RN/4

9.06

Abgeordneter Nico Marchetti (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Geschätzter Herr Wirtschaftsminister! Liebe Damen und Herren! Wir bekommen es ja alle mit, egal ob es im Gespräch am Stammtisch oder beim Kaffee an der Tankstelle ist oder wenn man die Zeitungen aufschlägt: Es sind definitiv bewegte Zeiten. Das kann natürlich auf der einen Seite Angst machen, es kann auch – und das ist menschlich verständlich – wütend machen. Die Frage ist nur: Was passiert nach der Wut? Wie kann man diesen bewegten Zeiten als Politik, als verantwortungsvoller Politiker begegnen?

Eine Begegnung der letzten Tage möchte ich in diesem Zusammenhang schildern: Beim Oberlaaer Bauernadvent habe ich mit einer älteren Dame gesprochen. Sie hat gesagt: Na ja, diese eine deutsche Politikerin, diese Sahra Wagenknecht ist ja die Einzige, die für Frieden ist! Da habe ich gesagt: Ja, reden wir darüber! Unabhängig von irgendwelchen ideologischen Fragen, die zwischen uns und Sahra Wagenknecht stehen, habe ich gesagt: Wenn Sahra Wagenknecht gewählt werden würde, würde sie nach Moskau fahren, schnippen und dann wäre der Krieg vorbei? Sie müsste genauso mit 26 anderen EU-Ländern eine Linie finden. Sie müsste genauso einen Waffenstillstand verhandeln. Sie müsste genauso Sicherheitsgarantien mit den Großmächten verhandeln. Keiner kann diese Fakten ignorieren oder sich diese grundsätzlichen handwerklichen Tätigkeiten, wie man zu Lösungen in der Politik kommt, ersparen – egal, welche Hoffnungen er schürt, egal welche starken Sprüche er oder sie klopft. (Zwischenruf des Abg. Kickl [FPÖ].) So funktioniert Politik einfach nicht, so kommt man zu keinen Lösungen. (Beifall bei ÖVP und NEOS.)

Die ältere Dame hat auch gesagt: Ja, stimmt, aber die Hoffnung war ja so schön! – Das ist das, was sie so angesprochen hat. 

Das sind genau dieselben Hoffnungen, die manche in Österreich haben, die einen starken Mann fordern: Dann geht alles schnell, dann geht alles leicht, dann gibt es die Probleme vielleicht nicht mehr. Aber ich sage euch nur: Es gibt keinen starken Mann in Österreich. Das gibt die Verfassung nicht her. Es gibt niemanden, der allein entscheidet. Große Reformen brauchen eine Zweidrittelmehrheit. (Abg. Kickl [FPÖ]: Weiß das der Kurz bei euch auch?!) Da muss man sich mit den Ländern hinsetzen. Die Probleme verschwinden nicht. Selbst wenn dieser starke Mann 40 Prozent bei der Nationalratswahl hätte, bräuchte er einen Kompromiss, bräuchte er eine Koalition, müsste er um Kompromisse ringen und Mehrheiten organisieren. Die Herausforderungen wären dieselben. Dieser starke Mann wäre nicht die Lösung. 

Ich persönlich verstehe überhaupt nicht, wie man bei einem starken Mann ausgerechnet auf Herbert Kickl kommt (Beifall bei ÖVP, SPÖ und NEOS – Heiterkeit bei Abgeordneten der SPÖ – Abg. Kickl [FPÖ]: Du verstehst vieles nicht!), einen Politiker, der seit Jahrzehnten vom politischen System lebt, der zwei Jahre Innenminister war und bewiesen hat, dass er die Hoffnungen, die er schürt, die Sprüche, die er klopft, in der Praxis nicht erfüllen kann, der auch nicht fähig war, Mehrheiten für eine Koalition, für Reformen zu organisieren. (Zwischenruf des Abg. Hafenecker [FPÖ].) Er hat den Regierungsbildungsauftrag nicht erfüllt. Das ist für mich keine Stärke. Ich erkenne sie nicht. (Abg. Kickl [FPÖ]: Red dich nur um Kopf und Kragen! – Zwischenruf des Abg. Schnedlitz [FPÖ].)

Also: Welche Möglichkeiten haben wir auf Basis der Verfassung, um als Politiker stark zu sein? Wir brauchen keinen starken Mann. Wir brauchen 183 starke Abgeordnete, die es schaffen, Kompromisse zu finden. In der Verfassung gibt es auch keinen Unterschied zwischen einem Abgeordneten einer Regierungskoalition, der ausschließlich die Verantwortung trägt, und einem Abgeordneten der Opposition, der Gesetzen quasi nur zustimmen muss, wenn es um die persönliche Profilierung geht. (Abg. Kickl [FPÖ]: Was tut denn der da eigentlich?) Irgendwie hat das Hans Kelsen in der Verfassung ausgelassen; ich habe es jedenfalls nicht gefunden. (Abg. Kickl [FPÖ]: August, solltest du nicht wieder öfter ...? – Abg. Hafenecker [FPÖ]: Dein Thema ist doch, dass ihr arbeiten ...?!) 

Wenn das klar ist, ist die nächste Frage: Was sind die drängenden Themen in diesem Land, für die wir als Politik eine Lösung finden müssen? – Da sind wir uns auch in weiten Teilen einig: Es ist die Teuerung, es ist die Entwicklung unserer Wirtschaft, es ist das Thema Migration, es ist das Thema Gesundheit. Genau bei diesen Themen hat unser Bundeskanzler Christian Stocker eine klare Leitlinie vorgegeben: 2 Prozent Inflation für 2026, mindestens 1 Prozent Wirtschaftswachstum und 0 Prozent Toleranz gegenüber jenen, die unsere Gesellschaft ablehnen; und im Rahmen der Reformpartnerschaft in den Bereichen Gesundheit, Energie, Verwaltung, Verfassung und Bildung große Reformen. Es liegt also alles am Tisch. Wir wissen, wie wir zu diesen Lösungen kommen, wir sind uns einig, was die drängenden Probleme sind (Abg. Steiner [FPÖ]: Ihr habts nur den Tisch noch nicht gefunden, wo das steht!), wir haben eine Leitlinie vorgelegt. Jetzt geht es darum, wirklich Lösungen zu beschließen. 

Schauen wir auf den Bereich Energieteuerung: Kurzfristig werden wir mit Einmaleffekten aus den Beteiligungen der Republik, unter anderem vom Verbund, 500 Millionen Euro aufstellen, den Menschen zurückgeben, die Energieabgaben senken und somit akut helfen. Das ist Schritt eins. Das andere ist, dass wir in die Strukturen hineingehen, die Netzgesellschaften zusammenlegen (Abg. Kickl [FPÖ]: Steht aber nichts in dem Gesetz drin jetzt!) – wir haben es im Rahmen der Reformpartnerschaft auf der Agenda –, das Billigstromgesetz beschließen, das mittelfristig – und mit dem Sozialtarif auch sofort – die Strompreise senkt.

Das ist ein Plan, wie wir eines der dringendsten Probleme in der Bevölkerung, die Teuerung der Energiepreise, lösen können. Er liegt am Tisch. Abgesehen davon hat auch die Opposition billigere Energiepreise gefordert. (Abg. Hafenecker [FPÖ]: Dann müssen sie aber auch billiger sein!) Ich glaube, jetzt geht es darum, dass wir uns auch tatsächlich bekennen: Wer ist dafür, dass man die Probleme im Land löst? Wer ist dafür, dass man die Energiepreise senkt? In den nächsten Tagen wird auch die Stunde der Wahrheit kommen, die zeigen wird, wer nur versucht, sich selbst zu profilieren, seine Umfragen zu schönen, und wer sein gewähltes Mandat wirklich ernst nimmt und auch Lösungen zusammenbringt. Wir werden es in den nächsten Tagen sehen. (Beifall bei der ÖVP sowie bei Abgeordneten von SPÖ und NEOS. – Zwischenrufe bei der FPÖ.)

Ich habe auch keinen Passus in der Verfassung gefunden, dass zum Erlangen der erforderlichen Zweidrittelmehrheit jedenfalls auf die fernöstlichen Reisetätigkeiten von Christian Hafenecker und Axel Kassegger Rücksicht genommen werden muss. Das ist ja wirklich auch eine Scheinheiligkeit, die sich sehen lässt! Gerade die Partei, die sich als Antiprivilegienritter inszeniert, hat einen Chef, der seit Jahrzehnten vom politischen System lebt, vom Steuergeld lebt, und sein engster Mitarbeiter, der immer kritisiert, wenn eine Außenministerin im Ausland ist – was ihr Job ist (Abg. Hafenecker [FPÖ]: 44 Reisen ...!) –, fliegt selber Businessclass auf Steuerzahlerkosten nach Kuala Lumpur, anstatt das österreichische Billigstromgesetz zu verhandeln. (Beifall bei der ÖVP sowie bei Abgeordneten von SPÖ und NEOS.

Also das, meine Lieben, ist ganz weit davon entfernt, was ihr immer behauptet und was das Land wirklich weiterbringt. Eines ist auch ganz klar: Wer gegen das Billigstromgesetz stimmt, der stimmt nicht gegen die ÖVP, der wischt nicht dem Minister eins aus; der macht etwas gegen die Österreicher und Österreicherinnen, die sich erwarten, dass wir in diesem Hohen Haus Gesetze beschließen, die ihnen etwas bringen; der macht etwas gegen die Österreicher und Österreicherinnen und nicht gegen die ÖVP. (Abg. Gewessler [Grüne]: Dann machts halt einmal Gesetze!) Denkt einmal darüber nach, das ist nämlich das, was tatsächlich die Wahrheit ist! (Beifall bei der ÖVP sowie bei Abgeordneten von SPÖ und NEOS. – Abg. Kassegger [FPÖ]: Wie man nur so viel Blödsinn reden kann! Wie man nur so viel Unfug reden kann! Weitere Zwischenrufe bei der FPÖ.)

Ich glaube, wenn man darüber nachdenkt, was dieses Land auch in der Vergangenheit stark gemacht hat – und immerhin, das muss man einfach sehen und anerkennen: wir sind eines der reichsten Länder dieser Welt, wir sind eines der sichersten Länder dieser Welt, wir haben eines der besten Gesundheitssysteme dieser Welt, und das wissen die Österreicher und Österreicherinnen auch zu schätzen –, wie das zustande gekommen ist, sieht man: Wir waren stark, wenn wir Mehrheiten gefunden haben, um Kompromisse gerungen haben, wenn wir versucht haben, Lösungen zu finden, und nicht, Schuldige zu finden. So war Österreich stark, so sind wir stark geworden.

Wir brauchen keinen starken Mann, wir brauchen starke Frauen und Männer in diesem Haus, die wirklich die Verantwortung wahrnehmen, die sie verfassungsrechtlich haben, die nicht nur auf ihren eigenen Vorteil schauen, sondern auf den Vorteil der Bevölkerung, die den Mut haben, für etwas zu sein und sich auch Kritik auszusetzen, und sich nicht nur zurücklehnen, gegen alles sind und sich freuen, wenn andere scheitern. Das hat Österreich nicht stark gemacht. (Beifall bei der ÖVP sowie bei Abgeordneten von SPÖ und NEOS.)

Wir brauchen keinen starken Mann, wir brauchen starke Männer und Frauen, die bereit sind, Verantwortung zu übernehmen. Wir haben die Gesetze vorgelegt, die auch die drängendsten Themen dieser Zeit - - (Abg. Steiner [FPÖ]: Welche?) – Ja, Stopp des Familiennachzugs! (Heiterkeit und Zwischenrufe bei der FPÖ.) Die strenge Migrationspartei: Sie haben gefordert, und wo haben Sie mitgestimmt? – Nirgends! Sie haben nicht mitgestimmt. Wir haben den Familiennachzug gestoppt. Wir sind das einzige europäische Land, das nach Syrien und Afghanistan abschiebt. Wir machen Lösungen. Sie machen sich lustig, freuen sich, wenn andere scheitern, verunsichern. Das macht keine Lösungen, das macht das Leben der Menschen nicht besser. Das muss ich Ihnen ganz ehrlich sagen. (Beifall bei der ÖVP.)

Als Abgeordneter dieses Hauses möchte ich auch sagen: Ich glaube wirklich nicht, dass einer von uns, wenn er darüber nachdenkt, besser schläft, wenn er weiß: Ah, heute habe ich es allen anderen wirklich gezeigt, jetzt habe ich den anderen wirklich einmal eins mitgegeben! – Eigentlich sollten wir dieses Berufsethos haben, dass wir beruhigt schlafen gehen, wenn wir sinnvolle Gesetze beschlossen haben, die diesem Land etwas bringen. (Zwischenruf des Abg. Steiner [FPÖ].) Wir werden beim Billigstromgesetz sehen (Abg. Darmann [FPÖ]: Wo sind die sinnvollen Gesetze?), wer wirklich nicht nur in Sonntagsreden von billigen Energiepreisen spricht, sondern wer sich auch wirklich dazu bekennt und wirklich die Arbeit macht, für die wir alle gewählt worden sind.

Noch einmal: In der Verfassung steht nicht, dass nur Abgeordnete Verantwortung tragen, die Teil der Regierungskoalition sind, sondern es trifft uns alle, und ich würde mich freuen, wenn Sie dieses Verantwortungsgefühl auch einmal spüren würden und nicht nur starke Sprüche klopfen. (Beifall bei der ÖVP sowie bei Abgeordneten von SPÖ und NEOS. – Abg. Mölzer [FPÖ]: Worum ist es inhaltlich gegangen genau? – Abg. Kassegger [FPÖ]: Oh Mann, oh Mann, oh Mann! – Weitere Zwischenrufe bei der FPÖ.)

9.15

Präsident Dr. Walter Rosenkranz: Für eine einleitende Stellungnahme zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesminister für Wirtschaft, Energie und Tourismus Wolfgang Hattmannsdorfer. Ich erteile es ihm. Auch seine Redezeit soll 10 Minuten nicht überschreiten. – Bitte, Herr Bundesminister.

Die angezeigte Rede ist noch nicht nach § 52 Abs. 2 GOG-NR autorisiert.