RN/29
11.32
Abgeordneter Mag. Werner Kogler (Grüne): Danke, Herr Präsident! Herr Bundeskanzler! Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte als Erstes bei Ihnen, Herr Bundeskanzler, anschließen – inhaltlich sowieso; danke für die Ausführungen zu Kunst und Kultur und zur Freiheit dort –: Ich möchte auch bestätigen, was in dieser Übergangsphase wichtig ist. Es ist in einer parlamentarischen Demokratie natürlich besonders relevant, dass die Regierung, die Übergangsregierung voll handlungsfähig ist – jedes einzelne Ministerium – und auch der Kontakt zum Bundespräsidenten und zu den Bundesländern zu jeder Minute gewährleistet ist. Ich glaube, das sollte man noch einmal aussprechen und betonen. Das ist, glaube ich, auch unsere Verantwortung, die wir weiterhin wahrnehmen.
Ich möchte am Anfang natürlich auch Karl Nehammer danken. Es war ja generell nicht immer einfach, zu regieren – unsere Parteien sind auch sehr unterschiedlich. Ich danke auch deshalb, weil es in unserer Branche selten, wenn ich so sagen darf, einen so aufrichtigen und ehrlichen – weil das schon so oft genannt wurde – Kollegen gibt; das möchte ich ausdrücklich anerkennen. Er hat Handschlagqualität und sein Wort gilt und hat gegolten. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.)
Apropos Verantwortung und Wort, an die ÖVP: Johannes – Evangelium, nicht Rauch –: Am „Anfang war das Wort“. Ein Versprechen, ein großes, ein wichtiges Versprechen im Wahlkampf, dort, wo das Hochamt der angesprochenen parlamentarischen Demokratie stattfindet, nämlich bei den Wahlen zur Volksvertretung – bei denen die FPÖ gewonnen hat; ich bin nicht angestanden, zu gratulieren, es war halt keine absolute Mehrheit, und diese Volkskanzlerei haben wir eh schon abgehandelt; ich adressiere jetzt andere –: Wenn drei Parteien – da nehme ich uns jetzt einmal heraus – mit dem Versprechen angetreten sind – vielleicht gar nicht nur wegen der Person oder wegen irgendwelcher inhaltlicher Überzeugungen; so etwas soll es ja auch noch geben –, Kickl nicht zum Kanzler zu machen, dann adressiere ich, ohne länger darauf herumzureiten, diese drei Parteien.
Ich finde es richtig, dass es Verhandlungen gegeben hat. Wir haben das auch unterstützt, wir haben auch Zweidrittelmehrheiten angeboten. Ich sage nur: Insgesamt ist diese Abfolge der Ereignisse für mich unfassbar, eigentlich unwürdig und im Ergebnis jedenfalls unverantwortlich, und das haben Sie drei zu verantworten. (Beifall bei den Grünen.)
Ich sage aber dazu: Ich weiß eh, dass das nicht einfach ist. Das haben wir ja selber auch gehabt. Glauben Sie, es war 2019/2020 immer einfach – mit unseren Unterschieden –, zu verhandeln? Aber dass man das nicht hinkriegt, finde ich im Ergebnis verantwortungslos (Beifall bei den Grünen) – genau in dieser Zeit, in der wir leben; der Bundeskanzler hat es ja beschrieben. Meines Erachtens hätte es anders gehen können.
Ich kann mich auch nicht unmittelbar an den wechselseitigen Aufarbeitungen oder Schuldzuweisungen beteiligen. So etwas ist nachher logisch, das ist wie ein aus dem Ruder gelaufenes Klassentreffen. Das war ja heute erwartbar – ich will da gar nicht hämisch sein.
Ich will etwas anderes sagen, nämlich das, was Bürgermeister Ludwig sagt: Es ist nie zu spät zur Umkehr. Sie sollten sich wieder zusammentun und wieder verhandeln – wir werden unser Angebot auch erneuern –, wenn alles wahr ist, was Sie vorher im Wahlkampf gesagt haben, denn das, was im Ergebnis vorliegt, ist die größte Wähler:innentäuschung der Zweiten Republik; das ist gewiss. (Beifall bei den Grünen.) Deshalb müssen, glaube ich, die Verantwortungsvollen so agieren.
Wir können uns jetzt eh nicht einmischen, der Regierungsbildungsauftrag liegt vor. Das ist eine logische Abfolge der Ereignisse, das ist richtig, aber es kann natürlich auch sein, dass es bei diesen Verhandlungen zu keinem konsensualen Ende kommt. Warum? – Jetzt gehe ich noch einmal auf das ein, was Beate Meinl-Reisinger gesagt hat, was der Herr Bundeskanzler gesagt hat. In dieser Zeit, in der – am Montag – Präsident Trump vereidigt wurde, der sich anschickt, ungeniert – ich greife nur eines heraus – Grönland einzukassieren, mit Androhung von möglicher Gewalt, ein Gebiet, das eigentlich über Dänemark der Europäischen Union zuzuordnen ist: Ja wo steht denn da noch der nordatlantische Pakt und was heißt das alles für Europa und Österreich und für unsere Sicherheit? Das ist doch völlig irre, nebst dem, dass er das machen will, weil er ja quasi alles ausbuddeln will, was dort drinnen ist, und die Lebensbedingungen für künftige Generationen gleich auch noch mitruinieren will; das sehen wir ja auch sonst.
In einer solchen Zeit jemanden oder eine Partei, die offen europafeindlich und Putin-freundlich ist, in die Regierung oder ins Kanzleramt zu holen: Ja geht sich das noch aus?! (Beifall bei den Grünen.) Beantworten Sie das einmal! Und wer garantiert Ihnen, was dort passiert? Der Herr Bundespräsident wird hoffentlich gegebenenfalls darauf schauen. (Abg. Hafenecker [FPÖ]: Geh Werner, geh heim!) Einmal aber dort, und zwar am Verhandlungstisch der Regierungschefs in Brüssel, haben Sie keine Handhabe mehr.
Sie regen sich darüber auf, wenn wir – ich sage bewusst wir und nicht eine einzelne Ministerin – dort Naturschutzgesetze machen, die für ganz Europa von Bedeutung sind, wenn wir in Einheit mit Deutschland, mit Frankreich, mit den wichtigen europäischen Ländern und gegen Ungarn für die europäische Natur stimmen. Da können Sie sich aufregen. Jetzt aber schauen wir uns an, wie Sie es in dieser Zeit handhaben, wenn gegebenenfalls ein Kanzler Kickl – alles korrekt zustande gekommen, ja; nur damit wir wissen, worauf wir uns einlassen – dort zu agieren beginnt, in Tateinheit mit Orbán, mit Fico und wer weiß, mit wem noch. Das kann genau der Tropfen sein, der das Fass zum Überlaufen bringt. (Beifall bei den Grünen.)
Deshalb ist es nicht wurscht, was in Österreich passiert, denn es hat wieder europäische Bedeutung. Ich möchte diese Verantwortung anmahnen, genauso wie Bürgermeister Ludwig.
Und in der Sache selber: Es ist eh alles schwierig, stimmt eh, aber dieses Land hat schon viel schwierigere Zeiten erlebt! Ich spreche ja gar nicht von der Zeit von 1945 bis zehn, 20 Jahre danach, sondern ich spreche jetzt von der Zeit, als ich selbst schon als Abgeordneter hier im Haus war. Wir reden ja so viel von Wirtschaft, Finanzen und Budget, und zwar zu Recht, denn es ist schwierig. Erinnern wir uns aber an 2008, 2009: Die Einschläge der globalen Finanzkrise waren mindestens so arg wie das, was jetzt ist, jedenfalls in der budgetären Auswirkung viel ärger, behaupte ich. Mit ein bisschen Vernunft, Mut und Zuversicht muss das doch hinzukriegen sein!
Wären nicht gerade Wahlen gewesen, hätte sich auch Türkis-Grün an die Sanierung nach den Krisenjahren machen müssen, na selbstverständlich, ist doch völlig logisch! Geht deshalb die Welt unter? – Nein. Schauen Sie einmal nach, wie hoch damals die Schuldenquote war: 85 Prozent der Wirtschaftsleistung – da würden wir jetzt wieder hinkommen, wenn wir nichts tun würden, aber ich plädiere ja dafür, dass wir etwas tun, selbstverständlich, und da gehört dann auch sinnvolles Sparen dazu –, und das hat genau sieben Jahre gedauert, dann waren wir wieder bei einem Wert unter 80 Prozent.
Jetzt geht es ebenfalls um sieben Jahre – das halte ich für vernünftig. Über Details will ich jetzt nicht reden, dazu reicht ja die Zeit gar nicht. Das ist also zu tun: sinnvoll zu sparen versus eher unelegant, unintelligent zu kürzen. Das ist schon ein Thema, finde ich, denn was sich da abspielt, ist ja zum potenziellen Schaden der Wirtschaft. Wenn wir so schnell aus diesen Fördersystematiken aussteigen, wie es zumindest kolportiert wird, dann passiert das, was die Wirtschaftskammer jetzt sagt – die Wirtschaftskammer, das wird ja immer lustiger! –: Um Gottes willen, jetzt haben die ganzen vielen Gewerbebetriebe und so weiter und so fort bis hin zur Industrie womöglich einen riesigen Schaden durch dieses ständige hü und hott und hü und hott Sagen!
Man kann alle Instrumente und Maßnahmen – dazu gehören auch Förderungen – adaptieren. Da bin ich im Übrigen selbst dafür, man kann sie immer noch treffsicherer gestalten und so weiter. Das jedoch einfach infrage zu stellen und abzuschaffen und hü und hott zu sagen, schadet in erster Linie der Wirtschaft, der Wertschöpfung und den Arbeitsplätzen, und zwar solchen Arbeitsplätzen, die zukunftsfit sind und nicht in der Vergangenheit angesiedelt sind. Das ist doch das, worum es geht. (Beifall bei den Grünen.)
Was ich bei der Notwendigkeit des Sparens nicht verstehe: Warum gehen wir nicht her und machen etwas bei den sogenannten klimaschädlichen und umweltschädlichen Subventionen? Nicht dass ich der Meinung des Wirtschaftsforschungsinstituts wäre und sagen würde, man könnte da überall etwas machen, wo das draufsteht – da kämen wir auf fünf, sechs, sieben Milliarden Euro, das ist eine Berechnungsfrage –, aber es gibt dort schon ein Viertel bis ein Drittel, bei dem man relativ rasch ansetzen kann, und das ist viel Geld – das ist viel Geld!
Und wieso muss ein Dieselprivileg aufrechterhalten werden? Um in der Sprache der Freiheitlichen zu sprechen, damit sie heute nicht ganz unerwähnt bleiben: Wieso finanzieren wir mit österreichischen Steuermilliarden ausländischen Transitverkehr durch Österreich, durch unsere Heimat, wodurch Abgase und Lärm erzeugt werden, nur weil wir nicht bereit sind, auf dieses Privileg und ein paar andere zu verzichten? Gleichzeitig würden wir der Umwelt etwas Gutes tun.
Aber nein, wir müssen bei jenen Dingen hineinschneiden, die der Umwelt helfen, und am Schluss kommen dann die Strafzahlungen. Das halte ich für echt unökonomisch – von ökologisch rede ich gar nicht. So könnte man das durchdeklinieren. (Beifall bei den Grünen. – Abg. Hafenecker [FPÖ]: Red noch ein bisschen weiter, dann können die anderen dann nicht mehr!)
Ich möchte es noch einmal sagen: Ja, wir würden auch Reformen brauchen. Wir haben es da einmal durchexerziert. Wir bräuchten langfristig auch die Bundesländer, das muss sein, völlig richtig. Noch einmal: Das sind alles Zweidrittelmaterien. Wir sind bereit für solche Gespräche. Überlegen Sie sich das gut!
Nur eines will ich nicht erleben: dass nachher dann in diesem Haus von allen vier Fraktionen – ich weiß nicht, wo ich die FPÖ hintun soll, wenn dann wieder irgendetwas schiefgeht – gesudert wird, dass da etwas schiefgegangen ist, weil wir in diesen Wochen und Tagen versagt haben – einige von uns zumindest – und diese Regierungskonstellation wirklich eintritt. (Abg. Martin Graf [FPÖ]: Wir sudern nie!)
Aber ich bin ja immer zuversichtlich. Es sind zwar fast alle Versprechen gebrochen, aber das letzte Wort ist noch nicht gesprochen. (Beifall bei den Grünen.)
11.44
Präsident Peter Haubner: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Michaela Schmidt.
Die angezeigte Rede ist noch nicht nach § 52 Abs. 2 GOG-NR autorisiert.