RN/31
11.26
Abgeordneter Robert Laimer (SPÖ): Vielen Dank, Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Geschätzte Kolleginnen, Kollegen! Liebe Zuseherinnen, Zuseher! Geschätzte Abgeordnete des Europäischen Parlaments! Ein starkes Europa zeigt sich nicht nur an seinen Waffenlagern, sondern vor allem an seiner Fähigkeit, nachhaltigen Frieden verhandeln zu können, und das ist zugegeben hohe politische Kunst.
Derzeit sehen wir eine sehr gefährliche Dynamik. Washington verhandelt mit Moskau. Moskau verhandelt taktisch, solange Gebietsgewinne möglich scheinen. Die Ukraine verhandelt unter massivem Zeitdruck. Und Europa driftet zwischen Solidaritätsbekenntnissen und geopolitischen Ermüdungserscheinungen, insbesondere – so ehrlich muss man sein – zusehends auch in der Bevölkerung. Genau deshalb braucht es eine klare Stimme. Europa muss in dieser Angelegenheit zum Friedensakteur werden, meine Damen und Herren! (Beifall bei der SPÖ sowie des Abg. Taschner [ÖVP].)
Nachkriegseuropa hat seinen Grundstein nicht im Militärischen, sondern im Gemeinsamen gelegt. Kohle und Stahl wurden zum ersten Garant dafür, dass Waffen schweigen können, wenn Handel, Kooperation, gegenseitige Abhängigkeit stärker sind als historische Feindschaften – denken Sie an Deutschland und Frankreich!
Die EU-Gründungsidee – Friede durch Vernetzung, Sicherheit durch Zusammenarbeit – sollten wir nicht als historische Fußnote, sondern als Leitlinie für heute und für morgen betrachten. Ich sage das als Sozialdemokrat ganz bewusst. Wir dürfen uns nicht an ein Vokabular gewöhnen, das Abschreckung, Zermürbung, Zwangsverhandlung heißt. Hinter jedem dieser Begriffe stehen Menschen, meine Damen und Herren; Menschen in Donbass, Menschen in Charkiw, Mütter, Väter, Kinder und Freunde, und ja, auch Menschen in Russland, die nicht gefragt wurden, ob dieser Krieg in ihrem Namen geführt werden soll, aber die durch Diktatur zum Schweigen gebracht wurden. (Beifall bei der SPÖ.)
Vergessen wir auch nicht, dass große Teile der russischen Oberschicht bereits geflüchtet sind, um ihr Vermögen zu retten.
Meine Damen und Herren! Europa muss stark werden, aber nicht nur im militärischen Sinn, vielmehr kontinuierlich stark in Recht und stark im Dialog. Was wir allerdings auch sehen und zugeben müssen, ist eine EU-Kommission mit einer Kommissionspräsidentin, die teilweise wie die Regierungschefin eines nicht existierenden Bundesstaates Europa agiert. Sie ist aber den europäischen Verträgen im Staatenbund der 27 EU-Länder verpflichtet, nicht mehr, aber auch nicht weniger. Vielmehr sollten die gewählten Vertreter der Mitgliedsländer im Europäischen Parlament gestärkt werden.
Die Vision der Vereinigten Staaten Europas, die Vision der NEOS, bleibt noch lange Vision, meine Damen und Herren, aber ich gebe der Frau Außenminister recht in Bezug auf die Einigkeit. Bei Fragen von Krieg und Frieden bedeutet sie auch Einstimmigkeit innerhalb der EU. In der Nachkriegsordnung nach dem Zweiten Weltkrieg hat die Europäische Gemeinschaft für Kohle und Stahl die Weichen der westlichen Zivilisation gestellt, nachhaltig Frieden geschaffen und auch Wohlstand gesichert. Das Ringen um Frieden ist daher kein Zeichen von Schwäche, sondern die Königsdisziplin staatlicher Würde, meine Damen und Herren.
In der neuen, zugegeben durchaus irritierenden US-Sicherheitsstrategie findet sich unter anderem ein Hinweis, dass Europa an strategischer Selbstsicherheit verloren habe. Das ist der derzeitige Eindruck: Andere verhandeln, Europa reagiert. Und diese Feststellung sollte uns nicht provozieren, sondern nachdenklich machen. Wir sollten uns nicht provozieren lassen und unser Handeln reflektieren, denn glaubt jemand ernsthaft, die USA würden Russland vollends China überlassen? – Sicher nicht.
Es geht nicht darum, die Kriegsrealität zu verharmlosen, meine Damen und Herren. Es geht darum, ein Fenster für den Tag danach offenzuhalten, damit der Tag nach dem Krieg nicht improvisiert werden muss, sondern im Sinne einer stabilen Nachkriegsordnung, im Sinne einer freien Ukraine vorbereitet wird. – Vielen Dank. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)
11.31
Präsident Peter Haubner: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Nikolaus Scherak. – Bitte, Herr Abgeordneter.
Die angezeigte Rede ist noch nicht nach § 52 Abs. 2 GOG-NR autorisiert.