11.08
Abgeordnete Mag. Beate Meinl-Reisinger, MES (NEOS): Danke, Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bundeskanzler! Werte Mitglieder der Bundesregierung! Werte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuschauerinnen und Zuschauer! Ich möchte zunächst die achten Klassen des Gymnasiums St. Ursula hier begrüßen – herzlich willkommen hier im Hohen Haus! (Allgemeiner Beifall.)
Herr Bundeskanzler, ich möchte Ihnen im Namen meiner Fraktion meinen Dank dafür aussprechen, dass Sie – erneut, muss man sagen – bereit sind, in so schwierigen Situationen die Verantwortung zu übernehmen und an der Spitze dieser Regierung, dieser Übergangsregierung, das Land zu führen. Weil sich manche vielleicht wundern – das ist ein technisches Detail –, warum wir hier als Prorednerinnen gemeldet sind: Ich finde, es macht keinen schlanken Fuß, sich gegen eine Übergangsregierung einzumelden, denn wir sind alle, glaube ich, im gleichen Boot. Das ist jetzt eine schwierige Situation, und ich wünsche Ihnen alles Gute für diese Zeit. Es ist eine herausfordernde Zeit, keine Frage.
Ganz persönlich möchte ich mich auch für die Ausführungen, die Sie heute getätigt haben, bedanken. Ich werde versuchen, an der einen oder anderen Stelle darauf Bezug zu nehmen, weil sie mir schon sehr wichtig erscheinen; Sie haben da weit über den heutigen Tag hinaus uns, aber vielleicht auch einer zukünftigen Bundesregierung, vielleicht auch den Kolleginnen und Kollegen der eigenen Fraktion etwas mitgegeben, was ich auch durchaus für wichtig erachte.
Was ist die schwierige Situation, in der wir sind? – Es ist schon sehr viel darüber gesprochen worden: Es ist natürlich auf der einen Seite – ich beginne vielleicht anders – die enorm herausfordernde wirtschaftliche Situation. Wir haben das dritte Jahr Rezession, der Kuchen wird nicht größer, er wird kleiner, wir werden ärmer. Und ja, ich bin davon überzeugt, dass uns Klassenkampf, gerade in so einer Phase, in der viele Menschen mehr oder weniger noch vor Weihnachten ihren Job verloren haben und auch nach wie vor neue Insolvenzmeldungen das Land erreichen, nicht weiterbringt, weil der wirtschaftliche Aufschwung nur gelingt, wenn wir gemeinsam bereit sind, Reformen zu machen. (Beifall bei den NEOS sowie des Abg. Ottenschläger [ÖVP].)
Und ja, die andere Seite der schwierigen Situation, natürlich auch aufgrund der wirtschaftlichen Lage, aber nicht nur, ist die enorm schwierige budgetäre Lage, in der wir uns befinden. Natürlich ist das der Grund gewesen, warum wir es nicht geschafft haben, zu dritt zu einer Einigung zu kommen, und das bedauere ich sehr. Aber ja, ich glaube, dass es notwendig ist, zu sagen: Wir sind für den Scherbenhaufen nicht verantwortlich, aber wir müssen ihn zusammenräumen. (Abg. Maurer [Grüne]: Na ihr seid nur mitverantwortlich!) – Zu der Mitverantwortung komme ich noch.
Faktum ist, dass wir einen Schuldenstand haben und damit ein Budgetloch – das ist immer eine Frage der Definition, aber der Schuldenstand ist über 400 Milliarden Euro hoch. Dieser Schuldenstand ist vom Jahr 2019 bis zum vergangenen Jahr von 280 Milliarden Euro um unglaubliche 120 Milliarden Euro gestiegen. Sie haben es also in dieser Bundesregierung aus ÖVP und Grünen geschafft, innerhalb einer Legislaturperiode ungefähr das mehr auszugeben, was einem gesamten Jahresbudget im Bundeshaushalt entspricht. Das sind enorme Schuldensteigerungen, die Sie da zu verantworten haben. Sie haben Geld ausgegeben, als gäbe es kein Morgen.
Liebe Grüne, ihr habt plakatiert: „Wähl, als gäb’s ein Morgen“. – Beim Geldausgeben habt ihr ganz offensichtlich darauf vergessen, dass es auch eine Verantwortung gegenüber der nächsten Generation gibt. (Beifall bei den NEOS und bei Abgeordneten der FPÖ.)
Diese Staatsschulden machen mehr als 90 000 Euro pro Erwerbstätigen aus, und allein die Zinszahlungen, die dafür 2025 im Voranschlag sind, betragen an die 10 Milliarden Euro – nur Zinsen –, die wir zahlen müssen. Da sind die 6,5 Milliarden Euro, die man jetzt sozusagen an Dämpfung der Neuverschuldung einstellen muss, vergleichsweise gering gegenüber dem, was wir aufgrund dieser Schulden an Zinslast zu zahlen haben.
Ich sage Ihnen offen: Ich habe eine gewisse Emotion in mir, denn die Einzige, die das im Wahlkampf gesagt hat, was da auf Österreich zukommt, dass es ein Sparpaket brauchen wird, war ich; die Einzige, die den Mut anstatt Feigheit und den Weitblick anstatt des kurzfristigen Blicks nur auf dem Wahltag gehabt hat, war ich. Ich habe den Österreicherinnen und Österreichern als Einzige reinen Wein dahin gehend eingeschenkt, dass es so nicht weitergehen kann. (Beifall bei den NEOS.)
Da blicke ich jetzt schon auch in die Reihen der FPÖ und auf Klubobmann Herbert Kickl, der ja schon am Samstag einige rhetorische Verrenkungen vornehmen musste, um seinen Wählerinnen und Wählern zu erklären, dass er seine Versprechen nicht wird halten können. Fünf gute Jahre wird es jetzt nicht geben – und das wissen Sie. Sie haben Wählerinnen und Wählern das Blaue vom Himmel versprochen und wissen ganz genau, dass Sie das nicht halten können, denn jetzt muss man einmal durch das Tal der Tränen. Wir müssen jetzt sanieren, wir müssen reformieren, damit wir überhaupt wieder den Spielraum haben, um zu investieren. (Abg. Schwarz [Grüne]: Ihr dürft kommentieren!)
Und noch ein Wort in Richtung FPÖ, weil Sie sagen, Sie seien ja nicht verantwortlich dafür: Wir haben uns angeschaut, wo, welchen Maßnahmen, die budgetwirksam waren, Sie in der vergangenen Periode zugestimmt haben. Wissen Sie, das ist eine gigantische Liste! Sie waren da überall dabei. Sie haben übrigens noch weitergehende Forderungen gestellt, die wirtschaftspolitisch absolut hirnrissig sind – Helikoptergeld noch obendrauf! Das hat Gott sei Dank keine Mehrheit gefunden.
Ein schneller Blick, eine Recherche bei uns um Klub hat ergeben, dass von diesen über 100 Milliarden Euro mehr Schulden, die gemacht wurden, Sie 73 Milliarden an zusätzlichen Ausgaben auf jeden Fall mitgetragen haben. Also Sie, wie auch die Sozialdemokratie, haben die budgetäre Misere, in der wir jetzt sind, sehr wohl mitzuverantworten. Wir haben uns jahrelang anhören können, warum wir so böse sind, dass wir nicht wie die guten Gutsherren herumgehen und das Geld verteilen, das Geld der Steuerzahlerinnen und Steuerzahler.
Es ist nämlich ganz einfach: Wir sind nach wie vor der Meinung, dass das Geld der Österreicherinnen und Österreicher, das sie verdient haben, eigentlich in deren Börsen und Taschen besser aufgehoben ist, anstatt es ihnen ständig aus der Tasche zu ziehen und nachher zu sagen: Da hast du eine Förderung, da hast du einen Bonus und da hast du einen Gutschein! – Das ist Gutsherrenmentalität. Damit muss Schluss sein. (Beifall bei den NEOS.)
Ich bedauere, dass keine Einigung möglich war. Ich glaube, ein gewisses Bild konnte man sich heute eh machen, warum das nicht möglich war. Ich habe schon gesagt: Klassenkampf, gerade in einer Zeit der Rezession, halte ich für sehr schwierig. Die beste soziale Absicherung für die Menschen ist es, einen Arbeitsplatz zu haben, einen sicheren Arbeitsplatz zu haben. Dafür zu sorgen, das ist jetzt unsere Aufgabe, diesen Plan müssen wir verfolgen, dass wir eben nicht nur sanieren und reformieren, sondern auch die Wirtschaft wieder in Schwung bringen. Ja, wir müssen durch Entlastung und Entbürokratisierung das Wirtschaften ermöglichen, denn wir sollten stolz sein und das Ziel haben, dass Milliardengewinne wieder möglich sind, denn diese Milliardengewinne sichern uns den Wohlstand für alle in unserem Land und sichern uns damit auch den Sozialstaat, das Bildungssystem und eine gute Infrastruktur. (Beifall bei den NEOS und bei Abgeordneten der ÖVP.)
Ich bedauere es wirklich, dass die Sozialdemokratie einen Weg gewählt hat, der weit weg ist von staatspolitischer Verantwortung für den Standort. Ich bedauere das wirklich! Man hat den Mittekurs, aber auch die Menschen in der Mitte für irgendeinen Retrosozialismus-Jusokurs verlassen, der nicht regierungsfähig ist (Abg. Schroll [SPÖ]: Wer ist als Erster aufgestanden?), der in so einer rezessiven Zeit einfach nicht regierungsfähig ist, und das bedaure ich sehr. (Beifall bei den NEOS. – Abg. Greiner [SPÖ]: Als Erster den Verhandlungstisch verlassen und jetzt so zu sprechen ist nicht seriös!)
Was ich allerdings auch bedauere – und ich glaube, das wurde in den letzten Wochen auch sehr klar zum Ausdruck gebracht –, ist, dass diese generelle Erkenntnis, dass wir Reformen brauchen, und zwar dass es nur strukturelle Reformen sein werden, die uns auch wieder nach vorne bringen, sich nicht durchgesetzt hat. Wir als NEOS haben hier einen klaren Plan auf den Tisch gelegt und werden ihn auch weiterverfolgen – diese Reformen sind unbedingt notwendig.
Und ja, mein Kollege Scherak hat in der Debatte vorhin das angesprochen, was uns die Kommission seit Jahren mit auf den Weg gibt – seit Jahren! –: Pensionsreform, gesetzliches Pensionsantrittsalter an die Lebenserwartung anpassen. Das hat die FPÖ am Samstag abmoderiert. Ja wie kurzsichtig ist das denn?
Es gab Situationen in diesen Verhandlungen, da bin ich dagesessen und habe gefragt: Glaubt eigentlich irgendjemand der Menschen, die hier im Raum sitzen, ernsthaft, dass wir in 15 bis 20 Jahren nichts am Pensionsantrittsalter werden ändern müssen? Wissen Sie, jeder, der da drinsitzt, jeder, der ehrlich ist – und Sie schreiben sich ja Ehrlichkeit auf die Fahnen –, weiß doch, dass das nicht so weitergehen kann, dass es ein Verrat an den Jungen ist, ein Verrat an den Erwerbstätigen und auch ein Raub an Chancen für Investitionen in der Zukunft. Jeder, der denken kann, weiß, dass das notwendig ist. Und Sie haben es jetzt schon abmoderiert. Reformen wird es auch in dieser Koalition nicht geben, und das bedauere ich zutiefst. (Beifall bei den NEOS.)
Anderer Bereich: Föderalismusreform – ein Bereich, der mit der ÖVP wieder schwierig war. Wir wissen seit vielen, vielen Jahren, dass der Bund das Geld einnimmt und die Länder es unverantwortlich mit beiden Händen ausgeben. Bei uns in Österreich sind viel zu viele Menschen und Institutionen für etwas zuständig und niemand wirklich verantwortlich. Das ist doch ein Kernproblem.
Sie wissen ganz genau, dass diese 6,3 Milliarden Euro, die nächstes Jahr eingespart werden, erst der Beginn sind. Die harten Brocken kommen danach. Sie haben ja auch der Kommission sieben Jahre gemeldet. Sieben Jahre konsolidieren, die Neuverschuldung in den Griff kriegen bedeutet einmal automatisch, dass man über den nächsten Wahltag, über diese Legislaturperiode hinaus denken muss. Deshalb haben wir immer gesagt, man muss einen Plan vorlegen, der zehn Jahre umfasst, der zeigt, wie wir wirklich bereit sind, das endlich strukturell auf den Weg zu bringen, damit wir diese Effizienzen auch heben können und Einsparungen im System machen können, ohne zu kürzen; denn wenn man in der Frage der Finanzierung des Gesundheitswesens effizienter wird, dann ist das keine Kürzung. Und wenn man das Pensionsantrittsalter an die Lebenserwartung anpasst, dann ist das nur fair den Jungen gegenüber und keine Kürzung.
Was ich sehr hoffe, ist, dass jetzt nicht Versprechen von der ÖVP gebrochen werden. Es ist angesprochen worden: Noch letztes Jahr hat Herr Klubobmann Kickl vom „Swingerklub der Machtlüsternen“, die da irgendwie verhandeln, gesprochen. Machtlüstern sehe ich in letzter Zeit eigentlich immer nur die FPÖ und Herrn Kickl, Swingerklub fand ich als einzige Frau in der Runde als Zuschreibung auch nie besonders prickelnd.
Sie aber haben davor gewarnt, man hat auch an uns die Warnung ausgesprochen, man solle sich nicht mit der ÖVP und der SPÖ ins Bett legen. Da ich gestern gehört habe, dass Sky Shield keine Koalitionsbedingung mehr ist, habe ich – erlauben Sie mir – ein bisschen den Eindruck, dass Sie sich nicht nur mit der ÖVP ins Bett legen, sondern die ÖVP als Bettvorleger vor das Bett legen wollen.
Ich bedauere das sehr, weil ich glaube, dass wir uns angesichts der Zeitenwende, der Bedrohungslage, in der sich Europa aufgrund der Aggression Russlands befindet, und der schwierigen Situation, mit der wir jetzt konfrontiert sind, mit einem Präsidenten Trump – wir können uns nicht mehr auf die USA verlassen –, selbstständig um unsere Sicherheit kümmern müssen. Das ist die oberste Priorität, die wir gegenüber unseren Bürgerinnen und Bürgern haben. Und das bedeutet, dass wir das nur gemeinsam europäisch am besten organisieren können – und müssen. (Beifall bei den NEOS und bei Abgeordneten der Grünen.)
Ich möchte jetzt aber noch einmal auf zwei Dinge zurückkommen, die ich eh schon angesprochen habe: Ein Rasenmäher – und das ist für die Konsolidierung nächstes Jahr offensichtlich Ihr Lieblingsinstrument – ist noch keine strukturelle Reform. Mit einem Rasenmäher über alle Ministerien drüberzugehen ist zwar nie leicht, aber vergleichsweise leicht. Ich habe es schon vorhin gesagt: Wenn Sie wirklich einen Sanierungskurs fahren wollen – und wir haben den Plan auf den Tisch gelegt –, dann muss das eine Perspektive haben, die weit über fünf Jahre hinausgeht, und es muss endlich den Mut und den Weitblick zu strukturellen Reformen beinhalten – anders wird es nicht gehen.
Das bedeutet auch, dass ein wesentlicher Teil davon wird sein müssen, alles dafür zu tun, dass die Wirtschaft wieder in Schwung kommt. Ich halte die Frage der Wettbewerbsfähigkeit Österreichs für das zentralste Thema überhaupt. Ja, das betrifft vieles, bei dem wir in Europa sozusagen ein bisschen im gleichen Boot sitzen. Vieles ist aber auch hausgemacht; ich denke an den Bürokratismus, an die Regulierungswut, an den Arbeitskräftemangel, an die schlechten, also zu schlechten Ergebnisse von Bildungs- und Ausbildungswegen in Österreich. Es ist sehr viel an Hausaufgaben in Österreich zu machen, von einer Bildungsreform bis hin zu einer Bürokratiereform.
Was uns jedenfalls aber nicht helfen wird, ist eine Festung – eine Festung Österreich, wo wir die Zugbrücken hochziehen, wo wir Arbeitskräfte verlieren, wo wir Chancen vernichten und wo wir das, was uns ausmacht, nämlich ein vernetztes Land mit einer offenen Volkswirtschaft, die nicht nur mit ihren europäischen Partnern, sondern weltweit Handel betreibt, zu sein, gefährden.
Ich wage hier die Prognose, dass Sie auch da Gott sei Dank Ihre Wahlversprechen nicht werden halten können, weil es der wirtschaftliche Wahnsinn wäre. (Abg. Kickl [FPÖ]: Völlig anderes Gleis!) Es wäre der direkte Weg in die Armut, und das wissen Sie. Ich kann nur an die ÖVP appellieren, da der FPÖ niemals auch nur 1 Millimeter zu weichen, denn wir brauchen die Arbeitskräfte, wir brauchen die Weltoffenheit, wir brauchen die Vernetzung in Europa und wir brauchen auch die Sicherheit in der Europäischen Union.
Meine Damen und Herren! So sehr ich das bedaure, was nicht gelungen ist, glaube ich, dass es notwendig ist, den Blick nach vorne zu richten. Es ist möglich, aus der Misere herauszukommen, wenn wir unsere Ärmel hochkrempeln. Ja, wir werden uns alle anstrengen müssen, und wir werden das auch immer konstruktiv hier im Parlament machen.
Meine Erfahrung der letzten Wochen hat aber auch eines gezeigt: Wenn Parteien, wenn Systeme – es ist auch angesprochen worden – reformresistenter sind als einzelne Personen, dann müssen wir die Mehrheiten auch außerhalb dieses Hauses suchen. Ich lade daher die Bevölkerung dazu ein, diesen Druck für Reformen in den nächsten Monaten und Jahren aufzubauen, denn wir wissen, wir brauchen eine gute Zukunft, einen Plan, wie wir nicht nur von unserer kulturellen Historie und Geschichte leben können, sondern auch eine Zukunft mit einer freien und offenen Chancengesellschaft, in der Österreich alle Chancen auf Wohlstand für alle hat, schaffen. – Vielen Dank. (Beifall bei den NEOS.)
11.23
Präsident Peter Haubner: Zu einer tatsächlichen Berichtigung hat sich Abgeordneter Christian Oxonitsch zu Wort gemeldet.
Die angezeigte Rede ist noch nicht nach § 52 Abs. 2 GOG-NR autorisiert.