RN/34
10.57
Abgeordneter Veit Valentin Dengler (NEOS): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuhörer:innen zu Hause und hier im Hause! Digitale Souveränität ist wichtig, ist eine strategische Frage für Österreich. Vielleicht sollte man einmal damit anfangen zu erklären, was digitale Souveränität nicht ist. Es wird leider nicht reichen, dass wir auf der Homepage vom Bundeskanzleramt ein Banner hintun: Wir sind neutral, bitte nicht hacken! Die Neutralität schützt uns allgemein vor nichts, aber sie schützt uns ganz besonders nicht im Hinblick auf unsere digitale Souveränität. (Beifall der Abg. Holzegger [NEOS].)
Zweitens sollten wir auch die Debatte hier ein bisschen unaufgeregter führen. Kollege Zorba hat zum Beispiel gesagt, dass die amerikanischen Unternehmen unsere Feinde sind. (Abg. Zorba [Grüne]: Hab ich nicht gesagt!) Google hat in Europa ungefähr 75 Milliarden Umsatz, Microsoft hat in Europa ungefähr 52 Milliarden Umsatz. Das heißt, ungefähr 700 Milliarden Börsenwert von den beiden Firmen hängt jeweils an Europa. Die werden nicht von heute auf morgen einen Killswitch aktivieren und uns sozusagen von ihren Systemen abkapseln.
Wir sollten auch über die politischen Entwicklungen in den USA etwas unaufgeregter sein. Zur nationalen Sicherheitsstrategie, die rausgekommen ist: Wenn man sich die Geschichte der nationalen Sicherheitsstrategien anschaut, sieht man, dass das oft recht blumige Dokumente sind, die nicht immer sehr relevant für die tatsächliche Politik waren. (Zwischenruf der Abg. Prammer [Grüne].) Vor allem auch Präsidenten kommen und gehen, Präsidenten verlieren und gewinnen an Einfluss. Die Interessen eines Landes sind stabiler und langwieriger als das, was ein einzelnes Dokument an Interessen hinausposaunt.
Vor allem müssen wir uns aber überlegen – und das ist jetzt der Punkt, bei dem wir, glaube ich, ein bisschen sauer werden sollten –, warum wir eigentlich über die digitale Souveränität reden müssen? Es ist ja nicht gottgewollt, dass Google und Meta und Microsoft und ByteDance und Huawei alle keine europäischen Firmen sind. Warum gibt es in Europa keine großen Champions? Da müssen wir uns in den Spiegel schauen, liebe Kolleginnen und Kollegen: Das liegt an Europa! Weil es in Europa zu schwierig ist, Forschung – und wir haben hier sehr tolle Forschung – zu kommerzialisieren, hier zu wachsen.
Wir haben keinen Binnenmarkt, wir haben keinen einheitlichen Kapitalmarkt, und deswegen gehen auch ganz viele von den tollen Leuten und viel von der tollen Forschung, die wir hier machen, nach Amerika, und sie wird dort kommerzialisiert. Das Problem haben wir entdeckt und das Problem sind wir selbst.
Jetzt müssen wir aber trotzdem überlegen: Was machen wir tatsächlich – in der echten Welt kann es natürlich passieren, dass es Erpressung gibt, dass es Handelskriege gibt – und wie schützen wir uns davor? (Präsident Haubner übernimmt den Vorsitz.)
Als kleines Land wie Österreich über eine digitale Souveränität zu verfügen ist natürlich unmöglich – im Wortsinn unmöglich –, aber wir können versuchen, eine gewisse strategische Autonomie zu erreichen. Und wie erreichen wir diese Autonomie? Wir können keine Halbleiterindustrie hochziehen, wir werden keine Suchmaschine bauen, aber wir können versuchen, flexibler zu werden, denn wenn wir flexibler sind, reduzieren wir die Wechselkosten. Das heißt, wir können von einem System aufs andere wechseln, ohne dass es zusammenbricht.
Dafür kann man einige Sachen machen, und ich fange einmal damit an: nicht zurückschauen, sondern nach vorne schauen. Viele von uns verwenden bereits künstliche Intelligenz. – Wie viele von Ihnen hier verwenden Open-AI oder Gemini und wie viele verwenden Mistral? Ich habe Mistral auf meinem Handy, aber ich glaube, wir sind eine kleine Minderheit.
In welche Richtungen können wir also arbeiten?
Das Erste ist – das hat Kollegin Holzegger schon erwähnt – die tatsächliche Open Source im staatlichen Bereich. Wenn unsere Verwaltung, unsere Schulen, Universitäten auf Open Source sind, wird vieles einfacher.
Das Zweite ist, unsere Daten dürfen nicht unverschlüsselt auf Servern liegen, die dem US-Cloud-Gesetz unterliegen, also auf denen die US-Behörden auf die Daten Zugriff haben oder – schlimmer noch – die chinesische Regierung Zugriff hat. Das können wir erreichen, indem wir zum Beispiel Netzwerke aus lokalen Rechenzentren bauen, wie zum Beispiel das Gaia-X-Projekt in der Europäischen Union. Selbst wenn wir US-Clouds verwenden müssen – AWS oder Azure –, können wir immer noch die Verschlüsselungsschlüssel im eigenen Land behalten, zum Beispiel bei lokalen Treuhändern.
Das Dritte ist, man kann als kleines Land auch verhindern, dass das gesamte 5G-Netz oder andere kritische Infrastruktur von einem Anbieter abhängig ist. Das heißt, wir können Komponenten von zumindest zwei verschiedenen Herstellern haben, die aus verschiedenen geopolitischen Lagern kommen.
Das Vierte ist der Brüsseleffekt, denn was Österreich mit seinen 9 Millionen Einwohnern macht, ist großen Unternehmern und auch Herrn Trump eigentlich ziemlich wurscht, aber wenn Europa mit 450 Millionen Einwohnern etwas macht, dann kann das eine Wirkung haben. Man kann jetzt über den AI-Act streiten, man kann darüber streiten, ob wir in Europa zu viel Technologie regulieren, anstatt Ergebnisse zu regulieren, aber es hat doch eine gewisse Wirkung auf diese Unternehmen und wie sie sich verhalten.
Wir können auch gemeinsam einen Cern für künstliche Intelligenz bauen. Das heißt, dass wir in Zukunft nicht mehr bei Open-AI oder anderen um Rechenleistungen bitten müssen. Wir könnten zum Beispiel eine gemeinsame Recheninfrastruktur in Europa haben, bei der sich Österreich dann auch einkaufen kann.
Und das Fünfte ist – da komme ich jetzt zum Anfang zurück, und das ist das Allerwichtigste –, wir müssen in Europa wieder große, erfolgreiche Firmen bauen. – Vielen Dank. (Beifall bei den NEOS sowie bei Abgeordneten von ÖVP und SPÖ.)
11.03
Präsident Peter Haubner: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Heinrich Himmer. – Ich stelle Ihre Redezeit auf 3 Minuten ein, Herr Abgeordneter.
Die angezeigte Rede ist noch nicht nach § 52 Abs. 2 GOG-NR autorisiert.