RN/65

16.53

Abgeordneter Süleyman Zorba (Grüne): Sehr geehrter Herr Präsident! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Werte Zuseherinnen und Zuseher! Die jüngsten Ereignisse, insbesondere der islamistische Terroranschlag in Villach, haben uns tief erschüttert. Mein aufrichtiges Mitgefühl gilt der Familie des 14-jährigen Opfers und allen Betroffenen dieses grausamen Verbrechens.

Aus netzpolitischer Sicht müssen wir uns die Frage stellen: Wieso kommt es immer öfter zu dieser Onlineradikalisierung, und wieso passiert das immer schneller? – Ein wesentlicher Faktor sind die Algorithmen in sozialen Medien: Plattformen wie Tiktok sind darauf optimiert, Inhalte bereitzustellen, die maximale Interaktion fördern. Leider sind das oft extreme Inhalte, die Angst, Wut und Hass schüren, die viral gehen. Die Algorithmen erkennen das und präsentieren den Nutzerinnen und Nutzern zunehmend radikalisierende Inhalte, immer häufiger und mit einer stets wachsenden Intensität. Diese Algorithmen sind nicht neutral – sie priorisieren Inhalte, die starke emotionale Reaktionen hervorrufen, unabhängig davon, ob sie wahr, irreführend oder gar gefährlich sind.

Vor knapp zwei Jahren, im Zuge der Debatte zum Digital Services Act, habe ich einen Selbsttest durchgeführt. Ich habe mir zwei Testhandys geholt und geschaut, wie lange es dauert, bis man in rechtsextreme oder islamistische Milieus abrutscht. Oft fängt es sehr harmlos an, auf dem rechtsextremen Handy hat es mit rechten Memes begonnen, die legal sind. Auf dem islamistischen Handy war es so, dass es großteils um Glaubensfragen ging, damals war etwa sehr populär: Ist Bitcoin halal oder haram? – Das waren also grundsätzlich Fragen beziehungsweise Dinge, die legal und nicht problematisch sind.

Das Problem ist nur: Wenn man diese Inhalte länger und öfter konsumiert, kommt man in eine Spirale hinein, aus der man nicht mehr herauskommt. Diese Spirale wird intensiver und radikaler, und junge Menschen finden aus dieser fast nicht mehr heraus.

Wir sind jedoch dieser Situation, dieser Radikalisierungsspirale nicht machtlos ausgeliefert: Mit dem Digital Services Act hat die Europäische Union ein mächtiges Instrument, um genau diese Mechanismen zu regulieren. Der Digital Services Act verpflichtet Plattformen, ihre Algorithmen transparent zu machen, Risiken zu bewerten und entsprechende Maßnahmen gegen Hass und Radikalisierung zu ergreifen. Konkret bedeutet das: Plattformen müssen offenlegen, wie ihre Algorithmen Inhalte priorisieren und auch verbreiten. Sehr große Plattformen, dazu gehört auch Tiktok, müssen Risiken bewerten – darunter die Verbreitung von illegalen Inhalten, Desinformation, Hassrede und Radikalisierung – und entsprechende Gegenmaßnahmen ergreifen. Wenn das nicht passiert, muss es Sanktionen geben. (Beifall bei den Grünen sowie der Abg. Wotschke [NEOS].)

Es ist aber alarmierend und stimmt mich nachdenklich, dass es auch hier im Hohen Haus eine Fraktion gibt, die den DSA seit Anbeginn mit Verschwörungstheorien bekämpft, dass dieser zu einer Zensur führe oder die Meinungsfreiheit einschränke. Diese Fraktion ist die FPÖ, aber sie profitiert von denselben Mechanismen wie die islamistischen Hassprediger: von Polarisierung und Spaltung der Gesellschaft. Ihr Widerstand gegen den DSA zeigt deutlich, wessen Interessen Sie vertreten.

Es geht nicht darum, Plattformen wie Tiktok zu verbieten – ein solches Verbot würde auch gar nicht funktionieren und die Plattform wäre relativ bald durch eine andere Plattform ersetzt. Wir müssen nur sicherstellen, dass bestehende Plattformen ihren gesetzlichen Pflichten nachkommen. Kurzfristig würde das bedeuten, problematische Accounts, die Hass und Extremismus verbreiten, konsequent zu sperren. Inhalte, die zur Radikalisierung beitragen, dürfen nicht von diesen Empfehlungsalgorithmen bevorzugt werden. Es ist auch besorgniserregend, dass, während wir hier über die Thematik der Verwendung sozialer Medien und daraus resultierender Probleme debattieren, Tiktok letzte Woche angekündigt hat, das weltweit agierende Trust and Safety Team zu verkleinern, also jene Leute, die eben in solchen Fällen moderierend eingreifen.

Diese digitale Gewaltspirale im Netz muss durchbrochen werden, daher bringen wir folgenden Antrag ein:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Süleyman Zorba, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Radikalisierung und Terror durch Social Media beenden“ 

Der Nationalrat wolle beschließen:

Die Bundesregierung und die zuständigen Bundesminister:innen werden aufgefordert, sich auf europäischer Ebene dafür einzusetzen, dass die EU-Kommission ohne Verzögerungen die im Digital Services Act vorgesehenen regulatorischen Regelungen durchsetzt, insbesondere betreffend die von sehr großen Onlineplattformen zu treffenden Maßnahmen zur Risikominimierung sowie betreffend die verpflichtende Offenlegung und verständliche Erklärung der Empfehlungssysteme und Algorithmen; sich weiters für die rasche Fortführung der laufenden Verfahren gegen X und Tiktok einzusetzen; sich angesichts der jüngst durchgeführten beziehungsweise verhinderten Terroranschläge dafür einzusetzen, dass gegen diese großen Plattformen auch einstweilige Maßnahmen gemäß Art. 70 des DSA verhängt werden; und sich schließlich dafür einzusetzen, dass von der EU-Kommission bei Nichteinhaltung der Vorgaben aus dem DSA die Konsequenzen zu ziehen sind und hohe Geldbußen verhängt werden müssen.


Es wäre ein sehr wichtiges Signal, wenn wir zu diesem Antrag hier eine gemeinsame Position fänden. – Danke schön. (Beifall bei den Grünen.)

16.58

Der Gesamtwortlaut des Antrages ist unter folgendem Link abrufbar:

RN/65.1

Radikalisierung und Terror durch Social Media beenden (8/UEA)

Präsident Dr. Walter Rosenkranz: Der soeben eingebrachte Entschließungsantrag ist ordnungsgemäß eingebracht, ausreichend unterstützt und steht daher mit in Verhandlung.

Als Nächste zu Wort gemeldet: Frau Abgeordnete Belakowitsch. Ihre eingestellte Redezeit: 4 Minuten. – Bitte, Frau Abgeordnete.