RN/152

17. Punkt und 18. Punkt

Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales über den Antrag 587/A der Abgeordneten Mag. Michael Hammer, Josef Muchitsch, Fiona Fiedler, BEd, Dr. Dagmar Belakowitsch, Mag. Markus Koza, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz und das Opferfürsorgegesetz geändert werden (344 d.B.)

Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales über die Regierungsvorlage (299 d.B.): Bundesgesetz, mit dem das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz, das Gewerbliche Sozialversicherungsgesetz, das Bauern-Sozialversicherungsgesetz, das Beamten-Kranken- und Unfallversicherungsgesetz, das Allgemeine Pensionsgesetz und das Selbständigen-Sozialversicherungsgesetz geändert werden (345 d.B.)

Präsident Peter Haubner: Wir gelangen nun zu den Punkten 17 und 18 der Tagesordnung, über welche die Debatten unter einem durchgeführt werden.

Auf eine mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.

Als Erste zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Dagmar Belakowitsch. – Ich stelle Ihre Redezeit auf 4 Minuten ein, Frau Abgeordnete.

RN/153

18.19

Abgeordnete Dr. Dagmar Belakowitsch (FPÖ): Vielen Dank, Herr Präsident! Grüß Gott, Frau Bundesminister! Schönen guten Abend, sehr geehrte Damen und Herren hier herinnen und zu Hause vor den elektronischen Geräten. Der Herr Präsident hat es angekündigt: Es geht um sozialrechtliche Verbesserungen für die Überlebenden des Holocaust. 

Es gibt derzeit eine Regelung, dass für Personen, die bis zum Jahr 1949 das Land aus teilweise sehr bekannten Gründen verlassen mussten – weil sie eben verfolgt wurden, weil sie mit dem Tod bedroht waren –, die Möglichkeit besteht, dass sie ihre Pensionszeiten in Österreich zurückkaufen. Diese Regelung gab es jetzt seit einigen Jahren, und wir verbessern das jetzt. Wir werden das jetzt auch für Personen möglich machen, die auch noch in den Fünfzigerjahren Österreich verlassen mussten oder erst in den Fünfzigerjahren tatsächlich die Kraft gefunden haben, ihre Traumata so weit zu überwinden und Österreich zu verlassen. 

Ich glaube, das ist kein Geschenk und auch keine Wiedergutmachung im eigentlichen Sinne, sondern einfach nur eine Symbolik. Ich glaube, es ist uns allen bewusst: Man kann dieses Leid, das diese Menschen erleiden mussten, einfach gar nicht gutmachen, das ist monetär nicht möglich, das ist auch emotional nicht mehr möglich. Ich glaube, es ist aber ein wichtiges Symbol und ein wichtiges Zeichen. Ich bin kein Freund von Symbolpolitik, aber es gibt einfach Bereiche, da geht sich nicht mehr aus, als zu sagen: Wir geben euch jetzt die Möglichkeit, euch diese Pensionszeiten noch zurückzukaufen. 

Ich glaube, es ist eine ganz, ganz wichtige Entscheidung, die da getroffen wird, und das zeigt sich auch daran, dass es ein Allparteienantrag ist, der hier zur Abstimmung kommt. Ich bin froh, dass wir tatsächlich ein Stück weit sagen: Wir wissen, was passiert ist, wir werden das nicht vergessen! Wir können das Leid nicht wiedergutmachen, aber wir können ein Symbol setzen, und das tun wir heute. 

Zum Tagesordnungspunkt 18 wird mein Kollege Wurm dann noch Genaueres sagen. – Herzlichen Dank. (Beifall bei der FPÖ sowie der Abg. Herr [SPÖ].)

18.22

Präsident Peter Haubner: Ich begrüße die Frau Bundesministerin Schumann. 

Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Verena Nussbaum mit einer freiwilligen Redezeit von 3 Minuten. – Frau Abgeordnete.

RN/154

18.22

Abgeordnete Mag.a Verena Nussbaum (SPÖ): Danke, Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Hohes Haus! Liebe Zuseherinnen und Zuseher! Mit den heute vorliegenden Änderungen im ASVG und im Opferfürsorgegesetz setzen wir ein längst fälliges Zeichen der Gerechtigkeit gegenüber jenen Menschen, die als Opfer des Austrofaschismus und Nationalsozialismus aus Österreich vertrieben wurden, und zwar ausdrücklich gegenüber den sogenannten Spätmigrantinnen und Spätmigranten. 

Nach der derzeit geltenden Rechtslage konnten begünstigte Nachkaufsmöglichkeiten von Pensionsversicherungszeiten sowie ein erleichterter Zugang zum Pflegegeld bislang nur jenen gewährt werden, die in den Jahren 1933 bis 1945 – dann ist das noch einmal bis 1949 erweitert worden – gezwungen waren, Österreich zu verlassen. Wer aber erst nach Kriegsende, oftmals nach einer Phase der Rückkehr oder des Suchens nach Angehörigen, in den frühen Fünfzigerjahren Österreich verlassen hat, fiel einfach durch das Raster. Das betrifft insbesondere Überlebende von Konzentrations- und Vernichtungslagern sowie Personen, die im Untergrund überlebt haben. 

Diese Lücke schließen wir nun. Im Pensionsrecht wird der maßgebliche Auswanderungszeitraum für den begünstigten Nachkauf von Versicherungszeiten bis zum 15. Mai 1955, bis zum Tag der Unterzeichnung des Staatsvertrags, ausgedehnt, und im Opferfürsorgerecht öffnen wir auch den Zugang zum Pflegegeld für im Ausland lebende Verfolgte, deren Auswanderung zwischen Kriegsende und dem 15. Mai 1955 erfolgte. Damit sollen diese Personen endlich jenen gleichgestellt werden, die Österreich bereits während der unmittelbaren Verfolgungsjahre verlassen mussten. 

Es geht da um Respekt, um Anerkennung erlittenen Unrechts und um die Beseitigung dieser Stichtagsbenachteiligung. Umso mehr freut es mich auch, dass alle Parteien diesem Gesetz zustimmen. Wir übernehmen Verantwortung und schließen eine Lücke, die nie hätte bestehen dürfen. Gleichzeitig senden wir ein Signal gegen Geschichtsvergessenheit und Relativierung.

Ich möchte noch einen Abänderungsantrag einbringen:

RN/154.1

Abänderungsantrag

der Abgeordneten Mag. Michael Hammer, Mag. Verena Nussbaum, Fiona Fiedler, BEd, Dr. Dagmar Belakowitsch, Mag. Markus Koza, Kolleginnen und Kollegen zum Gesetzentwurf im Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales, 344 der Beilagen, über den Antrag 587/A betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz und das Opferfürsorgegesetz geändert werden

Der Nationalrat wolle in zweiter Lesung beschließen:

Der eingangs bezeichnete Gesetzesentwurf wird wie folgt geändert:

Art. 1 (Änderung des Allgemeinen Sozialversicherungsgesetzes) wird wie folgt geändert:

In Z 2 wird im § 817 Abs. 2 und Abs. 3 zweiter Satz jeweils der Ausdruck „1. Jänner 2026“ durch den Ausdruck „1. Jänner 2025“ ersetzt.


Danke schön. (Beifall bei der SPÖ sowie der Abg. Eder [ÖVP].)

18.25

Der Gesamtwortlaut des Antrages ist unter folgendem Link abrufbar:

RN/154.2

Allgemeine Sozialversicherungsgesetz und Opferfürsorgegesetz (AA-42)

Präsident Peter Haubner: Der von der Frau Kollegin eingebrachte Abänderungsantrag ist ordnungsgemäß eingebracht und steht somit mit in Verhandlung.

Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Peter Wurm. – Ich stelle Ihre Redezeit auf 4 Minuten ein, Herr Abgeordneter.

RN/155

18.25

Abgeordneter Peter Wurm (FPÖ): Danke, Herr Präsident! Frau Minister! Hohes Haus! Werte Zuseher! Es sind heute zwei Teile, die wir behandeln. Den ersten Teil haben meine Vorrednerinnen, glaube ich, eh schon sehr schön erklärt. Das ist einstimmig. Da erleichtern oder verbessern wir quasi mehr oder weniger für die Opfer des Nationalsozialismus die Pensionszahlungen. 

Im zweiten Teil geht es um gewisse Korrekturen, die meiner Meinung nach schon sehr, sehr relevant sind. Da geht es teilweise um Dinge, die einen Sinn machen, dass man zum Beispiel bei Lebensgemeinschaften, wenn jemand gemeinsam versichert ist, diese Zehnmonatsfrist aufhebt. 

Es geht da aber auch um andere Dinge, und die sollte man vielleicht schon einmal kurz thematisieren. Sie führen da jetzt zum Beispiel ein, Frau Ministerin, dass man bei den Sozialversicherungsträgern nicht mehr persönlich bei den Gremien anwesend sein muss, wenn man Entscheidungen trifft, sondern das auch online machen kann. Das halten wir schon für sehr fragwürdig, weil die auch alle bezahlt bekommen. Dann sollten sie, glaube ich, die Möglichkeit haben, sich persönlich vor Ort mit den Themen zu beschäftigen. 

Das Hauptthema, wegen dem ich mich heute auch eingemeldet habe, ist: Da geht es um die Altersteilzeit, um die Teilpension, und da haben Sie schon, wie wir alle wissen – ich glaube, das ist gerade für die Sozialdemokratie bitter –, für die Pensionisten oder die kommenden Pensionisten in Österreich – die jetzt damit beschäftigt sind – massive Verschlechterungen eingeführt, was die Korridorpension betrifft. Das sollte man wie gesagt schon noch einmal kritisieren, thematisieren. Wir halten das für komplett falsch. 

Auch Ihre Regelung, was die Pensionserhöhungen betrifft, mit den 2,7 Prozent bei 4 Prozent Inflation, ist ein eindeutiger Pensionsraub. Das muss man einfach eindeutig sagen. Da höre ich von dieser Regierung überhaupt nichts, wie man den Pensionisten dementsprechend helfen kann. 

Bei einem Thema, das ich schon im Ausschuss immer wieder thematisiert habe – und wir werden als Freiheitliche damit nicht aufhören –, geht es um die Wiedereinführung der ominösen Hacklerpension: „45 Jahre sind genug“, und zwar abschlagsfrei. Davon will verständlicherweise die Sozialdemokratie nichts hören, die anderen Parteien sind ja sowieso immer dagegen gewesen. Also wir werden unsere Linie da konsequent weiterverfolgen, um jenen Menschen in Österreich, die das System 45 Jahre am Leben erhalten haben, dann auch dementsprechend eine abschlagsfreie Pension zu gönnen. Ich hoffe, wir kommen irgendwann in die Lage, das auch umsetzen zu können. (Abg. Bogner-Strauß [ÖVP]: Hättet ihr eh schon längst! Das wolltet ihr ja nicht!)

Wenn Sie, liebe Zuseher und Zuseherinnen, uns auch bei den kommenden Wahlen Ihr Vertrauen schenken, dann werden wir diesen Sündenfall der Sozialdemokratie wieder zurechtrücken und wirklich schauen, dass jene, die das System in Österreich über Jahrzehnte erhalten haben, auch zu ihrem guten Recht kommen.

Ein Thema, bei dem ich leider Gottes halt seit vielen, vielen Jahren hier auch mehr oder weniger umsonst stehe, ist das Thema der Luxuspensionen. Auch da hätte ich gehofft, dass die Sozialdemokratie bei den Regierungsverhandlungen Druck macht, was NEOS und ÖVP betrifft, dass man diese Luxuspensionen in Österreich, die nach wie vor bestehen und den Steuerzahler eine Menge Geld kosten – knapp 1 Milliarde Euro pro Jahr –, angeht. Da vermisse ich einfach auch ein deutliches Zeichen. 

Sie sagen immer: Wir haben ein Sparprogramm! Wir haben ein Budgetdefizit, wir müssen überall sparen! – Das machen Sie bei den normalen Pensionisten, indem Sie den Krankenkassenbeitrag erhöhen. Aber bei den Luxuspensionisten macht ihr gar nichts. Deshalb bin ich der Meinung, man braucht eindeutig eine deutliche Änderung in diesem Bereich, und ich kann nur darauf verweisen: Nach den nächsten Wahlen wird es hoffentlich so weit sein, dass wir diese Dinge sozial verträglich für die arbeitenden Menschen in Österreich regulieren können. – Danke. (Beifall bei der FPÖ.)

18.29

Präsident Peter Haubner: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Heike Eder. – Ich stelle Ihre Redezeit auf 4 Minuten ein, Frau Abgeordnete.

RN/156

18.29

Abgeordnete Heike Eder, BSc MBA (ÖVP): Danke, Herr Präsident! Liebe Frau Ministerin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuseher daheim und via Livestream! Meine Damen und Herren, wir beschließen heute – es wurde schon gesagt – eine Änderung im Opferfürsorgegesetz und mehrere Änderungen im Sozialversicherungsgesetz, auf die ich mich in meiner Rede beziehen werde, weil wir da eine Gesetzeslücke schließen, was Familien angeht, die bislang vor unnötigen Hürden gestanden sind.

Stellen Sie sich vor, zwei Elternteile teilen sich die Betreuung ihrer Kinder und trotzdem gerät der zweite Elternteil mit seiner Karenz nach Ende des Kinderbetreuungsgeldes in Schwierigkeiten, weil die Mitversicherung in der Sozialversicherung nicht möglich ist. Das ist bis heute Realität, meine Damen und Herren, und mit dieser Gesetzesänderung wollen wir das nun ändern.

Künftig können Partnerinnen und Partner, die im Anschluss an die Karenz des ersten Partners in Karenz gehen und die Betreuung der Kinder übernehmen, auch mitversichert werden. Die Voraussetzung einer zehnmonatigen Hausgemeinschaft bleibt, aber wir passen das Gesetz nun an die modernen Lebensrealitäten der Familien an. Es geht um Fairness, es geht um soziale Sicherheit und auch darum, Eltern in ihrer Verantwortung zu unterstützen und zu stärken. 

Meine Damen und Herren, die Zahlen sprechen aber auch eine ganz klare Sprache: In acht von zehn Partnerschaften gibt es nach wie vor keine Beteiligung der Väter beim Thema Karenz. Nur 3 Prozent der Männer gehen länger als drei Monate in Karenz. Das zeigt: Neben den rechtlichen Verbesserungen und Rahmenbedingungen braucht es auch ein gesellschaftliches Umdenken. Kinderbetreuung muss eine gemeinsame Aufgabe sein. (Beifall bei der ÖVP, bei Abgeordneten der SPÖ sowie des Abg. Koza [Grüne].)

Gleichzeitig nehmen wir weitere Anpassungen vor. Wir erweitern die bestehenden Möglichkeiten einer Videoteilnahme durch stimmberechtigte Teilnehmer:innen an Sitzungen der Verwaltungskörper der Sozialversicherungsträger; und wir führen auch technische Anpassungen bei der Teilpension durch, beispielsweise dass eine Rundung auf ganze Stunden bei der Arbeitszeitreduktion nicht notwendig ist.

Meine Damen und Herren, mit diesen Gesetzesbeschlüssen schaffen wir Klarheit und wir schaffen Modernität. Wir machen das für die Familien, für Arbeitnehmerinnen und für Arbeitnehmer. – Herzlichen Dank. (Beifall bei der ÖVP sowie des Abg. Martin Graf [FPÖ].)

18.32

Präsident Peter Haubner: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Fiona Fiedler. Freiwillig gewünschte Redezeit: 3 Minuten.

RN/157

18.32

Abgeordnete Fiona Fiedler, BEd (NEOS): Danke, Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuseher:innen! Liebe Zuhörer:innen! (Die Begrüßung auch in Gebärdensprache ausführend: ) Liebe gehörlose Menschen! Der heute vorliegende Allparteienantrag ist ein wichtiges Signal. Er anerkennt historisches Unrecht und sorgt dafür, dass Betroffene endlich jene Anerkennung und Absicherung bekommen, die ihnen lange verwehrt geblieben ist oder nur teilweise gewährt wurde. Für uns Liberale ist klar: Wenn Menschen aus Österreich aufgrund politischer, religiöser oder ethnischer Verfolgung ihr Leben – oft fern der Heimat – neu aufbauen mussten, dann dürfen sie im Alter nicht durch starre Fristen oder unpassende Regelungen benachteiligt werden. Es ist eine Frage der Gerechtigkeit, aber auch der staatlichen Verantwortung.

Bei dem vorliegenden Antrag handelt es sich um eine Fristverlängerung. Personen, die bis 1945 verfolgt wurden und bis 1955 ausgewandert sind, können begünstigt Pensionsversicherungszeiten nachkaufen. Bisher war das nur bei einer Auswanderung bis Ende 1949 möglich. 

Die zweite Neuregelung betrifft das Opferfürsorgegesetz. Da regeln wir, dass es einen begünstigten Zugang zum Pflegegeld für eben jene Personengruppen geben soll, die verfolgt wurden und die nach 1945 ausgewandert sind – also ebenfalls eine Fristverlängerung für die betroffenen Personen.

Wir unterstützen diesen Antrag natürlich, weil er unter anderem zeigt, dass der Nationalrat auch über Parteigrenzen hinweg handeln kann, wenn es um die Würde des Menschen geht. Wichtig ist uns dabei, dass die Umsetzung unbürokratisch und möglichst einfach erfolgt. Wir entscheiden heute nicht über die Vergangenheit – die können wir nicht ändern –, aber wir entscheiden darüber, ob wir gelernt haben und ob wir bereit sind, auch nach vielen Jahrzehnten noch Gerechtigkeit herzustellen. In diesem Sinne vielen Dank für diesen gemeinsamen Antrag. (Beifall bei den NEOS sowie bei Abgeordneten von ÖVP und Grünen.)

18.34

Präsident Peter Haubner: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Markus Koza. Ich stelle seine Redezeit auf 3 Minuten ein.

RN/158

18.34

Abgeordneter Mag. Markus Koza (Grüne): Sehr geehrte Frau Ministerin! Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Sehr geehrte Zuseherinnen und Zuseher! Es wurde heute schon gesagt: Ja, die Änderung des Opferfürsorgegesetzes ist ein ganz wichtiger und ein überfälliger Schritt zur Verbesserung der sozialrechtlichen Situation von jüdischen Opfern des NS-Terrorregimes. Wir begrüßen auch ausdrücklich den von uns angeregten Abänderungsantrag, der sicherstellt, dass der Nachkauf der Pensionszeiten für die Betroffenen tatsächlich wirksam wird. Es handelt sich schließlich um eine Personengruppe, die inzwischen sehr alt ist.

Worum geht es konkret? – Jüdische Mitbürger:innen, die vor dem NS-Terror aus Österreich geflüchtet sind oder die die Konzentrationslager des Vernichtungsregimes überlebt haben, sind nach dem Krieg ins befreite Österreich zurückgekehrt, beispielsweise um Angehörige zu suchen, neue Dokumente zu erhalten oder auch Rückstellungsansprüche zu verfolgen. Viele von ihnen haben Österreich dann bedauerlicherweise auch wieder verlassen, weil es für sie entgegen ihrer Erwartungen und Hoffnungen einfach nicht möglich war, im Land der Mittäter weiterzuleben, weil sie auch nach dem Krieg nach wie vor mit Antisemitismus konfrontiert waren und weil viele auch mithelfen wollten, den jungen Staat Israel aufzubauen. 

In mehreren Schritten wurden Opfern des Nationalsozialismus zuerst einmal Zeiten in Konzentrationslagern oder in Gefängnissen als Versicherungszeiten anerkannt und ihnen auch die Möglichkeit eingeräumt, Pensionszeiten begünstigt nachzukaufen. Diese Regelung galt allerdings nur für Betroffene, die vor dem 31.12.1949 Österreich auch wieder verlassen hatten. Diese Frist war schlichtweg zu kurz – nicht zuletzt auch darum, weil natürlich ein zentrales Auswanderungsziel zahlreicher Jüd:innen, Israel, nämlich überhaupt erst am 14. Mai 1948 gegründet wurde und ja gleich einmal von den arabischen Nachbarn mit Krieg überzogen wurde. Mit dem heutigen Beschluss wird die Frist, bis zu der Österreich verlassen werden musste, um begünstigt Pensionszeiten nachkaufen zu können, auf den 15. Mai 1955 verlängert, und das ist sehr gut so.

Die Zahl derjenigen, die von dieser neuen Regelung noch profitieren können, ist altersbedingt leider sehr klein – und es ist traurig, dass sich Österreich viel zu lange Zeit gelassen hat, Verantwortung für erlittenes Unrecht, für Leid, Verfolgung und Flucht zu übernehmen. Der heutige Schritt entspricht aber auch keiner Wiedergutmachung, denn millionenfacher Mord, Vertreibung und Hass können nicht wiedergutgemacht werden. Er ist aber eine Anerkennung der Überlebenden des NS-Terrorregimes; und es freut mich ganz besonders, dass das heute ein Allparteienantrag ist. – Danke. (Beifall bei den Grünen sowie des Abg. Muchitsch [SPÖ].)

18.36

Präsident Peter Haubner: Als Nächste zu Wort gemeldet hat sich Frau Bundesministerin Schumann. – Bitte, Frau Bundesministerin.

RN/159

18.37

Bundesministerin für Arbeit, Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz Korinna Schumann: Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Abgeordnete zum Nationalrat! Sehr geehrte Zuseherinnen und Zuseher! 2025 ist ein Gedenkjahr von besonderer Bedeutung für Österreich. Wir begehen 80 Jahre Ende des Zweiten Weltkriegs, der Befreiung vom Nationalsozialismus und der Befreiung des Konzentrationslagers Mauthausen, 70 Jahre Staatsvertrag und 30 Jahre EU-Mitgliedschaft. 

Diese Zahlen sind keine bloße Auflistung, sie sind auch Erinnerung an eines der dunkelsten Kapitel der österreichischen Geschichte. Sie sind zugleich Mahnung und Auftrag – Mahnung, diese Gräueltaten niemals zu vergessen, und Auftrag, zu verhindern, dass sich derartiges wieder ereignet. In Zeiten, in denen antisemitische und menschenverachtende Tendenzen erstarken, müssen wir umso wachsamer sein und jeder Form von Ausgrenzung, Hass und Hetze, Antisemitismus und Rassismus entgegenwirken. Sehr geehrte Damen und Herren, die vorliegende Gesetzesvorlage wird von allen Parteien im Hohen Haus unterstützt. Das ist ein starkes und wichtiges Zeichen, und ich sage dafür herzlichen Dank. (Beifall bei der SPÖ sowie der Abg. Scheucher-Pichler [ÖVP].)

Es ist ein wesentlicher Schritt, um Österreichs besondere historische Verantwortung gegenüber den Opfern und den Vertriebenen des Nationalsozialismus wahrzunehmen. Viele Holocaustüberlebende konnten Österreich erst nach dem Zweiten Weltkrieg verlassen. Sie waren bislang nicht vollumfänglich von den sozialversicherungsrechtlichen Begünstigungen umfasst. Mit der Novelle wird der Zeitraum für den begünstigten Nachkauf von Pensionsversicherungszeiten bis 1955 ausgeweitet und damit eine seit Jahrzehnten bestehende Lücke geschlossen. 

Die geplante Änderung sieht vor, dass die Begünstigung sowohl für bestehende als auch für neu entstehende Leistungsansprüche gilt. Für jene, die auf Basis der neuen Rechtslage erstmals Anspruch auf Pensionsleistung erhalten, wird sichergestellt, dass die Leistungen ab 1. Jänner 2026 rückwirkend gewährt werden können. 

Parallel dazu wird das Opferfürsorgegesetz angepasst und in Gleichklang mit den neuen Regelungen des ASVG gebracht. Dadurch wird sichergestellt, dass Personen, die künftig einen Pensionsanspruch erwerben, ebenfalls einen Anspruch auf Pflegegeld haben. Ich bin sehr froh, dass die Anregung zur Friständerung, die von vielen Seiten gekommen ist, nun im Parlament Aufnahme findet. Wir stellen damit sicher, dass die Betroffenen von der Regelung auch wirklich profitieren werden.

Nun zu den anderen enthaltenen Punkten: Es liegt dem Nationalrat auch eine Anpassung und Modernisierung des Sozialversicherungsrechts vor. Die gegenständliche Novelle beinhaltet drei Themen: 

Eine bestehende Einschränkung der Videoteilnahme an Sitzungen der Verwaltungskörper der Sozialversicherungsträger soll entfallen. Das ist einfach eine Modernisierung in der Sitzungstechnik, nichts Besonderes, aber ein wesentlicher Schritt. Ich darf schon sagen, bei den Vorstandsmitgliedern der Sozialversicherung handelt es sich dabei um keine Geldeinnahmen, wie hier behauptet wurde, sondern es besteht ein Sitzungsgeld in der Höhe von circa 40 Euro. 

Im Zusammenhang mit der Einführung der Teilpension nach § 4 APG ab 1. Jänner 2026 sollen technische Anpassungen vorgenommen werden. 

Schließlich soll im Bereich der Mitversicherung eine zeitgemäße Regelung getroffen werden, durch die Personen, die sich der Kindererziehung widmen, mitversichert werden können. Beim Wechsel der Elternkarenz ist derzeit eine Mitversicherung beim Lebenspartner nicht möglich, was der Väterbeteiligung und der Übernahme von Care-Arbeit durch Väter entgegensteht. Wir reparieren das nun.

Ich bitte um große Zustimmung. – Vielen Dank. (Beifall bei der SPÖ sowie bei Abgeordneten von ÖVP und NEOS.)

18.40

Präsident Peter Haubner: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Reinhold Binder. Ich stelle seine Redezeit auf 3 Minuten ein.

RN/160

18.41

Abgeordneter Reinhold Binder (SPÖ): Geschätzter Herr Präsident! Sehr geehrte Ministerin! Sehr geehrte Damen und Herren auf der Galerie! Geschätzte Zuseherinnen und Zuseher! Wir stärken heute ein Grundversprechen, das unseren Sozialstaat seit jeher ausmacht: Wer ein Leben lang arbeitet, muss sich auf die Gemeinschaft verlassen können. Wir handeln dort, wo es für Menschen wirklich zählt: im Alltag, in der Zukunft, bei ihrer finanziellen Sicherheit. 

Mit den heutigen Anpassungen schließen wir bestehende Lücken und sorgen dafür, dass unser System verlässlich bleibt. Konkret heißt das, wir ermöglichen in der Sozialversicherung zeitgemäße digitale Teilnahme. Wir sorgen für mehr Verlässlichkeit beim Wechsel in die Teilpension und wir stärken Familien, indem wir die Mitversicherung ihren tatsächlichen Lebensrealitäten anpassen. 

Geschätzte Damen und Herren, ich nehme Sie auf eine kurze Reise zur knappschaftlichen Pensionsversicherung mit, dorthin, wo unser Sozialstaat seinen Ursprung hat. In den Bergwerken bildeten die Knappen die ersten Bruderladen, gemeinschaftliche Kassen, in die jeder einzahlte, damit im Krankheitsfall oder bei Unfällen schnelle Hilfe möglich war. Aus diesen frühen, sehr praktischen Formen der Solidarität entwickelte sich über Jahrhunderte unser modernes Sozialversicherungssystem. 

Der Bergbau hat in Österreich eine lange Tradition, denken wir nur an den Salzabbau im Salzkammergut mit 7 000 Jahren Produktionsgeschichte. Der Bergbau steht nicht nur für Geschichte, sondern auch für eine moderne Industrie und technologische Entwicklung. Rohstoffe – wie Magnesit, Erz oder Wolfram – sind unverzichtbar für die Produktion, für die Innovation und für die Versorgungssicherheit in unserem Land. Trotz fortschrittlicher Erneuerungen und moderner Schutzkonzepte ist die bergmännische Tätigkeit nach wie vor eine schwere, eine harte und vor allem eine gefährliche Arbeit. 

Mit dem heutigen Beschluss verlängern wir eine Übergangsmöglichkeit, mit der jene, die vor Jahrzehnten im Bergbau zu arbeiten begonnen haben, auch weiterhin Zugang zu knappschaftlichen Pensionen haben. Hierbei handelt es sich nicht um einen Bonus oder ein Zuckerl, sondern um eine durch zusätzliche Beiträge finanzierte Leistung. Das ist gelebte Solidarität, genauso wie die Praxis, dass Bergleute unter Tage aufeinander aufpassen, damit alle wieder sicher ans Tageslicht kommen. 

Wir stellen sicher, dass alle, die unter Tage Schwerstarbeit leisten, den Respekt und die Anerkennung erfahren, die sie verdienen. Die Menschen in der knappschaftlichen Pensionsversicherung haben oft ihr ganzes Berufsleben unter Tage gearbeitet, verbunden mit großen körperlichen Anstrengungen und großem Einsatz für ihren Beruf. Aus Respekt vor harter Arbeit, aus Fairness gegenüber den Betroffenen und weil Verlässlichkeit für uns kein leeres Wort ist, verlängern wir diese Regelung bis 2035. 

Eine moderne Sozialversicherung ist kein Selbstzweck. Sie ist das Fundament einer Gesellschaft, die zusammenhält. Ich ersuche daher um breite Zustimmung zu dieser wichtigen Übergangsbestimmung. Geschätzte Damen und Herren, ich ende mit dem Spruch der Bergleute: Glück auf! (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)

18.44

Präsident Peter Haubner: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Ernst Gödl. – Ich stelle Ihre Redezeit auf 3 Minuten ein, Herr Abgeordneter.

RN/161

18.44

Abgeordneter Mag. Ernst Gödl (ÖVP): Vielen Dank, Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Geschätzte Damen und Herren! Hohes Haus! Ich möchte mich auch namens meiner Fraktion zum Tagesordnungspunkt 17 melden, weil es uns, wie wir jetzt hier gehört haben, wirklich ein gemeinsames Anliegen ist, die sozialrechtlichen Bestimmungen hinsichtlich Holocaustüberlebenden nochmals zu verändern und zu verbessern. 

Wir beraten einen Gesetzesantrag, der nicht nur juristische Paragrafen verändert, sondern der tatsächlich zutiefst menschliche Schicksale berührt. Es geht also um diese sozialrechtlichen Verbesserungen für Überlebende des Holocaust, dass auch jene, die sich erst später – nach dem Zweiten Weltkrieg, nachdem sie etwa aus Konzentrationslagern zurückgekehrt sind oder befreit wurden und noch einige Jahre in unserem Land gelebt haben – entschieden haben, zu emigrieren, da sie in diesem Nachkriegsösterreich aufgrund des erlittenen Unrechts keine Zukunft hatten.

Es gab viele Hinweise, dass man diese Frist, um solche sozialversicherungsrechtlichen Ansprüche erwerben zu können, von 1949 bis – darauf haben wir uns verständigt – zum Tag des Staatsvertrages, also bis 1955 verlängern sollte. Diese Gruppe adressieren wir also jetzt. Ich brauche das nicht zu wiederholen, was schon von meinen Vorrednerinnen und Vorrednern hinsichtlich dessen gesagt wurde, dass sie damit über das Opferfürsorgegesetz auch einen Anspruch auf Pflegegeld erlangen. Mit diesen Maßnahmen würdigen wir jetzt – spät, aber doch – die Lebensleistung jener Menschen, die trotz unermesslichen Leids Österreich weiterhin als Teil ihrer Geschichte betrachten – ihnen ist Österreich nun auch verpflichtet. 

Wir können die Vergangenheit natürlich nicht ungeschehen machen, aber wir können sicherstellen, dass unser Rechtsstaat gerade mit jenen Menschen respektvoll umgeht, sie respektvoll behandelt, die am schwersten unter dem Verbrechen des Nationalsozialismus gelitten haben. Deswegen ergreifen wir heute diese Möglichkeit, ein Stück Gerechtigkeit nachzuholen, und es ist besonders schön, dass es in voller Einstimmigkeit dieses Parlaments passiert. – Vielen Dank. (Beifall bei der ÖVP, bei Abgeordneten der SPÖ sowie des Abg. Schwarz [Grüne].)

18.47

Präsident Peter Haubner: Zu Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist geschlossen.

Wird seitens der Berichterstattung ein Schlusswort gewünscht? – Das ist nicht der Fall.

RN/162

Abstimmung

Präsident Peter Haubner: Wir kommen nun zur Abstimmung, die ich über jeden Ausschussantrag getrennt vornehme.

RN/162.1

Wir gelangen zur Abstimmung über Tagesordnungspunkt 17: Entwurf betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz und das Opferfürsorgegesetz geändert werden, in 344 der Beilagen.

Hiezu haben die Abgeordneten Mag. Michael Hammer, Mag. Verena Nussbaum, Fiona Fiedler, Bed, Dr. Dagmar Belakowitsch und Mag. Markus Koza einen Abänderungsantrag eingebracht. 

Ich werde daher zunächst über den vom Abänderungsantrag betroffenen Teil und schließlich über die restlichen, noch nicht abgestimmten Teile des Gesetzentwurfes abstimmen lassen. 

Die Abgeordneten Mag. Michael Hammer, Mag. Verena Nussbaum, Fiona Fiedler, BEd, Dr. Dagmar Belakowitsch und Mag. Markus Koza, Kolleginnen und Kollegen haben einen Abänderungsantrag betreffend Artikel 1 eingebracht.

Wer hiefür ist, den ersuche ich um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist einstimmig der Fall. 

Schließlich kommen wir zur Abstimmung über die restlichen, noch nicht abgestimmten Teile des Gesetzentwurfes samt Titel und Eingang in der Fassung des Ausschussberichtes.

Wer hiefür ist, den ersuche ich um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist ebenfalls einstimmig der Fall. 

Wir kommen sogleich zur dritten Lesung.

Ich bitte jenen Damen und Herren, die dem vorliegenden Gesetzentwurf auch in dritter Lesung ihre Zustimmung erteilen, um ein diesbezügliches Zeichen. – Der Gesetzentwurf ist somit auch in dritter Lesung angenommen. – Danke.

RN/162.2

Wir gelangen zur Abstimmung über Tagesordnungspunkt 18: Entwurf betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz, das Gewerbliche Sozialversicherungsgesetz, das Bauern-Sozialversicherungsgesetz sowie weitere Gesetze geändert werden, samt Titel und Eingang in 345 der Beilagen.

Ich ersuche jene Damen und Herren, die für diesen Gesetzentwurf sind, um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist die Mehrheit, angenommen.

Wir kommen sogleich zur dritten Lesung.

Ich bitte jene Damen und Herren, die dem vorliegenden Gesetzentwurf auch in dritter Lesung ihre Zustimmung erteilen, um ein diesbezügliches Zeichen. – Das ist die Mehrheit. Der Gesetzentwurf ist auch in dritter Lesung angenommen.