RN/17

10.18

Abgeordneter Mag. Yannick Shetty (NEOS): Vielen Dank, Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Außenministerin! Sehr geehrte Damen und Herren! Liebe Zuseherinnen, liebe Zuseher! Wir haben diese Aktuelle Europastunde nicht ohne Grund verlangt. Wir tun das, weil wir mitten in einer geopolitischen Zeitenwende stehen, weil Europas Feinde immer lauter werden und weil Putins Handlanger nicht mehr nur in Moskau sitzen, sondern mittlerweile in den meisten europäischen Parlamenten. Eine von ihnen, Karin Kneissl – vielleicht erinnern Sie sich noch –, war sogar unsere Außenministerin, Österreichs Außenministerin. Mittlerweile sitzt sie im Auftrag von Putin in Sankt Petersburg und verbreitet seine Propaganda. Wir erleben auch, dass Teile von Putins Narrativ mittlerweile von Washington übernommen werden.

Wir leben in einer Welt, in der autoritäre Kräfte offen bekennen, was ihr Ziel ist: Europa zu schwächen, Europa zu spalten, Europa zu zerstören (Ruf bei der FPÖ: Das habt ihr ganz selbst gemacht!), und zwar deswegen, weil dieses Europa – von dem ich der Meinung bin, dass es sich sehr oft unter seinem Wert schlägt – das Gegenmodell zu ihrem autoritären Fetisch ist, nämlich frei, offen, demokratisch. Das tut ihnen weh, das wollen sie kaputtmachen. (Beifall bei den NEOS sowie bei Abgeordneten von ÖVP und SPÖ.)

Während Europa seine Freiheit verteidigt – ja, das ist auf einem Kontinent, in einer Union, wo wir die Interessen von vielen Mitgliedstaaten ausgleichen müssen, schwieriger als in einem Land, das von einem Diktator regiert wird; ja, das ist schwieriger –, während wir unsere Freiheit verteidigen und daran arbeiten, unabhängiger zu werden, stellen sich Parteien – und das ist das Perfide – in Europa, die Freunde Putins, leider auch hier im Nationalrat, bewusst auf die Seite jener, die dieses gemeinsame Europa schwächen wollen. Dieses Muster aufzudecken, das ist Inhalt unserer Aktuellen Europastunde, und ich denke – aufgrund der neuen Sicherheitsstrategie der Vereinigten Staaten –, sie ist aktueller denn je.

Wer glaubt, das sei übertrieben, der braucht eben nur einen Blick über den Atlantik zu werfen. Ich weiß nicht, wer es von Ihnen, sehr geehrte Zuseherinnen und Zuseher, schon gelesen, mitbekommen hat: Die Vereinigten Staaten haben eine brandneue Sicherheitsstrategie präsentiert; dort steht schwarz auf weiß – schwarz auf weiß –, dass Europa aus der Sicht der USA erstmals seit 1945 nicht mehr als verlässlicher Partner gesehen wird. Die Europäische Union wird sogar als „adversarial“ bezeichnet – also als Gegner –, weil sie angeblich Freiheit und Souveränität beschneiden würde. (Ruf bei der FPÖ: Richtig!) – Ja, ja, „richtig“, das ist eh bezeichnend, dass Sie das abfeiern da drüben! Aber noch etwas steht dort, und das ist brandgefährlich: Die Trump-Administration wolle künftig bewusst populistische Parteien in Europa unterstützen, um politische Entwicklungen zu beeinflussen. (Zwischenruf des Abg. Wurm [FPÖ].)

Das ist ein direkter Eingriff einer fremden Macht, eines fremden Landes in unsere Souveränität, in unsere freie demokratische Willensbildung (neuerlicher Zwischenruf des Abg. Wurm [FPÖ]), und dass Sie das befürworten, ist sowieso bezeichnend. (Beifall bei den NEOS. Abg. Kickl [FPÖ]: So was würde es von der Europäischen Kommission nie geben! Nein!)  Ja, ja, gutes Stichwort. Herr Kickl ruft gerade rein: „So was würde es von der Europäischen Kommission nie geben!“

Jetzt stellen Sie sich vor, unsere Außenministerin, diese Bundesregierung würde eine nationale Sicherheitsstrategie vorlegen und würde da reinschreiben: Wir unterstützen nur mehr die Demokratische Partei. Na, wie groß wäre denn da der Aufschrei bei Ihnen? Zu Recht! Aber hier sind Sie ganz leise. (Beifall bei den NEOS. – Abg. Kickl [FPÖ]: Die Europäische Union soll ihre Finger aus den Mitgliedstaaten herausnehmen!)

Das, was die USA da gemacht haben, ist ein Geschenk an Putin, und es ist bezeichnend, wer Trump zujubelt: Weidel, Le Pen, Kickl. (Zwischenruf des Abg. Schnedlitz [FPÖ].) Es ist nur logisch, denn wenn die größten Feinde der Europäischen Union außerhalb Europas jubeln, dann jubeln die lautesten Gegner der Europäischen Union innerhalb der Union – und das sehen wir hier in diesem Fall. (Beifall bei den NEOS. Abg. Kickl [FPÖ]: Sind Sie vielleicht ein bisserl selbstkritisch auch, warum es so gekommen sein kann, dass das so drinnen steht?!) 

Auch wenn die Trump-Administration Ähnliches - - (Abg. Kickl [FPÖ]: Alles richtig gemacht! Offenbar!) – Ich habe ja gerade das Beispiel genannt, Herr Kickl. Glauben Sie wirklich, wenn wir eine nationale Sicherheitsstrategie verabschieden würden (Abg. Kickl [FPÖ]: Die EU hat alles richtig gemacht, das ist die Kurzfassung!), in der wir uns auf die Seite einer der Parteien stellen würden, dass Sie das nicht kritisieren würden? Es ist pure Doppelmoral, was Sie hier verbreiten. (Beifall bei den NEOS. Abg. Kickl [FPÖ]: Ich möchte einmal wissen, ob die Europäische Union irgendetwas falsch gemacht hat! Gibt es das in Ihrer Denkwelt?)

Ich frage mich auch, Herr Kickl – denn ich will da Ihre Begriffe verwenden –: Was ist denn das für ein Verständnis von Unabhängigkeit? Was ist denn das für ein Verständnis von Patriotismus? (Abg. Kickl [FPÖ]: Wenn Sie vor einem Biden auf den Knien liegen, was ist denn das?) Unsere Antwort ist klar: Europa muss souveräner werden, Europa muss zusammenrücken, und Europa muss vor allem sein Schicksal selbst bestimmen. Das passiert nicht in Washington und auch nicht in Moskau, auch wenn Sie das gerne so hätten. (Beifall bei den NEOS sowie bei Abgeordneten von ÖVP und SPÖ.)

Unsere Vision lautet – und ich weiß, da sind wir das komplette Gegenteil von Ihnen, Herr Kickl –: die Vereinigten Staaten von Europa, getragen von starken Mitgliedstaaten. (Zwischenrufe bei der FPÖ.) Ihre Vision lautet, zuerst die Europäische Union von innen zu zerstören, dann aus ihr auszutreten, dann den Öxit zu vollziehen. (Abg. Hafenecker [FPÖ]: Sie wollen Österreich abschaffen!) Das, was Sie klammheimlich schon seit Jahren schmieden, ist Ihr Plan, und das würden Sie umsetzen, wenn Sie dieses Land regieren würden. (Abg. Kickl [FPÖ]: Sagt der, der hinter den Brexit-Briten herhechelt! Das gibt’s ja gar nicht! Sie rennen hinter den Brexit-Briten hinterher! Sie!)

Wenn wir über europäische Souveränität sprechen, müssen wir eben auch über jene sprechen, die sie systematisch untergraben. Die FPÖ ist dabei – leider, muss man sagen – unter den populistischen Parteien Europas – da gibt es ja welche, die zumindest eine klare Linie haben – ja so etwas wie eine Partei der gespaltenen Persönlichkeiten. Also einerseits predigen Sie Neutralität, aber Sie knien vor Putin. (Rufe bei der FPÖ: Wo?) Was ist daran neutral? Sie reden von Patriotismus, aber ketten sich an Russland. Was ist daran patriotisch? (Weitere Rufe bei der FPÖ: Wo?) Und Sie reden von Souveränität, werfen sich aber jedem starken Mann außerhalb von Europa zu Füßen (Heiterkeit bei Abgeordneten der FPÖ): Trump, Putin, Musk. – Herr Kickl, das ist nicht souverän, das ist erbärmlich – und Sie wissen das auch ganz genau. (Beifall bei den NEOS und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Schauen wir auf das jüngste Beispiel im Zusammenhang mit Elon Musk! Der Digital Services Act ist eine EU-Gesetzgebung, die von 539 Abgeordneten beschlossen wurde, auch von Abgeordneten Ihrer Fraktion im Europäischen Parlament, und der gilt für alle Techkonzerne. Der gilt für Facebook, der gilt für Google, der gilt für Tiktok, auch für alle europäischen Unternehmen. Nur Elon Musk meint: Diese Regeln gelten für alle, außer für mich. Er verweigert Transparenz, er ignoriert Meldepflichten, er bricht bewusst europäisches Recht und bekommt jetzt durch ein starkes europäisches Wettbewerbsrecht die Konsequenzen zu spüren. Und was passiert? – Applaus aus Moskau. Medwedew schreibt öffentlich auf einen Tweet von Elon Musk: Ganz genau!. Also Musk und Medwedew vereint, und wer feiert das ab? – Herbert Kickl. (Heiterkeit bei Abgeordneten der FPÖ.) Ich glaube, das steht für sich. (Beifall bei den NEOS.)

Ich habe heute ja schon einen Namen ausgesprochen – ich bin übrigens sehr dankbar, dass wir jetzt eine liberale proeuropäische Außenministerin und nicht eine Vasallin Putins im Außenamt haben –, und ich glaube, wir sollten noch kurz über diese Dame sprechen, denn man kann es nicht oft genug wiederholen (Abg. Kickl [FPÖ]: Wo ist denn heute der Herr Brandstätter? – Abg. Belakowitsch [FPÖ]: Wo ist der Brandstätter? Erzählen Sie einmal, was der Herr Brandstätter ...!), was FPÖ-Außenministerin Karin Kneissl damals im Jahr 2018 schon aufgeführt hat. Zu einem Zeitpunkt, als Wladimir Putin international bereits längst isoliert war, als die Annexion der Krim nur wenige Jahre zurücklag (Abg. Hafenecker [FPÖ]: Da ist der Herr Schüssel noch dort gesessen ...! Und auch der Herr Gusenbauer ...!), entschied sich die damalige FPÖ-Außenministerin ohne Not und ohne Druck, den russischen Präsidenten nicht zu einem diplomatischen Gespräch, nicht zu einem offiziellen Staatsbesuch, sondern zu ihrer privaten Hochzeit einzuladen. (Abg. Belakowitsch [FPÖ]: Na und?!) – Ja, „na und“, Frau Belakowitsch, ich weiß. (Abg. Hafenecker [FPÖ]: Wo ist er denn nachher hingefahren?) Eine Einladung, die in jedem anderen westlichen Land die Alarmglocken ausgelöst hat und international für Schlagzeilen gesorgt hat, hat Frau Kneissl ausgesprochen. Und dieser Besuch hat nicht nur einen massiven Reputationsschaden für Österreich verursacht, der bis heute nachwirkt (Zwischenrufe bei der FPÖ) – sehr geehrte Damen und Herren, googlen Sie einmal: Karin Kneissl, Putin, Hochzeit; schauen Sie sich einmal die Bilder an, wie erbärmlich (Abg. Belakowitsch [FPÖ]: Und danach ist er zur Wirtschaftskammer gefahren!), wie unvorstellbar das heute eigentlich wäre! –, er hat nicht nur einen Reputationsschaden ausgelöst - - (Anhaltende Zwischenrufe bei der FPÖ.– Können Sie sich einmal ein bisschen beruhigen und einfach zuhören? (Abg. Kickl [FPÖ]: Na das ist es nicht wert!) Sie sind eh danach zu Wort gemeldet, dann können Sie Ihren Senf zur Debatte dazugeben. (Abg. Belakowitsch [FPÖ]: Was reden Sie denn?)

Das hat nicht nur einen Reputationsschaden verursacht, sondern auch einen massiven finanziellen Schaden. 220 000 Euro haben eineinhalb Stunden Wladimir Putin in Österreich gekostet. Um es in Ihrer Währung zu sagen: Das sind einige Businessclass-Flüge, die das gekostet hat. (Zwischenrufe bei der FPÖ.) Also vielleicht sollten Sie das auch einmal aus der Perspektive sehen: Dieser Besuch war nicht nur unnötig für Österreich, er hat auch unserem Image massiv geschadet, und tut das immer noch. (Abg. Belakowitsch [FPÖ]: Also Sie strotzen ja vor Unwissenheit!)

Profitiert haben andere: die FPÖ einerseits, die damit ihr Netzwerk Richtung Russland pflegte, und Karin Kneissl höchstpersönlich. Auch das können Sie, sehr geehrte Damen und Herren, nachgoogeln und nachrecherchieren. Die ehemalige FPÖ-Außenministerin sitzt jetzt in Sankt Petersburg, betreibt dort ein Institut, wo sie Putins Propaganda - - Warum rufen Sie nichts mehr dazwischen, Herr Kickl? (Abg. Kickl [FPÖ]: Ich warte, bis der Satz fertig ist!) Stimmt das nicht, was ich sage? Stimmt das nicht, was ich sage? Ich vermisse die Zwischenrufe. Ich vermisse die Zwischenrufe. (Beifall bei den NEOS. – Zwischenruf des Abg. Hafenecker [FPÖ].) Sie sitzt in Sankt Petersburg und betreibt jetzt dort auf russischem Ticket russische Propaganda. Eine ehemalige österreichische Außenministerin – auch das ist, glaube ich, bezeichnend. (Abg. Kickl [FPÖ]: Also wir lernen: Es gibt auf dieser Welt nur russische Propaganda!)

Ich verliere jetzt gar keine Worte darüber – auch das haben wir im Außenamt jetzt vorgefunden –, dass sie damals goldene Saphirohrringe als Geschenk von Wladimir Putin bekommen hat – also nicht als Weihnachtsgeschenk, sondern zur Hochzeit – und dann die Behörden und die Beamten wochenlang damit schikaniert hat, weil sie diese Ohrringe haben wollte. Auch das, liebe Damen und Herren: Ich habe es nicht glauben können, als ich das gelesen habe! Recherchieren Sie es einmal, googeln Sie: Karin Kneissl, goldene Ohrringe! Auch da werden Sie sehen, was die Prioritäten der FPÖ sind, wenn sie am Futtertrog ist. (Abg. Belakowitsch [FPÖ]: Also offensichtlich gibt die EU inhaltlich nichts mehr her!) Sie kritisieren den Futtertrog immer nur, wenn Sie nicht dran sind, wenn Sie dran hängen, dann fühlen Sie sich sehr wohl, Herr Kickl. (Beifall bei den NEOS sowie bei Abgeordneten von ÖVP und SPÖ. – Abg. Kickl [FPÖ]: Wo bin ich denn hingeflogen, Herr Shetty? Wo bin ich denn hingeflogen?)

Sehr geehrte Damen und Herren, wir sind heute an einem Punkt angelangt, an dem Europa Entscheidungen treffen muss, weit über die Parteigrenzen hinausgehend, denn Europa steht an einem historischen Scheideweg. Wir dürfen nicht weitermachen wie bisher.

Präsident Dr. Walter Rosenkranz: Bitte zum Schlusssatz kommen!

Abgeordneter Mag. Yannick Shetty (fortsetzend): Ich komme gleich zum Schlusssatz, Herr Präsident. 

Wir dürfen Europa auch nicht zerstören lassen, nicht von außen, nicht von innen. Deshalb gibt es für uns nur eine Vision: mehr Zusammenarbeit in den großen Fragen, weniger Klein-Klein; deshalb wollen wir die Vereinigten Staaten von Europa. – Vielen Dank. (Beifall bei den NEOS. – Zwischenrufe bei der FPÖ.)

10.28

Präsident Dr. Walter Rosenkranz: Zu einer einleitenden Stellungnahme zu Wort gemeldet hat sich Frau Bundesministerin für europäische und internationale Angelegenheiten Beate Meinl-Reisinger, die ich hier in unserer Mitte begrüße. Ich erteile es ihr. Auch ihre Redezeit soll 10 Minuten nicht überschreiten. – Bitte, Frau Bundesministerin.

Die angezeigte Rede ist noch nicht nach § 52 Abs. 2 GOG-NR autorisiert.