RN/17
10.20
Abgeordneter Veit Valentin Dengler (NEOS): Herr Präsident! Herr Bundeskanzler! Liebe Mitbürgerinnen und Mitbürger! Frieden zu stiften ist ein edles Geschäft: Man beendet den Massenmord, man beendet das sinnlose Zerstören, man eröffnet die Aussicht auf Wohlstand. Allerdings ist Frieden zu stiften auch ein schwieriges Geschäft, ein mühsames Geschäft, und unter den Friedensstiftern gibt es, so wie überall sonst auch, viele Stümper, deren Bemühungen unter die Kategorie gemeingefährlich fallen. (Beifall bei den NEOS sowie des Abg. Michael Hammer [ÖVP].)
Sie wissen natürlich, wen ich meine: den britischen Premierminister Neville Chamberlaine, der 1938 den „Frieden für unsere Zeit“ mit dem deutschen Führer schloss, „Peace for our time“ – ein Frieden, der wenig später in den ewigen Frieden für 60 Millionen Menschen mündete, auf dem Friedhof; übrigens auch fast für meinen Großvater, er war Gestapo-Häftling und in diesem Hohen Haus, und für meinen Vater, der in den letzten Kriegstagen schwer verwundet wurde, auch er war da fast dabei.
Der Schock über dieses Morden saß so tief, dass Europa friedliebend geworden ist. Das sieht man auch heute in dieser Diskussion und daran, dass die EU, die Europäische Union, das größte Friedensprojekt der Geschichte ist. Wir waren so friedliebend, dass wir uns darauf verlassen haben, dass andere uns beschützen werden, nämlich dass uns die USA beschützen werden. Die haben das auch getan, 70 Jahre lang, aber nun leben wir in einer anderen Welt. Sehr plötzlich, innerhalb kurzer Zeit muss Europa jetzt wieder sehr rasch Realpolitik lernen – eine Welt, in der die Mächte beinhart ihre eigenen Interessen vertreten und in der Krieg jetzt wieder die Verlängerung der Politik mit anderen Mitteln ist.
Die USA verhandeln gerade einen großen Deal: die Ausweitung der Abraham Accords für den Nahen Osten. Als Teil dieses Deals wird wahrscheinlich Russland auch seine Stützpunkte in Syrien behalten können. Gleichzeitig, parallel verhandeln Russland und die USA über den Frieden für die Ukraine – ohne Ukrainer, ohne Europäer. (Abg. Belakowitsch [FPÖ]: Ja! Wir haben …! – Abg. Fürst [FPÖ]: Ja!) – Ja, aber wissen Sie, was das heißt? Das ist dann ein Frieden, der vielleicht nur eine Pause ist (Abg. Fürst [FPÖ]: Ja, aber es ist die Realität!), der dann vielleicht relativ schnell in die Aggression von Russland umgewandelt wird, weil er belohnt worden ist.
Europa ist nämlich in dieser Welt nicht neutral, Europa ist in dieser Welt ein Spielball, ein Angriffsziel. Und wir, als Teil von Europa, in der Mitte von Europa (Abg. Belakowitsch [FPÖ]: Seit drei Jahren nicht!), sind auch ein Spielball, sind auch ein Angriffsziel und können nicht neutral sein. Die österreichische Neutralität ist obsolet. Sie ist vorbei. Wir müssen uns verteidigen können und wir werden auch den Beistand von anderen Ländern brauchen.
Übrigens, wir kommen vielleicht schon bald in die Situation, dass wir auch gemäß unserer verfassungsrechtlichen Pflichten Beistand leisten müssen. Wir sind nämlich nach den europäischen Verträgen beistandsverpflichtet. Ja, wir dürfen uns aussuchen, dass wir das nicht militärisch machen, aber wir sind dazu verpflichtet. Wir sind nicht neutral. (Abg. Belakowitsch [FPÖ]: O ja, wir sind schon neutral!)
Was jetzt aber das große Problem ist, Herr Bundeskanzler: Das Völkerrecht sichert den Frieden nicht. Verträge und Konferenzen sichern den Frieden nicht mehr. Abschreckung sichert den Frieden. (Ruf bei der FPÖ: Um Himmels willen!) Wenn jemand es nicht wagt, uns anzugreifen, dann leben wir sicher. Wir sind nicht schwach, haben Sie gesagt, Herr Bundeskanzler, aber wir sind auch nicht stark. Peace through strength hieß das in den 1980er-Jahren. Das war das Rezept, mit dem wir den Kalten Krieg beendet und 30 Jahre Frieden eingeleitet haben. Peace through strength heißt Friede durch Stärke! Je eher wir das in diesem Hohen Haus lernen, je eher wir das lernen, desto eher wird Österreich seinen Beitrag leisten, dass wir Europäer uns selber schützen und in Frieden leben. (Beifall bei den NEOS.)
10.24
Präsident Dr. Walter Rosenkranz: Als Nächste zu Wort gemeldet: Frau Abgeordnete Disoski.
Die angezeigte Rede ist noch nicht nach § 52 Abs. 2 GOG-NR autorisiert.