RN/107
Bericht des Immunitätsausschusses über das Ersuchen der Staatsanwaltschaft Wien, do. GZ. 16 St 276/25h, um Zustimmung zur behördlichen Verfolgung des Abgeordneten zum Nationalrat Mag. Wolfgang Gerstl gemäß Art. 57 Abs. 3 B-VG (370 d.B.)
Präsident Dr. Walter Rosenkranz: Wir gelangen nun zum 10. Punkt der Tagesordnung.
Auf eine mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.
Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Nemeth. Die eingemeldete Redezeit beträgt 4 Minuten. – Bitte, Herr Abgeordneter.
RN/108
15.47
Abgeordneter Mag. Norbert Nemeth (FPÖ): Danke, Herr Präsident! Hohes Haus! Wir werden dem Bericht des Immunitätsausschusses betreffend die Auslieferung des Abgeordneten Gerstl hier und jetzt zustimmen. Das heißt, dieses Auslieferungsbegehren kann heute einstimmig hier beschlossen werden, und das ist, glaube ich, ein wichtiges Signal, denn der Vorwurf, der von der Staatsanwaltschaft Wien gegenüber dem Abgeordneten Gerstl erhoben wird, ist durchwegs pikant. Es geht nämlich darum, dass dem Abgeordneten Gerstl vorgeworfen wird – zwischen Klammern: Es gilt die Unschuldsvermutung! –, in ein Wahlverfahren, nämlich konkret in ein Wahlverfahren rund um die Wiener Landtagswahl des letzten Jahres, um die Gemeinderatswahl, um die Bezirksvertretungswahl, in einer manipulativen Weise eingegriffen zu haben, und zwar dahin gehend, dass Bürgerinnen und Bürgern das passive Wahlrecht hätte verweigert werden sollen. Konkret vorgeworfen wird ein Bruch der Amtsverschwiegenheit aus der Bezirkswahlbehörde heraus.
Um diese Geschichte zu verstehen, muss man auch die Vorgeschichte begreifen – die können wir dem Auslieferungsbegehren nicht entnehmen. Da war ausnahmsweise einmal der „Standard“ hilfreich und hat diese Geschichte sehr schön und durchwegs glaubwürdig in seiner Ausgabe, ich glaube, vom 24. April des letzten Jahres, aufgearbeitet. Und die ganze Malaise des Abgeordneten Gerstl beginnt mit einer Stromrechnung.
Man muss wissen, die ÖVP Penzing, um die es hier geht, betreibt ein Parteilokal, und ein Teil dieses Parteilokals ist untervermietet. Und die ÖVP Penzing hat die eigenen Stromkosten an diesen Untermieter in einer heimlichen und wohl eindeutig vereinbarungswidrigen Weise weitergereicht. Das ist lange Zeit nicht aufgefallen, erst als die Energiekrise um sich schlug, wurde das ein Thema, und in weiterer Folge auch in der Bezirkspartei selbst. Es hat sich dann dort eine Fraktionierung ergeben: Ein Teil hat gemeint, das gehe so nicht, die ÖVP Penzing sollte doch ihre Stromkosten selber bezahlen.
In weiterer Folge kommt es nicht zu einem Ausgleich, sondern zu einer Eskalation dahin gehend, dass jener Teil der ÖVP, der meint, die ÖVP soll ihre Stromkosten selbst bezahlen, sich innerparteilich nicht durchgesetzt hat. In weiterer Folge spaltet sich dieser Teil der ÖVP-Penzing ab und gründet die Liste Fair 1140 Wien; 1140 Wien, das ist die Postleitzahl von Penzing – für alle Nichtwiener. Im Zuge des Wahlverfahrens will diese Liste antreten und reicht einen Wahlvorschlag ein. Es steht jetzt der Verdacht im Raum, dass Abgeordneter Gerstl als Mitglied der Bezirkswahlbehörde Druck auf die Unterstützer dieser Liste ausgeübt haben soll, ihr passives Wahlrecht doch nicht ausüben zu können.
Wie gesagt, es gilt die Unschuldsvermutung. Es ist gut, dass es hier einen einstimmigen Beschluss geben wird, dass dieser potenzielle Missstand untersucht werden kann.
Ich habe abschließend ein Ersuchen an die Österreichische Volkspartei. Meine Bitte geht dahin, Abgeordneten Gerstl bis zur Klärung all dieser Vorwürfe aus der Bundeswahlbehörde herauszunominieren. Ich bin selbst Mitglied der Bundeswahlbehörde. Das ist ein unabhängiges Gremium mit richterlichem Einschlag und die Optik, dass dort Mitglieder sitzen, die für die Republik Österreich gewährleisten sollen, dass die Wahlverfahren eingehalten werden und selbst Gegenstand von strafrechtlichen Ermittlungen sind, weil sie ihre Rolle in einer Wahlbehörde möglicherweise missbraucht haben, ist eine Optik, die uns als Kollegialbehörde insgesamt hinunterzieht.
Die ÖVP war mit ihren Maßstäben immer sehr streng. Ich kann daran erinnern, dass unser Klubkollege Johannes Hübner, der leider viel zu früh verstorben ist, auch von der ÖVP aufgefordert wurde, ich glaube, sogar vom Abgeordneten Gerstl, sein Mandat in der Bundeswahlbehörde zurückzulegen. Dies nicht, weil er im Verdacht gestanden wäre, irgendetwas angestellt zu haben, sondern weil er eine Afghanistanreise unternommen hatte.
Bitte legen Sie den Maßstab, den Sie an andere angelegt haben, an sich selbst an, alles andere wäre unfair. (Beifall bei der FPÖ.)
15.52
Präsident Dr. Walter Rosenkranz: Als Nächster zu Wort gemeldet: Herr Abgeordneter Schilchegger. Eingemeldete Redezeit: 4 Minuten. Die Restredezeit der gesamten Fraktion sind 6 Minuten. – Bitte, Herr Abgeordneter.
RN/109
15.52
Abgeordneter MMag. Dr. Michael Schilchegger (FPÖ): Danke, Herr Präsident! Werte Damen und Herren! Ich möchte eine Frage stellen, die sich so zu diesem Thema Auslieferungsbegehren des Kollegen Gerstl noch niemand gestellt hat, meines Wissens auch die Staatsanwaltschaft nicht, nämlich: Was hat er denn getan, der Abgeordnete Gerstl, ungefähr vor einem Jahr, einen Tag früher, also am 11. Dezember 2024, am Nachmittag?
Ich kann es Ihnen sagen, er ist vor einem Jahr hier, wo ich jetzt stehe, gestanden und hat eine Rede zu einem anderen Auslieferungsbegehren gehalten. Dabei hat er unter anderem einen, wie ich finde, bemerkenswerten Satz an diesem Rednerpult gesagt. Er hat gesagt – Sie können das Zitat des Kollegen Gerstl in den Parlamentsprotokollen nachlesen –: „Es ist ein wesentlicher Punkt, dass wir in einer liberalen Demokratie von Parlamentariern vertreten werden, denen nicht ständig nachgesagt wird, dass ihnen vielleicht eine strafrechtliche Verurteilung ins Haus stehen könnte und sie deswegen ausgeliefert werden müssen.“ – Zitatende. Und dann ist noch „Beifall bei der ÖVP.“ vermerkt.
Ich stelle Ihnen jetzt nur die Frage – ich meine, überlegen wir es einmal durch –: Wem wird denn derzeit ständig nachgesagt, dass ihm vielleicht eine strafrechtliche Verurteilung ins Haus stehen könnte? Also ich denke da ganz persönlich an den Klubobmann Ihrer eigenen Partei, an Klubobmann Wöginger. Und ich stelle Ihnen jetzt die Frage: Was ziehen Sie denn für Konsequenzen daraus? Ich glaube, Sie sind heute gefragt worden, Herr Klubobmann, ob Sie zumindest im Fall einer Verurteilung zurücktreten würden, und ich glaube, Ihre Antwort war: Nein.
Aber wenn man jetzt schon sagt, ja gut, das ist ja das gute Recht eines jeden Abgeordneten hier im Hause, selber seine politische Verantwortung hier zu klären, dann frage ich – und Herr Kollege Nemeth hat es ja angesprochen –: Was ist mit den Maßstäben, Herr Kollege Gerstl?
Sie setzen diesen Maßstab und wollen offenbar nicht, dass die österreichische Bevölkerung von Parlamentariern vertreten wird, denen nachgesagt wird, dass ihnen vielleicht eine strafrechtliche Verurteilung ins Haus stehen könnte und die deswegen ausgeliefert werden müssen. Deswegen jetzt meine Frage – ganz einfach –: Bleiben Sie bei diesen Maßstäben? Wenn nein, warum nicht? Und wenn ja, ziehen Sie jetzt die Konsequenzen? Treten Sie zurück? (Beifall bei der FPÖ.)
15.54
Präsident Dr. Walter Rosenkranz: Nächste Wortmeldung: Herr Abgeordneter Zarits. Eingemeldete Redezeit: 5 Minuten.
RN/110
15.54
Abgeordneter Christoph Zarits (ÖVP): Danke, Herr Präsident! Meine geschätzten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich finde es interessant, dass Kollege Nemeth und Kollege Schilchegger heute die Redezeit so extrem ausgenutzt haben. Immer wenn es um freiheitliche Abgeordnete und um den Immunitätsausschuss geht, wenn es um Verhetzung, um einen Verstoß gegen das Verbotsgesetz geht, dann reden wir halt nur 1 Minute. (Abg. Belakowitsch [FPÖ]: Das stimmt ja gar nicht!) Ich finde das also einfach nur feig, was Sie hier abziehen und wie Sie auch gestern den Immunitätsausschuss missbraucht haben. Das möchte ich in aller Klarheit sagen. (Abg. Kassegger [FPÖ]: Sind wir jetzt auf der Ebene der Beschimpfungen?)
Und wenn Sie, Herr Kollege Schilchegger, von Verurteilung reden, dann müssen Sie einmal mit Kollegen Hafenecker reden, denn ich glaube, er ist rechtskräftig verurteilt und sonst keiner in diesem Raum – ehrlich gesagt. (Beifall bei der ÖVP, bei Abgeordneten von SPÖ und Grünen sowie des Abg. Dengler [NEOS]. – Abg. Hafenecker [FPÖ]: Rund um Freiheitsrechte habt ihr 28 ...!)
Wir haben uns gestern im Immunitätsausschuss mit Kollegen Gerstl beschäftigt. Er wurde von dritter Seite angezeigt. Bis jetzt konnten keine Ermittlungen beziehungsweise Untersuchungen eingereicht beziehungsweise gemacht werden, weil er eben parlamentarische Immunität hat. Nach dem heutigen Beschluss werden die Untersuchungen aufgenommen. Ich bin der felsenfesten Überzeugung, dass sich die Vorwürfe rasch in Luft auflösen werden.
Und wenn Sie, Herr Kollege Nemeth, von Wahlkommissionen sprechen – 10 000 Wahlkommissionen, Sprengelkommissionen in den verschiedensten Gemeinden: Ich bin seit 20 Jahren in einer Wahlkommission (Abg. Stefan [FPÖ]: Nicht in Wien, dort sitzt kein ÖVPler! – weitere Zwischenrufe bei der FPÖ), und die Freiheitlichen nehmen ihre Pflicht in den wenigsten Gemeinden wahr, um Beisitzer zu melden. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der SPÖ. – Ruf bei der FPÖ: ... ein tolles Argument! Ein sehr gutes Argument!)
Interessant habe ich gestern den Immunitätsausschuss gefunden. Zuerst wurde vorgestern vereinbart, dass die Vorgehensweise der Koalitionsfraktionen auch von den Freiheitlichen goutiert wird beziehungsweise mitgegangen wird, dann hat sich eine sehr, sehr interessante Diskussion entwickelt. Ich würde vorschlagen, Herr Kollege Nemeth, da ich Sie doch sehr schätze, weil Sie natürlich Expertise in diesem Bereich haben, dass wir als Fraktionsführer uns im Immunitätsausschuss vielleicht einmal zusammensetzen und uns gemeinsam einen Leitlinienbeschluss geben lassen (Abg. Belakowitsch [FPÖ]: Was soll das bringen?), damit wir sozusagen nicht im Einzelfall entscheiden, sondern dass wir wirklich eine Leitlinie haben und diese Fälle auch schneller abhandeln können.
Ich bin davon überzeugt, dass sich die Vorwürfe gegenüber Abgeordnetem Gerstl sehr, sehr schnell in Luft auflösen werden.
Meine große Bitte an die Freiheitliche Partei: Da Sie stimmenstärkste Partei in Österreich sind, nehmen Sie bitte Ihre Verantwortung in den Wahlbehörden ernst – das ist eine Stärkung der Demokratie –, sonst machen unsere Beisitzer, die ÖVP- und die SPÖ-Beisitzer, euren Job, und das ist einfach nicht fair. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der SPÖ.)
15.58
Präsident Dr. Walter Rosenkranz: Zu Wort ist niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist geschlossen.
Wünscht der Berichterstatter ein Schlusswort? – Das ist nicht der Fall.
RN/111
Präsident Dr. Walter Rosenkranz: Wir gelangen nun zur Abstimmung über den Antrag des Immunitätsausschusses in 370 der Beilagen, Folgendes zu beschließen:
„In Behandlung des Ersuchens der Staatsanwaltschaft Wien [...] um Zustimmung zur behördlichen Verfolgung des Abgeordneten zum Nationalrat Mag. Wolfgang Gerstl wird im Sinne des Art. 57 Abs. 3 B‑VG festgestellt, dass kein Zusammenhang zwischen der inkriminierten Handlung und der politischen Tätigkeit des Abgeordneten zum Nationalrat Mag. Wolfgang Gerstl besteht.“
Ich bitte jene Damen und Herren, die sich diesem Antrag anschließen, um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist einstimmig der Fall.
Die Tagesordnung ist erschöpft.