9.21
Bundesminister für Finanzen DDr. Gunter Mayr: Sehr geehrter Herr Präsident! Geschätzte Abgeordnete! Liebe Zuseherinnen und Zuseher! Ich bin gestern Abend vom Finanzministertreffen, vom Ecofin, zurückgekommen, und dort wurde mit großem Verständnis über Österreich berichtet. Das werde ich aber gleich noch etwas ausführlicher darlegen.
Ich möchte zuerst auf Parteiobmann Babler replizieren, weil es hier eine Unklarheit gegeben hätte. Wir vonseiten des Finanzministeriums haben immer mit EU-Zahlenmaterial gearbeitet. Ich habe vor zwei Monaten die Einschätzungen von der Europäischen Kommission zu den Defizitentwicklungen referiert, und Mitte Dezember konnten wir mit dem Tool der Europäischen Kommission die Pfade berechnen, wie viel tatsächlich einzusparen ist. Von Unklarheiten ist also keinerlei Rede. Seit über einem Monat wissen wir genau, wie viel einzusparen ist.
Ich möchte nur, weil die letzten Tage ja sehr ereignisreich waren, die Abläufe noch einmal kurz schildern. Letzten Montag haben mich Bundesparteiobmann Kickl und Bundesparteiobmann Stocker mit einem Maßnahmenpaket von 6,39 Milliarden Euro ausgestattet, das ich Kommissar Dombrovskis präsentieren durfte. Dieses Treffen hat dann sogleich am Dienstag stattgefunden. Wir sind die Maßnahmen – Maßnahme für Maßnahme – genau durchgegangen. Und, Herr Parteiobmann Babler: Viele dieser Maßnahmen sollten Sie kennen, weil die Grundlagen dafür schon in den gescheiterten Regierungsverhandlungen besprochen wurden und viele dieser Maßnahmen bereits davor im Detail evaluiert worden sind.
Die Kommission hat sich sehr anerkennend dazu geäußert, dass es sich um ein konjunkturschonendes Paket mit einem klaren Fokus auf die Ausgabenseite handelt. Es war auch wichtig, dass keinerlei neue Steuern eingehoben werden sollten. Kommissar Dombrovskis hat in der Nacht auf Freitag bereits ein Antwortschreiben an uns geschickt. Seit letzter Woche ist dieser Prozess komplett transparent. Sie können alles auf der BMF-Homepage nachlesen.
Zu dem Vorwurf, wir hätten Sie nicht ausreichend informiert: Wenn Sie sich das Verfassungsrecht anschauen, sehen Sie, dass über Vorhaben der Europäischen Kommission zu berichten ist – aber das Abwenden von Schaden gegenüber der Republik Österreich als solches ist noch kein Vorhaben. Trotzdem haben wir den ganzen Prozess sofort transparent gemacht und auf der BMF-Homepage ist das nachlesbar.
Ich habe seit zwei Monaten permanent vor einem EU-Defizitverfahren gewarnt. Als Finanzminister ist es eine Selbstverständlichkeit, dass man in Europa die Fiskalregeln einhalten sollte. (Heiterkeit bei der SPÖ sowie der Abg. Meinl-Reisinger [NEOS]. – Abg. Meinl-Reisinger [NEOS]: ... Vorgänger!) Wir sehen, es geht um die Reputation Österreichs. Aktuell sind acht EU-Mitgliedstaaten in einem Defizitverfahren, wie Ungarn, Polen oder Rumänien. Das sollte nicht unsere Benchmark in Österreich hinsichtlich der Budgetgestaltung sein. Wir haben auch die Auswirkungen auf den Finanzmärkten gesehen. Fitch hat vor circa zehn Tagen den Ausblick auf negativ gedreht und mitunter als Begründung das drohende Defizitverfahren erwähnt. Vor allem – und für mich eigentlich der wichtigste Punkt bei dem Ganzen –: Wäre man in einem Defizitverfahren, würden die Europäische Kommission und die EZB alle sechs Monate nach Österreich kommen und die Budgets mitbeschließen. Wir würden Budgetautonomie verlieren.
Gestern beim Ecofin-Treffen der Finanzminister sind die Defizitverfahren dieser acht Mitgliedstaaten besprochen worden: 27 Finanzminister plus Kommissare beraten darüber, wie die Budgetgestaltung dieser acht EU-Mitgliedstaaten sein soll. Ich habe hier zum Beispiel den Bericht zu Frankreich (ein mehrseitiges Schriftstück in die Höhe haltend): neun Seiten. Darüber wird berichtet, und der französische Finanzminister war gefordert, 10 Minuten darüber zu replizieren. Das trägt nicht zu einer guten Reputation bei. Zum Glück konnten wir das abwenden. (Beifall bei ÖVP und FPÖ sowie bei Abgeordneten der NEOS.)
Wir waren vor dem vorletzten Ecofin in einer vergleichbaren Situation mit Finnland und die finnische Finanzministerin hat mit allem Nachdruck bekräftigt, dass Finnland auch unbedingt aus einem Defizitverfahren heraus möchte. Herr Parteiobmann Babler (Abg. Greiner [SPÖ]: Klubobmann!), Ihre Position ist für mich auf europäischer Ebene eine einzigartige. (Abg. Babler [SPÖ]: ... ÖVP-Finanzminister gehabt!) Ich kenne kein einziges EU-Mitgliedsland, das sich, wenn man nicht alles unternehmen könnte, sogar freiwillig in ein Defizitverfahren hineinbewegen würde.
Jetzt noch einmal zurück zu den Verhandlungen mit Kommissar Dombrovskis: Das Maßnahmenpaket umfasst 6,39 Milliarden Euro. Was waren die Schwerpunkte, die es zu beachten galt? – Natürlich ist es darum gegangen, dass ein Schwerpunkt auf die Ausgabenseite gesetzt werden soll. Wenn Sie sich das Paket ansehen, merken Sie, dass circa 50 Prozent über Förderungen eingespart werden. Dieses Einsparen von 50 Prozent bei den Förderungen führt dazu, dass sich Österreich danach auf dem EU-Schnitt bewegt. Wir sind über 3 Milliarden Euro über dem EU-Schnitt, was Förderungen anbelangt. Auch die Kommission hat es als sehr positiv angesehen, dass es gelingt, mit diesem Maßnahmenpaket mit 50 Prozent Einsparungen bei den Förderungen auf den EU-Schnitt zu kommen.
Natürlich ist auch über den Klimabonus gesprochen worden, weil ja der Klimabonus als Position schon fast ein Drittel des Einsparungspaketes, 2 Milliarden Euro, ausmacht. Wir haben erläutern dürfen, dass der Klimabonus, obwohl er so heißt, nichts mit dem Klima zu tun hat. Es stimmt schon, es gibt eine Hintergrundstory mit der CO2-Bepreisung (Heiterkeit und Zwischenrufe bei den Grünen), nur: Der Klimabonus als solcher ist eine reine Transferzahlung und könnte auch jeden anderen Namen tragen. Es ist über weitere Maßnahmen wie die Bildungskarenz diskutiert worden. Die Bildungskarenz als solche, das sagen auch die Wirtschaftsforscher, hat eher negative Auswirkungen auf den Arbeitsmarkt. (Abg. Götze [Grüne]: Nein, das stimmt nicht! – Weitere Zwischenrufe bei den Grünen.) Vor dem Hintergrund ist auch diese Maßnahme insofern positiv besetzt gewesen.
Wir haben es bereits angesprochen, der Schwerpunkt liegt auf den Ausgaben. Einnahmenseitig, bei den Steuern, gibt es nur Ergänzungen, Anpassungen im Steuersystem, aber keinerlei neue Steuern. (Zwischenrufe bei den Grünen.) Es werden in diesem Paket von 6,39 Milliarden Euro nur 14 Prozent über Lückenschlüsse bei den Steuern hereingenommen, und ich glaube, das ist auch sehr wichtig für Österreich. Österreich hat bereits eine Abgabenquote von 43,7 Prozent, und die ist im internationalen Vergleich sehr hoch. (Abg. Meinl-Reisinger [NEOS]: Und sie steigt!) Österreich braucht keine neuen Steuern. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der FPÖ.)
Parteiobmann Babler, Sie haben gesagt, die Massen würden für dieses Maßnahmenpaket zahlen müssen. (Abg. Leichtfried [SPÖ]: Das heißt hier im Haus Klubobmann, nur so nebenbei!) – Herr Klubobmann, gerne, wenn das der einzige Einwand ist. (Heiterkeit und Beifall bei ÖVP und FPÖ.) Herr Klubobmann, Sie haben gesagt, die Massen müssten die Steuern zahlen. Ich möchte nur hinsichtlich neuer Steuern auf das bestehende Steuersystem hinweisen. (Abg. Leichtfried [SPÖ]: Da sieht man die unabhängigen Beamten in Österreich!) Wir haben zwei große Steuern vom Volumen her, das sind die Umsatzsteuer und die Einkommen- und die Lohnsteuer, mit einem Aufkommen von rund 40 Milliarden Euro.
Wenn Sie sich das Aufkommen aus der Einkommensteuer anschauen, dann sehen Sie, dass Arbeitnehmer mit Einkünften bis 19 600 Euro überhaupt keine Lohn- und Einkommensteuer bezahlen. 38 Prozent der Einkünftebezieher in Österreich zahlen auch keine Lohn- und Einkommensteuer. Im Gegenteil: 27 Prozent – Sie (in Richtung SPÖ) können den Kopf schütteln, das haben wir im Finanzministerium gerade ausgewertet (Zwischenruf der Abg. Disoski [Grüne]) –, 27 Prozent der Einkünftebezieher beziehen Negativsteuer, werden sogar unterstützt, und die obersten 10 Prozent der Einkünftebezieher tragen fast 60 Prozent des Aufkommens aus der Lohn- und Einkommensteuer. Sie sehen, die Besserverdienenden tragen hier sehr viel bei. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der FPÖ.)
Zusammenfassend: Wir durften der Europäischen Kommission ein belastbares Maßnahmenpaket präsentieren. Der Fokus lag ganz klar und liegt ganz klar auf der Ausgabenseite. Für die einzelnen Details bin insofern nicht ich verantwortlich, als die Rolle des Finanzministers da eine begleitende ist. Wir stehen gerne zur Verfügung, alle Maßnahmen zu evaluieren, nur letzten Endes bedarf es dann auch konkreter Umsetzungsmaßnahmen, und die Details müssten hier im Hohen Haus entsprechend beschlossen werden.
Hinsichtlich der EU ist es insofern erfreulich, als uns die Europäische Kommission die Einschätzung mitgegeben hat, dass wir im heurigen Jahr unter 3 Prozent Defizit liegen werden, und so gesehen ist der erste Schritt erfolgreich getan. – Vielen Dank. (Beifall bei ÖVP und FPÖ. – Abg. Leichtfried [SPÖ]: Das war jetzt eine interessante Bewerbungsrede!)
9.31
Präsident Dr. Walter Rosenkranz: Danke, Herr Bundesminister.
Ich mache darauf aufmerksam, dass die Redezeit aller weiteren Teilnehmer an der Aktuellen Stunde laut § 97a Abs. 6 der Geschäftsordnung 5 Minuten nicht übersteigen darf.
Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Fuchs. Ich erteile es ihm.
Die angezeigte Rede ist noch nicht nach § 52 Abs. 2 GOG-NR autorisiert.