule und Unterricht müssen aufs Leben vorbereiten. Welche Reformen sind geplant, damit Schule und Unterricht Kinder und Jugendliche gut auf das Leben und zukunftsrelevante Themen vorbereiten?

Die schriftlich eingebrachte Anfrage hat folgenden Wortlaut:

„Welche Reformen sind geplant, damit Schule und Unterricht Kinder und Jugendliche auf zukunftsrelevante und praxisnahe Themen vorbereiten?“

Präsident Dr. Walter Rosenkranz: Herr Bundesminister.

Bundesminister für Bildung Christoph Wiederkehr, MA: Ich sehe es genauso, dass die Schule gut auf das Leben vorbereiten muss und soll.

Da geht es um zwei Themenbereiche: Grundkompetenzen, die wir vorhin schon angesprochen haben, sind die Basis dafür, aber auf dieser Basis müssen wir aufbauen. Die Kompetenzen des 21. Jahrhunderts, das ist für mich die Kritikfähigkeit, das ist Kreativität, das ist Kooperationsfähigkeit und Kommunikationsfähigkeit. Das sind die Skills, die wir heutzutage in einer sich ständig verändernden Welt benötigen. Darum wird es auch unsere Aufgabe sein, das Schulsystem stärker in diese Richtung zu bringen, dass die Fächer, dass die Lehrpläne diese Kompetenzen beinhalten und die Jugendlichen gut auf das Leben vorbereiten.

Gestern durfte ich ein neues Projekt in einem dieser Bereiche vorstellen, nämlich Finanzbildung. Finanz- und Wirtschaftsbildung ist ein ganz essenzieller Bestandteil für ein selbstständiges, für ein unabhängiges Leben. Aus meiner Sicht müssen alle Schülerinnen und Schüler in der Schulzeit etwas von Finanz- und Wirtschaftsbildung mitbekommen, beispielsweise wie ein Mietvertrag abzuschließen ist, was bei einem Mietvertrag zu beachten ist. Das sind Themen, die neben einer klassischen Allgemeinbildung für das Leben besonders wichtig sind.

Ich habe deshalb den Plan für die Zukunft, den Plan Z, ins Leben gerufen; er wird bis zum Ende des ersten Quartals 2026 gemeinsam mit den Betroffenen – Schülerinnen und Schülern, Lehrkräften und Eltern – und auch Expertinnen und Experten ausgearbeitet, um unser Schulsystem für unsere komplexe, sich schnell verändernde Gesellschaft fit zu machen, um die Kinder und Jugendlichen zu befähigen, ein selbstständiges und glückliches Leben zu führen.

Präsident Dr. Walter Rosenkranz: Zusatzfrage gewünscht? (Abg. von Künsberg Sarre [NEOS]: Ja, bitte!)

RN/7.1

Abgeordnete Mag. Martina von Künsberg Sarre (NEOS): Wie wird der Erfolg dieser Reformen gemessen werden?

Präsident Dr. Walter Rosenkranz: Herr Bundesminister.

Bundesminister für Bildung Christoph Wiederkehr, MA: Der Erfolg von Bildungsreformen muss über Leistung gemessen werden, denn das Ziel von Bildung ist auch, Leistung feststellbar zu machen. Die Leistung können wir über Grundkompetenzen – Lesen, Schreiben, Rechnen –, über eine Zentralmatura beispielsweise überprüfen.

Neben diesem Leistungsaspekt, den ich für wichtig erachte, geht es auch darum, ob die Schülerinnen und Schüler gerne in die Schule gehen. Das ist – zumindest quantitativ, bisher – schwieriger zu messen, halte ich aber für ganz essenziell, weil Freude am Lernen auch die Leistungen und damit die Chancengerechtigkeit verbessert. Unabhängig von der Herkunft, vom finanziellen Hintergrund der Eltern sollen nämlich alle Kinder gute Bildungschancen bekommen, und daran werden alle Bildungsreformen zu messen sein.

Präsident Dr. Walter Rosenkranz: Wir gelangen zur Zusatzfrage des Abgeordneten Süleyman Zorba. – Bitte, Herr Abgeordneter.

RN/7.2

Abgeordneter Süleyman Zorba (Grüne): Herr Bundesminister! Wir hören in den letzten Tagen und Wochen immer mehr von digitaler Unabhängigkeit. Die Schule soll ja aufs Leben vorbereiten, und Sie haben auch einige Reformen angekündigt. Jetzt wäre meine Frage, ob im Bildungsbereich, wo sich viele Gewohnheiten des Lebens manifestieren, angesichts dieser Notwendigkeit von digitaler Souveränität auch im schulischen Bereich passieren soll, was beim EU-Gipfel vor wenigen Tagen angekündigt wurde, nämlich dass ein massiver Umstieg auf Open Source geplant ist; auf der einen Seite im Anwendungsbereich – ob man da auf Alternativen setzen möchte –, andererseits eben auch auf Betriebssystemebene. Möchten Sie da einen Vorstoß machen, und, falls ja, wann wird es so weit sein?

Präsident Dr. Walter Rosenkranz: Herr Bundesminister.

Bundesminister für Bildung Christoph Wiederkehr, MA: Ich schätze Ihren Einsatz für digitale Souveränität. Ich erachte das auch als ein wichtiges politisches Ziel, das wir in Europa haben sollten. Es ist allerdings so, dass wir in einigen Bereichen von Programmen und auch Clouds abhängig sind, beispielsweise von amerikanischen Dienstleistungen. Das ist nicht prinzipiell schlecht, aber wir brauchen europäische Alternativen und auch frei zugängliche Lizenzen, Open-Source-Lizenzen und -Produkte. Das ist mein Anliegen, dass wir stärker auf diese Formen von Produkten setzen. Es gelingt in einigen Bereichen, aber noch nicht in allen. 

Was mir aber besonders wichtig ist, ist, dass wir gute, digitale Bildungsmedien in Österreich forcieren. Wir reden jetzt viel über digitale Plattformen, IT-Systeme. Besonders wichtig ist aber, die Digitalisierung und auch die künstliche Intelligenz dafür zu nützen, dass wir Bildungsmedien des 21. Jahrhunderts haben, digitale Bildungsmedien, die in den Schulen zur Anwendung kommen. Da ist auch ein Projekt geplant, um Schulen in Zukunft einen Warenkorb zu geben, um digitale Produkte für sich einkaufen zu können.

Präsident Dr. Walter Rosenkranz: Nächste Zusatzfrage: Herr Abgeordneter Paul Stich. – Bitte, Herr Abgeordneter.

RN/7.3

Abgeordneter Paul Stich (SPÖ): Vielen Dank, Herr Präsident! Guten Morgen, Herr Minister! Wir haben jetzt viel darüber gesprochen, dass die Schule in den unterschiedlichsten Bereichen auf das Leben vorbereiten muss, nicht nur, um sich bei einem Mietvertrag nicht abzocken zu lassen, sondern unter anderem auch, um die Teilhabe am politischen System vorzubereiten. Wir wissen aus den diversen Untersuchungen und Erhebungen, dass das Interesse von jungen Menschen an politischen Prozessen eigentlich stetig zunimmt. Im Regierungsprogramm ist ja auch die Etablierung des Schulfaches Demokratiebildung in der Sekundarstufe I vorgesehen.

Meine Frage wäre konkret: Was ist der aktuelle Stand in Ihrem Ministerium in Bezug auf die Umsetzung und inhaltliche Eckpfeiler, zum Beispiel Lehrpläne?

Präsident Dr. Walter Rosenkranz: Herr Bundesminister.

Bundesminister für Bildung Christoph Wiederkehr, MA: Ich halte die Stärkung der Demokratiefähigkeit in unserer Gesellschaft für sehr wichtig, auch um als Gesellschaft gemeinsame Grundwerte zu leben. 

Die Schule ist der Ort, um über Demokratie zu sprechen und Demokratie auch zu lernen; das ist ein Prozess des Erlernens, des Greifbarmachens, dementsprechend ist es das Ziel der Regierungsparteien – steht auch im Koalitionsübereinkommen –, ein Fach Demokratiebildung einzuführen. Es gab bisher erste Beratungen dazu, nämlich demokratisch, offen geführte Beratungen, und zwar bei einem runden Tisch am 15.10. mit Expertinnen und Experten aus Praxis, Verwaltung und Wissenschaft, wo darüber diskutiert worden ist, wie so ein Fach Demokratiebildung ausgestaltet sein soll, in welchen Schulstufen es stattfinden soll, ob da benotet werden soll oder nicht, welche Fachinhalte und welche Kompetenzen vermittelt werden sollen. 

Das ist noch ein laufender Prozess, ich halte es auch für wichtig, mit den Stakeholdern weiter im Dialog zu sein, um da auch konstruktiv voranzukommen, um dann Lehrplanarbeitsgruppen einzuberufen und auch Abstimmungen mit Schulbuchverlagen zu machen. Das werden in diesem Prozess hin zu einem eigenen Fach Demokratiebildung die nächsten Schritte sein.

Präsident Dr. Walter Rosenkranz: Nächste Zusatzfrage: Herr Abgeordneter Wendelin Mölzer. – Bitte, Herr Abgeordneter.

RN/7.4

Abgeordneter Wendelin Mölzer (FPÖ): Herr Bundesminister, wenn man Ihnen bei Ihren Antworten so zuhört, bekommt man ein bissl den Eindruck, Sie glauben noch ans Christkind und an den Osterhasen, nicht nur unsere Jüngsten; also das ist schon manchmal: „widewidewitt“, ich mache es mir, wie es gefällt! (Beifall bei der FPÖ.)

Kommen wir zu meiner Frage: Wir alle wissen, dass es leider Gottes oft vorkommt, dass im Unterricht durch Lehrkräfte, aber auch in Schulbüchern der Versuch vorhanden ist, Kinder politisch zu indoktrinieren. Egal ob Gendersprache, die nicht sehr schön ist, LGBTQ-Propaganda, Klimahysterie oder vielleicht auch der Versuch, bestimmte politische Parteien wie die FPÖ schlechtzumachen: Das hat in unseren Klassenzimmern nichts verloren.

Daher meine Frage: Was tun Sie, Herr Minister, um einen weltanschaulich neutralen Unterricht in den Schulklassen zu gewährleisten?

Präsident Dr. Walter Rosenkranz: Herr Bundesminister. 

Bundesminister für Bildung Christoph Wiederkehr, MA: Weltanschaulich neutrale Bildungsvermittlung ist die Grundaufgabe von Bildung und von Schule, auch die Verantwortung der Pädagoginnen und Pädagogen und darüber hinaus der Lehrpläne; es ist ganz genau darauf zu schauen, dass faktengetreue Inhalte vermittelt werden, die weltanschaulich neutral sind, das heißt, dass weder in die von Ihnen gewünschte rechte ideologische Richtung geführt wird noch in eine linke. (Abg. Kickl [FPÖ]: Normal! – Abg. Mölzer [FPÖ]: Neutral!) Das heißt, wichtig ist, eine neutrale Vermittlung von unterschiedlichen Sichtweisen mitzugeben, im Rahmen von Demokratieunterricht zum Beispiel auch unterschiedliche Meinungen zu diskutieren.

Ich glaube nicht, dass Schule ein Ort sein sollte, der frei von Meinungsdiskussion ist, denn wir als Menschen müssen lernen, unseren Verstand zu verwenden und auch kritische Diskussionen zu führen. Dementsprechend halte ich auch nichts von Cancel Culture, weder von links noch von rechts, wo man sagt: Das darf nicht diskutiert werden!; sondern wir brauchen auch Orte der Diskussion – und ja, auch Schule ist ein Ort gesellschaftlicher Diskussion. (Beifall bei den NEOS und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Präsident Dr. Walter Rosenkranz: Wir gelangen zur nächsten Zusatzanfrage, jener von Frau Abgeordneter Jeitler-Cincelli. – Bitte, Frau Abgeordnete. 

RN/7.5

Abgeordnete Mag. Carmen Jeitler-Cincelli, BA (ÖVP): Vielen Dank. – Herr Minister, Sie haben ja vorhin schon angesprochen, Ihnen ist die Finanzbildung in den Schulen wichtig und es gibt einen Plan dazu. 

Ich habe neulich mit meinem 23-jährigen Sohn gesprochen, der gesagt hat, etwas vom Besten in der Schule war das Ecomania-Planspiel – also die Kinder machen das ja auch gerne –: Volkswirtschaft einfach, verständlich erklärt. Für mich ist es auch der beste Schutz gegen Populismus: in Eigenverantwortung zu kommen, mit wirtschaftlichem Verständnis.

Jetzt konkret die Frage: Es gibt da ja schon viele Modelle. Wie kann man das konkret in einen ganz normalen Unterricht implementieren? Was ist da Ihre Vorstellung?

Präsident Dr. Walter Rosenkranz: Bitte, Herr Bundesminister. 

Bundesminister für Bildung Christoph Wiederkehr, MA: Es ist tatsächlich sehr erfreulich, dass die Schülerinnen und Schüler sich mehr Finanz- und Wirtschaftsbildung wünschen. Das wurde über die Jugendstudie erhoben, bei der herausgekommen ist, dass das Fach, das von den Schülerinnen und Schülern am meisten gewünscht wird, Finanz- und Wirtschaftsbildung ist. Das ist sehr erfreulich. Mit diesem Schuljahr haben 50 Bundesrealgymnasien mit Wirtschaftsschwerpunkt ein eigenes Fach Wirtschaft eingeführt. Ich durfte eine dieser Schulen in Tirol besuchen und habe gesehen, mit welcher Leidenschaft die Schülerinnen und Schüler dabei sind, insbesondere dann, wenn es auch um praktische Anwendung des Gelernten geht, beispielsweise um das Gründen von eigenen Unternehmen, das Entwickeln von eigenen Produktideen, das Vermarkten dieser Ideen und dann auch die Auseinandersetzung damit, was man dann mit Gewinnen macht, die man beim Verkauf von Produkten hoffentlich auch erwirtschaftet. 

Ich bin der Auffassung, je lebensnäher an wirtschaftlichen Prozessen der Realität die Finanz- und Wirtschaftsbildung ist, desto erfolgreicher ist sie. Darum bin ich dankbar, dass es dazu in Österreich viele Initiativen gibt, auch die Stiftung für Wirtschaftsbildung, die da hervorragende Arbeit macht. Und jetzt in dieser Legislaturperiode geht es darum, diese Pionierarbeit, die schon geleistet worden ist, noch stärker ins Regelschulsystem zu übernehmen, daher stärker in die Lehrpläne aufzunehmen, dass auch im Regelunterricht Wirtschafts- und Finanzbildung fix verankert ist, weil eine gute Wirtschafts-, Finanz-, aber auch Verbraucher:innenkompetenz die Garantie für ein selbstbestimmtes und auch wirtschaftlich unabhängiges Leben ist. 

Präsident Dr. Walter Rosenkranz: Wir gelangen zur 5. Anfrage, 60/M, jener der Frau Abgeordneten Sigrid Maurer. – Bitte, Frau Abgeordnete.