10.36

Abgeordnete Sigrid Maurer, BA (Grüne): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr und geehrte Frau Minister! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuseherinnen und Zuseher! Yannick Shetty hat etwas Richtiges gesagt: Die Grünen sind eine feministische Partei. Wir bekämpfen das Patriarchat konsequent, egal wo es herkommt. (Beifall bei den Grünen.)

Es gibt Grundwerte in unserer Gesellschaft, Grundwerte, die nicht verhandelbar sind, die wir alle miteinander leben, schützen und stärken müssen. Dazu gehört ganz zentral, gerade für uns Grüne: Jedes Mädchen hat ein Recht auf ein selbstbestimmtes Leben! (Beifall bei den Grünen sowie des Abg. Lindner [SPÖ].)

Ja, wir haben inzwischen tatsächlich ein Problem in unseren Volks- und Mittelschulen mit dem Kinderkopftuch. Es ist absolut inakzeptabel, wenn junge Burschen ihren Mitschülerinnen vorschreiben, dass sie sich zu verhüllen haben, dass sie ihren Blick zu senken haben, wenn sie ihren männlichen Klassenkollegen gegenübertreten. Es ist absolut inakzeptabel, wenn ein Vater seiner Tochter erklärt, sie müsse das Kopftuch tragen, weil sie für jede sichtbare Strähne ihres Haars in der Hölle brennen muss. Diese Praxis hat absolut nichts mit Religion zu tun. Das Kinderkopftuch verlangen beispielsweise die Taliban – das sind die Extremisten – und nicht die islamische Glaubenslehre. 

Deshalb finde ich die Idee, das Kinderkopftuch an Schulen zu verbieten, absolut nachvollziehbar und, ja, auch berechtigt. (Ruf bei der ÖVP: Aber?) Aber die Regierung – Yannick, das weißt auch du ganz genau – weiß, dass das vorgelegte Gesetz gegen die Verfassung verstößt. (Zwischenruf des Abg. Hörl [ÖVP].) Das sagen sogar die eigenen Jurist:innen im Justizministerium und im Verfassungsdienst. (Abg. Shetty [NEOS]: Aber vor der Begutachtung!) Es passiert da der gleiche Pfusch wie schon bei Schwarz-Blau. (Beifall bei den Grünen. – Abg. Taschner [ÖVP]: Das entscheiden Sie, die Grünen? – Weitere Zwischenrufe bei der ÖVP. – Zwischenruf des Abg. Shetty [NEOS].) 

Die Regierung hat es wieder nicht geschafft, ein Gesetz vorzulegen, das vor dem Verfassungsgerichtshof halten wird. Wir alle hier sind auf die Verfassung angelobt (Abg. Taschner [ÖVP]: Die Grünen sind der Gerichtshof, sehr interessant! – weitere Zwischenrufe bei der ÖVP), und absichtlich etwas Verfassungswidriges zu beschließen, ist für uns Grüne ein No-Go, und deswegen werden wir auch nicht zustimmen. (Beifall bei den Grünen. – Rufe bei der ÖVP: Oh!)

Ich finde es schon auch ein bisschen erstaunlich (neuerliche Zwischenrufe bei der ÖVP): Die reichhaltige Wortwahl von Yannick Shetty zeigt ja auch, dass das für die NEOS schon ein Problem ist. Die NEOS haben dieses bewusste Übergehen von Verfassungsbedenken in der Vergangenheit zu Recht scharf kritisiert (Abg. Shetty [NEOS]: Deswegen haben wir das Gesetz überarbeitet, das weißt du!), und jetzt betreiben sie es selber. (Beifall bei den Grünen.)

Ja, wir sehen die dringende Notwendigkeit, dass an den Schulen gehandelt wird. Da ist mir ein Punkt auch sehr wichtig, der betrifft nämlich das Lehrpersonal: dass wir dem Lehrpersonal nicht noch mehr Aufgaben umhängen. (Beifall bei den Grünen.)

Lehrerinnen und Lehrer sind keine Hilfssheriffs oder Sozialarbeiter:innen, sie sollen sich aufs Unterrichten konzentrieren können. Die Regierung hat Begleitmaßnahmen versprochen, aber dafür gibt es nicht einmal einen Plan. (Ruf bei der ÖVP: Stimmt nicht!

Wir aber haben einen Vorschlag: schnelle multiprofessionelle Einsatzteams, die die Schulen bei der Bildungsdirektion anfordern können, wenn es zu kulturellen Spannungen an den Schulen kommt. Dabei gehört auch die islamische Glaubensgemeinschaft eingebunden (Abg. Hörl [ÖVP]: Cobra!) und in die Verantwortung genommen. (Abg. Taschner [ÖVP]: Das ist doch lächerlich!) Auch sie muss das Kinderkopftuch aktiv bekämpfen und die Mädchen in ihrer Community schützen. (Beifall bei den Grünen.

Wir können und dürfen als Gesellschaft nicht akzeptieren (neuerlicher Zwischenruf des Abg. Taschner [ÖVP]), dass Mädchen in unseren Schulen unterdrückt werden. 

Ich möchte aber an dieser Stelle noch auf die anderen Punkte im Gesetz eingehen. Kurz: Ja, wir unterstützen die Suspendierungsbegleitung und die Perspektivengespräche; das sind richtige Schritte. Was sich in diesem Gesetz aber auch noch versteckt, ist eine Änderung, die direkt die Demokratie an unseren Schulen betrifft. Heimlich, still und leise schafft der Minister nämlich das Mitbestimmungsrecht der Schüler:innenvertretung beim Ausschluss von Schüler:innen ab. (Rufe bei den Grünen: Oh!) Ich finde, das ist eine absolut falsche Entscheidung, und so sehen das auch die Schulsprecher:innen. 

Im Ausschuss haben Sie, Herr Minister, wortwörtlich gemeint, es wäre eine Überforderung, wenn Schüler:innen mitentscheiden müssten, ob ein Schüler oder eine Schülerin von einer Schule ausgeschlossen wird. (Ruf bei den Grünen: ... Überforderung, oder was?!) Ich sage Ihnen jetzt wortwörtlich, was die betroffenen Schulsprecher:innen dazu sagen: Das ist eine schlechte Entscheidung. Wir sind auf Augenhöhe mit den anderen Schüler:innen und können das am besten einschätzen. Wir werden gewählt, weil man uns zutraut, Verantwortung zu übernehmen. Gerade bei einer so schweren Entscheidung braucht es die Perspektive der Schüler:innen, weil wir den Schulalltag und die Dynamiken in den Klassen am besten einschätzen können. Es entsteht der Eindruck, dass wir zwar angehört werden, aber unsere Perspektive zum Schluss nicht ernsthaft berücksichtigt wird. – Zitatende.

Herr Minister, vier von fünf Jugendlichen haben den Eindruck, dass sie in der Politik keine Stimme haben. (Ruf bei den NEOS: Wer hat denn die eigene Jugend ...?) Ihnen jetzt diese Mitbestimmung bei schwerwiegenden Entscheidungen in den Schulen zu nehmen, ist ein fataler Fehler und ein Schlag ins Gesicht aller jungen Menschen, die sich für die Demokratie engagieren, die sich in den Schulen für Mitbestimmung engagieren, die Verantwortung übernehmen, die sich wählen lassen und für ihre Mitschüler:innen und Schulkolleg:innen einstehen. (Beifall bei den Grünen.)

Ich fordere Sie auf und ich fordere auch die anderen Regierungsparteien auf, diese Beschränkung der Mitbestimmung der Schülerinnen und Schüler, unserer Jugendlichen, zurückzunehmen, diese Beschränkung der Demokratie an den Schulen nicht zuzulassen. Das ist wirklich das absolut falsche Signal und ein Schlag ins Gesicht aller jungen Menschen, die sich engagieren. – Vielen Dank. (Anhaltender Beifall bei den Grünen.)

10.42

Präsident Dr. Walter Rosenkranz: Als Nächster zu Wort gemeldet: Herr Abgeordneter Marchetti. Die eingemeldete Redezeit beläuft sich auf 4 Minuten. – Bitte schön.

Die angezeigte Rede ist noch nicht nach § 52 Abs. 2 GOG-NR autorisiert.