17.07
Abgeordneter Mag. Gerhard Kaniak (FPÖ): Vielen Dank, Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Staatssekretärin! Wir kommen von einer emotionalen Digitalisierungsdebatte im Gesundheitswesen, vom elektronischen Eltern-Kind-Pass, jetzt weiter zu drei Gesetzen, wovon zwei auch wieder Digitalisierung im Gesundheitswesen betreffen: eine Novelle im Gesundheitstelematikgesetz und im Dokumentationsgesetz sowie auch noch eine ASVG-Anpassung, die die Arzneimittelpreiserstattung betrifft.
Lassen Sie mich mit dem ersten Gesetz anfangen, mit dem Dokumentationsgesetz: Da geht es um die Ausweitung der sogenannten Diagnosencodierung, sprich der verpflichtenden elektronischen Dokumentation Ihrer Diagnosedaten, nicht nur im stationären Bereich, sondern jetzt eben auch die Ausweitung auf den niedergelassenen Bereich, sprich alle niedergelassenen Ärzte sind davon betroffen.
Wie wir mitbekommen haben, sind Gesundheitsdaten nun einmal tatsächlich sehr sensible Daten, und wir haben auch bei der letzten Plenarsitzung zum Thema Gesundheitstelematikgesetz sehr intensive Debatten geführt. Ich habe auch damals schon den Vorwurf gemacht: In dieser so sensiblen Materie soll sich bitte die Regierung ausreichend Zeit lassen und die Dinge gut diskutieren, eine ordentliche Begutachtung durchführen, die Kritik ernst nehmen und einarbeiten; und wenn man dann eine Lösung findet, wie der Datenschutz gewährleistet ist, wie die Patienten ihre Daten geschützt haben und selber Herr über ihre Gesundheitsdaten bleiben, können wir unter Umständen solchen Lösungen auch zustimmen. Aber leider Gottes, das, was heute hier vorliegt, vor allem bei dieser Diagnosencodierung, ist wieder genau das Gegenteil von gut gemacht. Wahrscheinlich ist das nicht einmal gut gemeint.
Lassen Sie mich ausführen, wo da die Fehler schon in der Entstehung sind: Die Bundesregierung hat gemeint, sie muss das unbedingt heuer noch beschließen, hat das Gesetz dann sogar tatsächlich in Begutachtung geschickt. Was glauben Sie, wie lange? – Sagenhafte fünf Werktage sind den Stakeholdern zur Beurteilung geblieben. Der Großteil davon hat es nicht einmal geschafft, eine Antwort zu schreiben, dass sie in der kurzen Zeit keine Stellungnahme abgeben können, aber es gab doch einige sehr kritische Stellungnahmen – Ärztekammer, Datenschutzbeirat und viele andere –, die gesagt haben: Datenschutzrechtlich hapert es bei dem Gesetz ordentlich.
Was hat die Bundesregierung gemacht? – Zwei kleine Änderungen haben Sie tatsächlich noch eingefügt: Sie haben den Start um ein halbes Jahr verschoben, denn das wäre mit 1.1. einfach tatsächlich nicht umsetzbar gewesen; und Sie haben eine kleine Ausnahmeregelung gemacht, für Ärzte, die keine Infrastruktur, keine E-Card-Infrastruktur in ihren Ordinationen haben müssen, die das dann logischerweise auch gar nicht übermitteln können. Aber auf die inhaltliche Kritik an dem Gesetz sind Sie überhaupt nicht eingegangen.
Ich möchte da schon noch ein paar Punkte erwähnen. Diese Diagnosencodierung – so wünschenswert sie aus gesundheitspolitischer und steuerungstechnischer Sicht und auch wissenschaftlich natürlich wäre –: Das sind Ihre aller Diagnosedaten, die mit diesem neuen Gesetz jetzt verpflichtend von Ihrem Hausarzt oder auch von jedem Wahlarzt, zu dem Sie gehen, mit der Leistungsabrechnung unverschlüsselt, nicht anonymisiert an die Sozialversicherung weitergeschickt werden. Und jetzt frage ich Sie ganz ehrlich: Was geht es die Sozialversicherung an, wenn Sie zum Gynäkologen gehen und vielleicht eine Schwangerschaft oder Unfruchtbarkeit festgestellt wurde? Was geht das die Sozialversicherung an, wenn Sie vom Facharzt vielleicht eine Hautkrebsdiagnose oder was auch immer für eine Diagnose bekommen haben? – Das hat mit der Leistungsabrechnung nichts zu tun. Anders als bei Ihren sonstigen Elga-Daten haben Sie bei dieser Diagnoseweitergabe keine Möglichkeit, die Datenweitergabe zu beeinspruchen. Das ist ein Murks, Frau Staatssekretärin! (Beifall bei der FPÖ.)
Und dann kommen wir noch zu anderen Umsetzungsproblemen: Für diese ICD-10-Codierung, die da jetzt gesetzlich vorgeschrieben wird, gibt es mittlerweile ein Tool, mit dem das vielleicht halbwegs umsetzbar ist, aber es sind viele Probleme nicht erfasst. Es gibt viele Diagnosen nicht; das Problem der Verdachtsdiagnosen ist nicht gelöst; und wie ein Radiologe oder ein Röntgenfacharzt seine Diagnosen da eingeben soll, wenn er einfach allgemeine Werte erhebt, die noch gar keine Diagnose beinhalten, wird auch spannend – auch das ist in dieser Gesetzesmaterie nicht geregelt. Es gibt also viele, viele Fragezeichen in der praktischen Durchführung, und ob in einem halben Jahr die Infrastruktur, die Software auch tatsächlich in jeder Ordination installiert werden kann, auch das wage ich zu bezweifeln.
Der größte Schildbürgerstreich ist, dass wir wahrscheinlich in spätestens zwei Jahren das Datenformat ändern müssen und wieder einen sehr großen bürokratischen Aufwand haben, weil die EU für den Gesundheitsdatenraum eine ganz andere Diagnosencodierung haben möchte, die Snomed-Codierung und nicht die ICD-10-Codierung. Dann müssen wieder zusätzliche Schnittstellen und Übersetzungsprogramme eingeführt werden und es muss wieder ein ordentlicher Aufwand betrieben werden. – Frau Staatssekretärin, das hätte man gleich besser machen können, mit der entsprechenden Zeit, mit der Sorgfalt, mit der Einbindung aller Parteien und Stakeholder und nicht mit einem Schnellschuss, so wie das jetzt passieren soll.
Was die Folgen dieser Schnellschüsse oder unüberlegter Gesetze sind, sehen wir bei der zweiten Materie, die wir heute ja sogar einstimmig beschließen werden: eine kleine Reparaturmaßnahme betreffend Elga. Nach dem, was der Gesetzgeber hineingeschrieben hatte, hätten die tatsächlich gewünschten und von den Patienten freigegebenen Gesundheitsdaten jetzt auf einmal gesetzlich verpflichtend gelöscht werden sollen, wenn die Zehnjahresfrist abgelaufen ist – weil diese ursprünglich ins Gesetz hineingeschrieben wurde. Auch da gibt es also eine Notreparatur, der wir Freiheitlichen uns nicht verwehren. Hätte man aber von Anfang an gleich ein bisschen mitgedacht und das ordentlich aufgesetzt, dann wäre diese Reparaturmaßnahme nicht erforderlich gewesen.
Noch ganz kurz zur dritten Gesetzesmaterie, die heute hier beschlossen wird – ich habe im Ausschuss schon ausführlich darüber referiert –: die Verlängerung der sogenannten Preisbandregelung über das ASVG. Das, was da gemacht wird, Frau Staatssekretärin, das, was da gemacht wird, sehr geehrte Damen und Herren, ist komplett konterkarierend zu dem, was die Regierung sagt, was sie betreffend den Pharmastandort und die Arzneimittelversorgung machen möchte. Da werden Niedrigstpreise festgeschrieben, die österreichische und europäische Anbieter gar nicht erfüllen können, die ganz im Gegenteil Produkte von österreichischen und europäischen Herstellern aus dem österreichischen Erstattungsmarkt hinausdrängen, und nicht nur aus dem Erstattungsmarkt, sondern in weiterer Folge stehen diese Produkte vielfach in Österreich überhaupt nicht mehr für die Therapie zur Verfügung.
Und da reden wir nicht von ein paar Produkten, da reden wir ungefähr von der Hälfte der gesamten Versorgung am österreichischen Markt; also Sie können sagen, ungefähr jedes zweite Arzneimittelpackerl in Österreich ist davon betroffen. Durch die Fortsetzung dieser Regelung schaffen Sie zwar Planungssicherheit, aber – Sie haben bei diesem Satz die zweite Hälfte vergessen – Sie schaffen Planungssicherheit für die Industrie, die jetzt weiß, dass sich viele Produkte in Zukunft nicht mehr rechnen werden und die die Produktion dieser Produkte und die Zulassung einstellen werden.
Was für den Patienten überbleibt, ist eine eingeschränkte Versorgung, eine größere Abhängigkeit von wenigen, zumeist ausländischen Anbietern aus Übersee – genau das Gegenteil von dem, was Sie versprochen haben: weder eine Verbesserung der Versorgung noch eine Stärkung der europäischen Pharmaindustrie.
Ein letzter kleiner Nebensatz noch: Als Kollateralschaden schwächen Sie mit dieser Maßnahme auch wieder die österreichische Vertriebskette. Den pharmazeutischen Großhandel, von dem wir schon wissen, dass er tatsächlich an der absoluten Existenzgrenze ist – tatsächlich sind schon Traditionsunternehmen, Großhändler wie zum Beispiel Doskar mit über 100 Jahren Tradition, jetzt in Insolvenz –, und die öffentlichen Apotheken – es gab heuer mittlerweile die fünfte Insolvenz einer öffentlichen Apotheke, und nächstes Jahr wird es wahrscheinlich in die drei Dutzend gehen, was die Insolvenzen angeht – schwächen Sie mit diesem Gesetz ebenfalls noch mit. (Beifall bei der FPÖ.)
17.14
Präsident Peter Haubner: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Rudolf Silvan. – Ich stelle Ihre Redezeit auf 3 Minuten ein, Herr Abgeordneter.
Die angezeigte Rede ist noch nicht nach § 52 Abs. 2 GOG-NR autorisiert.