11.02
Bundesministerin für Europa, Integration und Familie im Bundeskanzleramt Claudia Plakolm: Vielen lieben Dank, Herr Präsident! Geschätzte Abgeordnete! Liebe Zuseherinnen und Zuseher der Nationalratssitzung! Ich schließe gleich an unseren Bildungsminister Christoph Wiederkehr an.
Heute gelingt uns ein historischer Schritt, wenn es um den Schutz von Mädchen geht. Ich möchte in diesem Zusammenhang auch festhalten und einmal mehr unterstreichen, dass das Kopftuch an Kindern kein einfaches religiöses Symbol ist. Es ist auch kein harmloses Stück Stoff. Es ist ein Zeichen der Unterdrückung, und dagegen wehren wir uns als Gesellschaft und genau dafür müssen wir als Politik die richtigen Rahmenbedingungen setzen. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der NEOS.)
Kein Mädchen in Österreich soll lernen oder damit aufwachsen, dass der Körper versteckt werden muss. Jedes Mädchen in Österreich soll frei, soll sichtbar und soll vor allem selbstbestimmt aufwachsen. Natürlich wird damit auch das Fundament, nicht nur für die weitere persönliche und körperliche Entwicklung, sondern insbesondere für den weiteren Bildungsverlauf eines Mädchens gelegt.
Wir wollen, dass Mädchen und Frauen die gleichen Chancen in unserem Land haben. Dafür treten hoffentlich alle Parteien im Hohen Haus ein. Jetzt haben Sie alle die Chance, hier auch konkret Maßnahmen zu setzen.
Wir wollen, dass das alles an unseren Schulen passiert, diese Gleichberechtigung nicht nur gelehrt, sondern auch vorgelebt wird, dass Mädchen ohne kulturellen Druck, ohne Zwang, ohne vorgeschriebene Rollenbilder aufwachsen können und dass sie nicht vermittelt bekommen, dass ihr Körper etwas Schlechtes ist, das bedeckt werden muss. Das ist kein religiöses Symbol, es ist ein Symbol der Unterdrückung, das auch Spuren bei Mädchen hinterlässt.
Diese Sichtweise vertrete nicht nur ich, sondern vertritt auch ein Großteil der Österreicherinnen und Österreicher. 73 Prozent befürworten das Kopftuchverbot für Mädchen unter 14 Jahren an unseren Schulen. Deswegen ist es unser gesellschaftlicher Auftrag, das zu unterstützen und diesen Entwicklungen entgegenzuhalten.
Die Schule muss ein Ort für Freiheit und Selbstbestimmung sein, kein Ort, an dem Mädchen bereits früh unter Druck gesetzt werden, eingeschränkt oder auch unsichtbar gemacht werden. Wir zeigen damit null Toleranz gegenüber all jenen, die Mädchen in ihrer Entwicklung hindern oder kontrollieren wollen. (Beifall bei Abgeordneten der ÖVP.)
Es freut mich, dass es auch im Hohen Haus einen sehr breiten politischen Konsens zu diesem Thema gibt, der über die Regierungsparteien hinausgeht. Im Unterrichtsausschuss hat die freiheitliche Fraktion bereits mitgestimmt. Die grünen Abgeordneten wurden bereits eingeladen, auch mitzustimmen, da sie den Vorschlag ja inhaltlich auch in der Vergangenheit selbst begrüßt haben.
Unser Bildungsminister hat bereits ausgeführt, dass wir guten Gewissens ein einfaches Gesetz vorschlagen. Auch an die Abgeordneten der FPÖ gerichtet: Uns geht es um eine fundierte Grundlage, um eine gute Begründung dieses Gesetzes, um Begleitmaßnahmen, die wir implementieren, damit dieses Gesetz auch halten kann. Es geht dabei um keine populistische Schlagzeile, es geht um Kinder, es geht um Schutz von Mädchen, und den werden wir gemeinsam hier einbringen. Über zwei Drittel der Abgeordneten dieses Hauses unterstützen diesen Vorschlag. Das ist ein starkes Signal für die Mädchen in unserem Land, aber auch für uns als Gesellschaft dafür, was wir tolerieren und was wir nicht zulassen.
Das Gesetz, das Sie heute debattieren, unterscheidet sich auch ganz stark von dem Gesetz, das vor sechs Jahren für Volksschulen, also bis zehn Jahre, eingebracht wurde. Es hat sich aber auch die Ausgangssituation massiv verändert. Damals ist man von rund 3 000 betroffenen Mädchen ausgegangen, heute gehen Schätzungen von 12 000 aus.
Der Druck kommt auch längst nicht mehr nur aus dem familiären Umfeld, sondern insbesondere aus sozialen Medien. Influencerinnen und Influencer auf Tiktok, auf Instagram verstärken genau diese Entwicklungen. Sie propagieren ein verzerrtes Bild von Ehre und Scham, und auch junge Burschen sehen das, fühlen sich angesprochen und zu Sittenwächtern berufen. (Abg. Belakowitsch [FPÖ]: Die wird es jetzt nicht mehr geben, oder was?) Es geht so weit, dass Burschen ihren Schwestern oder sogar ihren Müttern mit Gewalt drohen, wenn sie das Kopftuch ablegen, um damit die angebliche Ehre der Familie zu retten. Das zeigt uns, es geht beim Kinderkopftuch um Kontrolle, es geht um Unterdrückung.
Lehrkräfte haben uns in der Begutachtungsphase bestätigt, dass es ein Problem im Alltag in vielen Klassen ist. Psychologinnen und Psychologen bestätigen auch, dass das Kinderkopftuch die Entwicklung von Mädchen massiv einschränkt und dass Mädchen in diesem Alter tatsächlich glauben, sie müssten sich vor den Blicken fremder Männer schützen. Deshalb müssen wir handeln.
Wir gehen in zwei Schritten vor. Im Februar mit Semesterbeginn startet die Aufklärungsphase, in der es uns um Information geht, um eine gute Vorbereitung, auch um Evidenz, damit wir das auch wissenschaftlich begleiten. Gespräche sollen die Hintergründe erklären und Unterstützung bieten, und bei Druck und Drohungen durch religiöse Sittenwächter wird auch frühzeitig eingegriffen.
Mit Schuljahresbeginn im September startet dann die Sanktionsphase. Dann treten auch diese in Kraft, und damit stellen wir einen verhältnismäßigen, einen gut vorbereiteten und einen rechtlich sauberen Vollzug sicher. Dieses Stufenmodell hat ja bereits unser Bildungsminister vorgestellt.
Wir setzen also auf Aufklärung, wir scheuen aber gleichzeitig die Konsequenzen nicht, wenn es um den Schutz von Mädchen geht. Genauso bieten wir Begleitmaßnahmen im Bildungsbereich, im Integrationsbereich bis hin auch zur Unterstützung von Eltern, die Gleichberechtigung auch im Familienleben vorleben sollen.
Zur Frage, ob dieses Gesetz vor dem Verfassungsgerichtshof nun hält oder nicht, möchte ich ganz klar festhalten, dass wir die Stellungnahmen aus der Begutachtung sehr ernst genommen haben, dass wir die Rechtsgrundlagen so nachgeschärft haben, dass ein Gesetz entstanden ist, das wirksam ist, das rechtlich solide ist. Wir haben die Begriffe und Altersgrenzen präzisiert, wir haben die sachliche Begründung umfassend auf die Rechtsprechung des EGMR und auch des VfGH abgestimmt, und beide Höchstgerichte halten klar fest: Eingriffe in die Religionsfreiheit sind zulässig, wenn sie sachlich gerechtfertigt und verhältnismäßig sind.
Es darf beim Schutz von Mädchen keinen Interpretationsspielraum geben. Wir schützen Mädchen, nicht Moralvorstellungen, und vor allem schützen wir ihr Recht auf eine sichtbare Kindheit. – Vielen lieben Dank. Ich freue mich über die breite Zustimmung im Hohen Haus zum Kinderkopftuchverbot. (Beifall bei der ÖVP sowie bei Abgeordneten von SPÖ und NEOS.)
11.08
Präsident Peter Haubner: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Barbara Neßler. – Ich stelle Ihre Redezeit auf 4 Minuten ein, Frau Abgeordnete.
Die angezeigte Rede ist noch nicht nach § 52 Abs. 2 GOG-NR autorisiert.