RN/20
10.31
Abgeordneter Mag. Dr. Wolfgang Hattmannsdorfer (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Geschätzter Herr Bundeskanzler – er ist nicht mehr da! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen aus dem Europäischen Parlament! Liebe Zuseherinnen und Zuseher auf der Galerie! Ich war vor zwei Wochen auf Besuch im BMW-Motorenwerk in Steyr. Wenn man da durch die Produktion geht, dann wird einem klar, wozu Österreich alles imstande ist. Man ist richtig stolz auf dieses Land, in dem man leben darf. Dieses Werk, dieses BMW-Motorenwerk in Steyr, steht für mich stellvertretend für die Innovationskraft unseres Landes, vor allem aber auch für die tolle Qualifikation und die tolle Leistung unserer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter.
Ich weiß nicht, ob das hier herinnen im Saal allen bewusst ist, wofür dieses Motorenwerk im BMW-Konzern steht: Es arbeiten dort rund 5 000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, alle 12 Sekunden läuft ein BMW-Motor vom Band (Abg. Kassegger [FPÖ]: Ein Elektromotor!), und BMW produziert dort – in Österreich, in Steyr! – jeden zweiten Motor weltweit.
Worauf wir besonders stolz sein können, ist, dass seit diesem Jahr auch die neueste Technologie der E-Antriebe an diesem Standort in Österreich produziert wird, und das Ganze unter CO2-neutralem Energiebezug. Neben der Produktion gibt es auch einen eigenen Forschungsstandort. BMW hat nur ganz, ganz wenige Standorte, die sich nicht in Deutschland befinden. Das ist für mich ein Sinnbild für den Industrie- und Wirtschaftsstandort Österreich, und das zeigt auch ganz klar, dass es solche Betriebe sind, die ausschließlich dafür verantwortlich sind, dass es bei uns in Österreich Wohlstand gibt, dass es Jobs gibt, dass die Leute auch ein Einkommen für ein gutes Leben erwirtschaften können und dass wir es als Österreich auch geschafft haben, uns mit einer ganz klaren internationalen Ausrichtung, mit einer ganz klaren proeuropäischen Ausrichtung weltweit zu behaupten. (Beifall bei der ÖVP.)
Sehr geehrte Damen und Herren, mir haben die Manager von BMW in Steyr auch ganz offen und unverblümt gesagt, dass es keine Selbstverständlichkeit ist, dass dieses BMW-Motorenwerk zwingend in Österreich sein muss, dass in Zukunft auch Entscheidungen getroffen werden müssen, um den Standort, den Wirtschaftsstandort Österreich zu stärken. Warum? – Weil wir in Österreich massiv unter Druck geraten sind, was die Wettbewerbsfähigkeit betrifft – Lohnstückkosten, Arbeitskosten, Energie, Bürokratie, Schnelligkeit und Tempo –, weil es immer schwieriger wird, unsere Produkte weltweit zu verkaufen, weil es immer schwieriger wird, Investitionsentscheidungen auch für Österreich zu bekommen. Und die matchentscheidende Frage für uns als Republik ist: Schaffen wir es, dass wir unsere Produkte international verkaufen? Schaffen wir es, dass Investitionen auch nach Österreich kommen?
Wir brauchen uns ja nur umzuschauen, in welcher geopolitischen Auseinandersetzung wir uns nach Handelskriegen zwischen China und den USA befinden, durch die Europa immer mehr aufgerieben wird, und damit auch das kleine feine Österreich. (Abg. Kassegger [FPÖ]: Wer ist denn dafür verantwortlich?) Der US-Präsident wirft mit Zöllen um sich, fährt eine noch nie dagewesene Amerika-first-Strategie, und so befremdlich das wirkt und so skurril das Auftreten des US-Präsidenten auch auf mich wirkt, muss man eines anerkennen: diesen bedingungslosen Fokus auf den Erfolg und auf den Fortschritt im eigenen Land. Genau diese Wiedererstarkung der Wettbewerbsfähigkeit, die Absicherung des Wohlstands muss auch für uns oberste Priorität sein, muss auch für uns oberste Prämisse sein, aber nicht im Sinne einer Austria-alone-Taktik, sondern im Sinne einer starken Rolle Österreichs in einem starken Wirtschaftsstandort Europa, in einer starken Europäischen Union. (Beifall bei der ÖVP.)
Bei uns in Österreich hängt jeder zweite Job am Export – ohne Export keine Jobs, ohne Export kein Wohlstand, ohne Export kein Geld für unsere Familien. Der Außenhandel ist die Lebensader der österreichischen Wirtschaft und auch unseres Zusammenlebens. 6 von 10 Euro verdienen wir im Ausland. Gerade in Zeiten globaler Krisen kann es nur eine Strategie geben, und zwar uns nicht in ein Schneckenhaus zurückzuziehen, sondern im Gegenteil: Wir müssen uns aktiv einbringen, auch für eine Kurskorrektur, auch für eine Reform auf europäischer Ebene. (Abg. Belakowitsch [FPÖ]: Wirklich?)
Die EU-Kommission hat ja vor wenigen Wochen ein Arbeitsprogramm unter dem Titel „A Bolder, Simpler, and Faster Union“ präsentiert, also eine mutigere, eine einfachere und eine schnellere Union. Das, glaube ich, ist für uns die entscheidende Frage betreffend Wettbewerbsfähigkeit, und vor allem auch, wenn es darum geht, Bürokratie abzubauen. (Abg. Kassegger [FPÖ]: Beim Lieferkettengesetz!) Ich halte es für ganz, ganz entscheidend, dass wir in Europa uns wieder auf die großen zentralen Fragen konzentrieren, um uns geopolitisch, um uns wirtschaftspolitisch auch behaupten zu können, denn es kann nicht sein, dass, während bei uns Jobs und Betriebe wackeln, wir uns in Europa mit Gold-Plating beschäftigen, wir uns in Europa mit der Entwaldungsverordnung beschäftigen. Damit muss Schluss sein! Es muss wieder um die matchentscheidenden Fragen gehen. (Beifall bei der ÖVP.)
Ich brauche nur ein Thema anzusprechen: das Thema Bürokratieflut, das uns die Luft zum Atmen raubt. Ich nenne Ihnen drei Beispiele aus der Praxis: Ein oberösterreichisches Industrieunternehmen braucht sage und schreibe 70 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter für die Erstellung des Nachhaltigkeitsberichtes. Wenn ein österreichischer Betrieb einen Mitarbeiter ins Ausland entsenden will, gibt es 27 unterschiedliche Formulare. Eine Umweltverträglichkeitsprüfung dauert bei uns im Schnitt zwei Jahre, obwohl eigentlich gesetzlich neun Monate vorgeschrieben werden. Das heißt, die Bürokratie - - (Abg. Hafenecker [FPÖ]: Das habt aber schon ihr mit den Grünen beschlossen! Fünf Jahre Schwarz-Grün! – Weitere Zwischenrufe bei der FPÖ.) – Ich weiß nicht, warum es im FPÖ-Klub jetzt diese Aufregung gibt.
Die überbordende Bürokratie ist nicht nur ein Thema, das alleine Europa betrifft. (Abg. Hafenecker [FPÖ]: Besprich das mit der Frau Gewessler!) Auch wir in Österreich müssen uns an der Nase nehmen, wir müssen vor der eigenen Türe kehren. Deswegen erwarte ich mir von der nächsten Bundesregierung, dass es ein ganz klares Bekenntnis dazu gibt, dass wir das Bürokratiemonster nicht mehr weiter füttern (Abg. Hafenecker [FPÖ]: Das haben Sie erfunden! – Abg. Belakowitsch [FPÖ]: Die leben ja davon!), sondern dass wir es bekämpfen: dass es eine eigene Sonderkommission für den Bürokratieabbau gibt, dass es einen eigenen Sonderbeauftragten gibt (Abg. Belakowitsch [FPÖ]: … einen neuen Beauftragten, einen Sonderbeauftragten!), der nichts anderes tut, als weg mit Regeln, Regularien in Gesetzen, in Verordnungen, dass es einen schlanken Staat gibt (Ruf bei der FPÖ: Fangts einmal bei den Kammern an! – Abg. Belakowitsch [FPÖ]: Nicht noch einen Sonderbeauftragten!), statt Überregulierungen, also weniger Regeln, mehr Freiraum für Betriebe, und dass wir vor allem Schluss mit Gold-Plating machen und dass es keine österreichische Übererfüllung von EU-Vorgaben gibt. Das würde ich mir als zentralen Punkt der Europapolitik erwarten und das muss auch der Einsatz unserer Republik in Europa sein.
Die Schlüsselfrage für uns ist: Wie schaffen wir ein Comeback von Leistung und Wettbewerb, um Jobs zu sichern, um Betriebe zu sichern? (Abg. Hafenecker [FPÖ]: Mit dem Herrn Babler! – Abg. Kassegger [FPÖ]: Mit Babler und der SPÖ! – Abg. Hafenecker [FPÖ]: Da drüben sitzt der Messias!) – Herr Hafenecker, ich verstehe diese Aufregung überhaupt nicht! (Abg. Belakowitsch [FPÖ]: Das ist keine Aufregung ..., Unterhaltungswert! – Weitere Zwischenrufe bei der FPÖ.) Ich glaube, das wäre eine solide und ordentliche Europapolitik. Das bringt tausendmal mehr, als irgendwelche Europafahnen abzuhängen, denn das macht Österreich nicht stärker. Österreich ist dann stärker, wenn wir uns aktiv in Europa einbringen – nicht, wenn wir uns abschotten, nicht, wenn wir uns zurückziehen (Abg. Kassegger [FPÖ]: ... verlässlich sein! – Abg. Belakowitsch [FPÖ]: … da muss man verlässlich sein in Europa!), sondern wenn wir uns ganz klar proeuropäisch bekennen, in Europa Europa gestalten und weiterentwickeln und nicht irgendeinen Billigpopulismus mit dem Abhängen von Europafahnen, Englischverboten in Diplomarbeiten oder was auch immer betreiben. Das wäre die matchentscheidende Frage.
Ich verstehe die Aufregung der freiheitlichen Fraktion überhaupt nicht (Zwischenruf des Abg. Hafenecker [FPÖ] – Abg. Kassegger [FPÖ]: Wir sind amüsiert! – Abg. Belakowitsch [FPÖ]: Wer ist denn jetzt aufgeregt?), denn ich hatte eigentlich den Eindruck, Kollege Kassegger (Abg. Kassegger [FPÖ]: Ich bin nicht aufgeregt, ich bin amüsiert!)– na, jetzt sei vorsichtig mit dem, was du hereinrufst! –, ich hatte eigentlich den Eindruck bei unseren Gesprächen, dass du uns in vielen Punkten, die wir als Volkspartei hier fordern (Abg. Hafenecker [FPÖ]: Ich habe den Eindruck gehabt, ihr wart nicht ehrlich!), recht gibst und gerne hättest, dass das auch so wird. Aber leider war es nicht möglich. Ihr hättet die Chance gehabt! Ihr hättet die Chance gehabt! (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Belakowitsch [FPÖ]: Ah geh, ihr wolltet ja gar nicht! – Ruf bei der FPÖ: Ich werde es dir erklären! – Weitere Zwischenrufe bei der FPÖ.)
Ihr habt diese Chance nicht genutzt. Ihr hättet die Möglichkeit gehabt, eine ordentliche Standortpolitik zu machen. Ihr hättet die Möglichkeit gehabt, Betriebe und Jobs zu sichern. (Zwischenruf des Abg. Ragger [FPÖ].) Ihr habt die Chance nicht genutzt. Euch waren die Jobs egal, euch waren die Betriebe egal, euch war die europäische Ausrichtung egal. (Weitere Zwischenrufe bei der FPÖ.) Es ist so, wie es ist, und ich bitte die Freiheitliche Partei, das auch zur Kenntnis zu nehmen. (Beifall bei der ÖVP.)
Sehr geehrte Damen und Herren, anstatt jetzt aufgeregt zu sein, sollten wir uns lieber miteinander überlegen, auch in der Rolle von Regierung und Opposition, wo wir gemeinsame Schnittmengen finden (Abg. Belakowitsch [FPÖ]: Schwierig!), wo es möglich ist, auch miteinander Initiativen - - Was heißt schwierig? Frau Belakowitsch, ich weiß nicht, was daran schwierig ist. Wir haben ja das Protokoll unserer Gespräche, und wir werden euch daran messen, ob ihr bei den Punkten, dort, wo es darum gegangen ist, selbst in die Regierung zu kommen, dann, wenn ihr in Opposition seid, auch bereit seid, Verantwortung zu übernehmen (Abg. Ragger [FPÖ]: Ja, genau!) und das auch mit einer neuen Bundesregierung zu beschließen.
Sehr geehrte Damen und Herren, es gilt für Europa, es gilt für Österreich, es gilt für dieses Hohe Haus das Gleiche wie für jeden daheim: Es gibt immer was zu tun! Ich bitte Sie um Ihre Unterstützung. (Beifall bei der ÖVP.)
10.41
Präsident Dr. Walter Rosenkranz: Für eine einleitende Stellungnahme zu Wort gemeldet hat sich der Herr Bundesminister für Arbeit und Wirtschaft Martin Kocher. Seine Redezeit soll 10 Minuten nicht überschreiten.
Die angezeigte Rede ist noch nicht nach § 52 Abs. 2 GOG-NR autorisiert.