RN/38

11.58

Abgeordneter Dominik Oberhofer (NEOS): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Außenministerin! Hohes Haus! Wir reden heute hier in dieser Debatte über Europa, aber in Wirklichkeit verhandeln wir hier jetzt unsere Zukunft – und zwar, ob wir die selbst in die Hand nehmen wollen oder ob wir unsere Zukunft Washington und Moskau überlassen wollen.

Wir Europäerinnen und Europäer, wir tragen (Abg. Kickl [FPÖ]: Bis vor Kurzem war der Brandstätter sehr washingtonlastig!) ein schweres Erbe und einen schweren Rucksack. Wir waren nämlich Weltmacht. (Abg. Belakowitsch [FPÖ]: Waren, waren!) Wir haben über Jahrhunderte hinweg die Welt kolonialisiert. Wir haben mit Gewalt unterjocht. Wir haben fremde Länder und Kulturen ausgebeutet – und ja, wir haben zweimal versucht, mit einem Weltkrieg unsere eigene Zukunft hier in Europa zu zerstören. Das sitzt tief. Das prägt uns bis heute. Vor allem habe ich oft in den europäischen großen Debatten das Gefühl, dass wir Europäerinnen und Europäer zu Recht Angst vor unserer Geschichte, aber auch Angst vor unserer eigenen Macht haben.

1945, da glaubte niemand, aber wirklich niemand, dass aus diesem Trümmerfeld Europa eine Union, eine Union des Rechts, der Freiheit und der Demokratie wird. Am Anfang, da stand eine Botschaft und die hat einer in einer ganz besonderen Rede, aus der ich ganz kurz zitieren darf, formuliert: Wäre ein vereintes Europa imstande, sich das gemeinsame Erbe zu teilen, dann genössen seine 400 Millionen Einwohner Glück, Wohlstand, Frieden in unbegrenztem Ausmaß. Wir brauchen die Vereinigten Staaten von Europa – lasst sie uns bauen!

Das war Winston Churchill, der am 19.9.1946 mit seiner legendären Rede von Millionen Europäerinnen und Europäern gehört wurde. (Abg. Kickl [FPÖ]: Die Zeit ist halt nicht stehengeblieben!) – Herr Kickl, diese Vision von Winston Churchill (Abg. Kickl [FPÖ]: Ja, aber die Zeit ist halt nicht stehengeblieben 1945!), diese Vision eines gemeinsamen Europas, an dem wir seitdem bauen, ist der Gegenentwurf zu allem, wofür Wladimir Putin steht: nämlich für ein Russland, das Journalisten verfolgt, das Oppositionelle tötet; für ein Russland, das seine Nachbarstaaten überfällt, Kinder deportiert, Demokratie verachtet – ein Regime, das nur auf Lügen aufbaut. Es sind Putins Handlanger in Europa, die politischen Parteien, Fake-News-Fabriken und die bezahlten Meinungsmacher, die eines wollen: Sie wollen nämlich, dass dieses Gift, das sie langsam in unsere politische Blutbahn einbringen, uns prägt. Sie wollen, dass Europa wieder das wird, was es in den Zwanziger- und Dreißigerjahren war: arm, zerstritten und schwach. (Abg. Kickl [FPÖ]: So ein Schmarrn! – Abg. Steiner [FPÖ]: Daran arbeiten Sie gerade mit Hochdruck!) Ihre Botschaft lautet: Spaltet euch, misstraut einander, fürchtet euch vor Brüssel. 

Es gibt auf diese Botschaft nur eine einzige Antwort und die heißt: nein. Nein, Herr Kickl, wir spalten uns nicht! Nein, Herr Kickl, wir fürchten uns nicht vor Brüssel, sondern wir kämpfen gemeinsam für Freiheit und für Demokratie. (Beifall bei den NEOS. – Abg. Kickl [FPÖ]: Ja, ja!)

Europa, das ist der Kontinent, der die Menschenrechte erfunden hat. Europa, das ist der Kontinent, der die soziale Marktwirtschaft geschaffen, Feinde zu Partnern in der Welt gemacht und am Ende auch die größte Friedensordnung in der Weltgeschichte, in der Geschichte der Menschheit, zusammengebracht hat. Unsere Gegner mögen wahrscheinlich bessere Raketen haben, aber wir haben Meinungsfreiheit, Rechtsstaatlichkeit und Demokratie. Otto von Habsburg hat einmal gesagt: Europa ist kein geografischer Begriff, sondern Europa ist eine Wertegemeinschaft, und genau diese Wertegemeinschaft fürchtet Russland und die fürchten wir wahrscheinlich auch ab und zu selber, weil wir uns gar nicht mehr bewusst sind, dass wir 450 Millionen Europäerinnen und Europäer versus 340 Millionen Amerikaner sind. Wir sind die größte Binnenwirtschaft und mit 23 Millionen Unternehmerinnen und Unternehmern der größte Binnenmarkt der Welt, und wir sind letztlich auch der Kontinent der Menschenwürde, weil wir und unsere Solidarität auch die längste Lebenserwartung schaffen: 82 Jahre bei uns in Europa, 77 Jahre in den USA, und China und nur 64 Jahre beträgt die Lebenserwartung in Russland. (Abg. Kickl [FPÖ]: Aber die Japaner werden auch alt!)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, Europa ist auch Weltmeister beim Export. (Präsident Haubner gibt das Glockenzeichen.)

Präsident Peter Haubner: Den Schlusssatz, bitte.

Abgeordneter Dominik Oberhofer (fortsetzend): Wir brauchen Selbstvertrauen. Sehr geehrter Herr Kickl! Europa als Global Player (Heiterkeit der Abg. Belakowitsch [FPÖ] und Kickl [FPÖ]. – Abg. Kickl [FPÖ]: Global Player! – Abg. Belakowitsch [FPÖ]: Ehemals Global Player!) wird in der Welt gehört, und wenn wir gemeinsam für Sicherheit und Weltfrieden einstehen, dann ist es vor allem auch eine Rolle, die Österreich sehr, sehr gut einnehmen kann. – Danke. (Beifall bei den NEOS und bei Abgeordneten der ÖVP.)

12.03

Präsident Peter Haubner: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Abgeordneter David Stögmüller. – Bitte.

Die angezeigte Rede ist noch nicht nach § 52 Abs. 2 GOG-NR autorisiert.