12.31
Bundesministerin für europäische und internationale Angelegenheiten Mag. Beate Meinl-Reisinger, MES: Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bundeskanzler! Herr Vizekanzler! Werte Mitglieder der Bundesregierung! Sehr geehrte Abgeordnete! Liebe Zuschauerinnen und Zuschauer, egal ob hier oder zu Hause! Es ist angesprochen worden: Eines der größten und hartnäckigsten Probleme in unserem Land ist seit vielen Monaten – eigentlich seit Jahren – die Teuerung – hartnäckig deswegen, weil es Monat für Monat zu hohe Zahlen sind, die einerseits die Haushalte belasten – jeden Menschen, jede Mutter jede Woche beim Einkauf – auf der anderen Seite aber auch die Betriebe massiv belasten und auch die Wettbewerbsfähigkeit in Österreich nachhaltig beschädigt haben. Warum? – Weil in Österreich wie in kaum einem anderen Land das Problem mit einer hohen Inflation das ist, dass sehr vieles an diese Inflation gekoppelt ist: Das sind einerseits die Ausgaben des Staates, die allesamt valorisiert sind, was dann eine richtige Preis-Preis-Spirale entwickelt, andererseits natürlich das eigentlich gute sozialpartnerschaftliche System der kollektivvertraglichen Löhne, bei dem man natürlich auch darauf schaut, wie sich die Teuerung entwickelt hat.
Jetzt möchte ich, bevor ich nun auf die heutigen Maßnahmen zu sprechen komme, schon etwas auf die Fehler der Vergangenheit eingehen; erlauben Sie mir das ganz kurz. (Zwischenrufe bei den Grünen.) Die letzte Bundesregierung hat eine ganz große Sache verabsäumt, das ist nämlich, Maßnahmen auf den Weg zu bringen, um die Lohnnebenkosten oder Lohnkosten zu dämpfen und damit auch moderate Abschlüsse zu ermöglichen. Wir sind jetzt in einer Situation mit den höchsten Lohnkosten in Europa (Abg. Gewessler [Grüne]: Und was war die Stromkosten...?), und das schädigt unsere Wettbewerbsfähigkeit und belastet unsere Industrie. (Beifall bei NEOS und SPÖ. – Zwischenruf der Abg. Disoski [Grüne].)
Das zweite große Problem war, dass die letzte Bundesregierung gedacht hat, mit Steuergeld kann man alles lösen. Mit der ganz fetten Bazooka kann man Steuergeld verwenden, um Preise zu subventionieren, um Strompreisbremsen zu erfinden oder Ähnliches. Das Ergebnis ist nur so gewesen, dass die Inflation weiter angeheizt wurde, aber vor allem – zweitens – Energieversorger ihre Preise so kalkulieren konnten, dass sie ein Maximum an Gewinnen gemacht haben, die Menschen eine mit viel Steuergeld subventionierte Dämpfung bekommen haben – linke Tasche, rechte Tasche –, aber es war völlig klar, dass diese Party auf Kosten der Steuerzahler nicht weitergehen kann. Die Bazooka war leer. (Beifall bei den NEOS. – Zwischenruf der Abg. Voglauer [Grüne].)
Und dann ist aufgrund Ihrer falschen Maßnahmen in der Vergangenheit – und ich schaue da bewusst die Grünen an, weil ihr seid die Ersten gewesen, die immer alles mit Steuergeld lösen wollten (Rufe bei den Grünen: Oh!) und die ganz große Gießkanne ausgepackt haben – Folgendes passiert (Beifall bei den NEOS): Die Inflation ist Anfang des Jahres, als Sie noch in der Bundesregierung waren, massiv in die Höhe geschossen, war viel zu hoch und ist hartnäckig dort geblieben. Wir als Bundesregierung zeigen: Es geht! (Abg. Gewessler [Grüne]: Dass der Basis... funktioniert, juhu!) Wir schaffen den Weg durch hartnäckige Arbeit, durch Ärmelaufkrempeln, durch strukturelle Maßnahmen, dass wir den Weg des Aufschwungs schaffen, die Preise langfristig senken werden und die Wettbewerbsfähigkeit auch in Österreich wieder stärken können. (Beifall bei den NEOS.)
Wie machen wir das? – Strukturell wurde, es ist schon angesprochen worden, letzte Woche ein Meilenstein geschaffen – ein Meilenstein, der schon überfällig war, nämlich eine gänzliche Neuordnung des Strommarkts in Österreich mit dem Günstiger-Strom-Gesetz.
Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es gibt da ein ganz wesentliches Prinzip: Günstige Preise gibt es immer dort, wo es Wettbewerb gibt. Wir wissen aber, dass der Wettbewerb in Österreich nicht ausgeprägt genug ist, also gehen wir her und stärken diesen Wettbewerb. Wir stärken die Transparenz, wir verpflichten Energieversorger dazu, nicht nur gestiegene Preise am Markt – die sind nämlich sehr schnell an die Kunden weitergegeben worden –, sondern auch gesunkene Preise auf dem Markt sofort weiterzugeben, und vor allem schaffen wir die Möglichkeit der Transparenz, was den effektiven Strompreis angeht, und damit die Wechselbereitschaft der Österreicherinnen und Österreicher. (Beifall bei den NEOS.) Damit werden wir den Strompreis nachhaltig strukturell senken.
Auch im Bereich der Netzkosten sind wir tätig geworden, weil es in den vergangenen Jahren bei den Netzkosten einen massiven Anstieg gab. Wir dämpfen das, wir glätten das, auch nach dem Verursacherprinzip. Und ja, wir gehen auch den Weg, dass wir Stromspeichermöglichkeiten ermöglichen und damit auch eine bessere langfristige Absicherung auch des Profitierens von der enormen Menge an erneuerbarer Energie. (Ruf bei den Grünen: Ja!)
Der zweite Bereich, den wir uns angeschaut haben, ist das Standortabsicherungsgesetz. (Ruf bei den Grünen: Aha!) Wir haben mit diesem SAG dafür Sorge getragen, dass wir die Industrie wettbewerbsfähig halten, was die Energiekosten angeht.
Das sind zwei wesentliche Maßnahmen, die wir schon auf den Weg gebracht haben; aber ja, wir haben ein großes Ziel ausgerufen, nämlich die Inflation nächstes Jahr in Richtung 2 Prozent zu bekommen (Abg. Lukas Hammer [Grüne]: Übernächstes Jahr!), und dazu brauchen wir jetzt auch kurzfristige Maßnahmen. (Ruf bei der FPÖ: 3!)
Wir haben aber schon im Sommer etwas getan, wir sind nämlich hergegangen und haben gesagt: Alles, was im Bereich des Staates möglich ist, um Preise zu dämpfen, machen wir. – Sie erinnern sich – ein historischer Beschluss, letzte Woche dann hier im Nationalrat gefällt, diesen meines Erachtens falschen Beschluss von vor einem Jahr wieder aufzumachen –, dass wir zum ersten Mal einen Gehaltsabschluss für Beamtinnen und Beamte wieder aufgemacht haben (Beifall bei den NEOS) und damit auch im Bereich des öffentlichen Dienstes in solch schwierigen Zeiten die Verantwortung übernehmen, dass jetzt nicht gerade diejenigen, die ohnehin einen sicheren Job haben, profitieren und andere, die Sorgen vor einem Jobverlust haben, nicht. Wir schaffen da auch eine Dämpfung. Aber auch mit einer Dämpfung der Erhöhung bei den Pensionen leisten wir einen entsprechenden Beitrag.
Jetzt geht es darum, die Energiepreise kurzfristig zu senken, und zwar wirklich zu senken. Nein, sie werden nicht nur nicht steigen, sondern sie werden jetzt mit dieser Maßnahme sinken. (Beifall bei den NEOS und bei Abgeordneten der SPÖ.)
Es ist angesprochen worden: Bisher sind pro verbrauchter Kilowattstunde 1,5 Cent eingehoben worden; ab 1. Jänner, also schon sehr bald, zahlen Privatpersonen nur mehr 0,1 Cent pro Kilowattstunde, und bei Betrieben ist die Einsparung in Zukunft 45 Prozent der Abgabe. Das schafft eine deutliche Entlastung. Wir schaffen damit auch eine positive Kettenreaktion, indem wir die Verbraucherpreise drücken, damit die Inflation senken und diese Spirale, die die Österreicherinnen und Österreicher in der Vergangenheit so massiv belastet hat, endlich stoppen. (Beifall bei den NEOS und bei Abgeordneten der ÖVP.)
Anders als in der Vergangenheit schaffen wir das auch mit einer Gegenfinanzierung. Das ist wesentlich, weil – ich habe es schon gesagt – die Bazooka (Zwischenruf der Abg. Voglauer [Grüne]) dann irgendwann einmal leer ist. Und diese Bazooka war leer, und diese Bundesregierung saniert das Budget nachhaltig. (Abg. Kassegger [FPÖ]: Der Fiskalrat ist da anderer Meinung! – Zwischenruf der Abg. Belakowitsch [FPÖ].) Sie biegt das wieder gerade, was wirklich mehr als schief war, und zwar zulasten der Steuerzahlerinnen und Steuerzahler schief war, und wir werden auch unseren Kindern und Enkelkindern einen ordentlichen, geordneten Haushalt überlassen. (Beifall bei den NEOS.)
Ich möchte an der Stelle vielleicht aber auch noch sagen, dass ich mich auch oft nicht auskenne, was die FPÖ fordert. In der Vergangenheit habe ich Ihnen nämlich sehr oft zugehört, welche Vorschläge von Ihnen gekommen sind, und da sind eigentlich Vorschläge wie direkte Preiseingriffe, Preisdeckel gekommen; Sie nennen ja dann immer auch gerne Ungarn als Vorbild. – Das funktioniert nicht, das wissen Sie ganz genau. Das ist weder marktwirtschaftlich noch klug.
Ich habe es mir in der Vorbereitung auch noch einmal angeschaut: Bei all diesen Maßnahmen der Vergangenheit auf Kosten der Steuerzahlerinnen und Steuerzahler waren Sie dabei, auch bei dieser sinnlosen Strompreisbremse, -kompensation, mit der Sie de facto eigentlich nur die Energieversorger subventioniert haben, die hohe Preise verlangen konnten. Also was wollen Sie eigentlich? – Der Geist der stets verneint, das hat der Herr Bundeskanzler gesagt. Ich halte das nicht für den richtigen Zugang; ich glaube, gerade in solchen Zeiten brauchen wir Konstruktivität, Zusammenarbeit, die besten Ideen und den Willen, das auch gemeinsam auf den Weg zu bringen, so wie wir das jetzt heute machen. (Beifall bei den NEOS. – Zwischenruf des Abg. Kickl [FPÖ].)
Und ja, kurzfristige Maßnahmen ersetzen nicht strukturelle Maßnahmen. Wir werden uns jetzt die Zeit nehmen, strukturelle Maßnahmen im Bereich der Strompreisbildung auf den Weg zu bringen.
Der wichtigste Vorstoß wäre europäisch, es ist schon angesprochen worden. Wir sind in Österreich in der glücklichen Lage, dass wir von einer Vielzahl von erneuerbaren Energieerzeugern profitieren können. Wir leben von unserer heimischen Wasserkraft, 90 Prozent des Stromverbrauchs geht durch Erneuerbare. Da brauche ich nicht irgendwelche Fantasien von fossilen Brennstoffen oder vom russischen Gas zu haben. Wir können das im Wege der erneuerbaren Energien – ich würde auch sagen: Freiheitsenergien – bei uns.
Die Österreicherinnen und Österreicher profitieren von diesem günstig produzierten Strom (Abg. Kassegger [FPÖ]: Warum muss das dann subventioniert werden, wenn das alles so günstig ist?), aber nicht in dem Ausmaß, wie sie es könnten, weil es Algorithmen gibt, die eine Preisbildung am europäischen Markt anhand des letzten zugeschalteten Kraftwerks machen – das ist diese sogenannte Merit-Order –, und das sind nun einmal in der Regel Gaskraftwerke.
Wir rekapitulieren: Österreich hat jetzt schon einen enormen Schatz an erneuerbarer Energie, an heimischer, freier, sauberer Energie. Wir profitieren aber nicht von den günstigen Preisen, weil wir in einem europäischen Verbund sind, in dem andere Länder, die vielleicht eine Politik ähnlich wie Sie (in Richtung FPÖ) verfolgen, noch auf Kohlekraftwerke, Gaskraftwerke oder ähnliche setzen. Diesen Preisbildungsmechanismus zu reformieren, weiterzuentwickeln, ist ein wesentlicher Schritt, weshalb wir als Bundesregierung uns heute an die EU-Kommission wenden, damit wir da gemeinsam europäisch vorgehen, damit die Österreicherinnen und Österreicher auch von der heimischen Wasserkraft profitieren können! (Beifall bei den NEOS, bei Abgeordneten der SPÖ sowie der Abg. Bogner-Strauß [ÖVP].)
Ein weiterer Aspekt darin sind auch die Netzkosten. Wir sind im Herzen Europas, das ist wunderschön. Das Herz von Europa schlägt auch im Dreivierteltakt, würde ich sagen, aber wir sind geografisch natürlich ein Binnenland. Das heißt, es gibt sehr viel Strom, der durch unser Land durchgeleitet wird. Auch davon profitieren wir nicht, ganz im Gegenteil, die Netzkosten sind deswegen höher bei uns. Auch das ist ein Punkt, mit dem wir an die Kommission herantreten und eigentlich Solidarität einfordern. Es kann nicht sein, dass die geografische Lage letztlich dazu führt, dass die Österreicherinnen und Österreicher einen höheren Preis bezahlen. (Abg. Lukas Hammer [Grüne]: Guter Punkt!)
In Europa wollen wir das gemeinsam günstiger machen. Wir wollen es gemeinsam transparenter machen, wir wollen es wettbewerbsfähiger machen und wir wollen es fairer machen. Und ja, wir werden uns auch national anschauen, welche Möglichkeiten wir haben, denn nur auf Europa zu warten, wird nicht ausreichen. Wir sind gewillt, mit Tatkraft, mit Schaffenskraft und auch mit positiven Zugängen in Österreich eine strukturelle Lösung zu schaffen, damit wir langfristig die Energiepreise senken können, damit wir die Haushalte und die Menschen entlasten und vor allem die Wettbewerbsfähigkeit unserer Betriebe und auch der Industrie wieder stärken können!
Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich habe heute sehr viel darüber gehört, dass der Standort und die Lage der Industrie vielen hier ein Anliegen ist. Erlauben Sie mir daher, ganz kurz darauf Bezug zu nehmen, was diese Woche in Brüssel auch passiert, nämlich die Entscheidungsfindung zu einem der wichtigsten Freihandelsabkommen in der Geschichte Europas, nämlich dem Mercosur-Abkommen. Es würde dadurch der größte Freihandelsraum der Welt geschaffen werden, in einer Zeit, in der Europa Stärke beweisen soll und sich Partnerschaften neu suchen muss.
Die österreichische Bundesregierung ist durch einen meines Erachtens sehr kurzsichtigen Beschluss dieses Hohen Hauses aus dem Jahr 2019 – zehn Tage vor der Wahl, mitgetragen von fast allen Parteien mit Ausnahme von NEOS – daran gebunden, mit Nein zu stimmen. Ich halte es in dieser Situation, in der sich Österreich befindet, in der sich die Wettbewerbsfähigkeit unserer Industrie befindet, aber auch angesichts der neuen geopolitischen Lage, in der wir keine verlässlichen Partnerschaften mehr sehen, sondern vielmehr wirkliche Systemrivalitäten zwischen den USA und China, für unbedingt notwendig, dass Europa sich auf die Hinterfüße stellt und Partnerschaften eingeht. (Beifall bei den NEOS.)
Ich appelliere an das Hohe Haus, den Weg für das größte Freihandelsabkommen der Welt freizumachen, damit wir zeigen: Mit Partnerschaften mit den lateinamerikanischen Staaten sichern wir unseren Wohlstand und überlassen diesen Markt nicht den Chinesen oder den Amerikanern. – Vielen Dank. (Beifall bei den NEOS und bei Abgeordneten der ÖVP. – Abg. Lukas Hammer [Grüne]: Ist das die offizielle Position der Bundesregierung?) – Das ist eine Privatmeinung.
12.44
Präsident Dr. Walter Rosenkranz: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Hafenecker. Die eingemeldete Redezeit beträgt 4 Minuten. – Bitte, Herr Abgeordneter. (Abg. Lukas Hammer [Grüne]: War das eine offizielle Position der Bundesregierung zu Mercosur oder eine Privatmeinung? – Zwischenbemerkung von Bundesministerin Meinl-Reisinger.)
Die angezeigte Rede ist noch nicht nach § 52 Abs. 2 GOG-NR autorisiert.