14/PET XXVIII. GP
Eingebracht am 04.11.2025
Dieser Text ist elektronisch textinterpretiert. Abweichungen vom Original sind
möglich.
Petition
Abgeordnete:r zum Nationalrat

An Herrn
Präsidenten des Nationalrates
Dr. Walter Rosenkranz
Parlament, 1017 Wien, Österreich
Wien , am 4.11.2025
Sehr geehrter Herr Präsident!
In der Anlage überreiche ich/ überreichen wir Ihnen gern. §100 (1) GOG-NR die Petition betreffend
Eigenrechtsfähigkeit der Natur – Anregung auf Abänderung der Bundesverfassung und von Bundesgesetzen
Seitens der Einbringer:innen wird das Vorliegen einer Bundeskompetenz in folgender Hinsicht angenommen:
Betrifft Verfassungs-, Staatszielbestimmungen und einfach gesetzliche Regelungen auf Bundesebene, Ergänzung des Kompetenzenkatalogs
Dieses Anliegen wurde bis zur Einbringung im Nationalrat von Bürger:innen unterstützt. Mit der Bitte um geschäftsordnungsmäßige Behandlung dieser Petition verbleibe ich/verbleiben wir
mit freundlichen Grüßen
Julia Herr
Anlage
Hinweis: Ggf. vorgelegte Unterschriftenlisten werden nach dem Ende der parlamentarischen Behandlung datenschutzkonform vernichtet bzw. gelöscht, soweit diese nicht nach den Bestimmungen des Bundesarchivgesetzes zu archivieren sind.

P E T I T I O N
betreffend Eigenrechtsfähigkeit der Natur-Anregung auf Abänderung des Bundesverfassung und von Bundesgesetzen.
Seitens der Einbringerin wird das Vorliegen einer Bundeskompetenz in folgender Hinsicht angenommen:
ZUSTÄNDIGKEIT
Die österreichischen Umweltanwaltschaften regen gesetzliche Änderungen und/oder Ergänzungen an, die jedenfalls Kompetenzen des Bundes betreffen, da Verfassungs-, Staatszielbestimmungen sowie einfach gesetzliche Regelungen auf Bundesebene aufgrund dieses Vorschlags betroffen sein werden. Die Zuständigkeit für u.a. die Ergänzung des Kompetenzkatalogs bzw. Festlegung einer Kompetenz hat aufgrund der Kompetenzhoheit der Bundes(verfassungs)gesetzgeber.[1]
EINLEITUNG UND ZIELRICHTUNG
Die Natur ist Teil und Grundlage unseres Lebens. Es liegt im Interesse von uns allen, als Gesellschaft, als einzelnes Individuum, als Landwirt/in, Naturschützer/in, Jäger/in, Spaziergänger/in, Arbeiter/in, Kind, Grundeigentümer/in, Pensionist/in, Unternehmer/in, usw. – kurz gesagt – als Mensch, dass der Natur ein rechtlicher Stellenwert eingeräumt wird. Es geht um eine Position, die der Natur die Möglichkeit schafft, weiterhin farbenprächtig, vielfältig, erstaunlich und artenreich zu existieren und sich zu entfalten. Natur hat einen unersetzbaren Wert für uns, aber auch einen Wert für sich. In unserer Kulturlandschaft muss dazu in festgelegten Gebieten Naturlandschaft sein dürfen, wo sich Natur gemäß ihrer eigenen Gesetzmäßigkeiten entwickeln kann und darf.
Basis unseres Seins, also auch unseres Wirtschaftens und unserer
Gesellschaft sind natürliche Systeme. Die Natur ist für unseren
Fortbestand nicht nur bedeutsam, sondern von entscheidender Wichtigkeit, sodass
als logische Konsequenz der eigenständige Wert der Natur rechtsverbindlich
festzulegen ist. Die Natur für sich hat in ihrer Artenvielfalt und ihren
Erscheinungsformen ein nahezu unbegrenztes Spektrum, das es - nicht zuletzt
auch aufgrund der damit immanenten Lebensgrundlage des Menschen - zu erhalten gilt.
Es ist daher auch legistisch zu verankern, dass die Natur nicht nur Lebensraum,
sondern vielmehr unumstößliche Lebensgrundlage unseres gesellschaftlichen
und wirtschaftlichen Lebens ist. Durch diesen systemischen Umbruch und mit einem
grundliegenden Respekt gegenüber allen Lebensformen, kann die Natur in
ihrem Sein gestärkt werden, und sich nicht zuletzt vom rein nutzdienlichen
„Eigentum" der Menschen, zu einer rechtetragenden Partnerin
entwickeln.
Nehmen wir also unsere Verantwortung wahr und legen den Grundstein für eine neue Art von Generationenvertrag. Statten wir die Natur mit eigener Rechtspersönlichkeit aus, um natürliche Kreisläufe zu erhalten und auch wiederherzustellen, um Ähren-Blauweiderich, Schöne Feder-Nelke, Klein-Hundswurz, Birkenmaus, Baumschläfer, Rohrammer und viele mehr weiterhin miterleben zu können und künftig darüber in Geschichtsbüchern zu lesen, wie der Natur ihr rechtmäßiger Platz gegeben wurde. Denn wo bei uns hier kann oder darf die Natur tatsächlich „ihre Schönheit und Kraft im Werden und Wirken" (Darwin) entfalten?
Wir brauchen die Natur. Sauberes Wasser, reine Luft, naturnahe Lebensräume oder ausreichend Bestäuber-lnsekten sind keine Anliegen von gesellschaftlichen Randgruppen oder einzelnen Öko-Hardlinern. Daher müssen wir die Natur auch rechtlich – entsprechend der Anforderungen unserer Zeit – positionieren. Österreich kann sich dabei an Regelungen in Staaten wie Irland oder Spanien orientieren. Wir dürfen aber den Mut haben, zusammen mit anderen Mitglieder der Europäischen Union wegweisend vorauszugehen und gleichzeitig auch in einer weitsichtigen Regelung den rechtlichen Rahmen für die Umsetzung der Verordnung zur Wiederherstellung der Natur und die Reparatur geschädigter Ökosysteme setzen. Durch diesen Rechtsrahmen zur Wiederherstellung und Erhaltung eines breiten Spektrums von Ökosystemen soll ein rechtlicher Beitrag zur dauerhaften, langfristigen und nachhaltigen Erholung der biologischen Vielfalt und Widerstandsfähigkeit der Natur geleistet werden.
WARUM BEDARF ES EINER (VERFASSUNGS)RECHTLICHEN REGELUNG[2]
Die rechtliche Umstrukturierung zum Schutz der Natur und ihrer Interessen trägt dem stetigen Wirtschaftswachstum und der damit einhergehende Umweltzerstörung, Umweltverschmutzung und des Verlustes der Biodiversität Rechnung. Die bisherigen Erfahrungen zeigen klar, dass die Natur rein aus menschlichem Interesse zu schützen zu wenig für ihren Erhalt bedeutet hat. Somit muss die Natur bzw. müssen Teile von ihr also nicht mehr aufgrund unseres Befindens geschützt werden, sondern wegen ihrer selbst. Eine Rechts- und Parteifähigkeit der Natur ist damit eine logische Konsequenz, auf deren Grundlage auch in anderen Staaten Naturrechte in unterschiedlichen Ausgestaltungsformen eingeführt wurden.
Kommt man in Versuchung und verweist auf das BVG Umweltschutz als bereits vorhandenes Instrument zur Lösung dieses Anliegens, übersieht man, dass es sich um eine Staatszielbestimmung handelt, von der keine subjektiven Rechte für den/die Einzelne/n oder gar die Natur abzuleiten sind. Auch wenn dadurch bestimmte Staatsorgane zu einem Handeln verpflichtet werden und deren Gestaltungsspielraum eingeengt wird, kann dem umfassenden Umweltschutz erst dann entsprochen werden, wenn sich die Natur durch geeignete Vertreter/innen am Verfahren selbst beteiligen und mit allen den Verfahrensparteien zustehenden Mitteln verteidigen kann.
Wird die Natur als juristische Person oder auch als lebendiges Wesen/Ökosystem etabliert, dann ist sichergestellt, dass sie als Partei u.a. auch im Verwaltungsverfahren teilnehmen kann – und dementsprechende Rechte nach den Verwaltungsvorschriften erhält. Auch nach dem bürgerlichen Recht wären dann die Rechts- und Handlungsfähigkeit sichergestellt.
Unterscheidung zwischen Umwelt- und Naturrechtsgesetzen[3]
Die Rechte der Natur gesetzlich anzuerkennen bedeutet, dass die Sichtweise geändert wird: die Natur wäre nicht länger bloßes Eigentum, sondern sie bekäme ein eigenständiges Recht auf Existenz, Gedeihen und Entwickeln. Gesetze, die die Rechte der Natur manifestieren, ändern den Status von Ökosystemen und natürlichen Gemeinschaften in die Anerkennung als rechtstragende Einheiten. Als solche haben sie Rechte, die im Namen der Natur durchgesetzt werden können.
Global gesehen geht es bei einem Großteil der derzeitigen Umweltgesetze um Regulierung – um eine vom Menschen ausgehende materielle Entwicklung zu ermöglichen, wird ein Preis festgelegt, zu dem die Natur geschädigt werden darf. Beispiele gibt es in den unterschiedlichen Rechtssystemen zu Hauf, denkt man u.a. an Gas/Fracking, Bergbau, Massentierhaltung usw. Oft drehen sich diese gesetzlichen Bestimmungen im Kern um die Legalisierung ökosystemzerrstörender Aktivitäten durch Konzerne oder Großunternehmen.
Die Schaffung der rechtlichen Eigenständigkeit der Natur darf aber keinesfalls als Blockade-Bestimmungen für das wirtschaftliche und gesellschaftliche Leben verstanden werden. Vielmehr geht es um ein überdenken unserer Aktivitäten und dem, was wir von unserem Planeten mit endlichen Ressourcen verlangen können. Es ist Zeit, moralische Verantwortung für das Handeln von Menschen und der Wirkung dessen auf die Umwelt, die gesamten Natursysteme und zukünftige Generationen zu übernehmen sowie einen Systemwechsel einzufordern und voranzutreiben.
ENTWICKLUNGEN IN ANDEREN STAATEN
Naturrechtsgesetze gibt es bereits in einigen Staaten in unterschiedlicher Ausgestaltung: Bangladesch, Bolivien, Kolumbien, Ecuador, Indien, Mexiko-Stadt, Neuseeland, USA. Aber auch innerhalb der EU (Irland, Spanien) gibt es dazu erste Schritte.
lrland[4]
In Irland soll ein Rechtsanspruch auf eine saubere, gesunde und sichere Umwelt für Bürgerinnen und Bürger in der Verfassung verankert werden. Dazu soll die Natur mit Eigenrechten ausgestaltet werden, deren Grundlage eine Empfehlung eines dafür gegründeten Bürgerrates bildet.
Das irische Volk soll dann in einem Referendum über eine Verfassungsänderung zum Schutz der Biodiversität entscheiden:
• Materielle Umweltmenschenrechte, wie das Recht auf eine saubere, gesunde und sichere Umwelt; ein Recht auf ein stabiles und gesundes Klima, auch für künftige Generationen
• Umweltverfahrensrechte, wie der in der Aarhus-Konvention rechtlich gewährte Zugang zu Umweltinformationen, Öffentlichkeitsbeteiligung an umweltbezogenen Entscheidungsprozessen und Umweltrechtsverfahren
• Materielle Rechte der Natur, die die Natur als Inhaberin von Rechtsansprüchen anerkennen, vergleichbar bereits bestehenden Rechten von Unternehmen oder Personen, zu existieren, nicht verschmutzt und bei Degradierung wiederhergestellt zu werden.
• Verfahrensrechte für die Natur als Partei bei Verwaltungsentscheidungen, Rechtsstreitigkeiten und anderen Verfahren[5]
Zuletzt wurde im Dezember 2023 der Bericht der Bürgerversammlung im „Ausschuss für Umwelt und Klimapolitik" behandelt. Dort haben die Mitglieder des Ausschusses wichtige Empfehlungen formuliert, die u.a. die Regierung zu vorbereitenden Schritten für die Durchführung eines Referendums oder einer Volksabstimmung anhalten. Ziel ist es, die biologische Vielfalt zu schützen, indem die Rechte der Natur und/oder das Recht auf eine gesunde Umwelt noch während der Amtszeit des derzeitigen Dail Eireann [Anmerkung: Unterhaus des Parlaments in Irland] in die Verfassung aufgenommen werden.[6]
Spanien[7]
Obwohl es für die Lagune Mar Menor in Murcia, Spanien bereits zahlreiche Schutzbestimmungen gab, kam es in den Sommern 2019 und 2021 zu verheerenden Massensterben für die Krebstiere und Fische der Lagune. So sahen die Bürgerinnen und Bürger Murcias es in ihrer Verantwortung die Rechte des Mar Menor einzufordern. Über 640.000 Menschen unterzeichneten ein Volksbegehren, dass die Salzwasserlagune als Rechtssubjekt anerkannte und die spanische Regierung zum Handeln aufforderte – mit Erfolg.
Als erstes Ökosystem innerhalb der EU erhielt das Mar Menor den Rechtstatus einer juristischen Person. Jede Privatperson kann nun im Namen der Lagune Klage einreichen. In der Praxis bedeutet das, dass Personen, die der Lagune Schaden zufügen, gerichtlich belangt und zu einer Geldstrafe verurteilt werden können.
Ecuador[8]
Als erstes und bisher einziges Land hat Ecuador bereits 2008 die Eigenrechtsfähigkeit der Natur in der nationalen Verfassung verankert und strebt damit „eine neue Form des bürgerlichen Zusammenlebens, in Vielfalt und Harmonie mit der Natur um das gute Leben“ an.
Die Ausgestaltung erfolgte nicht über bloße Staatszielbestimmungen, sondern einerseits über die Verpflichtung des Staates, Artensterben, Zerstörung von Ökosystemen und die dauerhafte Veränderung natürlicher Kreisläufe zu verhindern und andererseits wurden konkrete Rechte verankert, die gerichtlich durchsetzbar sind:
• Recht der Natur auf uneingeschränkte Achtung ihrer Existenz
• Recht auf Regeneration ihrer kompletten Lebenszyklen, Strukturen und evolutionären Prozesse
• Recht auf Wiederherstellung
Zudem wurden einige weitere Bestimmungen zur umfassenden Implementierung und Durchsetzbarkeit der Eigenrechtlichkeit der Natur verankert.
NOTWENDIGKEIT IN ÖSTERREICH[9]
Der Staatszielbestimmung des umfassenden Umweltschutzes kann nur dann entsprochen werden, wenn sich die Natur durch geeignete Vertreter am Verfahren selbst beteiligen und mit allen den Verfahrensparteien zustehenden Mitteln verteidigen kann. Damit von einer geeigneten Verteidigung und Berücksichtigung der Interessen der Natur gesprochen werden kann, darf man die Umwelt nicht mehr als ein bloßes Interesse der Menschen, sondern als ein eigenständiges übergeordnetes Interesse ansehen.
Hat die Gesellschaft an der Natur ein übergeordnetes und auch überindividuelles Interesse anerkannt, so ist die Gründung einer juristischen Person „Natur“ rechtlich möglich.
Internationalen Vorbildern folgend bedarf es der Zuerkennung von Rechtsfähigkeit an Naturrechtsgüter, um größtmöglich Effektivität des Schutzes von Ökosystemen zu erreichen. Da die partielle Rechtsfähigkeit der Natur einer Handlungsfähigkeit bedarf, gilt es befriedigende Vertreterlösungen zu finden, deren Anforderungen oben bereits eingehend thematisiert wurden.
Konkrete Lösungsvorschläge für mögliche legistische Anpassungen finden sich in der Studie „Eigenrechtsfähigkeit der Natur“, die als Beilage vorhanden ist.
Aus den angeführten Gründen wird daher um geschäftsordnungsmäßige Behandlung der Petition gebeten.
Beilage:
Studie – Eigenrechtsfähigkeit der Natur, Wagner, Bergthaler, Krömer, Grabmair, 2022
Freundliche Grüße
Für die Bgld. Umweltanwaltschaft: Für die Kärntner Umweltanwaltschaft:
e.h. e.h.
DI Dr. Michael Graf Mag. Rudolf Auernig
Für die NÖ Umweltanwaltschaft: Für die ÖO Umweltanwaltschaft:
e.h. e.h.
Mag. Thomas Hansmann DI Dr. Martin Donat
Für die Salzburger Umweltanwaltschaft: Für die Stmk. Umweltanwaltschaft:
e.h. e.h.
Mag. DI Dr. Gishild Schaufler HR MMag. Ute Pöllinger
Für die Tiroler Umweltanwaltschaft: Für die Wiener Umweltanwaltschaft:
e.h. e.h.
Mag. Johannes Kostenzer Iris Tichelmann, MSc, BSc
Für die Naturschutzanwaltschaft Vorarlberg:
e.h.
DI Katharina Lins
[1] Verfassungsrecht, Berka, 2021
[2] vgl Eigenrechtsfähigkeit der Natur, Wagner ua., 2022
[3] vgl https://www.earthlaws.org.au/aelc/rights-of-nature/#different
[4] https://www.oireachtas.ie/en/press-centre/press-releases/20231214-joint-committee-on-environment-and-climate-action-published-report-on-the-examination-of-the-recommendations-of-the-citizens-assembly-report-on-biodiversity-loss/
[5] https://citizensassembly.ie/wp-content/uploads/Report-on-Biodiversity-Loss_mid-res.pdf
[6] https://www.oireachtas.ie/en/press-centre/press-releases/20231214-joint-committee-on-environment-and-climate-action-published-report-on-the-examination-of-the-recommendations-of-the-citizens-assembly-report-on-biodiversity-loss/
[7] https://www.sueddeutsche.de/wissen/mar-menor-spanien-personenrechte-1.5663043
[8] Eigenrechtsfähigkeit der Natur, Wagner ua„ 2022
[9] Eigenrechtsfähigkeit der Natur, Wagner ua„ 2022