RN/20
10.31
Abgeordnete Sigrid Maurer, BA (Grüne): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Minister! Werte Kolleginnen und Kollegen! Stellen Sie sich vor, Sie sind eine Mutter in der Steiermark, Sie haben eine aufgeweckte kluge Tochter mit einer Behinderung und ihre Tochter wünscht sich das, was sich alle Kinder wünschen, sie wünscht sich nichts sehnlicher, als mit ihren Freundinnen und Freunden in die Schule zu kommen – genauso, wie alle anderen kleinen Kinder das auch möchten. Aber dann erhalten Sie einen Brief von der Schulbehörde. Der Inhalt ist ein Bescheid: Ihre Tochter wurde als schulunfähig eingestuft. Eine Welt bricht für Sie zusammen, für die Eltern ebenso wie für die Tochter. – Eine solch erschütternde Situation gibt es leider immer häufiger in österreichischen Familien und ich halte das für unerträglich.
Heute ist Internationaler Tag der Kinderrechte und das heißt auch: gleiche Rechte für alle Kinder. (Beifall bei Grünen, SPÖ und NEOS.)
Jedes Kind, egal woher es kommt, egal ob es reiche oder arme Eltern hat, egal ob es eine Behinderung hat oder nicht, jedes Kind hat das Recht, gemeinsam mit anderen Kindern zu lernen, sich zu entfalten, in seinem Tempo und mit der bestmöglichen Unterstützung.
Österreich hat die UN-Konvention über die Rechte von Menschen mit Behinderungen ratifiziert, schon lange, und diese Konvention beinhaltet auch das Recht auf inklusive Bildung. Damit ist auch das Aussortieren von Kindern mit Behinderungen in Sonderschulen verboten.
Aber was passiert in Österreich? – Immer mehr Kinder werden als schulunfähig eingestuft, wie bei dieser Familie in der Steiermark, und zwar nicht, weil plötzlich die medizinischen Gründe, die für eine solche Einstufung Grundlage sind, ansteigen, sondern wohl deshalb, weil die Ressourcen fehlen, weil es einen Platzmangel gibt, weil man sich zu wenig darum kümmert.
In Oberösterreich werden gerade neue Sonderschulen gebaut, und wir alle wissen, was das heißt: In dem Moment, in dem die Schule einmal hinbetoniert ist, in dem Moment, in dem das Gebäude errichtet ist, ist die Trennung, ist die Absonderung der Kinder mit Behinderung einzementiert. (Abg. Brückl [FPÖ]: Wenn sie es wollen!) Und aus einer solchen Sonderschule in ein Regelschulwesen umzusteigen, ist extrem schwierig und passiert extrem selten.
Das hat natürlich absolut nichts mit dem zu tun, was wir in der UN-Konvention ratifiziert haben: inklusive Bildung, gemeinsames Lernen aller Kinder. Das Gegenteil ist damit der Fall.
Warum erzähle ich diese Geschichte hier beim Bericht des Qualitätssicherungsrats? – Dieser Bericht beschäftigt sich auch mit der Frage der inklusiven Bildung. Wir haben in den letzten Jahren Fortschritte gemacht. Wir haben in allen Lehrplänen ECTS-Punkte im Lehramtsstudium zu inklusiver Bildung verankert. Wir haben ein eigenes Lehramtsstudium in österreichischer Gebärdensprache erlassen. Jetzt kann man auch in Gebärdensprache maturieren – auch das ist ein wichtiger Schritt.
Aber das, was jetzt droht, ist der absolute Rückschritt. Ich habe es gesagt: Immer mehr Kinder werden als schulunfähig eingestuft, es werden neue Sonderschulen gebaut, und – es wurde jetzt von Kollegen Marchetti als positiv herausgestellt, ich habe hier meine Zweifel – die Wiedereinführung eines eigenständigen Lehramtsstudiums führt in der österreichischen Logik natürlich immer dazu (Zwischenruf der Abg. Totter [ÖVP]), dass es dann auch eine spezielle Schule dafür gibt. (Abg. Brückl [FPÖ]: Das ist ja auch gut so!) – Nein, Herr Kollege, es ist nicht gut so. (Abg. Brückl [FPÖ]: Doch, ist es!) Unsere Kinder, alle Kinder, egal ob sie eine Behinderung haben oder nicht, haben ein Recht auf Bildung und nicht auf Aussortiertwerden. (Beifall bei Grünen, SPÖ und NEOS. – Abg. Brückl [FPÖ]: Sie haben das Recht auf Wahlfreiheit! Sie haben das Recht, sich frei zu entscheiden!)
Die Kinder sollen nicht mehr aussortiert werden, das ist der Punkt (Abg. Brückl [FPÖ]: Sie haben das Recht, sich frei zu entscheiden!), das haben wir ratifiziert und dafür kämpfen wir Grüne.
Herr Minister, Sie haben in der Fragestunde schon betont, dass Ihnen das auch ein Anliegen ist. Ich bitte Sie inständig: Kümmern Sie sich wirklich um dieses Thema! Schauen Sie darauf, dass Kinder mit Behinderungen nicht schon wieder auf der Strecke bleiben! – Das darf uns nicht passieren. (Beifall bei den Grünen.)
Ich erwarte hier großes Engagement von allen Fraktionen. Alle Kinder haben die gleichen Rechte, auch die Kinder mit Behinderung. – Vielen Dank. (Beifall bei Grünen und NEOS.)
10.36
Präsident Dr. Walter Rosenkranz: Als Nächster zu Wort gemeldet hat sich der Herr Bundesminister. – Bitte, Herr Bundesminister.
Die angezeigte Rede ist noch nicht nach § 52 Abs. 2 GOG-NR autorisiert.