RN/32
11.31
Abgeordneter Dr. Nikolaus Scherak, MA (NEOS): Danke, Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Die Gretchenfrage, die wir ja eigentlich hier debattieren, ist, in welcher Welt wir leben wollen. Und entgegen der These, die Francis Fukuyama vor knapp 30 Jahren aufgestellt hat, dass es zu einem Ende der Geschichte kommen wird, dass es zu einem Siegeszug der liberalen Demokratie kommen wird, sehen wir leider in den letzten Jahren eine massive Gegenbewegung. Es gibt immer mehr Diktaturen in der Welt, immer mehr Diktatoren, die versuchen, ihre Interessen mit Gewalt durchzusetzen, über Recht und Moral sich hinwegzusetzen. Russland will sich die Ukraine einverleiben. Wir sehen, wie China nicht nur gegenüber Taiwan, das es ja als eigenen Teil ansieht, immer aggressiver wird, sondern auch gegenüber Japan und natürlich auch gegenüber Europa, zwar nicht mit Kampffliegern und Kriegsschiffen, aber die Bedrohung der Chinesen gegenüber Europa ist genauso tagesaktuell wie die Bedrohung durch Russland.
In so einer zweigeteilten Welt muss man sich halt entscheiden, auf welcher Seite man stehen will. Ich bin überzeugt davon, dass insbesondere wir als Österreich, als kleines Land, Schulter an Schulter mit denen stehen sollen, die die gleichen Werte teilen, die gleichgesinnt sind, weil es ansonsten am Ende ein bisschen düster wird. Wir sind einigermaßen wehrlos, wenn wir allein sind, sowohl gegen politische als auch gegen wirtschaftliche Erpressung und natürlich insbesondere gegen militärische Aggression. Insofern ist für mich, ist für uns NEOS klar, wo wir stehen wollen, nämlich an der Seite der freien Welt, an der Seite der freien Märkte in einem geeinten, friedlichen Europa. (Beifall bei den NEOS sowie des Abg. Gerstl [ÖVP].)
Dementsprechend bin ich auch so überzeugt davon, dass wir uns dieser Stärken wieder besinnen sollten. Wir sollten uns auf den Binnenmarkt, auf den Freihandel konzentrieren und uns klar bewusst sein, wo unser Wohlstand herkommt. Unser Wohlstand – mehr als die Hälfte unserer Arbeitsplätze – hängt vom Handel ab. Zwei Drittel unseres Handels findet innerhalb der Europäischen Union, mit der Europäischen Union statt. Die USA fungieren als zweitgrößter Exportmarkt, Asien ist ein Markt mit einem riesigen Potenzial.
Natürlich bietet das unmittelbarste Potenzial Südamerika, die Mercosur-Staaten. Wir brauchen nur zu überlegen, dass die Zollfantasien von Donald Trump in etwa so viele Arbeitsplätze vernichtet hätten, wie andererseits ein Abkommen mit den Mercosur-Staaten geschaffen hätte. Deswegen verwundert mich diese Panikmache, die es oft gibt, diese sehr irrationale Panikmache grundsätzlich betreffend den Handel immer noch; es gibt auch die noch irrationalere Panikmache, die Angst vor den 200 Gramm Rindfleisch, die pro Jahr pro Person in die Europäische Union importiert werden könnten.
Ich bin überzeugt davon, dass wir, wenn wir es nicht schaffen, mit denen, die genau die gleichen Werte wie wir haben, Handel zu treiben und Abkommen zu schließen, am Schluss ganz allein dastehen und mit überhaupt niemandem mehr Handel treiben werden. Und was bedeutet das? – Das bedeutet, dass unser Wohlstand den Bach hinuntergeht. Und das kann nicht in unserem Sinne sein. (Beifall bei den NEOS und bei Abgeordneten der ÖVP.)
Man kann auch ein bisschen weiter schauen, man muss sich nur ein bisschen über den Tellerrand hinaus informieren. Wenn man sich das Trans-Pacific-Partnership-Abkommen anschaut: Da hätten wir die Chance, einen riesigen Wirtschaftsraum mit der Europäischen Union, mit Ländern im asiatischen Raum und darüber hinaus zu schaffen – das wäre es eine Milliarde Konsumentinnen und Konsumenten, das bedeutet ein Drittel der globalen Wirtschaftsleistung –, in dem wir gemeinsam sinnvoll Handel treiben könnten, fairen Handel mit fairer Behandlung von Investitionen.
Was mich immer so verwundert, ist, woher dieser Wunsch, diese Freude an den diversen Diktatoren kommt, woher diese Begeisterung kommt. Ich verstehe nicht, ob es deren kriegerischer Nationalismus ist, ob es die Unterdrückung im eigenen Land ist, ob es die Unterdrückung der freien Presse ist oder ob es vielleicht auch der wirtschaftliche Isolationismus ist, weil auch der natürlich dazu führt, dass es vielleicht im eigenen Land am Anfang ein bisschen besser wirkt. Über kurz oder lang werden aber natürlich wir alle darunter leiden.
Was wir brauchen, ist, dass wir Brücken bauen, dass wir mit denen verhandeln, die unsere Freunde sind. Und ja, wenn sich langsam, aber sicher auch unsere Freunde immer mehr von unserem gemeinsamen Modell abwenden, dann sollten natürlich die Alarmglocken läuten.
Aber Fakt ist: Wenn wir nicht mit denen sprechen, die die gleichen Werte teilen – und ja, mit gleichen Werten meine ich unser Lebensmodell der Demokratie, der Wahlen, der Rechtsstaatlichkeit, der freien Marktwirtschaft –, und diese Brücken abbrechen, dann wird es noch problematischer. Das heißt, dass wir weiterhin insbesondere mit unseren Freunden innerhalb der Europäischen Union, aber darüber hinaus natürlich auch mit allen anderen sprechen müssen: mit Australien, mit Kanada, mit Japan, mit den Mercosur-Staaten und natürlich auch weiterhin mit den USA, weil es ein riesiger Fehler ist, transatlantische Brücken abzubrechen. Man kann sich klar dagegen wehren, wenn es Interventionen vom amerikanischen Präsidenten gibt, aber die so wichtigen Brücken zu unseren befreundeten Staaten abzubrechen (Präsident Haubner gibt das Glockenzeichen), halte ich für einen grundlegenden Fehler. (Beifall bei den NEOS.)
11.36
Präsident Peter Haubner: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Lena Schilling.
Die angezeigte Rede ist noch nicht nach § 52 Abs. 2 GOG-NR autorisiert.