RN/129
17.30
Abgeordnete Barbara Neßler (Grüne): Danke, Herr Präsident! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Es geht weiter mit Versäumnissen. Der Kindergarten ist die erste und wichtigste Bildungseinrichtung. Bildungsgerechtigkeit beginnt nicht am Schulhof, sie beginnt im Kindergarten, und dafür braucht es Pädagogen und Pädagoginnen mit Zeitressourcen, und Familien müssen sich darauf verlassen können, dass sie einen Platz bekommen.
Wir leben im Jahr 2025, und wenn es um ordentliche Kinderbetreuung geht, dann ducken sich die Landeshauptleute nach wie vor leider immer noch gerne weg. Da heißt es dann achselzuckend: Wir haben kein Geld!, oder die Verantwortung wird ganz auf die Frau übertragen, indem es heißt: Ja, ja, die Mama wird es schon richten, die Mama bleibt eh daheim!
Die Unterschiede zwischen den Bundesländern sind groß, aber auch die Unterschiede innerhalb eines Bundeslandes. Das heißt, ob ich eine Kinderbetreuung habe oder nicht oder ob meine Kinderbetreuung zu Mittag schließt oder nicht, das hängt von meinem Wohnort ab. Es kann also nicht sein, liebe Kollegen und Kolleginnen, dass es weiterhin eine Frage der Postleitzahllotterie ist.
Woran scheitert es? – Es kommt immer ganz schnell die faule Ausrede: Wir haben kein Geld! Das ist der Oberschmäh, denn Fakt ist, wir haben während unserer Regierungsbeteiligung den Tank mit 4,5 Milliarden Euro aufgefüllt, damit der Ausbauturbo gezündet werden kann. (Abg. Wurm [FPÖ]: Das waren aber Schulden, Barbara!) Mit einer parlamentarischen Anfrage haben wir genau angeschaut, wie diese Mittel abgeholt wurden – für den Ausbau der Kinderbetreuung, für längere Öffnungszeiten, für den Sprachförderungsausbau, und die Ergebnisse sind wirklich ernüchternd, in Wahrheit sind sie tatsächlich schockierend.
2024 blieben rund 40 Prozent der verfügbaren Mittel einfach liegen, das heißt, 71 Millionen Euro blieben also liegen. Das Absurde ist, das Geld für mehr Kinderbetreuung liegt auf dem Tisch und es wird nicht abgeholt. Die Bundesländer holen dieses Geld einfach nicht ab, während Familien in Österreich händeringend nach einem Kinderbetreuungsplatz suchen – und das, liebe Kolleginnen und Kollegen, ist völlig absurd. (Beifall bei den Grünen.)
Aber schauen wir uns das Ganze einmal im Detail an: Geschätzte Kolleginnen und Kollegen der ÖVP, werfen wir gemeinsam einen Blick in mein Heimatbundesland Tirol. Nehmen wir Gerlos her, die Heimatgemeinde des Nationalratskollegen Franz Hörl, als ein Beispiel von vielen. Dort hat der Kindergarten an drei Tagen in der Woche bis 13 Uhr geöffnet. Das heißt, der Kindergarten schließt um eins. (Eine Tafel mit der Überschrift „Kinderbetreuung Tirol/ÖVP“ auf das Rednerinnen- und Rednerpult stellend, auf der die Öffnungszeiten des Kindergartens Gerlos dargestellt sind.) Jetzt frage ich Sie, geschätzte Kolleginnen und Kollegen der ÖVP, könnten Sie Ihr Nationalratsmandat tatsächlich mit diesen Öffnungszeiten ausüben? (Abg. Reiter [ÖVP]: Das ist viel zu klein, das kann man nicht lesen!) Könnten Sie den Job machen, mit diesen Öffnungszeiten? Ich glaube nicht, ich glaube nicht (Abg. Oberhofer [NEOS]: Ihr wart 10 Jahre in der Landesregierung!), und genau das muten Sie den Familien in Tirol jeden Tag zu. (Beifall bei den Grünen. – Abg. Bogner-Strauß [ÖVP]: Was ist das jetzt Landessache oder Bundessache?)
Und das Absurde ist, Tirol lässt Millionen – lässt Millionen! – liegen, 57 Prozent der Mittel werden nicht abgeholt. Das heißt, 20 Millionen Euro werden einfach nicht abgeholt für den Ausbau der Kinderbetreuung. (Abg. Bogner-Strauß [ÖVP]: Auch das ist eine Falschinformation! Da brauchen wir offensichtlich eine tatsächliche Berichtigung!) Ich frage mich: Finden Sie das tatsächlich fair, dass Eltern, die händeringend nach einem Platz suchen, einfach im Stich gelassen werden? Und finden Sie es tatsächlich sinnvoll, dass eine komplett sinnbefreite Teilzeitdebatte von Ihnen geführt wird, obwohl Eltern nicht einmal Vollzeit arbeiten gehen können? – Und das, liebe Kolleginnen und Kollegen, ist tatsächlich ein schlechter Scherz, auf Kosten der Familien und vor allem auf Kosten der Frauen in unserem Land. (Beifall bei den Grünen.)
Aber nicht nur die ÖVP-geführten Bundesländer schauen entsprechend schlecht aus. Schauen wir einmal nach Kärnten! Ja, geschätzte Kollegen und Kolleginnen, ich habe auch diesbezüglich schlechte Nachrichten: Kärnten schaut nicht gut aus. Zu kurze Tage, zu lange Schließzeiten, zu wenig Plätze, und die Tendenz in Kärnten ist so, dass es noch weiter runtergeht. Im Jahr 2023/24 hatten noch 42 Prozent der drei- bis fünfjährigen Kinder einen Platz, der mit Vollzeitarbeit vereinbar ist, jetzt sind es mittlerweile 38 Prozent. (Die Rednerin stellt eine Tafel mit der Aufschrift „Kinderbetreuung Kärnten/SPÖ / Vollzeit-taugliche Kindergartenplätze für 3-5 Jährige / -3,8%“ und einem Säulendiagramm auf das Rednerinnen- und Rednerpult.) 38 Prozent, und für die Verlängerung der Öffnungszeiten wurden von Kärnten genau null Euro abgeholt – null Euro! –, und keine einzige neue Kinderbetreuungskrippe wurde hinzugefügt. Seit 2013 wird Kärnten rot geführt, und trotzdem werden die Frauen im Regen stehen gelassen. Ich frage mich, liebe Kollegen und Kolleginnen der SPÖ, wie kann das sein? Wie kann das sein? (Beifall bei den Grünen. – Zwischenruf des Abg. Oxonitsch [SPÖ].)
Ich möchte auch keine Sonntagsreden mehr hören, dass es heißt, wir müssen die Arbeitsbedingungen der Pädagogen und Pädagoginnen verbessern. – Natürlich müssen wir das, weil sie Großartiges liefern, jeden Tag. – Nur, wir wissen, was es braucht: kleinere Gruppen, einen besseren Betreuungsschlüssel. Und auch da werden Gelder liegen gelassen – es werden Gelder liegen gelassen! (Abg. Oxonitsch [SPÖ]: ...effekt sein! Das haben wir euch ... Jahren schon gesagt!)
Nun zur FPÖ: In der FPÖ-regierten Steiermark unter dem blauen Landeshauptmann wird überhaupt der Rückwärtsgang eingelegt. Die Steiermark holt mit Abstand – mit Abstand! – am wenigsten Geld für den Ausbau der Kinderbetreuung ab, ganze 74 Prozent werden liegen gelassen. (Die Rednerin stellt ein Schild mit der Aufschrift „Kinderbetreuung Steiermark/FPÖ / 73.6% der Mittel für den Ausbau werden liegengelassen. = 24,6 Millionen / 0 € für längere Öffnungszeiten“ auf das Rednerinnen- und Rednerpult.) Die Steiermark ist also trauriges Schlusslicht, was die Kinderbetreuung anbelangt. Eine ernst gemeinte Frage an die steirischen FPÖ-Abgeordneten: Ist Ihnen das völlig wurscht, dass die Familien wirklich so im Regen stehen gelassen werden?
Ja, ich verstehe, dass das Familienbild der FPÖ quasi aus den 1960ern kommt, am liebsten würde die Herdprämie eingeführt werden und die Frau wird zurück an den Herd verbannt. – Und verstehen Sie mich nicht falsch, wir sind dafür, dass jede Frau entscheiden kann, wie sie ihr Leben gestalten will, nur: Frauen können nicht entscheiden, wenn es keine ausreichende Kinderbetreuung gibt. (Beifall bei den Grünen. – Abg. Stefan [FPÖ]: ... Kinder gegeben hat!)
Zum Antrag: Weil ich gehört habe, das ist Landeskompetenz – ja, aber wir haben eingebracht, dass der Minister mit den Ländern Gespräche führen soll, und wenn ich sehe, dass diese Gelder nicht abgeholt werden, dann müssen doch bitte alle Alarmglocken bei mir läuten (Abg. Bogner-Strauß [ÖVP]: Die können bis zum Ende der Periode abgeholt werden! Bleiben wir doch bei der Wahrheit! Bei der Wahrheit!), weil wir wissen: zu wenig Kinderbetreuung bedeutet Chancenraub für Frauen. (Zwischenruf der Abg. von Künsberg Sarre [NEOS].) Es bedeutet, dass Frauen in Altersarmut landen können, und es bedeutet, dass Frauen abhängig vom Partner gemacht werden. Und wir dürfen nicht vergessen, auch aus wirtschaftlicher Perspektive können wir uns ein Zuwenig an Kinderbetreuung ganz einfach nicht mehr leisten.
Und was tut die Bundesregierung? – Es gibt keinen verpflichtenden Ausbauplan und es gibt keine klaren Ziele. Genau darum ist dieser Antrag so wichtig, dass der zuständige Minister Gespräche führt, denn wir brauchen Kinderbetreuung nicht irgendwann, sondern die Eltern brauchen jetzt einen Betreuungsplatz für ihr Kind. Und ja, ich sage es in aller Deutlichkeit – der zuständige Minister ist nicht da, aber Sie können es ihm ausrichten –, dass er den Landeshauptleuten sagen muss – Strolz hat die Landeshauptleute 2017 noch als die „Fürsten der Finsternis“ bezeichnet –, dass in ihren Kindergärten das Licht viel zu früh ausgeht. Wecken Sie die Landeshauptleute aus dem Dornröschenschlaf auf!
Im Grunde muss man ja sagen, dass jede Mama auf ein Podest gehört, für das, was sie jeden Tag leistet, anstatt dass man sie im Stich lässt. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP. – Abg. Bogner-Strauß [ÖVP]: Auch ganz viele Papas übrigens!)
Viele Familien haben uns geschrieben, dass sie wirklich verzweifelt nach einem Betreuungsplatz suchen. Führen Sie den Ausbauturbo, den wir Grüne in der Regierungsbeteiligung gestartet haben, weiter aus, damit dieses ewige: Die Mama wird’s schon richten, die Mama bleibt eh daheim!, endlich der Vergangenheit angehört! (Beifall bei den Grünen.)
17.39
Präsident Peter Haubner: Die Redezeit der nunmehr zu Wort gemeldeten Abgeordneten beträgt gemäß der Geschäftsordnung maximal 5 Minuten.
Zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Hermann Brückl für 5 Minuten.
Die angezeigte Rede ist noch nicht nach § 52 Abs. 2 GOG-NR autorisiert.