RN/160

17. Punkt

Bericht des Ausschusses für Land- und Forstwirtschaft über den Antrag 629/A(E) der Abgeordneten Dipl.-Ing. Georg Strasser, Elisabeth Feichtinger, BEd BEd, Dipl.-Ing. Karin Doppelbauer, Kolleginnen und Kollegen betreffend Maßnahmen zur Verbesserung psychosozialer Rahmenbedingungen in der Land- und Forstwirtschaft. (327 d.B.)

Präsidentin Doris Bures: Damit gelangen wir zum 17. Punkt der Tagesordnung.

Auf eine mündliche Berichterstattung wurde verzichtet. 

Erster Redner: Herr Abgeordneter Albert Royer.

RN/161

19.02

Abgeordneter Albert Royer (FPÖ): Danke, Frau Präsidentin! Herr Bundesminister! Hohes Haus! Das ist jetzt natürlich ein Thema, das einigermaßen betroffen macht. Natürlich herrscht noch mehr Betroffenheit vor Weihnachten, weil es wirklich vielen Bauern und Bäuerinnen nicht gut geht in diesem Land. Es gibt diese Studie über soziale und psychische Belastung, da kommt ganz klar heraus, dass etwa die Hälfte der Bauern und Bäuerinnen – 45 Prozent – im vorigen Jahr mit psychischen Problemen gekämpft haben. Der Hauptgrund ist Überlastung und Überforderung. In der Gesamtbevölkerung waren es nur halb so viele Menschen. 

Was natürlich auch sehr tragisch ist: Mit Leuten, die an Suizid denken oder im schlimmsten Fall diesen dann ausführen, sind wir in der Landwirtschaft gegenüber der Gesamtbevölkerung auch überrepräsentiert. Viele Bauern und Bäuerinnen – vor allem Bauern – wissen dann halt keinen Ausweg mehr, der Druck ist wirklich enorm. Das liegt natürlich – und das kann ich der ÖVP nicht ersparen – an der falschen Agrarpolitik der letzten 40 Jahre, in denen ihr immer am Ruder wart. Dieses Wachsen oder Weichen, das ihr wirklich bis an die Spitze getrieben habt, hat zu dieser Situation geführt. Darum stimmt es auch, wenn ich immer wieder sage: Bauernbund ist Bauernschwund. Das kann man statistisch nachlesen: Neun Betriebe hören pro Tag auf.

Wenn man ein bisschen zurückgeht in der Geschichte: Als ich in den Neunzigerjahren angefangen habe, Bauer zu sein, da hat man mit 25 Milchkühen eigentlich noch schön leben können. Das war überschaubar, der Druck war noch nicht ganz so groß. Heute haben wir Betriebe mit 60 Kühen und mehr. Ich gebe zu, es gibt einen technischen Fortschritt, sowohl bei den Maschinen am Feld draußen als auch im Stall mit mittlerweile sehr vielen Melkrobotern; aber der technische Fortschritt wird halt auch wieder dadurch aufgefressen, dass die Betriebe jetzt alle doppelt oder dreimal so groß sind und in Summe trotzdem viel weniger Leute am Hof leben beziehungsweise am Hof mitarbeiten.

Der wirtschaftliche Druck ist einfach enorm, die Investitionen in den technischen Fortschritt kosten enorm viel Geld. Wir reden mittlerweile von Stallbauten – 20 000 Euro pro Stück Vieh im Rinderbereich ist normal – von 1 Million Euro und aufwärts. Der Milchpreis geht in Wellen auf und nieder. Wenn er oben ist, kommt man über die Runden, wenn er wieder zurückgeht, so wie wir jetzt eine Phase haben, dann sind die Kreditraten nur sehr, sehr schwer abzubezahlen. Wie gesagt: Die Bauern sind sehr unter Druck, haben Bankkredite, die sie bedienen müssen. Der Bankdirektor fragt nicht, wie der Milchpreis gerade ist, sondern der will einfach seine Raten haben.

Wenn ich auf meine eigene Vergangenheit zurückblicke, als ich 18 Jahre alt war und mich entschieden habe, dass ich Bauer werde – mit voller Begeisterung dazumal –, galt einfach das Versprechen: Wenn du Bauer wirst, musst du wahrscheinlich viel arbeiten. Du verdienst wahrscheinlich nicht so viel, aber du bist ein freier Mensch, und du bist ein freier Bauer. Mittlerweile ist natürlich dieses Bürokratiemonster dazugekommen. Da fragt man sich wirklich: Wo ist er, der Sepp? Wo ist der Schellhorn? Wir brauchen in der Landwirtschaft in vielen Bereichen massive Deregulierung.

Ein kritischer Bereich – ich möchte es ganz kurz streifen – sind natürlich die Tierschutzauflagen. Ja, wir wollen alle Tierschutz, dazu verpflichten wir uns auch, aber wenn du halt eine Kuh hast, die auf einem Fuß marod ist, und du hast sie im Klauenstand und behandelst das, dann springt die am nächsten Tag nicht wie ein junges Viecherl durch die Gegend, sondern das dauert eine Zeit. Wenn du sie dann auf der Weide hast, und du hast einen Nachbarn, der dich nicht mag, hast du eine Anzeige und den Amtstierarzt am Hof. Also ich kenne jedenfalls einen Betrieb in Pruggern im Ennstal, der hat schon vor Jahren mit der Viehhaltung aufgehört, weil er in einem Sommer fünf Anzeigen gehabt hat und gesagt hat, das tut er sich nicht mehr an.

Jetzt muss man aber eines noch dazu sagen: Ich glaube, wir Bauern, wir denken in Generationen. Ich glaube, es ist für jeden der allerschwerste Schritt, mit der Landwirtschaft aufzuhören, wenn drei, vier Generationen diese davor betrieben haben. Die haben ja auch keine leichten Zeiten gehabt, und irgendwo ist man ja den Vorfahren verpflichtet. Darum will jeder weitermachen, auch wenn der Betrieb vielleicht schon unrentabel ist und jeder bis zum Abwinken arbeitet. 

Ein Thema möchte ich vielleicht noch streifen, auch wenn die Lampe schon blinkt: Es ist ja eh schon die Hälfte der Bauern, es sind schon sehr, sehr viele im Nebenerwerb, weil man von der Landwirtschaft allein nicht mehr leben kann. Sie gehen 40 Stunden in einer Firma arbeiten, dann reißen sie sich daheim noch den Haxen aus, und dann haben sie noch mit Bürokratie und Auflagen zu kämpfen. Dann heißt es eben irgendwann: Der Stall passt nicht mehr – Tierschutzauflagen –, jetzt braucht man auch noch einen neuen Stall. Der kostet, wie ich gesagt habe, 500 000 bis 600 000 Euro aufwärts, auch für einen Nebenerwerbsbetrieb. Das ist ja nicht leistbar, deshalb haben wir wirklich die große Sorge, dass zu viele aufhören. Es werden uns dann in weiterer Folge auch die Almen zuwachsen. Wir haben jetzt schon weniger Almvieh, weil gerade die kleinen Betriebe fehlen. 

Vielleicht eines noch am Schluss: Ich habe mit einem Melkmaschinentechniker geredet, mittlerweile habe ich auch ein Gespräch mit meinem Landmaschinenhändler und auch mit dem Amtstierarzt geführt. Jeden von den dreien habe ich gefragt: Was glaubt ihr? Wie viele Betriebe hören in den nächsten zehn Jahren auf? Jeder von den dreien, also der Melkmaschinentechniker, der Amtstierarzt und der Landmaschinenhändler, hat mir das Gleiche gesagt: In den nächsten zehn Jahren werden in meiner Gegend noch einmal die Hälfte der Betriebe aufhören.

Wie gesagt, da muss man sich politisch einmal dagegenstemmen. Das läuft so nicht weiter, wie die ÖVP da tut, das passt so nicht. Wie gesagt, diese Fälle sind tragisch. Alles, was man in diesem Bereich an psychischer Unterstützung leisten kann, ist natürlich begrüßenswert. Ich glaube aber, es muss uns als Gesamtgesellschaft einmal das Problem bewusst sein, dass wir wirklich an der Kippe sind, dass wir bald zu wenige Bauern haben, und dann haben wir die Versorgungssicherheit in diesem Land auch nicht mehr. Dann schaut es eben in Krisenzeiten auch nicht mehr gut aus. – Danke für die Aufmerksamkeit. (Beifall bei der FPÖ.)

19.08

Präsidentin Doris Bures: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Johannes Schmuckenschlager.

RN/162

19.08

Abgeordneter Johannes Schmuckenschlager (ÖVP): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Herr Bundesminister! Geschätzte Damen und Herren! Hohes Haus! Ich darf zunächst im Namen von Frau Abgeordneter Gmeinbauer die Firma Schiffinger & Schuster recht herzlich begrüßen. Familie und Mitarbeiter sind heute hier bei uns zu Besuch. – Recht herzlich willkommen! (Allgemeiner Beifall.)

Wir diskutieren hier einen Entschließungsantrag, bei dem es um das Thema der psychosozialen Rahmenbedingungen in der Land- und Forstwirtschaft geht, bei dem es um die Thematik geht, diese Rahmenbedingungen zu verbessern, weil es eine Studie gibt, die aufgezeigt hat, dass 46 Prozent der Befragten über psychische Beschwerden berichtet haben. Das ist Stress, das ist Überlastung, da sind aber viele persönliche Themen natürlich auch mit dabei.

In diesem Antrag geht es darum, die Informationsarbeit zu verstärken, Unterstützungsstrukturen weiter zu etablieren und auch die Kooperationen von bereits bestehenden Möglichkeiten, bei denen man sich Hilfe holen kann, weiter zu verbessern. Und – ein wesentlicher Punkt – es geht um Prävention und Qualifizierungsmaßnahmen.

Ich möchte hier auch ein Beispiel erwähnen: Wir haben mit den Landwirtschaftskammern in Österreich, heruntergebrochen auf die Bezirksbauernkammern, die Aktion Hof-Leben mit Beratung, Coaching und Mediation, denn wir haben in der Land- und Forstwirtschaft und bei den bäuerlichen Familienbetrieben einen Sonderfall. Die psychosozialen Bedingungen sind ja in vielen Gesellschaftsbereichen und in vielen Berufsbildern in den letzten Jahren angestiegen. Das ist Stress, das ist die neue digitale Awareness, verschiedenste Punkte, neue Familiensysteme, Lebenssysteme, die da und dort Stress ausüben. Das ist ja kein bäuerliches Phänomen, aber wir sehen, dass es vor allem für die bäuerlichen Betriebe im ländlichen Raum nicht so eine intensive Beratungstätigkeit gibt, wie wir sie im urbanen Bereich haben, und oft ist die Schwelle zur Beratung für den einzelnen Betroffenen eine etwas schwierigere. Daher müssen wir da ausbauen, damit es niederschwelliger ist, Beratung zu bekommen. 

Natürlich tragen auch die wirtschaftlichen Themen, die da und dort auf die Betriebe niederprasseln – gesellschaftliche Anforderungen, die Frage der verschiedensten Bedingungen der Produktion, die sich natürlich im Laufe der Zeit auch gewandelt haben – auch dazu bei, dass Druck und Stress, wirtschaftlicher Druck entstehen. Es ist aber auch gegengleich: Wenn in der Familie, in den Betrieben etwas nicht stimmt, schlägt sich diese Situation natürlich auch negativ auf das Betriebsergebnis und die Arbeit im Betrieb nieder. Daher sehen wir da ein sehr starkes Spannungsfeld. Ich bin sehr froh, dass sich der Bundesminister diesem Thema widmet, denn ich glaube, wir dürfen das nicht unterschätzen und wir müssen an der Seite der Betriebe stehen. Wir werden nicht alles, was sich im Wirtschaftlichen nicht in unserem Sinne entwickelt, ausgleichen können. Wir müssen aber schauen, wie wir uns dahin entwickeln. 

Und eines – das kann aber jeder auch für sich hinterfragen –: Wie gehen wir letztendlich mit den Bäuerinnen und Bauern um? Da rede ich schon auch im Allgemeinen, da sollen wir nicht Einzelne herausziehen, sondern da sollten wir uns schon hinterfragen. Welche Diskussionen führen wir? Wo ist der Respekt für diese Arbeitsgruppe? Was diskutieren wir? Beim vorherigen Tagesordnungspunkt haben wir das ja sehr ausführlich mitbekommen, wenn es um nationale Beschaffung im öffentlichen Bereich, Herkunftskennzeichnung im Lebensmittelbereich, Gastronomiebereich, Preise der Lebensmittel versus weitere Auflagen, die natürlich die Produktion verteuern, geht: Da war ein Sager der Abgeordneten Voglauer von den Grünen, dass beim letzten Tierschutzgesetz Tierqual in die Produktion Österreichs reingekommen ist. 

Wissen Sie, dass gerade im Schweinebereich gut 90 Prozent unserer Familienbetriebe noch in Systemen arbeiten, die vielleicht nicht den modernsten Ansprüchen entsprechen, sehr wohl aber Tierwohl garantieren können? Wir müssen eher schauen, wie wir die bewahren können, wir dürfen nicht noch mehr Druck auf sie ausüben, sondern wir müssen schauen, dass wir sie bestmöglich unterstützen. Und da ist es keine Unterstützung, wenn Tierrechtsgruppen diese Betriebe terrorisieren, sie belagern, in die Tierställe einbrechen und die Familien dann letztendlich in die Medien bringen. Das ist nicht in Ordnung, da sollten wir schon darüber nachdenken, wie wir mit diesen Betrieben umgehen. (Beifall bei der ÖVP.)

Ich halte auch nichts davon, wenn wir permanent die Landwirtschaft auseinanderdividieren, in bio und in konventionell. Wenn wir ein Ziel in der Beschaffung und im österreichischen Markt haben, dann ist es vielleicht 30 Prozent bio, 40 Prozent bio, aber es wird dann 70 Prozent, 60 Prozent konventionell sein. Egal: 100 Prozent Regionalität, das muss das Ziel der österreichischen Politik für die heimische Landwirtschaft sein! (Beifall bei der ÖVP.) 

Wir sollten auch nicht sagen, wenn wir hier von agrarpolitischen Akteuren sprechen, dass es Handlanger der Agrarindustrie sind. (Zwischenruf der Abg. Voglauer [Grüne].) Wissen Sie, was Agrarindustrie ist? Ich bitte Sie, einmal ins Ausland zu schauen, da werden Sie Agrarindustrie sehen. In Österreich findet das einfach nicht statt. (Abg. Darmann [FPÖ]: Die EVP fördert ja gerade solche Industrien im Ausland, die unsere Bauern hinmachen!) Jeder, der möchte, kann heute schon beste Standards kaufen, kann Topqualität im Geschäft haben, aber das Problem ist, dass wir gerade im Schweinebereich beim Biofleisch einen Marktanteil von 3 Prozent haben. Das heißt, es gibt ein Potenzial von 97 Prozent. Die sollten Sie aufklären, die können Sie bewegen, dann werden wir auch in der Produktion nachspringen. Wir können aber nicht immer das Pferd von hinten aufzäumen, geschätzte Damen und Herren. (Beifall bei der ÖVP. Zwischenruf der Abg. Voglauer [Grüne].) 

Ich möchte aber auch auf eine Frage eingehen: Haben wir Respekt vor den Bauern, oder verschaukeln wir die Bauern? Da ist die FPÖ natürlich auch Weltmeister, immer die ÖVP rauszuhängen. Ihre Bauernbundsprücherl können Sie sich auch behalten, denn es sind mehr Bäuerinnen und Bauern beim Bauernbund – auch vor denen sollten Sie Respekt haben –, als irgendwo bei den Freiheitlichen vielleicht herumlaufen. (Beifall bei der ÖVP.

Sie sprechen davon, bei der Gastronomie für die Herkunftskennzeichnung und für die Bäuerinnen und Bauern zu kämpfen, aber es gibt es eine Aussendung eines Abgeordneten hier im Haus, von Abgeordneten Fürtbauer von der Freiheitlichen Wirtschaft: „Die Freiheitliche Wirtschaft setzt bei Herkunftsbezeichnung auf Freiwilligkeit!“ – Ah, schau, schau, da ist nichts mehr von Zwang. (Rufe und Gegenrufe zwischen Abgeordneten von FPÖ und ÖVP.) Und dann: „Die Herkunftsbezeichnung für Kantinenessen ist nur der erste Schritt. Die Androhung, dass dies als nächster Schritt auch für die Gastronomie erfolgen soll, nimmt die Freiheitliche Wirtschaft sehr ernst. ‚Gerade jetzt können wir uns keine weiteren Bürokratie-Attentate auf die Wirte leisten‘, so der Wirte-Sprecher [...] in einer Aussendung“. (Beifall bei Abgeordneten der ÖVP.)

Die Kennzeichnung der Herkunft von Lebensmitteln sei, wenn überhaupt, Sache des Handels, aber nicht der Gastronomie. (Zwischenruf der Abg. Voglauer [Grüne].) Wissen Sie, was wir seit Jahren machen? – Wir diskutieren mit der Gastronomie, wir setzen uns mit den Wirten hin, um Konzepte zu erarbeiten, damit das funktioniert, und wir werden das Ergebnis auch noch sehen. Wir werden die Herkunftskennzeichnung in der Gastronomie bekommen (Abg. Voglauer [Grüne]: Wann denn? .... !), aber gemeinsam für die Wirte und die Bauern, es muss für beide Seiten passen. Dann wird es ein Ergebnis sein, das auch tragfähig ist und hält – aber nicht die Bauern verschaukeln, denn das treibt nur die Temperatur in die Höhe, und das ist sicherlich der Gesundheit unserer Bäuerinnen und Bauern auch nicht zuträglich. (Beifall bei der ÖVP.) 

19.16

Präsidentin Doris Bures: Nächste Rednerin: Frau Abgeordnete Elisabeth Feichtinger.

RN/163

19.16

Abgeordnete Elisabeth Feichtinger, BEd BEd (SPÖ): Danke, Frau Präsidentin! Herr Minister! Hohes Haus! Ich möchte nach meinem Vorredner jetzt thematisch wieder ein bisschen zur psychischen Gesundheit in der Landwirtschaft zurückkommen: Stellen Sie sich einen Bauernhof im ersten Morgenlicht vor. Die Arbeit beginnt lange bevor die Sonne aufgeht, und sie endet oft nicht, bevor sie untergegangen ist. 60 Stunden Arbeit in der Woche sind keine Seltenheit, sondern in der Landwirtschaft tatsächlich auch starke Realität. Ein Leben ohne Pause, ohne Wochenende, ohne Urlaub, ein Leben, das erfüllt ist von dem, dass man tagtäglich arbeitet. Work in Progress, wie ein Rad, das sich immer schneller dreht, und irgendwann fällt man raus. 

Unter solchen Bedingungen wundert eine Zahl nicht, und doch muss sie uns alarmieren: 46 Prozent der Menschen im land- und forstwirtschaftlichen Bereich berichten im letzten Jahr von psychischen Beschwerden. Doch noch bedrückender sind jene Zahlen, über die kaum jemand spricht, und zwar: 20 Prozent, das ist jeder Fünfte in diesem Berufsstand, haben schon einmal über Selbstmord nachgedacht. 15,6 Prozent haben ein tatsächlich erhöhtes Suizidrisiko, das sind mehr als doppelt so viele als in der übrigen Bevölkerung.

Das ist nicht irgendeine Zahl, das sind Menschen: Menschen, die an ihre Grenzen gekommen sind; Menschen, die nachts nicht mehr schlafen können, weil sie so belastet sind; Menschen, die denken, es gebe keinen Ausweg mehr aus ihrer Situation. Zu viele bleiben mit diesen Gedanken alleine, weil psychische Belastungen, psychische Krankheiten in diesem Umfeld absolut stigmatisiert sind. Man funktioniert einfach, man redet nicht darüber, es schaut keiner hin, und man schaut auch ganz viel weg, damit man das ja nicht thematisieren muss.

Wir sprechen da von einer Berufsgruppe, die unser Land ernährt, aber selbst oft kaum Zeit findet, um Luft zu holen, von Menschen, die in einem einzigen Moment alles verlieren können – durch Hagel, durch Dürre, durch Muren, durch Ereignisse, die niemand kontrollieren kann –, von Familien, die im selben Ort arbeiten, lieben und aber auch leben, und die zerbrechen können, wenn der Druck zu groß wird. 

Deshalb ist dieser Antrag vor allem sehr, sehr wichtig. Wir wollen psychosoziale Unterstützung ausbauen, Prävention stärken und vor allem die Informationen zu den Angeboten verbessern, denn viele wissen noch immer nicht, dass es diese Angebote gibt. Es braucht Vernetzung, es braucht niederschwellige Angebote, und es braucht das Signal, dass niemand in solch belastenden Situationen alleine gelassen wird. (Beifall bei der SPÖ.) 

Wir müssen aber auch weitergehen. Als Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten sagen wir immer: Arbeit darf niemanden in die Verzweiflung treiben. Wir kämpfen für eine Arbeitswelt, die die Menschen gesund bleiben lässt, körperlich und auch seelisch. Wir müssen ganz klar auf diese Menschen schauen. Wenn wir über Suizid in der Landwirtschaft sprechen, dann sprechen wir nicht über Zahlen, sondern über die Menschen, die heute noch leben könnten, wenn sie rechtzeitig unterstützt worden wären. 

Genau deshalb ziehen wir heute eine klare Linie: Niemand, der dieses Land ernährt, darf irgendwann glauben, dass sein eigenes Leben weniger wert ist als seine Arbeit. (Beifall bei der SPÖ.)

19.19

Präsidentin Doris Bures: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Michael Bernhard.

RN/164

19.19

Abgeordneter Michael Bernhard (NEOS): Danke, Frau Präsidentin! Geschätzter Herr Minister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Geschätzte Zuseherinnen und Zuseher! Ich bin der Vorrednerin, Kollegin Feichtinger, sehr dankbar, dass sie zum Thema zurückgekommen ist, weil ich finde, dass es tatsächlich ein sehr ernsthaftes ist.

Vielleicht zur Vorgeschichte: Der Nationalrat hat in der Vergangenheit das Landwirtschaftsministerium aufgefordert, eine Studie durchzuführen, die sich mit den psychosozialen, den sozialen und psychischen Rahmenbedingungen für Landwirtinnen und Landwirte, Forstwirtinnen und Forstwirte auseinandersetzt.

Das Ergebnis liegt nun eben vor, und ich finde schon, dass die Ergebnisse reichlich erschütternd sind, weil tatsächlich fast die Hälfte aller Befragten, nämlich 46 Prozent, angegeben haben, dass sie im letzten Jahr von psychischen Erkrankungen oder Beschwerden betroffen waren. Das ist bedeutend mehr als bei der Gesamtbevölkerung, nämlich das Doppelte – in der Gesamtbevölkerung sind es 23 Prozent.

Es wurde schon angesprochen: 5 Prozent der Befragten – was mich wirklich überrascht und auch schockiert hat – haben angegeben, dass sie in den letzten zwölf Monaten Gedanken, sich das Leben zu nehmen, also Suizidgedanken hatten; 5 Prozent der befragten Landwirtinnen, Landwirte, Forstwirtinnen und Forstwirte! Da fragt man sich dann schon, was für Rahmenbedingungen dort bestehen, dass Menschen so weit in den Abgrund hineinschauen.

Es ist in der Studie auch gefragt worden, was die belastenden Elemente sind, die den Druck so erhöhen, und das soll jetzt gar keine billige Überleitung zu einem Thema sein, das wir in der Bundesregierung häufig diskutieren, aber die belastende Bürokratie wird von 52 Prozent der Befragten tatsächlich als erste Last angegeben, vor allen anderen Themen. Also 52 Prozent – das hat der Kollege von den Freiheitlichen vorhin auch gesagt – sagen, dass das der stärkste Druckpunkt ist, gefolgt von Preisunsicherheiten für Rohstoffe mit 43 Prozent und Unsicherheiten zu gesetzlichen Vorschriften – das könnte man wiederum fast zur Bürokratie geben – mit 42 Prozent. 

Ein weiterer Teil spricht dann in etwas geringerem Ausmaß vom Thema der Unterstützung bei Arbeitsüberlastung, Pflege der Angehörigen und auch bei der Hofübergabe – dass das die dringendsten Themen sind, die tatsächlich auch belasten; und das ist schon spannend! Wir als NEOS vertreten grundsätzlich immer die Auffassung, dass jene, die eine Landwirtschaft oder eine Forstwirtschaft führen, natürlich Unternehmerinnen, Unternehmer sind, die also ihren Tag und ihren Betrieb sozusagen sehr frei gestalten können. Man muss aber schon sagen: Wenn wir als Politik wahrnehmen, dass eine Berufsgruppe von unklaren gesetzlichen Rahmenbedingungen, von einer bürokratischen Last emotional, psychisch so stark unter Druck gesetzt wird, dann ist das nicht nur ein Hilferuf, sondern es ist ein Auftrag, nämlich dass wir uns sehr konkret ein Paket überlegen, wie wir das verbessern können. 

Neben der Frage der Entbürokratisierung, neben der Frage, wie man beispielsweise bei Arbeitsüberlastung, wenn man selber krank ist oder jemanden pflegen muss, durch Betriebshilfen kompetente Unterstützung erhalten kann, gibt es aber einen zweiten Auftrag, einen zweiten Bereich, in dem wir – auch Sie, Herr Minister – durch Maßnahmen einen Beitrag leisten können: Das ist im Bereich der stärkeren Information über gute Initiativen, die es schon gibt, beispielsweise Happy am Hof oder auch das bäuerliche Sorgentelefon, an das Bauern und Bäuerinnen, die unter Druck stehen, sich wenden können, jemanden haben, mit dem sie darüber reden können. Wir glauben, dass das ein wichtiger Punkt ist, den wir unterstützen können. 

Der dritte Punkt – und damit möchte ich es dann auch bewenden lassen – ist, dass wir sicherlich auch stärker in die Prävention gehen müssen. Wir müssen Systeme schaffen, in denen die Landwirtinnen und Landwirte gerne eine Landwirtschaft übernehmen, diese gerne lange betreiben, gute Zukunftsperspektiven haben – und da schließt sich ein Stück weit der Kreis zur Diskussion über die Themen, die wir heute Vormittag hatten.

Wir müssen jene Menschen, die in unserem Land besonders viel Verantwortung übernehmen – und da zählen wir die Bauernschaft und die Forstwirtschaft dazu –, sehr stark entlasten, müssen schauen, wo wir Regeln vereinfachen können, damit das freudvolle Arbeiten im Vordergrund steht und nicht das Arbeiten für den Staat. Da gibt es von unserer Seite als NEOS große Unterstützung, und ich freue mich, dass wir heute mit einer hoffentlich breiten Unterstützung diesen Antrag annehmen. – Vielen Dank. (Beifall bei den NEOS sowie des Abg. Strasser [ÖVP].)

19.25

Präsidentin Doris Bures: Nächste Rednerin: Frau Abgeordnete Olga Voglauer

RN/165

19.25

Abgeordnete Dipl.-Ing. Olga Voglauer (Grüne): Danke, Frau Präsidentin! – Ja, so schnell passieren Arbeitsunfälle, und man denkt gar nicht dran – ich bin beim Hergehen gerade gestolpert. Selber bin ich aber auch Bäuerin, und das mit großer Leidenschaft. 

Ganz schlimm ist es dann, wenn man Bekannte, Verwandte, Freundinnen, Freunde trifft, die auch Bäuerinnen oder Bauern sind, und merkt, dass sie sich immer mehr zurückziehen, dass die Arbeit zu Hause nicht mehr verrichtet werden kann, dass die Kraft nicht mehr reicht – dass die Kraft sogar dafür nicht mehr reicht, das Gespräch zu suchen – und dass die Überforderung so groß wird, dass man auch nicht mehr in der Lage ist, mit vollster Kraft und auch der Vision für eine Zukunft den Hof zu führen, ihn wirtschaftlich zu führen, die Liebe für die Tiere aufzuwenden, für die eigene Familie. Leider gibt es viel zu viele solcher Beispiele nicht nur in meinem Umfeld, wahrscheinlich auch im Umfeld vieler anderer in der Landwirtschaft.

Das war auch ein Grund, warum wir vor Jahren diesen Entschließungsantrag hier beschlossen haben und wie es zu dieser Studie kam: weil es de facto wirklich allen Parteien in diesem Haus ein sehr großes Anliegen ist, diese Situation, diese Belastungssituation in den bäuerlichen Betrieben zu verändern. Wir haben es heute schon gehört: Fast die Hälfte der Bäuerinnen und Bauern berichtet von psychischen Beschwerden. Sie sind überdurchschnittlich von körperlichen Erkrankungen betroffen, von Arbeitsunfällen genauso. Sie kämpfen oft mit Einsamkeit, Perspektivlosigkeit oder Überforderung. Die Studie, die hier vorliegt, nämlich zur sozialen und psychischen Belastung von Land- und Forstwirten, ist brandaktuell, sie ist ganz frisch, und sie gibt auch einiges mit, was wir nicht nur ändern können, sondern wahrscheinlich müssen. (Beifall bei den Grünen.)

Sie zeigt keine Randprobleme, sie zeigt, dass wir ein Systemproblem haben, und dieses Systemproblem müssen wir angehen. Und ja, die Zeit, seit die Studie herausgekommen ist bis zum Entschließungsantrag und bis zur heutigen Debatte ist sicherlich zu kurz, es kann nur ein Beginn sein. Es kann nur ein Auftrag sein, sehr bald einen Antrag vorzulegen oder aus dem Ministerium in Kooperation auch mit den anderen Häusern Maßnahmen vorzustellen, wie wir diesen bäuerlichen Familien – es sind sehr oft Familien betroffen –, wie wir diesen Bauern, diesen Frauen und Männern, diesen Kindern in den bäuerlichen Betrieben eine Perspektive geben und Informationen geben – nicht nur dahin gehend, wo sie sich Hilfe holen können und wo wir präventiv mit ihnen arbeiten, sondern auch, wo es konkrete Hilfe gibt. 

Da möchte ich einen ganz konkreten Punkt ansprechen, nämlich die Betriebshilfe. Die Betriebshilfe ist dann notwendig, wenn ich in meinem Betrieb rund um die Uhr meine Tiere versorgen muss, meinen Acker bestellen muss, wenn ich einfach im Laufe des Jahreskreises Landwirtschaft betreibe und wenn ich als Betriebsführerin oder als Arbeitskraft ausfalle. Dann brauche ich eine Alternative. 

Wenn ich krankheitsbedingt ausfalle, habe ich das Anrecht auf eine Betriebshilfe. Diese wird dann auch gestützt, mitbezahlt, und der Maschinenring leistet da hervorragende Arbeit. Allerdings: Von diesen Betriebshelfer:innen haben wir in Österreich viel zu wenig, und ganz oft ist der Auslöser für Krisen, dass man in einer Notsituation keine Betriebshilfe bekommen hat, weil keine verfügbar war. Und dann fängt sich dieser Teufelskreis zu drehen an. Dieser dauert dann nicht ein paar Monate oder ein paar Wochen, sondern es dauert dann manchmal ein paar Jahre, und dann ist eigentlich die Überforderung so groß, dass man nicht mehr helfen kann. 

Gut wäre es, wenn wir es schaffen, in Zukunft zielgruppenorientierte Maßnahmen festzulegen – für alleinstehende Landwirte, für Höfe mit hohem Pflegebedarf, für junge Betriebsführerinnen, die am Anfang stehen, auf deren Schultern die Last der Zukunft liegt, für Frauen, gerade auch für Frauen in der Landwirtschaft, die überproportional belastet sind.

Und ich spreche es doch an: Es wäre ganz einfach, auch in der Landwirtschaft zu entbürokratisieren. Mit der Digitalisierung könnten wir auf einen Knopfdruck so viele Dinge auf einmal lösen. Gehen wir das an! Die nächste Periode der Gemeinsamen Agrarpolitik kann da eine Möglichkeit sein.

Vor allem aber: Lassen wir keine Zeit verstreichen! Ich hoffe, wir debattieren sehr bald in diesem Haus konkrete Hilfsmaßnahmen, die entsprechend ausfinanziert sind, damit bäuerliche Familien und auch die Kinder auf den Bauernhöfen in eine gute Zukunft, in eine begleitete Zukunft gehen, wenn sie in der Krise sind. – Danke schön. (Beifall bei den Grünen.)

19.30

Präsidentin Doris Bures: Nun gelangt Frau Abgeordnete Tina Angela Berger zu Wort. – Bitte.

RN/166

19.30

Abgeordnete Tina Angela Berger (FPÖ): Danke, Frau Präsident! Herr Bundesminister! Hohes Haus! Frauen und Männer in der Landwirtschaft und in der Forstwirtschaft müssen seit Jahren an ihre Grenzen und, ja, oft auch darüber hinaus gehen. Als stellvertretende Frauensprecherin gehe ich ganz bewusst auf unsere Universalgenies, auf unsere Bäuerinnen ein.

Die Studie zeigt hohe psychische Belastungen, aber die Realität zeigt noch viel mehr. Die Frauen arbeiten im Stall, am Feld, im Haushalt, in der Buchhaltung, in der Kindererziehung und oft zusätzlich in außerlandwirtschaftlichen Jobs, damit der Betrieb überhaupt über die Runden kommt, und ja, viele pflegen nebenbei auch noch ihre Angehörigen. Das ist Leben im Dauereinsatz: keine echte Erholung, kaum freie Wochenenden, Urlaub oft nur auf dem Papier. Wer so lebt, braucht eigentlich keine Studie, um zu wissen, was psychische Belastung bedeutet. Der Körper ist müde, der Kopf voll, aber es muss halt irgendwie weitergehen. Trotzdem hört man aber gerade auf dem Land viel zu oft: Das schaffe ich schon! Das packe ich schon! Das geht schon! – Diese Sätze klingen zwar stark, aber sie erzählen auch von Frauen, die ihre eigenen Bedürfnisse hintanstellen, weil sie glauben, einfach funktionieren zu müssen. (Beifall bei der FPÖ.)

Die Hemmschwelle, Hilfe anzunehmen, ist oft sehr hoch, nicht weil sie keine Hilfe brauchen, sondern weil es einfach immer so war, über Generationen hinweg: Jeder hat immer funktionieren müssen, alles hat einfach funktionieren müssen. Wenn wir also über psychosoziale Unterstützung reden, dann muss man sagen, es reicht kein freundlicher Absatz in einem Antrag, es braucht niederschwellige, vertrauliche, frauenspezifische Angebote und flexible Zeiten und vor allem auch endlich Rahmenbedingungen, die es erlauben, den Hof auch einmal guten Gewissens zu verlassen, auch um sich eben Hilfe zu holen.

Eines muss ich aber auch klar ansprechen: Warum kommen so viele Höfe und die Menschen, die dort arbeiten, an ihre Grenzen? – Seit Menschengedenken stellt eine Partei die maßgeblichen Vertreter der Landwirtschaft in Gemeinden, in Kammern, in Ländern, im Bund, bis hinaus nach Brüssel, und das ist die ÖVP. Genau diese Partei hat den Kurs vorgegeben, der Familienbetriebe Jahr für Jahr mehr unter Druck gesetzt hat: mehr Auflagen, mehr Bürokratie und mehr Kontrollen. Die 46 Prozent mit psychischen Beschwerden kommen ja nicht von irgendwoher. Wenn sich Männer und Frauen am Hof überarbeitet, ausgebrannt und alleingelassen fühlen, dann ist das kein Naturphänomen, sondern das Ergebnis jahrzehntelanger falscher ÖVP-Agrarpolitik. (Beifall bei der FPÖ. – Abg. Martin Graf [FPÖ]: Bravo!)

Und eines ist klar: Psychische Gesundheit in der Landwirtschaft gibt es nicht zum Nulltarif. Es braucht wirtschaftliche Entlastung, weniger Bürokratie, Unterstützung bei der Pflege, Zukunftsaussichten für die nächsten Generationen und endlich auch Respekt für die Arbeit jener, die tagtäglich unser Land versorgen. Wir Freiheitliche stimmen diesem Antrag zu, aber ein Antrag allein nimmt keiner bäuerlichen Familie den finanziellen und sozialen Druck, und vor allem nimmt er den Menschen nicht die Zukunftsängste. Sie brauchen auch keine weiteren schönen Worte. Die Ampelregierung muss endlich vom Reden ins Tun kommen! Sie muss aus dieser Vorlage einen echten Maßnahmenplan machen, mit klaren Verantwortlichkeiten, mit überprüfbaren Zielen und mit einem Budget, das bei den Menschen auf den Höfen draußen endlich ankommt.

Wer die Landwirtschaft stärkt, der stärkt unser ganzes Land. Jetzt braucht es aber einen richtigen Kraftakt, damit unsere Bauernfamilien nicht nur durchhalten, sondern endlich einmal aufatmen können. (Beifall bei der FPÖ. – Abg. Martin Graf [FPÖ] – in Richtung ÖVP –: Ihr stehts seit Jahrzehnten auf der Bremse!)

19.34

Präsidentin Doris Bures: Nun gelangt Frau Abgeordnete Irene Neumann-Hartberger zu Wort.

RN/167

19.34

Abgeordnete Irene Neumann-Hartberger (ÖVP): Vielen Dank, Frau Präsidentin! Geschätzter Herr Bundesminister! Werte Kolleginnen und Kollegen! Das Thema, das wir heute diskutieren, die psychosozialen Belastungen in unseren land- und forstwirtschaftlichen Betrieben, ist für viele Menschen nur schwer nachvollziehbar, weil oft die unmittelbare Betroffenheit fehlt. Dennoch zeigt uns die jüngste Studie, die im Auftrag des Bundesministeriums für Landwirtschaft durchgeführt wurde, dass die sozialen, psychischen und physischen Belastungen der Menschen in den heimischen Betrieben einfach nicht mehr unter den Tisch gekehrt werden dürfen.

Nur wenigen ist bis dato bewusst gewesen, dass bereits 46 Prozent der Befragten von psychischen Belastungen sprechen. Gründe und Faktoren dafür wurden hier heute schon genannt. Einen möchte ich noch herausnehmen, nämlich die Wochenarbeitszeit. Diese beträgt nämlich im Jahresdurchschnitt bei 55 Prozent der Betriebe mehr als 40 Wochenstunden, und zu saisonalen Spitzen, dann, wenn Erntezeit ist, sind es 52 Prozent der Bäuerinnen und Bauern, die mehr als 60 Stunden pro Woche arbeiten – also viel Work, wenig Life und dadurch relativ wenig Balance. (Beifall bei der ÖVP.)

Und da sprechen wir noch nicht von zusätzlichen Belastungen durch externe Einflüsse, die wir oft nicht beeinflussen können, wie Wetterextreme, Klimaveränderungen, negative Preisentwicklungen, fehlende Wertschätzung, die Bürokratie und die immer höheren Anforderungen an Produktionsstandards – die Liste könnte man noch unendlich fortführen. (Zwischenruf des Abg. Darmann [FPÖ].)

Unser Anspruch ist es aber, nicht nur Probleme aufzuzeigen, sondern auch Lösungen und Hilfestellungen anzubieten. Die Landwirtschaftskammern und das LFI tun das seit vielen Jahren mit vielfältigen Maßnahmen. Die Arbeitsgemeinschaft der Bäuerinnen ist auch bestrebt, das Thema der psychosozialen Erkrankungen zu enttabuisieren. Ja, es ist uns besonders wichtig, genau diese Belastungen und Krankheitsformen sehr ernst zu nehmen. Weil wir heute so tun oder manche hier so getan haben, als gäbe es nichts: Initiativen wie Lebensqualität Bauernhof oder das bäuerliche Sorgentelefon, wo es niederschwellige Beratungen und Hilfestellungen gibt, der Erstkontakt zu Hilfestellungen in Ausnahmen- und Belastungssituationen hergestellt wird, sind über Jahre entwickelt worden. – Geschätzter Herr Minister, diese Maßnahmen, diese Angebote müssen erhalten bleiben und wir müssen diese auch weiterentwickeln! (Beifall bei der ÖVP.)

Die Zahlen zeigen uns, dass die Inanspruchnahme der unterschiedlichsten Beratungen steigt, aber die Kommunikation und die Information darüber muss besser werden – da lade ich alle ein, mitzuhelfen –, und vor allem muss es gelingen, die Hemmschwelle, Hilfe in Anspruch zu nehmen, zu senken.

Wir Bäuerinnen sind sehr aktiv im Weitertragen von Informationen diesbezüglich, und wir sehen, dass es eher Frauen als Männer sind, die das Angebot zur Hilfe auch nutzen. Umso erfreulicher ist es, und das finde ich wirklich eine positive Nachricht zum Tag, dass heute verkündet wurde, dass klinisch-psychologische Krankenbehandlungen ab dem Frühjahr 2026 als vollfinanzierte Kassenleistungen erhältlich sind. Die Österreichische Gesundheitskasse hat kürzlich mit der SVS und der BVAEB einen Gesamtvertrag mit dem Berufsverband Österreichischer Psychologinnen und Psychologen abgeschlossen. Damit werden 120 700 Behandlungseinheiten als Kassenleistung zur Verfügung stehen und das bedeutet eine Verbesserung der Versorgung von Menschen mit psychischen Erkrankungen.

Ich sehe uns alle in der Verantwortung, solche Maßnahmen zu stärken, die Möglichkeiten und Informationen darüber zu kampagnisieren und ihre Nutzung aktiv zu fördern, nämlich zur Gesundwerdung der betroffenen Menschen. Danke, dass alle Parteien hier im Hohen Haus das so sehen und unseren Antrag unterstützen! – Vielen Dank. (Beifall bei der ÖVP sowie des Abg. Oberhofer [NEOS].)

19.39

Präsidentin Doris Bures: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Michael Fürtbauer.

RN/168

19.39

Abgeordneter Michael Fürtbauer (FPÖ): Herr Schmuckenschnabel (Heiterkeit bei der ÖVP), Sie zitieren aus einer Presseaussendung von 2022. Damals wurde eine Lebensmittelkennzeichnung diskutiert. Hören Sie wenigstens zu, wenn Sie mich schon angreifen! Damals wurde eine Lebensmittelkennzeichnung diskutiert: dass das glückliche Schwein am Freitagnachmittag beim Huberbauern in Hintervillgraten noch glücklich umeinandergelaufen ist – also ein riesiger bürokratischer Aufwand.

In den Koalitionsverhandlungen – fragen Sie den Herrn Minister, fragen Sie Herrn Strasser; Sie waren nicht dabei, warum auch immer, wahrscheinlich gibt es einen gewissen Grund, warum Sie nicht dabei waren (Abg. Michael Hammer [ÖVP]: Weil er sich mit euch nicht hinsetzt!)  hätten wir eine Möglichkeit gefunden, die, zumindest nach der Meinung von uns drei damals, für alle Seiten, für Wirte und für Landwirte, vertretbar gewesen wäre. (Abg. Michael Hammer [ÖVP]: Wäre!)

Für diese Lebensmittelkennzeichnung stehen wir auch jederzeit zur Verfügung. Bringen Sie einen Antrag ein! Schauen wir, wie das ausgeht. Schauen wir, wie die ÖVP abstimmt – wie die Freiheitlichen abstimmen, weiß ich. Es ist ja wieder der Faktencheck à la ÖVP: Es gibt einfach keinen, und sie wollen einfach nur lesen, was Sie lesen wollen. Was es nicht gibt, darf es nicht geben. – Danke. (Beifall bei der FPÖ. – Zwischenruf bei der ÖVP.

19.40

RN/169

Präsidentin Doris Bures: Herr Abgeordneter, ich gehe davon aus, dass das keine Namensverunglimpfung war, sondern nur ein Versprecher Ihrerseits. (Ruf bei der ÖVP: Der kann es nicht besser! – Abg. Michael Hammer [ÖVP]: Das schreibt man seiner undeutlichen Aussprache zu! – Weitere Zwischenrufe bei der ÖVP.)

Ich gebe jetzt Frau Abgeordneter Bettina Zopf das Wort.

RN/170

19.40

Abgeordnete Bettina Zopf (ÖVP): Danke, Frau Präsidentin! Geschätzter Herr Minister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuseherinnen und Zuseher noch auf der Galerie und zu Hause vor den Fernsehbildschirmen! Die Landwirtschaft ist die Grundlage unserer Existenz. Ich bin seit 30 Jahren in der bäuerlichen Interessenvertretung tätig, und der Bauernbund ist der einzige, der wirklich die Interessen der Bäuerinnen und Bauern durch und durch vertritt. (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Scherak [NEOS]: Na sicher! ... Stoßgebet ausgesprochen! – Zwischenrufe bei SPÖ und Grünen.

Da haben wir unbesetzte Mandate. Fünf Jahre lassen Sie sich nicht anschauen, ein Jahr vor der Wahl stellen Sie ein Schild auf, und dann glauben Sie, Sie sind die großen Macher, und tun eigentlich nur kritisieren (Zwischenruf des Abg. Michael Hammer [ÖVP]), ohne zu handeln und ohne zu tun. (Beifall bei der ÖVP.)

Das ist nicht unser Stil. Unser Stil ist es, für die Bäuerinnen und Bauern da zu sein. 

Jetzt kommen wir zum Thema. (Ruf bei den Grünen: Ja, bitte!) Der heutige Antrag ist auch sehr wichtig, denn wir können zwar auf vieles verzichten, aber ohne Nahrung geht gar nichts. Der Staat hat dafür zu sorgen, dass es eine funktionierende Landwirtschaft gibt. Selbstversorgung heißt Unabhängigkeit und schafft Sicherheit und Überleben für die Bevölkerung. 

Als Landwirt hat man nicht nur einen Beruf, sondern das ist eine Berufung. Es ist schwere körperliche Arbeit, aber vor allem ist es auch psychisch sehr fordernd: Verantwortung, Tierhaltung, ein Hof, die Ernte richtig einbringen, die Familie versorgen. 

Heute verabschieden wir diesen Antrag einstimmig. Es ist ein gutes Beispiel, denn sie sichern unsere tagtägliche Lebensgrundlage. Unsere Bäuerinnen und Bauern arbeiten oft ganz zeitig in der Früh und bis spät in die Nacht. 

Heute – nachdem wir diesen Beschluss ja spätabends fassen – kann ich gern sagen, dass ich lange da bin, weil ich das für unsere Bäuerinnen und Bauern tue, genau so, wie ich mich daheim 30 Jahre lang in der Interessenvertretung, im Bauernbund, für die Bäuerinnen und Bauern eingesetzt habe. Ich will nämlich nicht, dass es auf unseren Bauernhöfen still wird, denn das, was dann der Fall ist, wäre: Gute Nacht Österreich! (Beifall bei der ÖVP.)

19.43

Präsidentin Doris Bures: Zu Wort ist nun niemand mehr gemeldet. Damit ist die Debatte geschlossen.

Wünscht der Herr Berichterstatter ein Schlusswort? – Das ist nicht der Fall.

RN/171

Abstimmung

Präsidentin Doris Bures: Wir kommen jetzt zur Abstimmung über die dem Ausschussbericht 327 der Beilagen angeschlossene Entschließung betreffend „Maßnahmen zur Verbesserung psychosozialer Rahmenbedingungen in der Land- und Forstwirtschaft“.

Wer dafür ist, den bitte ich um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist einstimmig angenommen. (xx/E)

Damit ist die Tagesordnung erschöpft.