RN/58
16.18
Abgeordneter Mag. Yannick Shetty (NEOS): Vielen Dank, Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Minister! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Zuseherinnen und Zuseher! Dieser islamistische Terroranschlag in Villach hat uns alle erschüttert; ich glaube, das haben wir hier gemeinsam. Ich glaube, auch gemein ist uns, dass unser aller Mitgefühl den Opfern und ihren Angehörigen gilt. Es ist für keinen von uns hier vorstellbar, welchen Schmerz sie durchmachen müssen.
Nach jedem dieser grausamen Angriffe, sei es in Österreich, in Deutschland oder sonst wo, folgt – so empfinde ich das zumindest – dasselbe politische Ritual: Ansagen, Phrasen, Floskeln. (Abg. Hafenecker [FPÖ]: Demo gegen Rechts! – Abg. Lausch [FPÖ]: Demo gegen Rechts!) Und dann, so ist das Empfinden: Nichts passiert, keine Taten. Die einen, laut, empört, fast schon hysterisch, schlagen politisches Kapital aus den Wunden der Opfer. Ich sage Ihnen ganz ehrlich: Das ist letztklassig! (Beifall bei den NEOS und bei Abgeordneten der ÖVP.) Bei den anderen hat man häufig das Gefühl: beschämt, erstarrt, eine gewisse Hilflosigkeit.
Die Menschen erwarten von der Politik aber weder das eine noch das andere: weder auf dem Boden des Leids für die eigene Partei Profit zu machen noch auszustrahlen, dass man komplett handlungsfähig ist. Die Menschen erwarten eines, nämlich Antworten auf die ganz berechtigten Sorgen, die sie haben, auf die Probleme, die bestehen.
Ich möchte Ihnen heute für meine Fraktion unsere Antworten darauf geben. Bevor wir das tun, bevor wir über Villach und diesen Fall reden, sollten wir, glaube ich, zwischen dieser einen bestialischen Tat, zu der heute schon viel gesagt wurde, und andererseits den gesellschaftlichen Zusammenhängen, die damit natürlich zu tun haben, unterscheiden. Wir sollten das nicht vermischen.
Zuerst zur Tat: Es war – das haben wir heute schon gehört – ein 24-jähriger Mann, der den Anschlag in Villach getätigt hat, ein Syrer, der schrecklichste Gewalt verübt hat, obwohl gerade er es war, der bei uns Schutz bekam, weil er aus Syrien vor Gewalt geflüchtet ist. Ich sage Ihnen klar: Kein Österreicher, keine Österreicherin hat Verständnis für diesen krassen Widerspruch.
Dieser junge Mann wurde zum Islamisten, doch nicht weil er jahrelang in Moscheen zum Fanatiker wurde (Abg. Belakowitsch [FPÖ]: Woher wissen Sie das?), nein, sondern weil ihn religiöse Hassprediger innerhalb von Wochen auf Tiktok zu einem tödlichen Islamisten turboradikalisiert haben. (Abg. Kogler [Grüne]: So ist es! – Abg. Belakowitsch [FPÖ]: Woher wissen Sie das?) Er hat keine Mittäter und keine Mittelsmänner gehabt (Abg. Belakowitsch [FPÖ]: Woher wissen Sie das?), er hat seine Tat nicht über Whatsapp geplant.
Lassen Sie mich deswegen schon auch klar und deutlich sagen: Gerade dieser Fall zeigt, die Rufe nach einer anlasslosen Massenüberwachung aller unbescholtenen Staatsbürgerinnen und Staatsbürger sind verfehlt – ich finde sie sogar ziemlich hohl –, das hätte nämlich in diesem Fall gar nichts verändert.
Was ist denn ganz konkret zu tun – wenn wir uns diesen Fall anschauen? Ich möchte es konkret machen, weil wir über Taten reden müssen: Wir müssen die Zügel für Tiktok und Co straffen. Wir müssen drastische Maßnahmen umsetzen, beispielsweise dass die EU-Kommission mittels einstweiliger Verfügung, also mittels eines Sperrbefehls, direkt gegen Hasspredigerkonten auf den Social-Media-Accounts – auch gegen den Willen der Konzerne – durchgreifen kann. Wenn die nicht kooperieren, dann haben drakonische Strafen in Milliardenhöhe so wie auch im Wettbewerbsrecht zu erfolgen. (Beifall bei den NEOS und bei Abgeordneten der Grünen. – Abg. Kogler [Grüne]: Richtig!)
So viel zur Tat in Villach, nun aber zu den gesellschaftlichen Zusammenhängen, die ich angesprochen habe: Die einen sagen jetzt: Alle Syrer und alle Afghanen sind das Problem! Die müssen alle weg! – Das haben Sie (in Richtung FPÖ) heute gesagt. Remigration und Massendeportation, das sind Ihre Schlagworte. Das ist ja schon deshalb verrückt, weil just jener Held in Villach, der noch mehr Tote verhindert hat, selbst Syrer ist. Das verstehen Sie aber anscheinend nicht. (Beifall bei den NEOS.)
Die anderen sagen: Das hat überhaupt nichts mit dem Islamismus zu tun! Das hat überhaupt nichts mit kulturellen Unterschieden zu tun! Es hat auch überhaupt nichts mit Zuwanderung zu tun! – Auch diese Realitätsverweigerung haben die Menschen satt, und ich auch.
Deswegen braucht es einen Realitätssinn für die Probleme, aber eben auch Konsequenz bei den Lösungen, und deswegen, ja, bin ich auch überzeugt, dass es einen scharfen Kurswechsel bei der Asyl- und Migrationspolitik braucht. Die Migrationspolitik braucht mehr Ordnung und Kontrolle, und ich möchte Ihnen fünf Punkte nennen, wie wir darauf schauen.
Erstens: Wir müssen dafür sorgen, dass möglichst viele Verfahren an den Außengrenzen abgewickelt werden, so wie es auch der EU-Asyl- und Migrationspakt vorsieht: rascher Schutz für jene, die in echter Not sind, für alle anderen negativer Asylbescheid und sofortige Abschiebung.
Zweitens: Menschen, die Schutz bekommen und nachher schwere Straftaten verüben, müssen abgeschoben werden, und zwar nicht irgendwann, sondern sofort. Und ja, das gilt auch für Syrien und Afghanistan. (Abg. Belakowitsch [FPÖ]: Was sagt die SPÖ dazu?)
Drittens: Gegen Länder, die keine Rückführungsabkommen mit Europa abschließen, brauchen wir endlich eine härtere Gangart – Gelder streichen, Sanktionen und Strafen. Wir bürgen sicher nicht mehr für jene Staaten, die sich weigern, ihre Staatsbürger zurückzunehmen.
Viertens – und da unterscheiden wir uns schon fundamental von Ihnen, weil Sie (in Richtung FPÖ) das Gegenteil wollen –: Integration ab Tag eins für alle, die da sind! Werte, Sprache, Orientierung, Arbeitsmarktmaßnahmen, auch ein verpflichtendes Integrationsprogramm ab Tag eins für jeden – das ist unser Versprechen. Wir steigern die Ressourcen für Integration, aber wir verlangen auch mehr ab. Und ja, wer sich daran nicht aktiv beteiligt, der hat seinen Anspruch auf Schutz verwirkt.
Fünftens noch eine grundsätzliche Aussage, auch wenn das manche hier vielleicht nicht hören wollen: Künftig – und das kann man nur so sehen, wenn man will, dass es funktioniert – darf es Migration in Österreich nur mehr in dem Rahmen geben, in dem Integration auch möglich ist. Ich bin ganz ehrlich: Bei Schulen, Sozialsystem, Behörden ist diese Grenze in Österreich überschritten.
All jene, die sich daran aktiv beteiligen wollen, konstruktiv beteiligen wollen, sollten über ihren Schatten springen und – egal wer in Regierung und wer in Opposition ist – daran arbeiten, dass wir diese Themen gemeinsam angehen: die Dinge beim Namen zu nennen, nicht wegzuschauen, Probleme zu lösen, sie nicht größer zu machen.
Abschließend ein Appell – da nehme ich Sie (in Richtung FPÖ) jetzt aus, weil ich glaube, Sie zählen sich selbst nicht dazu – an uns alle anderen Fraktionen: Entweder wir, die politische Mitte, schaffen diese Probleme ab, oder diese Probleme schaffen die politische Mitte ab. Wir haben es in der Hand. (Beifall bei den NEOS.)
16.26
Präsident Dr. Walter Rosenkranz: Nächster Redebeitrag: Frau Abgeordnete Zadić. Eingestellte Redezeit: 7 Minuten.