10.54
Bundesminister für Bildung Christoph Wiederkehr, MA: Vielen Dank, Herr Präsident! Geschätzte Abgeordnete! Sehr geehrte Damen und Herren! Schule muss ein Ort der Entfaltung sein, Schule muss ein angstfreier Ort sein, wo Kinder, aber auch Pädagoginnen und Pädagogen gerne hingehen, weil nur ein angstfreies Lernen auch ein nachhaltiges Lernen und eine gute Bildung bedeutet.
Wir sehen, dass in den letzten Jahren die Konflikte in den Klassenzimmern zugenommen haben, sowohl kulturelle, religiöse Konflikte, als auch Konflikte, die zu Gewalt im Klassenzimmer geführt haben. Das sehen wir an der Anzahl der Suspendierungen, die sich in den letzten Jahren verdreifacht haben. Das ist ein Auftrag, entschlossene Maßnahmen zu setzen, damit Angstfreiheit und Gewaltfreiheit wieder die Norm in den Klassenzimmern ist, denn Toleranz gegenüber Gewalt dürfen wir nicht an den Tag legen – deshalb diese Regierungsvorlage mit einem großen, umfassenden Paket in der Prävention, aber auch darüber hinaus, um Schule zu einem angstfreien Ort der Entfaltung zu machen.
Es sind drei Punkte darin beinhaltet: Erstens die Suspendierungsbegleitung, die mir persönlich ein großes Anliegen ist, damit Schülerinnen und Schüler, die wegen Gewalt kurzfristig aus der Schule ausgeschlossen werden, nicht alleingelassen werden, nicht einfach in den Park oder in den Supermarkt geschickt werden, wie es aktuell der Fall ist, sondern es geht darum, dass wir die Kinder, die wegen Gewalt suspendiert werden, begleiten, nämlich sowohl pädagogisch begleiten, dass weiterhin gelernt wird, als auch psychosozial begleiten, damit das eigene Fehlverhalten reflektiert wird und damit eine Resozialisierung, Reintegration in den Klassenverband stattfinden kann. Das wird in Zukunft über eine Suspendierungsbegleitung im Ausmaß von mindestens acht bis zu 20 Stunden gewährleistet und ist ein echter Paradigmenwechsel, wie wir mit Gewalt im Klassenzimmer umgehen. (Beifall bei den NEOS sowie bei Abgeordneten von ÖVP und SPÖ.)
Es sind, zweitens, die Perspektivengespräche, nämlich dass Schülerinnen und Schüler, die die Schule abbrechen oder auch von der Schule verwiesen werden, nicht im luftleeren Raum landen, sondern bei diesem Austritt aus der Schule, der dann oft unfreiwillig geschieht, begleitet werden, um für sich eine andere Perspektive zu entwickeln, denn die Perspektivenlosigkeit ist eine der größten Gefahren, auch für die Sicherheit in unserer Gesellschaft. Auch Kränkungen aus der Schule (Zwischenruf des Abg. Taschner [ÖVP]): Wir haben nicht nur, aber auch bei dem Attentat und bei dem Amoklauf in Graz erlebt, dass diese aus unterschiedlichen Kränkungserfahrungen entstanden. Deshalb ist es so wichtig, dass, wenn es einen Ausschluss, wenn es einen Abbruch einer Schule gibt, auch Gespräche stattfinden, um weitere Entwicklungen aufzuzeigen und Perspektiven mitzugeben. Engagierte Schulen tun das jetzt schon. Es wird in Zukunft verpflichtend sein. Das ist ein ganz wichtiger Schritt für die Sicherheit nicht nur in den Schulen, sondern in der ganzen Gesellschaft.
Es ist, drittens, das Kopftuchverbot für unter 14-Jährige, das natürlich eine Abwägung von Grundrechten ist, nämlich dem Grundrecht auf Religionsfreiheit, aber auch dem Grundrecht von Kindern auf ihre Kinderrechte, auf ihre persönliche Entfaltung und Entwicklung, unabhängig von gesellschaftlichen, familiären oder auch Zwängen im Freundeskreis. Man muss feststellen, dass die Zwänge gegenüber jungen Mädchen deutlich zugenommen haben, nicht nur vom Familienumfeld, sondern auch von jungen Burschen, die aus religiösen Gründen anscheinend anderen vorschreiben wollen, wie sie sich zu kleiden haben. Deshalb wird in dieser Grundrechtsabwägung ganz klar für die Freiheit der jungen Mädchen, für die persönliche Entwicklung der jungen Mädchen entschieden, damit sie gut gebildet werden und so ein gutes, selbstbestimmtes Leben für sich ermöglicht bekommen. (Beifall bei den NEOS sowie bei Abgeordneten von ÖVP und SPÖ.)
Da kamen von grüner Seite Einwände, dass es ja von anderen Ministerien Stellungnahmen gegeben hat. – Ja, zum Glück. Es gab eine offene Begutachtung, bei der wir noch unterschiedliche Stellungnahmen eingearbeitet haben, beispielsweise die Kritik, dass es nicht klar am Alter festgelegt wurde, sondern an der Schulstufe. Das war eine berechtigte Kritik, denn unter 14 ist man religionsunmündig, ab 14 gibt es eine Mündigkeit und damit auch ein logisches Alter, ab dem wir ansetzen.
Oder auch der Kritikpunkt, dass es nicht bestimmt genug war, nämlich die Frage: Was verbieten wir denn? Da gab es auch eine neue Definition im Gesetz, nämlich ganz klar das Kopftuch nach islamischem Vorbild, das das Haupt verdeckt. Wir sprechen sehr konkret und spezifisch an, was wir verbieten und warum wir es verbieten.
Die erste Entscheidung des Verfassungsgerichtshofs hat uns auch mitgegeben, warum es damals verfassungswidrig war: beispielsweise weil es keine Begleitmaßnahmen gab. (Abg. Maurer [Grüne]: Gibt’s jetzt auch nicht!) Jetzt gibt es Begleitmaßnahmen an allen österreichischen Schulen: über Kinderschutzkonzepte und eigene Bubenarbeit, um auch die Buben zu sensibilisieren, bis hin zu zusätzlicher psychosozialer Unterstützung. Es gibt unzählige Begleitmaßnahmen, die wir schon gesetzt haben und auch in Zukunft setzen werden, auch gemeinsam mit dem Integrationsministerium und dem ÖIF, um somit auch die Kritik des Verfassungsgerichtshofs einzubauen und mit aufzunehmen. (Beifall bei den NEOS und bei Abgeordneten der ÖVP.)
Ein weiterer Kritikpunkt war damals, welche Eskalationsstufen es gibt. Auch diese wurden einbezogen, nämlich dass es bei allen drei Maßnahmen schrittweise Stufen bis zur Sanktion gibt. Ja, dazu stehe ich. Der letzte Schritt ist eine Strafzahlung der Eltern, denn Eltern haben eine Verantwortung für ihre Kinder und Eltern müssen mit der Schule kooperieren. (Beifall des Abg. Hoyos-Trauttmansdorff [NEOS].)
Die Lehrerinnen und Lehrer sind aber nicht die Sheriffs, wie aufgezeigt worden ist, sondern es gibt einen Eskalationsmechanismus hin zur Direktion und dann zur Behörde. Wir wollen die Beziehungsarbeit zwischen Lehrkräften und Schülerinnen und Schülern nicht beeinträchtigen, auch nicht bei so sensiblen Konfliktthemen wie dem Kopftuch, sondern es gibt eine andere Instanz, die darüber entscheidet. Und über die Strafe entscheidet ja nicht die Schule selbst, sondern die Behörde. Es ist eine Verwaltungsstrafe, die dann verhängt werden kann – wichtig auch zu erwähnen –, nicht einmalig, sondern wenn es Verstöße gibt, auch mehrmals. (Präsident Haubner übernimmt den Vorsitz.)
Mit diesen drei Maßnahmen setzen wir Standards für eine sichere Schule, setzen wir Standards, um Bildung für alle Schülerinnen und Schüler zu verbessern.
Ich möchte zum Abschluss allen danken, die an diesem Gesetzgebungsprozess bisher mitgewirkt haben, auch der Familienministerin und ihrem Team. Es gab eine enge Kooperation, damit wir ein verfassungsgemäßes Gesetz vorlegen. Das unterscheidet mich und auch uns von der Anforderung her von den Freiheitlichen, nämlich dass es ein verfassungskonformes Gesetz sein soll, und ich bin zuversichtlich, dass dieses Gesetz, so wie es heute vorliegt, verfassungskonform sein wird. – Vielen Dank. (Beifall bei den NEOS sowie bei Abgeordneten von ÖVP und SPÖ.)
11.01
Präsident Peter Haubner: Als Nächste zu Wort gemeldet hat sich Frau Bundesministerin Plakolm. – Bitte, Frau Bundesministerin.
Die angezeigte Rede ist noch nicht nach § 52 Abs. 2 GOG-NR autorisiert.