Dialogplattform
autochthoner Volksgruppen im Parlament
Stenographisches Protokoll
verfasst von der Abteilung 1.4/2.4 – Stenographische Protokolle
Dienstag, 25. März 2025
13.02 Uhr – 15.06 Uhr
Ludwig
Wittgenstein | Lokal 5
Programm
Eröffnungsworte
Walter Rosenkranz, Präsident des Nationalrates
Grußworte
Harald Dossi, Parlamentsdirektor
Rückblick
Brigitta Busch, Professorin für angewandte Sprachwissenschaft i.R., Universität Wien
Ausblick
Walter Rosenkranz, Präsident des Nationalrates
Fachkommentar
Gerlinde Wagner, Leiterin des Rechts-, Legislativ- und Wissenschaftlichen Dienstes der Parlamentsdirektion
Bericht: Blickpunkt Sprachen
Bernard
Sadovnik, Bürgermeister der Gemeinde Globasnitz/Globasnica &
Vorsitzender der Gemeinschaft der Kärntner Slowen:innen
Statements der Vorsitzenden im Volksgruppenbeirat
Josef Buranits, Volksgruppenbeirat Kroat:innen
Bernard Sadovnik, Volksgruppenbeirat Slowen:innen in Kärnten und der Steiermark
Attila Somogyi, Volksgruppenbeirat Ungar:innen
Karl Hanzl, Volksgruppenbeirat Tschech:innen
Vladimir Mlynár, Volksgruppenbeirat Slowak:innen
Emmerich Gärtner-Horvath, Volksgruppenbeirat Roma
Statements der Bereichssprecher:innen für Volksgruppen der Parlamentsfraktionen
Klemens Kofler, Mitglied des Bundesrates (FPÖ)
Agnes Totter, Abgeordnete zum Nationalrat (ÖVP)
Pia Maria Wieninger, Abgeordnete zum Nationalrat (SPÖ)
Vertreten von: Antonio Della Rossa, Abgeordneter zum Nationalrat (SPÖ)
Michael Bernhard, Abgeordneter zum Nationalrat (NEOS)
Olga Voglauer, Abgeordnete zum Nationalrat (Grüne)
Abschlussworte
Walter Rosenkranz, Präsident des Nationalrates
Moderation: Sandra Szabo
Sandra Szabo (Moderation): Dober dan! Dobar dan! Jó napot! Heský den! Dobrý den! Latscho di! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich freue mich sehr, Sie heute zur Dialogplattform autochthoner Volksgruppen hier im Parlament herzlich willkommen zu heißen.
Mein Name ist Sandra Szabo und ich darf Sie als Moderatorin durch diesen frühen Nachmittag begleiten.
Die Veranstaltung findet auf Einladung und Initiative des Präsidiums des Nationalrates sowie der Präsidentin des Bundesrates statt. So darf ich jetzt auch schon den Präsidenten des Nationalrates Walter Rosenkranz sowie den Zweiten Präsidenten Peter Haubner herzlich begrüßen. Ich freue mich auch sehr, Parlamentsdirektor Harald Dossi begrüßen zu können. – Herzlich willkommen.
Herzlich willkommen heißen darf ich außerdem die Bereichssprecherinnen und Bereichssprecher für Volksgruppen der im Parlament vertretenen Klubs und Fraktionen. Besonders freue ich mich, die Vorsitzenden im Volksgruppenbeirat sowie deren Stellvertreterinnen und Stellvertreter in unserer Mitte begrüßen zu können.
Im Rahmen der heutigen Veranstaltung dürfen wir uns auch auf drei Beiträge freuen: Zunächst spricht Sprachwissenschafterin Brigitta Busch und gibt einen kurzen Rückblick und eine Analyse der bisherigen Dialogplattformen.
Ich begrüße Gerlinde Wagner, Leiterin des Rechts-, Legislativ- & Wissenschaftlichen Dienstes der Parlamentsdirektion, die uns eine rechtliche Einschätzung zum Thema Volksgruppen, Sprachen und Minderheitenschutz geben wird.
Bernard Sadovnik spricht zum Thema Sprach- und Bildungsangebot für autochthone Volksgruppen in Wien und gibt uns somit einen Einblick in die neuen Entwicklungen dazu.
Auch ihnen ein herzliches Willkommen.
Abschließend darf ich die anwesenden Vertreterinnen und Vertreter des Bundeskanzleramtes sowie des Nationalfonds herzlich begrüßen.
Ich heiße Sie alle herzlich willkommen hier im wunderschönen Ludwig-Wittgenstein-Saal – der Raum trägt den Namen eines großen Denkers des 20. Jahrhunderts: Wittgenstein, ein Philosoph der Sprache, er hat uns einen Gedanken mitgegeben, der sinnbildlich für unser heutiges Thema steht, nämlich: Die Grenzen meiner Sprache bedeuten die Grenzen meiner Welt. Das ist ein Satz, der auch als Auftrag verstanden werden kann, nämlich zu Offenheit, Verständigung, zum Schutz jener sprachlichen Vielfalt, die unsere Gesellschaft bereichert.
Ich darf nun den Präsidenten des Nationalrates Walter Rosenkranz um seine Eröffnungsworte bitten.
Eröffnungsworte
Walter Rosenkranz (Präsident des Nationalrates): Danke schön, Frau Szabo, und herzlichen Dank für Ihre Moderation. Sie haben schon alle Anwesenden begrüßt, ich darf nun Sie besonders herzlich begrüßen. Danke für Ihre Bereitschaft, hier zu moderieren.
Sehr geehrte Vorsitzende und stellvertretende Vorsitzende im Volksgruppenbeirat der sechs autonomen und autochthonen Volksgruppen in Österreich! Sehr geehrte Bereichssprecherinnen und Bereichssprecher der parlamentarischen Klubs! Sehr geehrte Fachbeamtenschaft, die im Bundeskanzleramt für die Volksgruppen verantwortlich ist! Sehr geehrter Herr Parlamentsdirektor! Geschätzte Medienvertreter! Sehr geehrte Damen und Herren!
Es ist angeklungen: Das Parlament verbindet Menschen, es schafft Raum für Begegnung – Ludwig Wittgenstein, ein großer Sprachphilosoph und Sprachtheoretiker – und es schafft Raum für den Dialog. Vielleicht noch zur Bedeutung dieses Raumes: Vor der Renovierung war das das Abgeordnetensprechzimmer, es war der Raum, in dem während einer Parlamentssitzung Abgeordnete Platz genommen haben und in den das Volk, das Wahlvolk hereinkommen konnte, um Anliegen direkt an die Abgeordneten herantragen und mit ihnen sprechen zu können. An sich ist das für uns das geeignete räumliche – wie man jetzt so schön auf Neudeutsch sagt – Setting. Diesen Dialog wollen wir mit Ihnen, sehr geehrte Volksgruppenbeiräte und Abgeordnete, auch weiterhin im Rahmen der Dialogplattform für autochthone Volksgruppen im Parlament fortsetzen.
Es freut mich sehr, dass Sie meiner Einladung zur heutigen Veranstaltung gefolgt sind. Ich kann Ihnen auch zusagen, dass Ihnen auch weiterhin die Unterstützung dieses Hauses, des Parlaments, in Ihren so wichtigen Belangen zugesagt ist. Wir wollen auch weiterhin Ihre Anliegen aufnehmen und sagen auch die Bereitschaft zu, diese auch weiterhin zu sichern, zu achten und zu fördern.
Thema Sprache und Identität: Beides sind starke Fundamente unserer Gesellschaft. Sprache ist nicht nur Kommunikationsmittel, sie ist das Band, das unsere Gesellschaft zusammenhält, sie ist Ausdruck unseres Denkens – Denken findet in Sprache statt –, unserer Geschichte – um sie zu tradieren – und unseres Zusammenlebens. Ich habe ein Zitat des kärntner-slowenischen Schriftstellers Florjan Lipuš mitgebracht: Mit der Sprache sind wir oder sind wir nicht. Das verdeutlicht ganz eindringlich, wie wichtig vor allem der Spracherhalt im Hinblick auf die Volksgruppensprachen ist.
Sie haben in den bisherigen Sitzungen der Dialogplattform das Thema der Sprache oder das Thema des Spracherhalts als gemeinsames Anliegen aller Volksgruppen in den Mittelpunkt der Beratungen gestellt. Jede einzelne Sprache, die durch Sie, sehr geehrte Vorsitzende im Volksgruppenbeirat, stellvertretend für die vielen Menschen, die sich den autochthonen Volksgruppen zugehörig und verbunden fühlen, vertreten ist, ist auch Abbild der jeweiligen Muttersprache – welch schönes Wort: Muttersprache. Es ist die Sprache der ersten Worte der Kindheit, der Familie, sie ist in weiterer Folge der Schlüssel zu unserer persönlichen und kulturellen Identität.
Interessant war für mich heute bei der Fahrt nach Wien Ö1: Es gab einen Beitrag dazu, welche Sprache als erste Fremdsprache in Österreich unterrichtet wurde. Das war 1775 die Bohemistik. Im Oktober ist es dann 350 Jahre her, seit dieses Institut gegründet wurde; davor wurde das Tschechische auch am Theresianum in Wien und an der Theresianischen Militärakademie gesprochen. Damals vielleicht aus anderen Beweggründe als die, wegen der wir uns heute hier treffen, aber man sieht: Die Auseinandersetzung mit Sprache und welche Sprache die erste war, die neben Deutsch hier in Österreich auch gelehrt und wissenschaftlich bearbeitet wurde, stellt gut dar, welche historische Verbindung es gibt, die bis heute aufrecht bleiben muss.
Wenn eine Sprache nicht mehr aktiv gesprochen wird, gehen nämlich auch ein Stück Kulturgut und die Identität dazu verloren. Es liegt in unserer Verantwortung – und jetzt spreche ich auch vor allem für das österreichische Parlament als Gesetzgeber und als Volksvertretung –, es liegt eben an uns, diese Sprachen der Volksgruppen in Österreich als wesentliches Element der kulturellen Vielfalt zu schützen und zu fördern.
Ich wünsche jetzt eine gute Diskussion.
Sandra Szabo: Vielen Dank, Herr Nationalratspräsident.
Am Beginn der neuen Gesetzgebungsperiode verdeutlicht die Einladung zu diesem heutigen Volksgruppendialog – ausgesprochen durch das Präsidium des Nationalrates sowie der Präsidentin des Bundesrates – wohl auch, dass das Thema in seiner ganzen Breite und Vielfalt getragen wird.
Ich bitte nun Parlamentsdirektor Harald Dossi um seine Grußworte.
Grußworte
Harald Dossi (Parlamentsdirektor): Vielen Dank, Frau Szabo! Meine sehr geehrten Damen und Herren, herzlich willkommen hier im Parlament! Ich freue mich besonders, dass wir jetzt schon zum wiederholten Male diese Dialogplattform hier ausrichten können, die aus meiner Sicht das sichtbarste Beispiel und der sichtbarste Beleg dafür ist, dass wir uns im Parlament, in der Parlamentsdirektion seit einigen Jahren sehr intensiv mit dem Thema Volksgruppen auseinandersetzen.
Ich glaube auch, dass die bisherigen Erfahrungen in dieser Dialogplattform gezeigt haben, dass wir hier nicht eine Verdoppelung – vielleicht sogar sinnlose Verdoppelung – bestehender Anstrengungen unternehmen, sondern dass diese Dialogplattform eine sinnvolle Ergänzung zu all dem ist, was im Bereich der Bundesregierung, insbesondere im Bereich des Bundeskanzleramtes, zum Thema Volksgruppen gemacht wird.
Ich sage Ihnen auch keine großen Neuigkeiten, wenn ich sage, dass wir hier in der Parlamentsdirektion mit der Abteilung Dialogplattform Staat & Gesellschaft auch eine organisatorische Verortung des Themas Volksgruppen vorgenommen haben. Herr Pinchasov und Herr Kassl aus dieser Abteilung sind auch in diesem Kreis heute vertreten, und Sie wissen, dass Sie mit allen Anliegen, allen Wünschen, allen Anregungen direkt mit den beiden in Kontakt treten können.
Wir bemühen uns im Alltag im Übrigen auch, uns sehr gut abzustimmen, insbesondere mit dem Bundeskanzleramt. Wir wollen zu wichtigen Vernetzungsaktivitäten beitragen, und wir haben natürlich auch das Jahr 2026, das kommende Jahr, im Blick, das ja unter dem Titel „50 Jahre Volksgruppengesetz“ auch besondere Aktivitäten erfordern wird. Wir überlegen uns auch einiges dazu, und ich denke, dass heute im Rahmen dieser Dialogplattform die eine oder andere Information dazu schon gegeben werden wird.
Heuer, 2025, ist, glaube ich, allumfassend diese Trias 80, 70, 30: 80 Jahre Befreiung vom Nationalsozialismus, Ende des Zweiten Weltkrieges, 70 Jahre Staatsvertrag von Wien, Erlangung der vollständigen Souveränität und im Übrigen auch wichtige internationale Vereinbarungen zum Volksgruppenschutz in diesem Zusammenhang, und 30 Jahre österreichischer Beitritt zur Europäischen Union. Es gibt hier nicht nur im Parlament und durch das Parlament, sondern von vielen öffentlichen Stellen, insbesondere auch im Bereich der Bundesregierung, Veranstaltungen, Aktivitäten, Festakte, und ich kann Ihnen versichern, dass im Rahmen dieser Aktivitäten, insbesondere derjenigen, die von uns gemacht werden, der Aspekt der Volksgruppen immer auch eine Rolle spielen wird. Ich glaube, auch im heutigen Format wird es dazu einige Informationen geben.
In diesem Sinne noch einmal willkommen und ich wünsche uns einen interessanten Nachmittag. – Danke.
Sandra Szabo: Danke, Herr Parlamentsdirektor, für Ihre Grußworte.
Ja, Bildung und Sprache, das sind Themen, die alle Volksgruppen vereinen. Und damit darf ich auch schon überleiten zu Sprachwissenschafterin Brigitta Busch, die auf die bisherigen Dialogplattformen zurückblickt und über den Status quo berichten wird.
Rückblick
Brigitta Busch (Professorin für angewandte Sprachwissenschaft i.R., Universität Wien): Vielen Dank. – Mir wurde die ehrenvolle Aufgabe übertragen, die bisherige Arbeit der Dialogplattformen zusammenzufassen. Für viele der hier Anwesenden ist es ein In-Erinnerung-Rufen, einige andere sind zum ersten Mal mit dabei.
Die Initiative zur Schaffung dieses Forums, das Vertreter:innen der sechs Volksgruppenbeiräte, die Bereichssprecher:innen der im Parlament vertretenen Parteien sowie Expert:innen aus dem Bereich Wissenschaft rund um einen Tisch versammelt, verdanken wir dem früheren Nationalratspräsidenten Wolfgang Sobotka, der das Gespräch mit den Volksgruppen zu einem persönlichen Anliegen gemacht hat.
Und ich glaube, sagen zu dürfen, dass wir uns alle freuen, dass die Initiative auch in dieser Legislaturperiode weitergetragen wird, denn das, was bei den bisherigen Veranstaltungen in sehr guter Gesprächskultur debattiert wurde und was an Konkretem herausgekommen ist, kann sich, glaube ich, wirklich sehen lassen.
Die erste Dialogplattform fand vor fast genau drei Jahren statt, damals noch im Parlamentsprovisorium im Burggarten. Schon von der ersten Runde an hat sich das Thema Sprache und Bildung als Schwerpunkt herauskristallisiert.
In meinem Fachvortrag konnte ich damals unter Bezugnahme auf einen Paradigmenwechsel in der Mehrsprachigkeitsforschung ausführen, dass es in Österreich, wie fast überall in Europa, nicht mehr nur um Spracherhalt gehen kann, sondern auch darum, wie Prozesse sprachlicher Revitalisierung unterstützt werden können. Entscheidend ist dabei, dass sich negative Erfahrungen der Diskriminierung, die im Gebrauch von minorisierten Sprachen in der Öffentlichkeit verbunden waren und teilweise noch sind, wandeln zu einem auf Wertschätzung und Anerkennung beruhenden positiven Spracherleben, denn – wenn man es auf eine einfache Formel bringen will –: Voraussetzung für sprachliche Fitness ist ein sprachliches Wellbeing, ein Wahrgenommenwerden und eine Anerkennung.
In der zweiten Runde, ein Jahr später, haben zwei Fachvorträge neue Akzente gesetzt. Christoph Reinprecht, Soziologe an der Universität Wien, präsentierte die im Rahmen der europäischen Roma-Dekade erstellte Studie zum Thema „Evaluierung der nationalen Strategie zur Inklusion der Roma und Romnja in Österreich“. Erschütternd, so Reinprecht damals, ist, dass Rom:njafeindlichlichkeit und Antiziganismus in der Gesellschaft weiter tief verwurzelt sind und dass deshalb mehr als die Hälfte der Befragten sagte: Es ist besser, wenn ich verschweige, dass ich Rom:nja bin.
Als ermutigend wertete er auf der anderen Seite, dass dennoch wachsendes Selbstbewusstsein festzustellen ist, vor allem unter Jüngeren, die das Wissen um die Geschichte und ganz besonders die Weitergabe der Sprache als zentral betrachten, selbst wenn sie die Sprache nicht mehr sprechen oder nicht mehr so flüssig sprechen. Daran knüpft sich die Forderung, dass Romanes auch in der Schule verankert wird.
Im zweiten Vortrag berichteten Wolfgang Bachmayer und Johannes Klotz über die vom Bundeskanzleramt in Auftrag gegebene OGM-Studie zu „Situation, Sprachgebrauch und Ausblicke für die slowenische Bevölkerung in Kärnten“. Auch hier ist der Befund zwiespältig: Zwar hält die große Bereitschaft an, Kinder zum Slowenischunterricht in der Volksschule anzumelden, aber sie wird dadurch konterkariert, dass weiterhin gravierende Lücken in der Durchgängigkeit des Angebots von der Elementarbildung bis zur tertiären Bildung bestehen.Sorgen bereitet die anhaltende Abwanderung aus dem Kerngebiet, andererseits bildet die Clusterbildung in den Ballungszentren Wien und Graz eine wesentliche Zielgruppe, die es für sprachliche Revitalisierung zu nutzen gelte.
Ein bisschen eine Diskussion, die damals aufgekommen ist: Könnte man das nicht auch für die anderen Volksgruppen machen, damit man auch da ein so klares Bild erhält, wie man es durch die OGM-Studie erhalten hat? Auch bedauert wurde, dass sich das nur auf Kärnten beschränkt hat, dass die Steiermark nicht inkludiert war und auch nicht die – wie man sagen könnte – Volksgruppendiaspora.
Die dritte Dialogplattform fand im Juli 2024 satt: An die in der OGM-Studie festgestellten Mängel im Bereich der vorschulischen Bildung schloss der erste Fachvortrag von Bernard Sadovnik und von Nadja Kramer von der Arbeitsgemeinschaft privater zwei- und mehrsprachiger Kindergärten, Delovna skupnost dvo- in večjezičnih vrtcev an.
Die Vortragenden stellten das über Jahre entwickelte erfolgreiche Kärntner sprachpädagogisches Rahmenkonzept vor. Die Bedeutung der Elementarpädagogik für die sprachliche Bildung lässt sich nicht zuletzt daran ermessen, dass ein obligatorisches Kindergartenjahr eingeführt wurde. Für dieses sei analog zu den Minderheitenschulen auch ein Angebot in den Volksgruppensprachen flächendeckend zur Verfügung zu stellen.
Karl Hanzl, Obmann des Schulvereins Komenský, präsentierte die Wiener Komenský-Schule, die ausgehend von der vor 150 Jahren gegründeten tschechischen Schule zu einer Einrichtung ausgebaut wurde, die heute vom Kindergarten über die Mittelschule bis zur Matura ein lückenloses bilinguales Bildungsangebot in Tschechisch beziehungsweise Slowakisch mit Deutsch bereitstellt.
Karl Hanzl machte auf die stets prekäre finanzielle Situation der Schule aufmerksam, die als private Einrichtung einen öffentlichen Bildungsauftrag erfüllt. Die Diskussionen der vorangegangen Dialogplattformen aufgreifend stellte Hanzl das Projekt einer Erweiterung des Schulzentrums zu einer Einrichtung vor, die zusätzlich zu Tschechisch und Slowakisch gewissermaßen unter einem Dach Bildungsmöglichkeiten auch in den andere Volksgruppensprachen Slowenisch, Burgenlandkroatisch, Ungarisch und Romanes bieten soll. In unmittelbarer Nähe zum jetzigen Standort bietet sich die Möglichkeit, ein passendes Gebäude anzumieten und zu adaptieren, vorausgesetzt dass eine nachhaltige finanzielle Beteiligung seitens der öffentlichen Hand sichergestellt werden kann.
Die Vertreter:innen der Volksgruppenbeiräte stimmten darin überein, dass diesem Projekt, das eine Antwort auf die demografischen Veränderungen und die vermehrte Mobilität von Volksgruppenangehörigen gibt, höchste Priorität einzuräumen sei. In der Folge wurde eine Arbeitsgruppe gebildet, die Verhandlungen mit dem Bildungsministerium aufgenommen hat, um das Projekt zu konkretisieren. In der Diskussion brachte es der Abgeordnete Berlakovich auf den Punkt: Die „Zeit ist einfach reif dafür. Das müsste spätestens in der nächsten Periode wirklich umgesetzt werden.“ In seinem Schlusswort zur dritten Dialogplattform unterstrich Präsident Sobotka, dass es eine große gesetzgeberische Herausforderung sei, für eine Bildungsstruktur auch außerhalb der ursprünglichen Siedlungsgebiete zu sorgen. – Vor dieser Herausforderung stehen wir heute.
Im heurigen Jahr 2025 – und darauf hat Parlamentsdirektor Harald Dossi nicht nur heute, sondern auch damals, in der dritten Dialogplattform, hingewiesen – stehen einige wichtige Gedenktage an; einmal jener an den Staatsvertrag von 1955, der eben eng mit den Rechten der autochthonen Volksgruppe verbunden ist. Nennen möchte ich auch das Gedenken an das Jahr 1945, das die Befreiung von der faschistischen Terrorherrschaft gebracht hat, die nicht nur das Verbot von Minderheitensprachen, sondern für viele Volksgruppenangehörige Verfolgung, Deportation oder Tod bedeutet hat. Erinnern möchte ich aber auch an den rechtsextremen Bombenanschlag vor 30 Jahren in Oberwart, der vier Roma aus dem Leben gerissen hat.
Die Verfolgung und Ausgrenzung von Minderheitenangehörigen hat sich in vielen Fällen in Traumata und Sprachaufgabe niedergeschlagen. Solche Traumata – das wissen wir aus der wissenschaftlichen Forschung – werden über Generationen hinweg weitergegeben. Dieses Jahr 2025 bietet sich also ganz besonders an, um entschlossene Schritte zur Unterstützung von Spracherhalt und von Revitalisierungsbestrebungen zu setzen. Dieses Schritte können ihrerseits dazu beitragen, gesellschaftliche Risse und Traumata zu überwinden. – Danke.
Sandra Szabo: Vielen Dank, Frau Prof. Busch.
Konkret und konstruktiv sind diese Dialogplattformen. Fördermaßnahmen entfalten bereits ihre Wirkung, und gleichzeitig ist die gelebte Identität ja kein Selbstläufer.
Ich darf nun Nationalratspräsident Walter Rosenkranz um seine Worte des Ausblicks bitten.
Ausblick
Walter Rosenkranz: Sehr geehrte Frau Prof.in Busch, ich danke Ihnen für den umfassenden Rückblick und Ihre Fachexpertise, die Sie in den letzten Jahren im Rahmen dieser Dialogplattform auch bei uns eingebracht haben. Wir hoffen sehr, dass Sie auch weiterhin nach Möglichkeit mit Ihren wertvollen Fachbeiträgen begleitend zur Verfügung stehen können und werden.
Ich komme nun in puncto Volksgruppen – es ist schon angesprochen – zu einem inhaltlichen Ausblick auf das Jahr 2026, was 2025 noch zu tun sein wird. Wir haben gerade beim Rückblick gehört: Abgeordneter Berlakovich – er ist seit der letzten Wahl nicht mehr Mitglied des Parlaments; die Person des Bildungsministers, des Unterrichtsministers hat sich ebenfalls seit Kurzem erst geändert; also das ist natürlich relativ viel und man sollte bei dieser Startphase vielleicht gleich besonders intensiv ansetzen. Was jetzt aber das Parlament selbst betrifft, komme ich nun in puncto Volksgruppen zu einem inhaltlichen Ausblick schon auf 2026.
50 Jahre Volksgruppengesetz 1976: 2026 ist für mich Anlass, Maßnahmen und Formate des Parlaments, welche zur Verstärkung der Sichtbarkeit der Volksgruppen dienen sollen, als Vorhaben und Vorgaben vor allem im Dienst 5, Demokratikum – die Herrschaften sind ja auch hier, wurden zum Teil namentlich schon erwähnt und kommen auch noch weiter zu Wort –, auch umsetzen zu wollen. Höhepunkt soll auf jeden Fall wieder der Tag der Volksgruppen in der zweiten Jahreshälfte 2026 sein, der in diesem Forum auch geplant und vorbereitet werden wird. Wir nehmen für dieses Format gerne aber auch Ihr Feedback und Ihre Anregungen mit. Der Stein der Weisen ist also nicht hier alleine, sondern wir bedürfen des Dialogs, der konkreten Vorstellungen, mit einer äußerst motivierten Mannschaft in diesem Teil der Parlamentsverwaltung. Das reicht von – unter Anführungszeichen – „kleinen Dingen“ wie der Ertüchtigung unserer Parlamentsbibliothek, wenn es um die Literatur geht, bis hin eben zu einer Veranstaltung. Kommen Sie gerne auch im direkten Gespräch darauf zurück!
Es geht eben um die Sichtbarkeit der autochthonen Volksgruppen im Jahr 2026, dass das noch stärker wird. Weil ich bereits die Abteilung angesprochen habe: Herr Thomas Kassl aus der Abteilung 5.2 der Parlamentsdirektion wird uns jetzt einen kurzen Überblick darüber geben, was ich nur angerissen habe.
Thomas Kassl (Parlamentsdirektion, 5.2 – Dialogplattform Staat & Gesellschaft): Sehr geehrter Herr Präsident, vielen Dank! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Abteilung 5.2, sie wurde ja schon angesprochen, die eine neue und junge Abteilung ist, widmet sich verstärkt dem Thema der autochthonen Volksgruppen.
Wir sind ja ein einem regelmäßigen Austausch mit Ihnen, sehr geehrte Volksgruppenbeiräte, wir sind mit Ihnen in einem Austausch, sehr geehrte Abgeordnete und Bereichssprecher.
Wir haben im Jahr 2026 einige Maßnahmen und Vorhaben im Haus in Planung; Sie wissen, dass der Dienst 5 Demokratikum sehr viele Möglichkeiten und Anknüpfungspunkte bildet und bietet, um thematisch daran anzuknüpfen. Wir wollen das Zentrum des Besucher:innenzentrums, den Infowürfel in der Agora, sozusagen als Anker für einen Gesamtüberblick nutzen.
Es geht uns eingangs darum, zu den Themen Sprache, Bildung, Kultur und Rechte eine klare Zuordnung zu den Volksgruppen zu geben. Mit einer Ausstellung im Auditorium, wo wir Bilder, audiovisuelle Elemente und einen Film zeigen wollen, ist es uns sehr wichtig, sozusagen die Sprache hörbar zu machen, Volksgruppenbelange ins Heute zu übersetzen, Menschen aus den Volksgruppen zu Wort kommen zu lassen, um einfach aus ihrem Leben zu berichten. Wenn jährlich über 500 000 bis 550 000 Besucherinnen und Besucher das Besucher:innenzentrum des Parlaments aufsuchen, können Sie sich vorstellen, was das für einen wichtigen Multiplikator auch für das Thema der autochthonen Volksgruppen darstellt. Es ist angedacht, auch Führungsformate im Hinblick auf das Thema Volksgruppen anzupassen; wir wollen Literatur am Ring bringen – ich kann exemplarisch hier Maja Haderlap aus der slowenischen Volksgruppe nennen, die mit ihrem Roman „Engel des Vergessens“ sehr viel dazu beigetragen hat, dass über Volksgruppen wieder gesprochen wird, dass sehr viel aus der Geschichte aufgearbeitet wird, dass sich Menschen wieder dazu ermutigen lassen, aus dem Schatten herauszutreten und über ihre eigene Vergangenheit zu sprechen. Es ist ein Aufeinanderzugehen, das wir sozusagen pflegen und fortsetzen wollen, unterstützen und verstärken wollen.
Es wurde schon angesprochen, dass die Bibliothek mit einem Handapparat auch sozusagen servicierend eingerichtet werden soll, und auch im Parlamentsshop soll man die Möglichkeit bekommen, fündig zu werden und dieses oder jenes zu erwerben und mitzunehmen.
Wir wollen sehr niederschwellig und sehr einfach in der Kommunikation wesentliche Information teilen, wir wollen Bewusstsein schaffen, wir wollen Emotionen wecken, wir wollen Sprache erlebbar machen und vor allem das Interesse für die autochthonen Volksgruppen in Österreich wecken. Daran arbeiten wir, daran werden wir in den nächsten Wochen verstärkt und intensivst tätig sein. Wir werden unterstützt werden durch wissenschaftliche Begleitung, die dann in einen schon angekündigten Tag der Volksgruppen – sozusagen als Höhepunkt – münden wird, an dem wir dann zu diesem großen und breiten Thema der autochthonen Volksgruppen noch sehr vieles zusätzlich erfahren werden. – Vielen Dank an dieser Stelle.
Walter Rosenkranz: Danke, Herr Kassl.
Ich darf jetzt noch einen weiteren Punkt ansprechen, der sich auf ein Erstgespräch mit Ihnen gemeinsam bezieht. Es ist das Projekt, die Frage und das große Anliegen, die große Idee – die bereits auch im Rückblick erwähnt wurde –, in Wien als dem Ballungszentrum, in das viele aus den ursprünglichen Siedlungsgebieten kommen, ein Schulwesen zu etablieren, als Privatschule, wo nicht nur das Tschechische und das Slowakische, sondern auch die anderen autochthonen Sprachen gelehrt werden können, mit derselben Qualität, wie es in diesen 150 Jahren bisher geschehen konnte, und eingebettet im Privatschulgesetz. Das ist nicht das Einfachste, vor allem budgetär, denn wir sehen ja auf der einen Seite die Vereinbarungen, die mit konfessionellen Schulen passiert sind, auf der anderen Seite die Privatschulen, die ja nicht nur was die Sprache betrifft, sondern unter Umständen auch aufgrund anderer pädagogischer Konzepte eingerichtet wurden. Wie kann man das richtig aufsetzen? Das muss insbesondere die Damen und Herren Abgeordneten interessieren, denn sie müssen letztlich dann die entsprechende gesetzliche Voraussicht und die entsprechende Legistik vornehmen, in Zusammenarbeit mit dem Bundeskanzleramt – und, ganz unter uns, auch mit dem Finanzministerium –, weil es da bestimmte Fragen zu klären gibt.
Ich wurde damals gebeten, dass wir auch seitens des Parlaments – wo wir, was den Rechts-, Legislativ- & Wissenschaftlichen Dienst betrifft, eine hohe Expertise in all diesen Verfassungsfragen haben – die Fragen Volksgruppen, Sprach- und Minderheitenschutz insbesondere im Lichte des Art. 8 Abs. 2 B-VG einer Einschätzung unterziehen.
Es freut mich, dass sich die Dienstleiterin des Dienstes 3, Frau Gerlinde Wagner, damit auseinandergesetzt hat, und es liegt ihre Einschätzung dazu – sie wurde mir auch bereits mitgeteilt – auf Ebene sehr hoher Expertise vor, und ich darf sie nun um ihren Fachkommentar zu dieser Themenstellung und Problematik bitten. – Bitte.
Fachkommentar
Gerlinde Wagner (Parlamentsdirektion, Rechts-, Legislativ- und Wissenschaftlicher Dienst): Vielen Dank, sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Vielen herzlichen Dank für die Einladung, heute zu Ihnen zu sprechen. Ganz zu Beginn sei vielleicht noch vorangestellt: Der Rechts-, Legislativ- und Wissenschaftliche Dienst des Parlaments unterstützt die parlamentarische Tätigkeit mit fundierter Expertise, und er arbeitet unparteiisch. Ganz im Sinne dieses über den RLW-Dienst Gesagten möchte ich Ihnen einen kurzen Überblick über ein paar wichtige Fragen zum Volksgruppen- und Minderheitenschutzrecht in Österreich geben. Im Zentrum steht dabei Art. 8 Abs. 2 der österreichischen Bundesverfassung. Diese Bestimmung ist Ihnen allen gut vertraut. Erlauben Sie mir bitte dennoch, dass ich sie kurz vorlese:
„Die Republik (Bund, Länder und Gemeinden) bekennt sich zu ihrer gewachsenen sprachlichen und kulturellen Vielfalt, die in den autochthonen Volksgruppen zum Ausdruck kommt. Sprache und Kultur, Bestand und Erhaltung dieser Volksgruppen sind zu achten, zu sichern und zu fördern.“ – Zitatende.
Art. 8 Abs. 2 wurde im Jahr 2000 in das B-VG eingefügt. Dem geht – Sie wissen das alles viel besser als ich – eine lange Geschichte der verfassungsrechtlichen Anerkennung und der gesetzlichen Ausgestaltung der Volksgruppenrechte voraus, die in vielen Schritten erfolgt ist. Die Verfassungsbestimmungen in §§ 12 und 13 Volksgruppengesetz – sie betreffen die topografischen Bezeichnungen und die Amtssprache – wurden noch später, nämlich erst im Jahr 2011, eingefügt und erlassen.
Vor Kurzem hat die Republik Österreich den 30. Jahrestag des Mordanschlags von Oberwart begangen. Die Brief- und Rohrbombenanschläge, die zwischen 1993 und 1996 stattfanden, richteten sich gegen Minderheiten in Österreich, sie führten aber auch zu einer erneuten Auseinandersetzung mit deren Schutz und Förderung.
Ein wichtiger Punkt, der auch hier im Parlament viel diskutiert wurde, war die Frage der Durchsetzung der Minderheitenrechte. Der im Nationalrat einstimmig beschlossene Art. 8 Abs. 2 B-VG ist eine Staatszielbestimmung, und damit sind weder subjektive individuelle noch kollektive Rechte verknüpft, also keine Rechte, die einzelne Personen oder Einrichtungen zur Vertretung der Volksgruppe haben oder durchsetzen können. Die Staatszielbestimmung markiert aber dennoch einen deutlichen Unterschied zu allen davor bestehenden Minderheitenschutzbestimmungen, mit ihr wurde nämlich eine eindeutige Abkehr vom lange bestehenden historischen Verständnis Österreichs als deutscher Nationalstaat vorgenommen und ein Bekenntnis zu einem multiethnischen Staat in der Bundesverfassung verankert.
Art. 8 Abs. 2 bezieht sich auf alle Teile des Bundesgebiets und auf alle Sprachen der autochthonen Volksgruppen. Auch das ist ein Unterschied zur Situation zuvor. Staatsziele legen als Teil der Verfassung Rahmenbedingungen für politisches Handeln fest. Sie sind bei der Erlassung von neuen Gesetzen und bei der Auslegung von bestehenden Gesetzen durch Gerichte und Verwaltungsbehörden zu beachten. Wie die beiden Verben „sichern“ und „fördern“ in Art. 8 Abs. 2 allerdings auszulegen sind, das bleibt offen und dazu finden sich auch nicht in den Erläuterungen zur Regierungsvorlage und auch nicht im Ausschussbericht aus dem Jahr 2000 irgendwelche Anhaltspunkte.
Aus Staatszielbestimmungen ergeben sich keine Verpflichtungen, neue gesetzliche Regelungen zu schaffen, und es gibt in Österreich in solchen Fällen keine Möglichkeit, als Einzelner gegen das Untätigwerden des Gesetzgebers vorzugehen. Volksgruppenangehörige haben auch keine Möglichkeit, ein Gesetz, eine Verordnung oder einen Bescheid auf die Übereinstimmung mit diesem Art. 8 Abs. 2 der Bundesverfassung überprüfen zu lassen.
Auch das ist aber ein Ergebnis der Debatten über die Minderheitenrechte in den 1990er-Jahren, und letztlich gab es eben keine Verfassungsmehrheit für die Einführung solcher Rechte – es konnten dafür keine Mehrheiten gefunden werden.
Die Entwicklung der Minderheitenrechte in Österreich ist davon geprägt, dass immer wieder einzelne Rechte für einzelne Volksgruppen verankert wurden. Es gibt grundsätzliche Minderheitenrechte, die allen Volksgruppen zukommen, und dabei geht es immer um den Schutz der Minderheiten gegenüber der Mehrheitsbevölkerung. Es gibt jedoch keine Bestimmung, die eine Gleichstellung aller Volksgruppen untereinander verlangt.
Das hat in Bezug auf Bildung und Schule eine ganz besondere Bedeutung. In der Verfassung wird die Schulfrage für Angehörige der kroatischen, der slowenischen und der ungarischen Volksgruppe geregelt. Die Regelungen knüpfen vorranging an die traditionellen Siedlungsgebiete an. Ob nun eine Volksgruppenungleichbehandlung rechtlich zulässig oder rechtlich nicht zulässig ist, kann vom Standpunkt des geltenden Rechts nicht abschließend beurteilt werden.
Es gibt zum einen Argumente, die für eine Gleichbehandlung aller Volksgruppen – auch im Hinblick auf die Schulen – sprechen. Dazu zählt vor allem der Umstand, dass für alle sechs Volksgruppen gleichermaßen Volksgruppenbeiräte und Volksgruppenförderung verankert worden sind. Zudem bekennt sich ja Art. 8 Abs. 2 auch undifferenziert zur Sicherung und Förderung aller Volksgruppen.
Aber – natürlich gibt es ein Aber –: Aus der Verfassung können zum anderen auch Argumente gegen eine Gleichbehandlung aller Volksgruppen abgeleitet werden. Das ergibt sich daraus, dass der Verfassungsgesetzgeber entschieden hat, nur für die Mitglieder einzelner Volksgruppen das Recht auf Unterricht in den Volksgruppensprachen im Verfassungsrang vorzusehen. Ähnliches gilt für die Amtssprachen, und Ähnliches gilt für die topografischen Bezeichnungen. Es könnte somit auch gut argumentiert werden, dass es sich da um eine rechtspolitische Wertungsentscheidung handelt, die innerhalb des zulässigen Gestaltungsspielraums des Verfassungsgesetzgebers liegt.
Die Minderheitenschutzbestimmungen in der Bundesverfassung spiegeln eine lange Geschichte und eine vielfältige Auseinandersetzung wider. Ihre Entwicklung zeigt aber auch, dass das letzte Wort dabei noch nicht gesprochen worden ist.
Ich hoffe sehr, dass ich Ihnen mit meinem kurzen Überblick einen Beitrag zur weiteren dialogischen Auseinandersetzung liefern konnte. – Vielen Dank.
Sandra Szabo: Vielen Dank, Frau Mag.a Wagner.
Wer über Sprache spricht, spricht über Zugehörigkeit, und wer über Zugehörigkeit spricht, muss über Anerkennung sprechen. Damit darf ich zum Bericht „Blickpunkt Sprachen“ überleiten. Er kommt von Bernard Sadovnik. Sadovnik ist aktiver Bürgermeister von Globasnitz/Globasnica. Sprachen im Blickpunkt – so ist sein Thema. Sadovnik ist auch Obmann einer der drei Vertretungsorganisationen der Gemeinschaft der Kärntner Sloweninnen und Slowenen. Sprache und Mehrsprachigkeit stellt er immer wieder in den Mittelpunkt seines Tuns und Handelns.
Wir hören jetzt ein Update zur Arbeitsgruppe im Bildungsministerium.
Bericht: Blickpunkt Sprachen
Bernard Sadovnik (Bürgermeister der Gemeinde Globasnitz/Globasnica & Vorsitzender der Gemeinschaft der Kärntner Slowen:innen): Geschätzter Herr Nationalratspräsident! Spoštovani gospod predsednik! Geschätzte Damen und Herren! Ich darf zuerst anfangs meine Freude und auch meine Wertschätzung für zwei Punkte aussprechen.
Erstens einmal an Sie, Herr Nationalratspräsident, dafür, dass Sie die Dialogplattform weiterführen und diese Dialogplattform, die schon breit aufgestellt war, noch breiter aufgestellt haben – dass das gesamte Parlamentspräsidium und auch der Bundesrat miteinbezogen wurden, hebt sicherlich den Stellenwert unserer Anliegen und der Volksgruppen in Österreich.
Zweitens, Herr Direktor Dossi: Dass wir eine sichtbare Abteilung auch im österreichischen Parlament – wie auch im Bundeskanzleramt – haben, bis jetzt auch im demokratischen Forum, ist auch ein Ausdruck der Wertschätzung gegenüber den autochthonen Volksgruppen in Österreich und der kulturellen und sprachlichen Vielfalt. – Danke dafür, dass diese Abteilung wirken darf!
In der Vergangenheit war es eine Erfolgsgeschichte, weil wir, wie von Frau Dr. Busch berichtet, hier sehr wesentliche Fragen erörtern konnten, die letztendlich auch dazu beigetragen haben, dass wir in den Bildungsfragen einen Schritt weitergekommen sind.
Herr Präsident, Sie haben es so schön gesagt: Z jezikom smo – „mit der Sprache sind wir“. Gerade so ist es. Ich glaube, wir sollten hier nicht nur von einer Volksgruppenpolitik reden im Sinne von: Na ja, wir haben da ein paar Volksgruppen, wir geben diesen Volksgruppen ein bisschen Geld, und dann passt schon alles!, sondern wir sollten, wenn wir von Volksgruppenpolitik sprechen, in Zukunft von einer offensiven Sprachenpolitik sprechen, weil Volksgruppensprachen Europa in seiner Dimension eigentlich in Österreich sichtbar machen.
Alle Volksgruppensprachen, die heute hier vertreten sind, sind letztendlich auch Sprachen unserer Nachbarstaaten. Es sollte ja nicht nur das Interesse der Republik aufgrund des Staatsvertrages, aufgrund rechtlicher Rahmenbedingungen sein, sondern wir sollten schon aus wirtschaftlichen Interessen diese Sprachen in Österreich stärken. Es sind auch Wirtschaftssprachen.
Wir wissen, Sprache erzeugt Emotion. Überall, wo positive Emotionen erzeugt werden, fördert das nicht nur den Umgang unter den Menschen im Dialog, sondern es fördert auch die Wirtschaft, es fördert auch das Miteinander. Letztendlich wird mit einer offensiven Sprachenpolitik Europa, wie wir es verstehen, als kulturelle Vielfalt, als Sprachenvielfalt verstanden.
Weil immer so gerne von Minderheitensprachen gesprochen wird: Wir leben in der Europäischen Union, und alle Sprachen, die hier vertreten sind, sind europäische Sprachen, gleichberechtigte Sprachen. Da sollte es eigentlich nicht mehr die Diskussionen geben, ob man in Klagenfurt am Landesgericht als Österreicher die Sprache verwenden darf. Das ist noch immer nicht geregelt, andererseits wird das den EU-Bürgern in Klagenfurt sehr wohl jeden Tag zur Verfügung gestellt.
Das heißt, wir müssen Sprache breit verstehen. Ich werde sehr offen sprechen – der Herr Präsident weiß das –: Wir fühlen uns in dieser Angelegenheit wirklich schon seit Jahrzehnten als Bettler der Nation. Immer wieder aufs Neue, in allen Legislaturperioden, versuchen wir, die Politikerinnen und Politiker in Wien darauf anzusprechen, wie notwendig es wäre, dass wir in Österreich endlich erreichen, dass wir aus der restriktiven Volksgruppensprachenpolitik der Siebziger- und Achtzigerjahre zu einer offensiven europäischen Sprachenpolitik kommen.
Eine offensive Sprachenpolitik heißt für mich das, was Frau Dr. Brigitta Busch schon vorgetragen hat: dass wir uns bewusst sind, dass wir eigentlich eine durchgängige Sprachbildung in unserem Bildungssystem brauchen; dass es nicht sein kann, dass in Kärnten an den Mittelschulen die Sprache wiederum verloren geht, weil sie einfach nur als Freigegenstand am Nachmittag angeboten wird. Schon damit wird die Minderwertigkeit angezeigt. Diese Minderwertigkeit müssen wir Angehörige der Volksgruppen durchgehend erleben.
Ich möchte es jetzt sehr persönlich erklären. Vor fast 80 Jahren wurden elf Personen meiner Familie am Peršmanhof von einer Polizeieinheit ermordet – aufgrund ihrer Zugehörigkeit, aufgrund ihrer Sprache. Aufgrund dessen, dass sie Widerstand gegen den Nationalsozialismus geleistet haben, haben sie ihr Leben gelassen.
Das Vermächtnis meines Vaters war: Wir dürfen die Deutschen und die deutsche Sprache deswegen nicht hassen. Das war sein einziges politisches Vermächtnis: Wir dürfen sie nicht hassen, wir müssen uns umso mehr um die Sprache des Nachbarn, um das Miteinander und um den Dialog bemühen, damit so etwas nie mehr wieder passiert. – Leider müssen wir es heute jeden Tag in unmittelbarer Nähe wieder erleben. Das berührt mich sehr tief.Und wir leben heute in Österreich in einer Demokratie, die schon Erfahrungen hat, wie man vor allem in Konfliktsituationen miteinander umgeht – wir haben es auch bei der Ortstafelfrage bewiesen: Obwohl der Kompromiss schmerzhaft war, waren wir fähig, einen Schritt aufeinander zuzugehen, auf vieles zu verzichten, sodass wir eine Zeitenwende auch in Kärnten ermöglichen konnten. Ich glaube, jetzt ist es an der Zeit, dass wir auch in der Sprachenpolitik in eine neue Zeit gehen.
Wenn wir uns dessen bewusst sind, dass wir im autochthonen Siedlungsgebiet durch die Abwanderung, auch durch die jahrzehntelange Assimilationspolitik, die in den Siebziger-, Achtzigerjahren betrieben worden ist, Generationen von Slowenisch sprechenden Mitbürgerinnen und Mitbürgern verloren haben, dann sollten wir diesen Ausfall damit wiedergutmachen, dass wir es in unserem Bildungssystem ermöglichen, dass Kinder auch die zweite Sprache wiederum erlernen – von der Kindertagesstätte über die Matura bis hin zur Universität, bis zum Studium, ob es die Landessprache ist, die Regionalsprache ist. Wir haben in Kärnten derzeit die Situation – und ich kann Ihnen das als Bürgermeister erzählen –, dass sehr, sehr viele junge Eltern, denen die slowenische Sprache aufgrund der Politik in Kärnten eigentlich verwehrt worden ist, ihren Kindern den Zugang zu dieser zweiten Landessprache und zu einem Teil ihrer familiären Identität wieder ermöglichen wollen; und ich glaube, es ist unsere ureigenste Aufgabe, vom Bund über das Land bis zu den Gemeinden, dass wir dies mit klaren rechtlichen Rahmenbedingungen ermöglichen, nicht mit restriktiven Gesetzen, sondern mit einem großzügigen rechtlichen Rahmen, der tatsächlich dem entspricht, was Eltern heute wünschen und was letztendlich Österreich in seiner Vielfalt stärkt, in seinem demokratischen Verständnis, in seinem europäischen Verständnis, aber auch als Wirtschaftsstandort.
Rückblickend: Wenn die Komenský-Schule ohne rechtliche Rahmenbedingungen 150 Jahre überlebt hat, dann ist es an der Zeit, dass wir es schaffen, dass diese Schule endlich einer Lösung zugeführt wird, und die Idee bei dieser Lösung war: Wenn wir es tun, tun wir es für alle Sprachen! Die OGM-Studie hat ja ergeben, dass die jungen Volksgruppenangehörigen – ob es Kroaten sind, ob es Ungarn sind, ob es Slowenen sind – in erster Linie nach Wien und nach Graz auswandern. Wenn wir hier mitten in Wien eine europäische Vorzeigeschule haben – Europa im Sinne unseres gemeinsamen Raumes –, dann nützen wir sie: dass wir aufbauend auf der Komenský-Schule auch für die anderen Volksgruppensprachen, auch den Kroaten, Slowenen, Ungarn und den Roma einen zweisprachigen Unterricht vom Kindergarten, von der Kindertagesstätte bis zur Matura ermöglichen!
Ich denke mir, das wäre ein Ansatz, der letztendlich dem heurigen Jubiläum entsprechen würde. Das wäre auch ein Teil der Wiedergutmachung gegenüber den Volksgruppenangehörigen aller Volksgruppen, nicht nur für die Zeit des Nationalsozialismus, sondern auch danach – ich selbst habe noch diese Erniedrigungen erleben müssen, als Jugo, als Tschusch.
Letztendlich entsprechen wir, wenn man es dann ganz ernst nimmt, auch den rechtlichen Vorgaben, die wir haben: Wir haben einen Staatsvertrag, der leider zum Beispiel bezüglich der zweisprachigen Gerichtsbarkeit nach 70 Jahren noch immer nicht erfüllt ist, und wir haben europäische Rahmenbedingungen, die das Österreichische Parlament ja ratifiziert hat – ja, danke! Es wurde ratifiziert: die Rahmenkonvention, die Sprachencharta, die letztendlich ja sagt, dass wir es den jungen Menschen ermöglichen müssen, wo auch immer in Österreich der Bedarf besteht, Sprache zu erlernen.
Wir wissen ja gerade aus der Debatte um die Asylberechtigen, wie wichtig Spracherwerb ist. Vielleicht können Sie dann auch verstehen, wie wichtig es für die Volksgruppen ist, in denen die Sprachen vor dem Aussterben sind, dass dieser Spracherwerb, der ja von den Eltern gewünscht wird, endlich österreichweit als Angebot ermöglicht wird.
Mir dem Projekt Volksgruppenschule Wien – ich sage: europäische Schule in Wien – wäre wirklich eine Möglichkeit gegeben, nachdem wir mit dem Ministerium in den letzten Monaten sehr gute, arbeitsreiche Gespräche gehabt haben, die Herr Generalsekretär Netzer geführt hat. Wir haben uns in dieser Arbeitsgruppe und in diesen Gesprächen geeinigt, dass das Bundesministerium bereit ist, so eine Volksgruppenschule in Wien umzusetzen, gemeinsam umzusetzen. Wir brauchen Partner – wir brauchen die Stadt Wien, wir brauchen das Parlament, wir brauchen, wie Sie richtigerweise auch gesagt haben, die rechtlichen Rahmenbedingungen. Wir haben bezüglich des Privatschulgesetzes schon im Jahr 2017 von allen Volksgruppen angenommene Vorschläge übermittelt, aber wenn ein Wille da ist, gehe ich davon aus, dass es möglich ist, gerade in diesem Jubiläumsjahr und kurz vor dem 50-jährigen Bestehen des Volksgruppengesetzes, diese Volksgruppenschule als erstes sichtbares Zeichen umzusetzen, als sichtbares Zeichen: Diese Republik wünscht sich, dass diese Volksgruppen, diese Volksgruppensprachen erhalten bleiben und diese kulturelle Vielfalt im Sinne von: Europa wird zu Hause gelebt!, auch umgesetzt wird.
Wir haben uns mit dem Bildungsministerium geeinigt, aufbauend auf der Komenský-Schule – und Herr Karl Hanzl hat auf seine eigenen Kosten schon Pläne erstellt, Gebäude gefunden, erste Gespräche mit den Eigentümern geführt, das heißt, wir haben schon sehr viel Vorarbeit geleistet; die kroatische Volksgruppe hat schon einen Schulverein, die slowenische Volksgruppe wird jetzt einen Schulverein gründen – ein breites, auf den Prinzipien des europäischen Schulwesens basierendes Modell des European Schooling zu erarbeiten und basierend auf den Erfahrungen des seit 150 Jahren in Wien tätigen Schulvereins Komenský ein maßgeschneidertes Modell umzusetzen.
Es wurden auch pädagogische Eckpunkte fixiert, nämlich dass diese Umsetzung zunächst in Wien stattfinden soll – wir wissen, dass in Graz auch ein nachhaltiger Bedarf besteht, aber als Kommunalpolitiker ist mir bekannt, dass man Umsetzungen Punkt für Punkt, Schritt für Schritt angehen muss –; dass Deutsch und die Volksgruppensprache konsequent als L1, das heißt hinführend zu zwei Bildungssprachen, integrativ vermittelt werden; dass die Orientierung an den Lehrplänen des Minderheitenschulwesens, vor allem in Bezug auf die Ausgangslage der Sprachkenntnisse – die Volksgruppensprache kann Erst-, Zweit- oder Umgebungssprache sein – umgesetzt wird; dass wir die vollen Anschluss- und Übertrittsmöglichkeiten für alle Schülerinnen und Schüler ermöglichen und dass wir in dieser Schule vor allem die europäisch-kulturelle Dimension berücksichtigen.
Das wäre das Modell für die Komenský-Schule, wobei – wie Frau Mag. Wagner richtig erwähnt hat – ich das Glas halb voll sehe und sage, die rechtliche Grundlage kann, wenn nicht im Privatschulgesetz, auch in einem zukunftsorientierten, offensiven novellierten Volksgruppengesetz umgesetzt werden. Zu diesem Thema werde ich dann später noch sprechen.
Einen wesentlichen Punkt zur Sprachförderung möchte ich hier allen Parlamentariern noch gerne mitgeben: In der Frage der Elementarpädagogik wird es wesentlich sein, weil jetzt ja das zweite Kindergartenjahr als Pflicht eingeführt wird, dass dies auch in ein Volksgruppengesetz oder Minderheitenschulgesetz festgeschrieben wird. Wieso? – Sonst passiert es, wie ich es selbst erleben musste, dass wir dann in Gemeinderäten darüber abstimmen: Wird es in der Gemeinde das Angebot einer zweisprachen Kindertagesstätte geben oder nicht? Und in weiterer Folge geht es ja um die Sprachkompetenz, um die Qualität der Sprache, um Ausbildung – Bafep und so weiter. Da ist absolut wesentlich, dass auf Bundesebene gesetzliche Maßnahmen ergriffen werden, dass im Bereich der Vorschule, der Elementarpädagogik festgelegt wird, dass im zweisprachigen Gebiet die Volksgruppensprachen gleichberechtigt behandelt werden. Das wäre für mich sehr wesentlich, Frau Dr. Busch wird es Ihnen bestätigen.
Damit werde ich schließen. Wenn man ab dem ersten Lebensjahr Sprachen hört, braucht man sie nicht mehr zu lernen, und wenn man dann mit sechs Jahren in die 1. Schulstufe einer zweisprachigen Schule eintritt, kann man beide Sprachen perfekt. – Danke, hvala lepa.
Sandra Szabo: Danke, Herr Sadovnik für diesen Bericht. Wir sind in der Halbzeit und haben noch viel vor.
Wichtige Worte werden jetzt folgen, und ich bitte die Redner:innen, diese auch prägnant auf den Punkt zu bringen.
Wir kommen jetzt zu den Statements der Vorsitzenden im Volksgruppenbeirat.
Wir beginnen mit dem Volksgruppenbeirat der Kroatinnen und Kroaten, mit Josef Buranits.
Statements der Vorsitzenden im Volksgruppenbeirat
Josef Buranits (Volksgruppenbeirat Kroat:innen): Einen schönen Tag an den Herrn Präsidenten, an die Vertreter der Parteien, Bereichssprecher:innen, an die Vertreter des Bundeskanzleramtes und besonders an die Vertreter der Volksgruppen! Najsrdačnije vas pozdravljam. Kanim na hrvatskoj riči ča reć, jer je važno, u ovum stanu se isto hrvatska rič čuje, jer ovo je i naš stan!
Ich möchte mich auch dafür bedanken, dass diese Dialogplattform fortgeführt wird. Das ist eine Errungenschaft, die wir lange Zeit nicht hatten. Wie wir sehen, sind diese Gespräche aber sehr wertvoll und führen auch zu Resultaten. Sie führen zu weiteren Dialogen und erreichen auch die Öffentlichkeit. Das heißt, mit dieser Dialogplattform wird auch die Sichtbarkeit der Volksgruppen ermöglicht und gestärkt, weil sie durch Ihre Teilnahme auch in der Öffentlichkeit sichtbar werden. Dass wir hier in dieser Art und Form weitermachen können, dafür möchte ich mich noch einmal besonders bedanken.
Auch ich wollte Art. 8 Abs. 2 B-VG zitieren, aber dieser ist hier schon öfters angesprochen worden. Das heißt, ich werde nicht noch einmal näher darauf eingehen, sondern gleich zum letzten Satz in Bezug auf das Sichern und Fördern kommen.
Ich glaube, das Wichtigste ist, dass wir unsere Gesetze an die Notwendigkeiten, an die Gegebenheiten der jetzigen Zeit anpassen müssen. Das heißt, wenn wir uns das Volksgruppengesetz aus dem Jahr 1976 ansehen – und wir „feiern“, unter Anführungszeichen, dass sich in 50 Jahren an dieser Form nichts geändert hat –, sieht man schon, dass da Nachholbedarf gegeben ist. Ich weiß eigentlich von keinem wirtschaftlichen Gesetz, keinem sozialen Gesetz, keinem pädagogischen Gesetz, das 50 Jahre alt ist. Wo würden wir als Republik da stehen? Ich glaube, wir würden uns dafür schämen müssen.
Ich möchte jetzt aus kroatischer Sicht die zwei wichtigsten Themen ansprechen, die Priorität für uns haben: die Bildung und die Modernisierung des Volksgruppengesetzes als solches.
Bei der Bildung geht es wirklich darum, dass wir erstens vom Kindergarten bis zur Matura im autochthonen Volksgruppengebiet unterrichtet werden und uns weiterbilden können, und außerhalb des autochthonen Siedlungsgebietes geht es darum, dass wir wirklich die Möglichkeit haben, ein Bildungssystem aufzubauen.
Mobilität ist gang und gäbe – für die Burgenländer als Pendler natürlich etwas Besonderes, aber sehr viele pendeln nicht und sind in Wien ansässig. So war es auch bei mir: geboren im Mittelburgenland, an der Grenze, studiert in Wien, zum Arbeitsort wieder zurück ins Burgenland, zum nächsten Arbeitsort wieder zurück nach Wien; und genau so geht es vielen Burgenländerinnen und Burgenländern und vielen Kroatinnen und Kroaten. Stellen Sie sich vor, die Kinder kommen in Wien zur Welt, sind nicht zweisprachig, haben keinen zweisprachigen Unterricht, kommen dann mit ihren Eltern zurück ins Burgenland und dann vielleicht wieder zurück nach Wien! Wenn das Ganze abreißt, dieser durchgängige Bildungsweg nicht gegeben ist, dann fehlt das Kroatische.
Ich glaube, man muss mit der Zeit gehen, man muss – wie es mein Vorredner gesagt hat – wirklich einmal offensiv denken und eine Sprachenpolitik umsetzen, die es uns ermöglicht, uns abzusichern. Es muss mehr gemacht werden, um wirklich überleben zu können.
Frau Brigitta Busch hat schon über Revitalisierung gesprochen. Wir können zum Teil schon auch für die Kroaten über Revitalisierung sprechen, weil die Sprachkompetenz zurückgegangen ist.
Eines der wichtigen Themen für uns sind natürlich auch die fehlenden Pädagog:innen im Burgenland, besonders in den Kindergärten. Wir spüren das jetzt besonders. Es ist schwierig, obwohl die Bürgermeister zweisprachige Kindergärtner:innen anstellen würden – sie fehlen einfach. Ich glaube, da muss es auch Offensiven geben, um das zu fördern.
Zweitens hinkt auch die Ausbildung der Pädagog:innen für den Kindergarten sehr nach. Das heißt, wir haben im Burgenland nur einen Sprachenunterricht, es befasst sich niemand mit der pädagogischen Zweisprachigkeit. Es ist sicher noch sehr viel notwendig, um entsprechende Pädagog:innen zu finden, Leute zu motivieren, die Zweisprachigkeit auch in der Ausbildung zu nutzen.
Das zweite Hauptthema, das ich hier ansprechen möchte, ist die Modernisierung des Volksgruppenrechtes als solches. Vielleicht kennt dieses Büchlein (in die Höhe haltend) jemand? Schon 2011 hat eine Expertengruppe – ich zitiere ein paar Namen: Heinrich Neisser, Maria Berger, Christian Funk, Öhlinger, Kolonovits, Hafner, Gamper und so weiter – ein neues Volksgruppenrecht ausgearbeitet. Es ist schon am Tisch gelegen, aber es war, glaube ich, die politische Lage noch nicht gegeben, dass man noch einmal darüber nachdenkt und sagt: Okay, wir müssen etwas ändern, wir brauchen ein modernes Volksgruppengesetz.
Ich glaube, jetzt – wir feiern 70 Jahre Staatsvertrag, wo die Rechte der Slowenen und Kroaten verbrieft sind – wäre es vielleicht möglich und auch an der Zeit, ein 50 Jahre altes Volksgruppengesetz an die jetzigen Gegebenheiten anzupassen. Vielleicht ein Vorschlag dazu wäre, dass man in diesem Haus, hier im Parlament, einen Konvent einsetzen könnte, der sich mit diesem Thema befasst und gemeinsam mit Experten, mit Europaexperten, Volksgruppenexperten und Rechtsexperten dieses Hauses, etwas erstellt, das wirklich modern ist. Vielleicht wäre auch ein ständiger parlamentarischer Ausschuss eine Möglichkeit, sich hier in diesem Haus öfter mit Volksgruppenangelegenheiten zu befassen; das wäre vielleicht auch anzudiskutieren.
Es gibt noch eine längere Liste an Maßnahmen, Kataloge, die wir vom Österreichischen Volksgruppenzentrum aufgrund der Volksgruppenbeiräte-Berichte erstellt haben. Die Liste ist länger, die Zeit reicht jetzt nicht dafür aus, aber was ich wirklich sagen möchte, ist: Wir müssen uns um die Jugend kümmern. Das heißt, wir müssen den Jugendlichen auch die Möglichkeit der Partizipation einräumen. Ich glaube, es gibt sehr viele Gremien, in denen die Jugend, in denen die Jugendlichen unterrepräsentiert sind – hier sollte man sicher auch etwas tun.
Abschließend würde ich sagen: Digitalisierung ist eine Möglichkeit, die es vor 50 Jahren nicht gegeben hat. Es gibt in diesem Zusammenhang neue Wege, neue Möglichkeiten, für die Volksgruppensprachen etwas zu tun, für den Spracherhalt, für den Spracherwerb etwas zu tun, aber dafür bedarf es natürlich der Förderung der Republik, die notwendig sein wird.
Als Abschlusswort vielleicht noch: 70 Jahre österreichischer Staatsvertrag, dieses Jubiläum wird heuer begangen. Auch dieses Haus wird eine Veranstaltung abhalten, und ich hoffe, dass bei dieser Veranstaltung auch die Volksgruppen sichtbar sein werden; ich würde es mir sehr wünschen. Er ist nämlich auch eine der wichtigen Rechtsnormen, die für die Slowenen und für die Kroaten abgesichert haben, dass wir unsere Rechte schützen können. Hoffentlich werden sie auch für die anderen Volksgruppen nutzbar werden. Es würde mich freuen, Herr Präsident, wenn anlässlich 70 Jahre Staatsvertrag die Volksgruppen berücksichtigt werden würden.
Harald Ladich und ich sind neu hier und wir sind natürlich froh und freuen uns auf eine engere Zusammenarbeit mit dem Parlament, dem Bundeskanzleramt und den Abgeordneten. – Danke schön.
Sandra Szabo: Vielen Dank.
Ich bitte jetzt den Volksgruppenbeirat der Sloweninnen und Slowenen in Kärnten und in der Steiermark, Herrn Sadovnik, um sein Statement.
Bernard Sadovnik (Volksgruppenbeirat Slowen:innen in Kärnten und der Steiermark): Danke nochmals. – Herr Nationalratspräsident, ich habe Ihnen gestern einen Antrag, einen Vorschlag übermittelt, den wir in der Generalversammlung der Vorsitzendenkonferenz aller Vorsitzenden der Beiräte beschlossen haben, und ich würde mich sehr freuen, wenn man diesem Antrag, diesem Wunsch im Parlament entsprechen würde.
1976 wurde das aus Sicht der Volksgruppen sehr restriktive Volksgruppengesetz für die autochthonen Volksgruppen in Österreich beschlossen und in der Zwischenzeit nicht den Realitäten und den Notwendigkeiten für den Erhalt und die Förderung der Volksgruppensprachen angepasst.
Im kommenden Jahr begehen wir den 50. Jahrestag des Volksgruppengesetzes, der dazu genützt werden soll, dass man mit dessen Novellierung den Realitäten und Bedürfnissen aller autochthonen Volksgruppen Österreichs entsprechen sollte. Aus diesem Grunde beantrage ich bis zum Jahrestag 2026 – nachdem Sie ja schon den Volksgruppentag angesprochen haben – die Durchführung eines Volksgruppenkonventes beziehungsweise die Einrichtung von Arbeitsgruppen im Rahmen der Dialogplattform, die sich unter der Leitung von anerkannten Expert:innen mit den inhaltlichen Bedürfnissen und Notwendigkeiten – Amtssprache und Topografie, Bildung und Sprache, Kultur, Medien und Sport, Wirtschaft, Wissenschaften, grenzüberschreitende Kooperationen und weitere – befassen und etwas erarbeiten sollen.
Resultierend aus den erarbeiteten Inhalten müssten dann die notwendigen rechtlichen Rahmenbedingungen und Novellierungen des Volksgruppengesetzes und weiterer Verfassungs- und Gesetzesmaterien folgen. Die Präsentation aller Ergebnisse des Volksgruppenkonventes könnte eben bei einem diesbezüglichen Volksgruppentag 2026 im Parlament stattfinden.
Sie, Herr Präsident, haben immer gemeint – vor allem beim Gespräch –, Sie wollen Veranstaltungen, die den Parlamentariern dienen, darum damals diese Idee von mir, wobei dann logischerweise die notwendigen Beschlussfassungen im Parlament oder der Erlass von notwendigen Verordnungen umgehend und zeitnah stattfinden sollte.
Zu den Beratungen mit den Vertretern und Vertreterinnen der autochthonen Volksgruppen und des Parlamentes sollten auch die Vertreter des Bundeskanzleramtes, des Bildungsministeriums sowie weiterer Ministerien – je nach Thematik – beigezogen werden. Mit dieser Vorgangsweise wird der jahrzehntelangen Forderung aller autochthonen Volksgruppen sowie dem Memorandum, 2011 beim Ortstafelkompromiss von allen unterschrieben, nach einer dringenden Reform des Volksgruppengesetzes endlich entsprochen, und ich wäre froh, wenn die Dialogplattform, wenn die Abgeordneten und alle Mitglieder diesem Antrag auch entsprechen könnten.
Für die slowenische Volksgruppe ist neben der Novellierung des Volksgruppengesetzes eine wesentliche Frage – ich weiß, wir sind in finanziellen Krisen – eben die Valorisierung der Volksgruppenförderung. Leider war es so, dass dies in den letzten Jahren eigentlich nicht berücksichtigt wurde und vor allem personalintensive Organisationen größte Schwierigkeiten bei ihrer Arbeit haben.
Es wäre auch notwendig, 70 Jahre nach dem Staatsvertrag vor allem die Erweiterung der zweisprachigen Gerichtsbarkeit zu vollziehen – im Justizministerium liegen da schon Vorschläge der slowenischen Volksgruppe vor –, und es wäre schön, wenn es nicht nur zu: 100 Jahre Abstimmung oder zu runden Anlässen der Kärntner Volksabstimmung, sondern auch jetzt zu: 70 Jahre Staatsvertrag eine Jubiläumszuwendung für Volksgruppen für bildungspolitische Maßnahmen und der Erweiterung der Sprachkompetenz gäbe. Es wäre eine Art Wiedergutmachung für das, was eigentlich verloren gegangen ist und nicht mehr wiedergutzumachen ist.
80 Jahre nach Kriegsende – Herr Präsident, ich habe es angesprochen, das muss man sehr differenziert sehen –wäre es notwendig, dass auch die Republik Österreich den Widerstand der Kärntner Sloweninnen und Slowenen, die ja auch während der Kriegsjahre massiv ausgesiedelt worden sind, gegen das NS-Regime endlich anerkennt und wir – so wie es heute leider noch geschieht – nicht mehr als Partisanen und Jugo-Partisanen beschimpft werden, weil man da zwei Geschichten vermischt.
Und 30 Jahre nach dem EU-Beitritt würde ich mir wünschen – das ist ein Wunsch –, dass man zukünftig die autochthonen Volksgruppen in die Vorbereitungen von bilateralen Kulturabkommen zwischen den einzelnen Staaten einbezieht, weil wir im Rahmen dieses Kulturabkommens auch bildungspolitisch, kulturpolitisch sehr viel einbringen könnten, und vor allem – mein Vorschlag, den ich leider Gottes auch schon jahrzehntelang vortrage – in beiden Staaten – auch in Slowenien – die Schaffung eines bilateralen Fonds – von Österreich und Slowenien zum Beispiel – für den Kulturaustausch zwischen Österreich und den Nachbarstaaten. Das würde auch den Kulturaustausch zwischen der slowenischen Volksgruppe, zwischen den Deutschsprachigen in den Nachbarländern mit Österreich und slowenischen Kulturgruppen – eben mit Slowenien – fördern und ermöglichen, und es wäre ein großer Schritt in Richtung europäisches Denken, auch was die Zusammenarbeit der Volksgruppen betrifft.
Kritisch anmerken möchte ich, dass wir als slowenische Volksgruppe – das betrifft sehr, sehr viele Volksgruppenvertreter – im Rahmen des ORF bei den Änderungen nicht eingebunden werden. „Heimat fremde Heimat“ wurde ohne Rücksprache mit den Volksgruppenvertretern als Sendung eingestellt, und ich habe die Befürchtung, dass man auf Bundesebene die Volksgruppen im ORF-Zentrum nicht mehr vertreten haben möchte – außer im Publikumsrat, und das wäre es dann. Mir wäre es aber wichtig – wenn jetzt neue Formate über Volksgruppen geschaffen worden sind –, dass wir einbezogen werden, dass wir auch über diese neuen Formate österreichweit eben Bewusstsein – vor allem bei den Deutschsprachigen, bei der Mehrheitsbevölkerung – schaffen, denn uns braucht man mit solchen Formaten nicht mehr zu überzeugen, sondern jene, die nichts von den Volksgruppen wissen.
Und das führt mich noch dort hin, zu sagen, dass es notwendig wäre, endlich auch die Geschichte der Volksgruppen in die Lehr- und Schulbücher einfließen zu lassen. Hvala lepa! – Ich würde aber bitten, dass die steirischen Slowenen das selbst vortragen, weil es ungeschickt wäre, wenn deren Vertreter neben mir sitzt.
Sebastian Walcher (Artikel-VII-Kulturverein für Steiermark): Besten Dank, Bernard Sadovnik! Meine Damen und Herren, Herr Präsident! Mein Name ist Sebastian Walcher, ich bin Vertreter des Artikel-VII-Kulturvereins für Steiermark und dort auch im Vorstand.
Der Name einer Stadt ist heute besonders oft gefallen, und das ist Graz als zweitgrößte Stadt Österreichs, als Zentrum der Steiermark, als Landeshauptstadt und schon seit jeher auch als Bildungszentrum für das Slowenische. 1811 wurde dort der erste Lehrstuhl für Slowenisch gegründet, und zwar überhaupt, weltweit, und es gab auch bereits davor Vorlesungen auf Slowenisch: sowohl an der Rechtswissenschaftlichen Fakultät als auch an der Medizinischen Universität und auch der Theologischen Fakultät.
Gott sei Dank gibt es diesen Lehrstuhl in Graz natürlich nach wie vor, was allerdings fehlt, ist – so wie heute schon oft gehört – der slowenische Unterricht. Es gibt einen muttersprachlichen Unterricht, der allerdings nur auf freiwilliger Basis zu besuchen ist. Also dieses Ziel, das an der Komenský-Schule umgesetzt werden soll, ist unbedingt etwas, das, sobald es erreicht ist, dann auch als Matrize auf Graz umgelegt werden kann und soll – das Potenzial ist absolut da. Ich denke, dass diese Bildung für uns ja wirklich wichtig ist, denn ohne Bildung fehlt uns der Boden unter den Füßen, und das gilt nicht nur für die slowenische Volksgruppe in der Steiermark, das gilt für alle Volksgruppen, es gilt aber auch für alle Österreicherinnen und Österreicher, dass uns ohne Bildung als Basis ein Grundwert fehlt.
Ein zweites Thema, mit dem wir uns in der Steiermark sehr auseinandersetzen, ist – und das auch aus Gründen, wie sie heute bereits erwähnt wurden, wie zum Beispiel die Abwanderung oder die Verschiebungen der Zentren – ein Kultur- und Kunstbegegnungszentrum, ein Kommunikationsort, den wir in Laafeld in der Nähe von Radkersburg im südöstlichsten Zipfel der Steiermark bereits haben. Und genau so ein Begegnungszentrum, ein steirisch-slowenisches Begegnungszentrum benötigen wir dringend auch in Graz, um auch dort die Organisationen – die slowenischen Organisationen der Steiermark – unter einem Dach zu haben und die Möglichkeit der Kommunikation und der Verbindung zwischen Kulturinstitutionen im ganzen Land und natürlich auch die Verbindungen zur Wirtschaft und zur gesamten Bevölkerung gut herstellen zu können.
Bei der Umsetzung dieses Projekts, das bereits seit einigen Jahren so in den Mühlen arbeitet, wurde vor etwa zwei Jahren ein bisschen Schwung aufgenommen, der im Moment wieder etwas versiegt ist. Bei der Umsetzung dieses Projekts sind natürlich wir gefordert, das ist klar, es ist ein bilaterales Projekt; es ist auch ein Projekt, bei dem sowohl die Stadt als auch das Land und natürlich der Bund und damit auch das Parlament und seine Vertreter unterstützen sollten, und auf diese Unterstützung hoffen und zählen wir in Zukunft. – Vielen Dank.
Sandra Szabo: Danke – und zu meiner Aufgabe gehört es auch, die Uhr im Blick zu haben, und ich bitte, jetzt in der Folge an die 5 Minuten zu denken, damit auch wirklich alle zu Wort kommen können – wir sind nämlich schon über der Zeit.
Wir kommen zum Volksgruppenbeirat der Ungarinnen und Ungarn, zu Attila Somogyi.
Attila Somogyi (Volksgruppenbeirat Ungar:innen): Tisztelt elnök úr, kedves parlamenti képviselők, nagyon köszönjük a lehetőséget hogy itt az osztrák parlamentben megszólhasunk! Sehr geehrter Präsident! Werte Parlamentsvertreter! Wir möchten uns noch einmal für die Gelegenheit bedanken, hier im österreichischen Parlament unsere Wünsche und Vorstellungen vortragen zu können – noch einen extra Dank dafür. Wir hoffen natürlich auch, dass dieses Format weiter beibehalten bleibt und freuen uns auch schon auf den Tag der Volksgruppen im Parlament.
Sie haben von uns einen offenen Brief, vom ungarischen Volksgruppenbeirat formuliert, bekommen, den wir Ihnen und Ihren Vorgängern in den Funktionen der Bereichssprecher für Volksgruppen schon 2023 beim Tag der Volksgruppen im Parlament übergeben durften. Wir adaptieren das laufend, haben schon mit einigen Kolleginnen und Kollegen Vorgespräche geführt und das persönlich auch noch genauer erklärt, was unsere Wünsche sind. Auf der letzten Seite finden Sie kurz zusammengefasst noch einmal die Vorstellungen beziehungsweise Forderungen und Wünsche auch des ungarischen Volksgruppenbeirates, die wir übrigens einstimmig beschlossen haben.
Da spielt natürlich für uns als Lehrer:innen, für mich persönlich natürlich und für die Andrea, meine Stellvertreterin, auch das Bildungsangebot eine wichtige Rolle, und wir freuen uns, dass es da Initiativen gibt, auch in Wien etwas zu machen, mit einem Bildungscampus für die Volksgruppen. Ich möchte mich bei den Kolleginnen und Kollegen, die da Vorarbeiten leisten und ständig dran sind, recht herzlich bedanken. Es gibt auch sehr positive Entwicklungen, die wir voll unterstützen: die volksgruppenübergreifende Zusammenarbeit in dem neuen Verein Ständige Konferenz der Vorsitzenden und natürlich auch das Volksgruppenzentrum, dessen Vorsitzender auch hier sitzt, Kollege Buranits, und übrigens auch der Vorsitzende vom Verein Ständige Konferenz, Kollege Sadovnik. Da möchte ich mich extra herzlichst noch einmal bedanken, weil das in früheren Zeiten natürlich nicht so war, und das ist natürlich viel besser, um unsere Ziele gemeinsam erreichen zu können.
Was ich als Lehrer vielleicht noch dazu beitragen könnte, was heute noch nicht angesprochen wurde, ist: Wir haben ein tolles Bildungssystem in Österreich, ich bin selber am zweisprachigen Bundesgymnasium in Oberwart Lehrer mit 32 Dienstjahren. Leider ist uns mit der letzten Maturareform, mit der Zentralmatura in der Reifeprüfungsverordnung die Möglichkeit abhandengekommen, den AHS- und BHS-Schülern die Externistenmatura zu ermöglichen. Das ist natürlich ein schwerer Nachteil für Volksgruppenangehörige. Das war vorher möglich und geht jetzt leider nicht mehr. Jetzt können sie nur mehr in den Schulen maturieren, in denen diese Volksgruppensprache bis zur Matura angeboten wird. Früher haben sie das bei uns zum Beispiel im Gymnasium oder in anderen Schulen, in denen das unterrichtet wird, machen können, und das spüren wir jetzt schon. Es geht bei uns die Zahl der Maturanten aus den Volksgruppensprachen zurück, wobei eigentlich das Gegenteil der Fall sein sollte.
Betreffend die Erhöhung der Volksgruppenförderung können wir uns nur anschließen. Übrigens haben wir uns im Vorspann erlaubt, auch ein bisschen eine Zusammenfassung über die Historie der ungarischen Volksgruppe zu machen. Was uns vielleicht von den anderen Volksgruppen in Österreich unterscheidet, ist, dass wir durch eine Grenzänderung von Angehörigen einer Mehrheitsbevölkerung zu Angehörigen einer Minderheit, einer Volksgruppe in der neuen Republik Deutschösterreich geworden sind, was lange auch politisch schlechte Auswirkungen für unsere Volksgruppe hatte. Denken wir nur an die Freischärlerkämpfe im Burgenland und so weiter, das bekommen wir zeitweise heute sogar noch bei verschiedenen Diskussionen zu spüren.
Und das zweite Wesentliche ist, dass wir als 1 100 Jahre im Gebiet des Burgenlands nachweislich wohnhafte Volksgruppe im Staatsvertrag vergessen wurden. Das ist natürlich auch ein Manko, wo wir quasi hintennachhinken, wie etwa bei der Sendezeit im ORF. Die ungarische Volksgruppe in Österreich hat laut Volkszählung 2001 circa 26 000 Angehörige, die österreichische Staatsbürger sind und die ungarische Sprache als Umgangssprache sprechen. Damit sind wir statistisch die größte Volksgruppe Österreichs.
Volksgruppenförderungsmäßig sind wir aber nur auf dritter Stelle. Da wünschen wir uns natürlich auch eine Verbesserung, und wir sind da auch ständig im Dialog mit dem Bundeskanzleramt und natürlich mit den politischen Vertretern, wo wir auch deponieren möchten, dass wir natürlich nicht auf Kosten der anderen Volksgruppen eine Angleichung bekommen wollen, für die wir kämpfen. Die Vorgängerministerin Raab hat uns freundlicherweise auf den Brief geantwortet und geschrieben, dass das in Österreich historisch gewachsen sei.
Na ja, jetzt wissen wir natürlich, dass in Österreich sehr viel historisch gewachsen ist, das aber nicht immer gerecht war. Wir kämpfen beziehungsweise wir setzen uns dafür ein, dass da mehr Gerechtigkeit in Zukunft herrscht – natürlich nicht auf Kosten der anderen Volksgruppen, wie es im Brief auch heißt: Wenn wir uns mit den anderen Volksgruppen einigen, können wir da umschichten. – Das war natürlich nicht unsere Absicht. Das ist ein divide et impera, Habsburgerpolitik der Sorte schlechtestes Vorbild, wobei wir natürlich unsere Geschichte, unsere gemeinsame Geschichte, Österreichs und Ungarns, sehr schätzen. Die Österreicher sind ja zu den Ungarn die sogenannten Schwager, und wir sehen uns natürlich auch in einer staatstragenden Funktion für diesen Staat, wenn wir natürlich unsere gemeinsame Geschichte als Basis nehmen.
Kleinigkeiten noch, die schon die Kollegen vorher erwähnt haben: Die Umsetzung der Amtssprache sollte natürlich vom Bund vorgegeben sein, denn wenn es nach dem Ermessen der Gemeinden geht, die ohnehin wenig Budget haben, passiert es natürlich oft, dass zum Beispiel beim Besetzen von Amtsträgerfunktionen in mehrsprachigen Gemeinden dies keine Berücksichtigung findet, weil es nicht gesetzlich vorgeschrieben ist, dass das einer sein muss, sondern nur, dass das einer oder eine sein kann. Diese Kannbestimmungen helfen uns da nicht weiter. Wenn wir wirklich die Sprache erhalten wollen, dann muss sie natürlich auch in ihrer Funktionalität erhalten werden. Wenn ich zum Beispiel als burgenländischer Ungar in Oberwart in die BH oder ins Rathaus gehen will, dann habe ich momentan nur eingeschränkte Möglichkeiten, mit diesem mir auch laut Bundesverfassung zugesicherten Recht zu leben.
Weiters natürlich die Schulfrage in Wien, aber nicht nur in Wien, sondern auch in Graz, wenn ich darauf eingehen darf: 600 Kinder mit ungarischer Muttersprache sind momentan in Graz, über 3 000 in Wien. Wir unterstützen natürlich jede Schullösung, aber wir wissen auch, dass diese eine Schullösung, nur mit der Komenský-Schule, für 3 000 ungarische Muttersprachler in Wien nicht genug sein kann, da bräuchten wir drei oder vier Gymnasien. Daher erwarten wir uns natürlich, dass da begleitend auch noch andere Maßnahmen passieren: Ausweitung des muttersprachlichen Unterrichtes, mehr Werteinheiten dafür und so weiter. Das ist dann ein spezielles Thema, mit dem wir uns an das Bildungsministerium wenden werden. Wir freuen uns schon auf das Treffen, zu dem wir eine Einladung bekommen haben
Ganz wichtig ist uns, ganz zum Schluss noch zu deponieren, dass der Ansprechpartner für die ungarische Volksgruppe in weiterer Folge bitte unbedingt der ungarische Volksgruppenbeirat sein soll. Auch wenn es inzwischen Vereine gibt, die wir natürlich auch unterstützen, sind wir, wenn es um die ungarische Volksgruppe geht, die ersten Ansprechpartner. – Danke schön. Köszönöm szépen.
Sandra Szabo: Vielen Dank. – Wir schauen, dass wir zügig weiterkommen.
Als Nächster zu Wort gelangt Karl Hanzl für die tschechische Volksgruppe. Ich darf noch einmal an die 5 Minuten erinnern, wir sind schon sehr über der Zeit. – Bitte.
Karl Hanzl (Volksgruppenbeirat Tschech:innen): Schönen guten Tag im Parlament! Dobrý den tady v parlamentu a dobrý den pane předsedo parlamentu! Herzlichen Dank für die Einladung, Herr Präsident des Nationalrates. Danke, dass die Abgeordneten und die Sprecher der einzelnen Parteien hergekommen sind und uns so wie in den letzten Jahren traditionell begleiten. Es ist ein gutes Gefühl, im Parlament zu sein. Wir fühlen uns hier als Tschechen auch sehr wohl und auch als sehr gut verstanden, eingeschränkt: Wiener Tschechen klarerweise, das war immer so die Tradition.
Wenn ich jetzt bei der Tradition bin, dann hole ich ein wenig aus. Es gab einen wunderbaren „Kurier“-Artikel vor einigen Wochen, der die Entwicklung zusammengefasst hat, und der beginnt damit: Das Staatsgrundgesetz 1867 garantiert die Gleichberechtigung aller Volkssprachen. Also das heißt, in dieser Zeit wurde bereits das erste Mal gesetzlich festgehalten, dass es da einen ganz besonderen Wunsch gibt. Der Unterschied der Monarchie Österreich-Ungarn zu allen anderen europäischen Monarchien war ein Vielvölkerstaat. Die Sprachen wurden nebeneinander gesprochen, und das Interessante ist: Obwohl dieses Staatsgebilde 400, 500 Jahre existiert hat, sind diese Völker mit ihren Sprachen und ihren Traditionen beisammen geblieben und haben dann nach dem Ersten und Zweiten Weltkrieg ihre einzelnen Staaten geografisch gebildet. Das, was in Österreich geblieben ist, war diese Vielzahl der Staatsbürger oder besser gesagt der Sprecher dieser Volkssprachen, die hier ihre Familien gegründet haben und die, so wie die Tschechen, über viele Jahrhunderte – ich merke es bei meiner Familie – geblieben sind und sich die Tradition der Sprache bewahrt haben. Es ist aber spannend, dass gerade für die Wiener Tschechen – und für die waren immer der Erhalt der Sprache und die Weitergabe der Sprache das Wichtigste – dieses spezielle Verhältnis zwischen den Wiener Tschechen und Wien und den Wiener Tschechen und Österreich immer so eine eigene Ausprägung gehabt hat. Also wenn man hernimmt, dass der Titel einer wirklich gut recherchierten „Kurier“-Geschichte „Als Polizisten Schultore zunagelten“ lautet: Das war im Jahr 1911, also in der Monarchie, als es genug Tendenzen gegeben hat, diese tschechische Sprache einfach nicht zuzulassen oder so gering wie möglich zu halten, obwohl im Staatsgrundgesetz von 1867 drinnen steht, dass, wenn an einem Ort die Bevölkerung 25 Prozent übersteigt, dann deren Sprache dort auch eingeführt werden sollte.
Aber obwohl die Tschechen eine sehr, sehr bedeutende Gruppe in dieser Zeit gebildet haben, ist es nicht dazu gekommen – aus verschiedensten Gründen. Faktisch, wenn wir jetzt in das Jahr 1911 zurückgreifen, da hatten wir die Staatsform der Monarchie, dann hatten wir die Erste Republik, dann erlebten unsere Eltern das Dritte Reich, und jetzt haben wir die Zweite Republik. Wir haben jetzt die vierte Staatsform hintereinander und jetzt sage ich: Es ist an der Zeit, dass wir es schaffen, dieses Schulwesen in Wien für die Tschechen umzusetzen.
Ich sage das deswegen, weil gerade die Tschechen in Wien eine ganz, ganz spezielle Spezies sind: In der Geschichte der Zweiten Republik haben Tschechisch/Deutsch sprechende Österreicher verschiedenste Ämter bekleidet, aber sie sind immer Österreicher gewesen und haben nie mitgezogen, man müsse das Tschechische in irgendeiner Form forcieren. Es gibt viele, die aufgrund ihrer Namen tschechische Wurzeln haben, aber es hat diesen politischen Druck aus allen Richtungen dazu nicht gegeben.
Faktum ist: Es ist ganz ungewöhnlich, dass eine Minderheit in einer Großstadt nicht der Assimilation unterliegt, sondern die Bildung für diese Minderheit so wichtig ist, dass sie viel eigenes Geld für etwas in die Hand nimmt, wofür sie dem Staat – und ich habe eine Firma, meine Eltern haben dieselbe gehabt, mein Großvater auch – ja Steuern zahlt; und Schulwesen gehört einfach dazu.
Das heißt: Wir fordern eigentlich etwas, was meiner Ansicht nach selbstverständlich ist. Und das könnte der Staat Österreich, mit dem wir uns voll identifizieren, wirklich irgendwann einmal an eine Generation der Tschechen in Wien weitergeben.
Das heißt: Unser Hauptanliegen und unser wichtigstes Anliegen ist Bildung. Das kann man sich selbst, als Mitglied der Volksgruppe, nicht leisten, das kostet wirklich viel Geld. Ich meine, wenn Sie dann die Budgetverhandlungen erleben, so können wir alle auch Zahlen lesen. Das wird Österreich nicht umbringen. Da geht es um keine Beträge, aber es geht um etwas, das aufzeigt, dass auch diese Bevölkerungsschicht, die mehrsprachig ist, Österreich etwas wert ist, und das andererseits aber auch zeigt, dass Österreich ein reifes Land in dieser EU ist, das für viele Länder in einer gleichen Art und Weise spricht.
Insofern: Herzlichen Dank für die Aufmerksamkeit. Ich denke, es wäre wichtig und gut, hier einen Schritt weiter zu tun. Ich danke dem Herrn Präsidenten und Ihnen, Damen und Herren Abgeordnete, dafür, dass Sie das unterstützen. – Herzlichen Dank.
Sandra Szabo: Vielen Dank.
Wir hören nun das Statement vom Volksgruppenbeirat der Slowakinnen und Slowaken, von Vladimir Mlynár.
Vladimir Mlynár (Volksgruppenbeirat Slowak:innen): Sehr geehrter Herr Präsident! Abgeordnete! Liebe Freunde! Srdečne pozdravy od Slovákov! – Um auch einen slowakischen Satz anzubringen, klarerweise.
Die Slowaken haben sich im Jahr 2022, als wir ein Jahr der Wiener Tschechen und Slowaken ausgerufen haben, das Thema Mobilität auf die Fahnen geheftet – Mobilität in zwei unterschiedlichen Ausprägungen oder Schwerpunkten: Einerseits ist es uns wichtig, junge Menschen zu erreichen, die aus Wien dann woanders hinziehen und automatisch alle Volksgruppenrechte verlieren. Wir brauchen einen gemeinsamen Begriff der Volksgruppe für Österreich.
Damit komme ich zum zweiten Schwerpunkt: Das sind die Grenzgebiete, wo speziell in den Grenzgebieten zur Slowakei eine sehr starke Kommunität der Slowaken entsteht. Aus der Erfahrung aus der Zeit des Eisernen Vorhangs kann ich nur sagen: Zu der Zeit waren da auch viele Slowaken, die dann assimiliert worden sind, und in Ortschaften, wo ein wesentlicher Anteil an Slowaken war, lebt keiner mehr. Das heißt: Dieses Beispiel wollen wir nicht noch einmal wiederholen. Deswegen glaube ich, dass wir das Thema hier nicht aussitzen und warten können, bis es so weit ist, sondern wir müssen aktiv, proaktiv ein Vorgehen finden, um diese entstehende Gruppe zu erreichen, und müssen entsprechende Schritte auch Richtung Bildung, vom Kindergarten an, setzen.
Slowaken sehen sich als Brückenbauer – Brückenbauer nicht nur im Sinne der Mehrheitsbevölkerung, aber auch zu unseren Nachbarn. In dieser Rolle wollen wir quasi die europäische Fahne hochhalten und sehen uns als aktiven Bestandteil dieser österreichischen Gesellschaft und hoffen, dass wir in den Forderungen, die wir in den unterschiedlichen Reden jetzt schon gehört haben, weiterkommen und dass wir erfolgreich als Bereicherung der Gesellschaft verbleiben. – Danke.
Sandra Szabo: Danke Ihnen.
Nun Emmerich Gärtner-Horvath für den Volksgruppenbeirat der Roma.
Emmerich Gärtner-Horvath (Volksgruppenbeirat Roma): Del tumenca! Sehr geehrter Herr Nationalratspräsident! Sehr geehrte Abgeordnete! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich beginne mit einem Buchtitel von der KZ-Überlebenden Ceija Stojka: „Wir leben im Verborgenen“.
Das war auch bis 1989 so, bis eben die erste Roma-Organisation in Oberwart gegründet wurde. Wir haben dann 1993 mit dem Sprachprojekt zur Kodifizierung und Didaktisierung des Romani begonnen, haben also versucht, die Sprache, die bis 1993 mündlich weitergegeben worden ist, auch mir, mit der Karl-Franzens-Universität niederzuschreiben, und haben auch schon etliche Bücher herausgegeben, eben für unsere zukünftige Generation und die jetzige Generation, dass sie sich mit ihrer kulturellen Identität auseinandersetzen.
1995 war auch ein wichtiges Jahr, in dem der Volksgruppenbeirat der Roma gegründet wurde, wobei uns ganz wichtig ist, dass wir, so wie hier, auch den Dialog führen können. Es gibt ja auch die Dialogplattform im Bundeskanzleramt, wo wir uns mit Themen auseinandersetzen – ob das jetzt mit der Arbeit, mit der Kultur, aber auch mit Wohnen, mit dem sozialen Umfeld und mit der Arbeitsmarktpolitik ist – und diese Lösungen zuführen wollen.
Es wurde vorhin schon die Sensiro-Studie erwähnt, und die zeigt ja, dass die Volksgruppe der Roma in allen gesellschaftlichen Bereichen mit Rassismus zu kämpfen hat. Genau das ist ja meiner Meinung nach auch das Problem, wo Jugendliche dann fragen – wie Frau Brigitta Busch es schon erwähnt hat –: Wie soll ich zu meiner Identität stehen, wenn ich immer nur Nachteile daraus habe? Das ist der springende Punkt für uns, eben die Aufarbeitung der gemeinsamen Geschichte, das muss auch vorrangig sein.
Ich denke: Wie viele Volksgruppenangehörige werden sich dann noch outen? Es gibt jetzt ein paar zum Beispiel in Niederösterreich, die 30 Jahre in der Anonymität gelebt haben oder noch leben und sich jetzt schön langsam outen, und auch in Wien. Es sind auch etliche Burgenland-Roma nach Wien gezogen, weil sie eben keinen Job im Burgenland bekommen haben, um in der Anonymität zu leben – so wie Rudolf Sarközi, Professor Rudolf Sarközi, auch nach Wien gegangen ist, um einen Job zu bekommen. Das wollen wir nicht. Wir wollen den gleichen Weg gehen, eine anerkannte Volksgruppe zu sein und den gemeinsamen Dialog zu finden – nicht nur hier im Parlament, auch auf Gemeindeebene, in den Ortschaften, wo wir nämlich auch versuchen, Gedenktafeln zu errichten, dass die Bevölkerung, die diese schreckliche Zeit miterlebt hat, und die Generation, die sie nicht miterlebt hat, für ein Niemals-wieder eintreten.
Ich glaube, es ist auch wichtig, dass die Geschichte in den einzelnen Bildungsbereichen aufgearbeitet wird, denn so können wir dann auch unsere Sprache, unsere Kultur leben, gemeinsam leben – mit der Mehrheitsbevölkerung. – Danke.
Sandra Szabo: Vielen herzlichen Dank Ihnen. Danke für alle Beiträge und Statements.
Ich darf jetzt zu den Bereichssprecherinnen und Bereichssprechern von der politischen Seite kommen. Wir beginnen mit Klemens Kofler, Mitglied des Bundesrates, FPÖ.
Statements der Bereichssprecher:innen für Volksgruppen der Parlamentsfraktionen
Klemens Kofler (Mitglied des Bundesrates, FPÖ): Sehr geehrte Damen und Herren! Vielen Dank für die Einladung. Herr Präsident! Herr Direktor! Die Sprecher der Volksgruppen! Selbstverständlich braucht eine Volksgruppe eine eigene Sprache, und die muss man natürlich pflegen, weil sie ansonsten ja zu einer Art Museumsgeschichte degradiert werden würde. Die eigene Sprache ist absolut wichtig und gehört unterstützt; das ist klar. Ich glaube nur, dass es in Österreich an und für sich eh ganz gut funktioniert.
Es ist nur so: Sie haben ja davon berichtet, dass das die Sprachen der Nachbarländer sind. Das war ja umgekehrt auch der Fall. Es hat natürlich die deutsche Sprache in den Nachbarländern gegeben. Wenn ich vielleicht dem tschechischen Vertreter sagen kann: Die Beneš-Dekrete gibt es bis heute, da sind Mord und Völkermord amnestiert worden. – Ich glaube, das sollte man auch immer dazusagen. Sie könnten, von Ihren speziellen Positionen aus, vielleicht einwirken, dass sich da gewisse Dinge ändern. – Danke schön.
Sandra Szabo: Ich bitte nun Nationalratsabgeordnete Agnes Totter von der ÖVP um ihr Statement.
Agnes Totter (Abgeordnete zum Nationalrat, ÖVP): Geschätzter Herr Präsident! Geschätzter Herr Parlamentsdirektor! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Geschätzte Vorsitzende der Volksgruppenbeiräte! Geschätzte Damen und Herren! Ich bedanke mich ganz herzlich für die Einladung. Ich freue mich, dass ich bei der heutigen Veranstaltung Dialogplattform autochthoner Volksgruppen dabei sein darf.
Ich darf seit Kurzem Volksgruppensprecherin der Österreichischen Volkspartei sein, eine Aufgabe, die ich natürlich sehr gerne übernehme, zumal mich dieses Thema auch mein ganzes Leben lang begleitet. Ich selbst bin muttersprachlich Ungarisch und Deutsch aufgewachsen. Viele meiner Vorfahren stammen aus Ungarn, sie sind Sachsen und Schwaben, also eine bunte Mischung. Die Weiterentwicklung der Rahmenbedingungen für die österreichischen autochthonen Volksgruppen ist mir natürlich auch aus diesem Grund ein großes Anliegen.
Ich freue mich sehr, dass sich in der letzten Legislaturperiode einiges oder viel Positives in diesem Bereich getan hat oder gelungen ist. Ich denke da etwa an die Verdoppelung der Volksgruppenförderung, an die Einrichtung einer eigenen Nachwuchs- sowie Digitalförderung, an die Ausweitung der Sendezeiten im ORF oder an die gesonderte Förderung eines Leitmediums für jede autochthone Volksgruppe. Die Volksgruppenthemen, meine Damen und Herren, werden derzeit – wie auch schon in der letzten Legislaturperiode – im Verfassungsausschuss behandelt, und aus meiner Sicht zeigt auch das eben die Wertschätzung und die Wichtigkeit der Volksgruppen.
In dieser jetzigen Legislaturperiode möchte ich auch persönlich den Schwerpunkt besonders auf das Thema Bildung legen. Ich bin selbst ausgebildete Lehrerin, war lange Schuldirektorin und bin zurzeit – zwar reduziert natürlich, aber dennoch – in der Schulaufsicht tätig. Als Pädagogin ist es mir besonders wichtig, dass für junge Menschen ein entsprechendes Bildungsangebot zur Verfügung steht, denn gerade die Weitergabe von Sprache und Kultur ist essenziell für den Fortbestand der österreichischen Volksgruppen. Ganz konkret möchte ich, dass Schülerinnen und Schüler ihre Volksgruppensprachen vom Kindergarten bis zur Matura sprechen und auch lernen können.
Grundsätzlich begrüße ich auch die Initiative, dass nun Arbeitsgruppen zur Verbesserung der Situation der österreichischen Volksgruppen gebildet werden sollen beziehungsweise sogar ein Konvent angedacht ist, den ich ebenfalls sehr begrüßen würde. Wichtig ist mir aber, dass dann den Worten auch Taten folgen. Arbeitsgruppen gibt es immer viele, am Ende müssen aber konkrete Umsetzungsmaßnahmen getroffen werden können. Gerade, was den Spracherwerb anlangt, müssen in dieser Legislaturperiode auch wesentliche Schritte gesetzt werden. So wie mein Vorgänger das gesagt hat – er wurde heute auch zitiert –: Die Zeit ist tatsächlich reif dafür.
Ich freue mich jedenfalls, dass ich heute dabei sein darf. Ich freue mich auch auf sehr viele interessante Gespräche mit Ihnen und wünsche noch einen guten Veranstaltungsverlauf. – Herzlichen Dank. Nagyon szépen köszönom.
Sandra Szabo: Vielen Dank.
Antonio Della Rossa ist in Vertretung von Pia Maria Wieninger, SPÖ, in unserer Runde.
Antonio Della Rossa (Abgeordneter zum Nationalrat, SPÖ): Sehr geehrter Präsident! Sehr geehrter Herr Direktor! Sehr geehrte Vertreterinnen und Vertreter der autochthonen Gruppen! Wie Frau Szabo schon gesagt hat, bin ich in Vertretung von meiner Kollegin Pia Maria Wieninger hier, die Sie recht herzlich grüßen lässt, sie ist leider verhindert – sie ist auf einem Kongress in Warschau.
Als sie mich gebeten hat, sie zu vertreten, habe ich gezögert, weil ich mir gedacht habe, na ja, als Vorarlberger Abgeordneter hat man ja überhaupt keinen Berührungspunkt mit autochthonen Gruppen, weil die alle im Osten und im Süden Österreichs sind. Ich habe mir gedacht, vielleicht bin ich genau der Richtige und höre mir das an. Ich bin auch sehr froh, heute hier sein zu dürfen und das vielleicht auch in den Westen zu tragen, was ich heute gehört habe.
Als ich mir das Volksgruppengesetz angeschaut habe, musste ich auch ein bisschen schmunzeln, weil dort steht, das sind Staatsbürger:innen mit nicht deutscher Muttersprache und eigenem Brauchtum und Volkstum. Da musste ich schmunzeln, denn wenn Sie als Vorarlberger nach Wien kommen, dann kommen Sie ziemlich schnell darauf, dass Sie sprachlich ganz woanders angesiedelt sind, dass Sie mit dem Alemannischen, das Sie sprechen, hier nicht verstanden werden – wirklich kein einziges Wort –, und dass die komischen Brauchtümer, die wir in dem Land haben, wo ich herkomme, auch ganz andere sind.
Wir sind aber keine Volksgruppe im klassischen Sinn, denn wir sind in unserem Land – zumindest von hier aus gesehen – hinter dem Arlberg vielleicht eine eigene Volksgruppe, dort aber die Mehrheit. Erst wenn Sie durch den Tunnel fahren, sind Sie das nicht mehr.
Sie können es vielleicht auch an meinem Namen lesen, Della Rossa ist nicht nur bezeichnend für meine politische Einstellung, es ist auch ganz klar, woher ich komme, nämlich aus einer italienischen Familie. Ich weiß genau, was es heißt, zweisprachig aufzuwachsen, was es heißt, eine Identität in einer anderen Sprache zu haben, zu Hause anders zu sprechen, als wie man das draußen tut.
Es ist ein Spannungsfeld, es ist auch vor allem, wenn man jugendlich ist, eine Zerreißprobe, muss ich sagen. So habe ich es zumindest erlebt, und zwar wegen meiner Großmutter. Meine Nonna, meine italienische Großmutter, hat mich einmal gefragt, ob ich mich mehr als Italiener oder mehr als Österreicher fühle, ob die eine Seite più forte, also stärker, ist oder schwächer. Ich war sieben Jahre alt, bin im Bett gelegen und habe mir die ganze Zeit überlegt: Teilt man das hier oder teilt man das so? Welche Seite ist die italienische, welche ist die österreichische? – Ich weiß nicht, vielleicht verbindet mich das auch ein bisschen mit den autochthonen Gruppen, weil das ja eine Identitätsfrage ist. Ich habe mich entschieden, ich bin Mensch in Österreich, egal woher ich komme. Ich habe einfach viele Sprachen, und das ist etwas Gutes.
Um es zu beenden: Was mir wichtig ist, ist, alles von heute mitzunehmen Es ist mir wichtig, das wie gesagt bis ganz in den Westen zu tragen. Ich glaube, als Sozialdemokratie ist das klar. Vielleicht ist auch diese Erfahrung Grund dafür, dass ich gerade dieser Partei zugehöre. Ein bisschen Internationalist bin ich dadurch automatisch und Europa rückt näher.
Dennoch erfahren wir diese Diskriminierungen. Sie erfahren das wahrscheinlich, wie es Kollege Sadovnik schon gesagt hat, schon von klein auf, was das bedeutet, der Tschusch zu sein. In dem Dorf, wo ich herkomme, oder in der Stadt – muss man sagen – Bludenz war die Bevölkerung – ich habe das nachrecherchiert – 1884 zu 20 Prozent italienisch. Davon ist nichts mehr übrig. Es wird kein Wort Italienisch in dieser Stadt gesprochen. Es gibt noch ein paar Flurnamen, die daran erinnern, und die ganzen Nachnamen, also 20 Prozent. Deshalb finde ich das auch so spannend und so schön, heute hier sein zu können, denn die Geschichte der autochthonen Gruppen in Österreich – das sehe ich heute ganz klar – ist nicht nur eine der Ausgrenzung, sondern es ist vor allem eine der Beharrlichkeit, bei der Sprache zu bleiben, das einzufordern, und das finde ich wichtig.
Deshalb werden wir als Sozialdemokraten – und ich mich ganz persönlich – uns auch dafür einsetzen, dass diese Bräuche bleiben, dass die Sprache erhalten bleibt. Sprachausbau ist definitiv ganz wichtig. Ich freue mich über die zukünftige Zusammenarbeit und darüber, dass ich hier sein durfte. – Danke.
Sandra Szabo: Danke.
Michael Bernhard, NEOS, ich bitte um Ihr Statement.
Michael Bernhard (Abgeordneter zum Nationalrat, NEOS): Auch von meiner Seite herzlichen Dank für das heutige Forum, für alle Wortmeldungen und Beiträge; ich kenne ja die meisten Handelnden schon seit ein paar Jahren.
Wir haben am Beginn ein Zitat von Wittgenstein über die Begrenztheit der Sprache, die dann zur Begrenztheit der Welt führt, gehört, und wir dürfen halt in diesem Forum nicht vergessen: Es geht nicht um unsere Welt jetzt im engeren Sinne, sondern es geht eigentlich um die Welt der Kinder, die gerade auf die Welt kommen. Denkt man an die Kinder, die in einer Volksgruppensprache aufgezogen werden und dann aber nicht ab dem ersten Lebensjahr in eine Krippe oder später in einen Kindergarten gehen können, wobei es in manchen Gegenden ein Gymnasium gibt, aber keine Mittelschule, die wirklich zweisprachig ist, oder in manchen auch kein Gymnasium, wodurch eben diese Begrenztheit nicht durch das Kind entschieden wird, sondern durch dieses Forum, das heute auch hier tagt, dann kann man das auch in eine Abfolge bringen. Als wir in der letzten Legislaturperiode damit begonnen haben, wäre dieses Kind in Wirklichkeit am Beginn in eine Krippe gegangen und am Ende der Legislaturperiode in eine Volksschule, und wenn wir jetzt denken, dass das Kind in die Volksschule geht, dann wird es am Ende dieser Periode ins Gymnasium oder in die Mittelschule wechseln.
Daher glaube ich schon, dass es sehr wichtig ist, dass wir aus dem Forum herausgehend auch wirklich konkrete Dinge tun, dass wir uns eben nicht einfach nur über den Austausch freuen, sondern auch sagen: Was können wir in diesen Jahren, in diesen entscheidenden Jahren für das jeweilige Kind wirklich verändern?
Wir haben daher – und das ist, glaube ich, auch ganz wichtig – im Regierungsprogramm wenige konkrete Themen, aber als Versprechen ein sehr klares Bekenntnis zur Arbeit im Bildungssystem abgegeben. Ich darf an dieser Stelle vielleicht auch sagen, dass dieses Verständnis dafür, dass wir die derzeitigen Bildungsangebote im autochthonen Siedlungsgebiet und in den neueren Siedlungsgebieten, wenn man so will, mit dem Fokus der Ballungszentren, aufbrechen, etwas ist, wofür man tatsächlich konkrete Lösungen braucht. Wir brauchen diese sicherlich sowohl im Privatschulgesetz als auch im öffentlichen Bereich. Die Schwierigkeit ist: Es gibt auf der einen Seite gute Modelle, wie jetzt in der Komenský-Schule, da bietet sich das Privatschulgesetz an, auf der anderen Seite gibt es aber auch die Schwierigkeit, dass wir nicht wollen, dass jedes Kind, das mit einer Volksgruppensprache aufwächst, automatisch zu einem Schulgeld verdonnert wird. Man braucht da also auch eine Möglichkeit, die beides in irgendeiner Form abbildet.
Daher ist aus unserer Sicht der erste Schritt, dass wir auf allen Ebenen zu konkreten Lösungen kommen. Ich habe in der letzten Periode erlebt, dass ich, als ich Herrn Hanzl zuerst auf Bundesebene gesagt habe, dass ich schaue, was möglich ist, dann in Wien quasi vor verschlossenen Toren gestanden bin, weil es halt nicht im Regierungsprogramm gestanden ist. Jetzt geht es in die andere Richtung.
Ich freue mich deswegen, dass alle – soweit ich informiert bin – auch schon eine Einladung für den 28. April um 14 Uhr gekriegt haben. Die Beiratsvorsitzenden sind von Bildungsminister Wiederkehr zu einem runden Tisch eingeladen, um dort auch die Themen, die das Bildungssystem auf Bundesebene betreffen, artikulieren zu können. Wenn die Einladung bei manchen noch nicht angekommen ist, dann wird sie ankommen. Ich habe es mir noch einmal bestätigen lassen, den Termin gibt es bereits.
Ich weiß, dass es auch viele andere Themen gibt, von den Bezirksgerichten bis zur Frage der Volksgruppenförderung, die ja durch die Inflation wiederum deutlich gesunken ist. Es muss überall den Raum geben, um diese Themen zu besprechen. Von unserer Fraktionsseite her werden wir den Fokus auch im Dialog auf das Bildungssystem legen, weil wir glauben, dass wir da den stärksten Beitrag in kürzester Zeit bieten können. – Danke schön.
Sandra Szabo: Danke.
Und: Olga Voglauer, Grüne.
Olga Voglauer (Abgeordnete zum Nationalrat, GRÜNE): Danke schön. Hvala lepa. Prav lepo pozdravljeni v avstrijskem parlamentu. In izredna čast mi je, da so zastopniki in zastopnice manjšin danes med nami. Es ist mir eine große Ehre, dass wir heute mit Vertreterinnen und Vertretern der österreichischen Volksgruppen hier im österreichischen Parlament sitzen und dass dieser gegangene Weg – Tradition ist, finde ich, noch zu viel gesagt, aber dieser lang gegangene Weg – der Dialogplattform weiter beschritten wird und dass auch das Haus es sich weiterhin als Ziel gesetzt hat, dass es diesen Austausch und diese Plattform weiterhin geben wird, auch durch die Stärkung der Abteilung in der Parlamentsdirektion. Das ist nicht selbstverständlich. Mir wurde in den letzten Jahren oft gesagt, na ja, das sei ja symbolhaft. – Das kann man schon sagen, aber man kann auch sagen: Es ist ein fixer Platz. Und einen fixen Platz zu haben, ist ein guter Beginn und ein guter Start. Ich finde, da ist einiges gelungen, und was uns bereits vorgestellt worden ist, lässt auch Gutes im nächsten Jahr vermuten.
Ich möchte heute meine Bewunderung an Sie aussprechen, liebe Vertreter:innen der Volksgruppenbeiräte. Sie kommen immer gut vorbereitet zu solchen Austauschen, legen Ihre Forderungen dar und werden nie despektierlich. Sie verlieren nie Ihre Contenance, obwohl Sie der österreichischen Politik wahrscheinlich seit Jahrzehnten dieselben Forderungen ausrichten und auch von dieser Seite oft ähnliche Argumentarien hören, warum es wahrscheinlich diesmal gehen wird oder nicht gehen wird, oder worum man sich in Zukunft bemühen wird.
Wenn wir eines aus dieser Dialogplattform lernen können, dann Folgendes: Wir haben sehr wohl auch innerhalb des Parlaments und außerhalb der Regierungsarbeit Werkzeuge. Wir haben das in der letzten Gesetzgebungsperiode gerade deshalb begonnen, weil wir einen breiteren Diskurs wollten.
Danke auch für die Forderung nach einer Arbeitsgruppe, nach einem konkreten Arbeiten. Ich möchte dem noch eines hinzufügen: Das österreichische Parlament gibt uns mit seiner Geschäftsordnung die Möglichkeit, diesbezüglich sehr konkret zu werden, und deshalb schlagen wir Grüne vor, eine parlamentarische Enquete zu veranstalten. Heuer wird es zu kurzfristig sein, aber nächstes Jahr würde es dem gesamten Rahmen auch einen parlamentarischen Rahmen, der vorgesehen ist, geben. Dieser würde Ihnen als Volksgruppenangehörige garantieren, dass es wesentlich fester im parlamentarischen Alltag von uns Parlamentarier:innen verankert ist. Wir von den unterschiedlichen Fraktionen können uns vielleicht auf so etwas einigen und vielleicht haben wir auch die Unterstützung des Herrn Präsidenten. Das wäre, vor allem obdessen, dass wir im heurigen Jubiläumsjahr den Fokus Volksgruppen vielleicht übersehen, doch eine Möglichkeit, nächstes Jahr einen klaren Fokus darauf zu legen und diesbezüglich ins konkrete Tun zu kommen; eine entsprechende Kooperation werden wir suchen und auf Sie zukommen.
Es ist aber nicht vom Tisch zu weisen, dass hier sehr wichtige Forderungen gestellt wurden. Es wird von Bedeutung sein, dass man in den zuständigen Ministerien nicht nur den Dialog sucht, sondern wirklich an der konkreten Ausarbeitung von Gesetzesvorlagen arbeitet.
Und wenn sich die Volksgruppen entschieden haben, ein privates Volksgruppenschulwesen für Wien und Graz als ihr Modell auszuwählen, dann folgt es zwar nicht der Logik von uns Grünen, weil wir ein klares Bekenntnis der Republik zu einem öffentlichen Schulwesen wollen, aber wir können dem durchaus einiges abgewinnen und unterstützen das auch. Wichtig ist dabei aber auch die budgetäre Festlegung, und das auch mit einer Anpassung an die Inflation, sodass man diese Bildungsangebote dauerhaft dann auch für die nächsten 150 Jahre sichert. Es kann also nicht sein, dass es einem dann so passiert wie in Kärnten, wo die Gelder vorne und hinten fehlen und auch die Investitionskosten für die Räumlichkeiten nicht gedeckt sind.
Ich möchte noch etwas ansprechen, nämlich dass wir in diesem Haus auch die Möglichkeit haben, unsere Volksgruppensprachen zu nutzen. Ich möchte Sie einladen, dieses Haus mit den unterschiedlichen Volksgruppenschülerinnen und -schülern zu besuchen und die Führungen in ihren Muttersprachen zu nutzen. Das lebt nämlich nur dann, wenn wir es leben und wenn wir es anwenden und wenn wir es hinaustragen und darüber sprechen, dass dieses Haus ein Platz der vielen Sprachen, der Vielfalt ist. Gerade in diesem Jahr, in dem wir 70 Jahre österreichischer Staatsvertrag und 80 Jahre Ende des Zweiten Weltkrieges gedenken – auch ich komme aus einer Familie, in der meine Großeltern Widerstandskämpfer:innen waren –, finde ich es nicht notwendig, liebe Vertreterinnen und Vertreter der österreichischen Volksgruppen, dass Sie sich als Schutzschild vor andere Gruppen stellen, so wie es mein Kollege der FPÖ – zumindest habe ich es so verstanden – gemeint hat. Ich finde, Ihnen und all Ihren Angehörigen gebührt unser aller Respekt als Vertreter:innen im österreichischen Parlament dafür, was Sie alles zur Demokratiewerdung dieser Zweiten Republik beigetragen haben. – Danke schön.
Sandra Szabo: Danke für die Statements.
Ja, es zeigt sich die inhaltliche Breite und Tiefe dieser Dialogplattform; ein Dialog, der in Bewegung ist und weitergeht.
Für heute darf ich aber Sie, Herr Nationalratspräsident, um Ihre Abschlussworte bitten.
Abschlussworte
Walter Rosenkranz: Ich werde versuchen, eine zeitliche Punktlandung zu machen, streiche das eine oder andere, füge aber aus der Diskussion das eine oder andere dazu – mal sehen.
Ja, sehr geehrte Damen und Herren, es war ein lebhafter Dialog, es waren sehr viele Forderungen, die am Tisch waren. Wir haben von Terminen, von Einladungen zum 28.4. gehört, die noch nicht überall angekommen sind. Es war die Rede von einem Antrag von gestern, der auch meinen Schreibtisch noch nicht erreicht hat – ich war gestern allerdings in der Schweiz; mag sein, daran wird es nicht scheitern.
Das erste, was mir ausdrücklich aufgetragen wurde, das ich nicht vergessen darf: Ich muss alle darauf hinweisen, dass wir am 8. April 2025 hier im Haus den Internationalen Tag der Roma begehen werden. Wir planen und fassen aufgrund der Diskussion, die sich hier ergeben hat, auch ins Auge, im zweiten Halbjahr eine Dialogplattform, eine Besprechungsplattform, ein Format zu finden, das den unterschiedlichsten Dingen hier auch gerecht werden kann.
Mit Verlaub: Wenn der ORF eine Sendung abdreht, kann der Nationalratspräsident mit seinen schmalen Schultern gar nichts machen. Ich kann nur den Fernseher auf- und abdrehen – was für die meisten so ist. Es gibt natürlich aktuell sogar Debatten, im Stiftungsrat des ORF etwas zu ändern, aber tatsächlich ist es so, dass es natürlich – und das wurde heute schon angesprochen, sowohl von politischer Seite, als auch von Ihnen – auch darum geht, das Bundeskanzleramt, das Unterrichtsministerium und letztlich auch das Finanzministerium an einen Tisch zu bringen.
Weil auch die Möglichkeit einer parlamentarischen Enquete angesprochen wurde, die sehr formell stattfindet: Das ist auch eine Möglichkeit, aber wir müssen, gerade, wenn es darum geht, vielleicht auch entsprechend zeitgemäß sein und ein bisschen die Traditionen neu denken – es hat in Deutschland einen Bischof gegeben, der gesagt hat: Ich liebe Traditionen so sehr, dass ich gerne neue schaffen möchte! –, wir müssen schauen, dass wir diese Formate auch stetig beobachten.
Es wurde gesagt: Das ist nicht mehr zeitgemäß! Es kann auch sein, dass die Instrumente, die wir hier im Parlament haben, nicht ganz zeitgemäß sind. Aber diese Formate zu schaffen ist uns, glaube ich, intellektuell möglich, und da können wir lernen. Wir werden das auch zusammenbringen, vielleicht auch seitens der Regierung, es sind ja auch Vertreter des Bundeskanzleramtes hier. Es geht auch darum - - Weil zuletzt auch von Frau Abgeordneter Voglauer die Frage des Widerstandes gegen das NS-Regime,für den Bau des demokratischen Österreich angesprochen wurde: In dem Zusammenhang möchte ich erwähnen, es sind auch die beiden Geschäftsführerinnen des Österreichischen Nationalfonds hier.
Es wäre vielleicht interessant, und ich werde mich dafür einsetzen, dass beim nächsten Mal vielleicht auch Vertreter des Zukunftsfonds da sind. Das ist zwar eine Einrichtung der Ministerien, hat aber auch ähnliche Möglichkeiten, für die Volksgruppenarbeit Einiges zu leisten. Da ich selbst im Kuratorium Mitglied bin, weiß ich, was da auch möglich gemacht wird. Das heißt: diese Formate im zweiten Halbjahr zu machen.
Was die Bildungspolitik betrifft ein Hinweis auf das Staatsgrundgesetz von 1867, ich glaube, Artikel 19 oder so, relativ weit hinten. In diesem sehr kurzen und knappen, aber knackigen Gesetz - - Also bei manchen Gesetzen müsste man, auch wenn sie schon über hundert Jahre alt sind, nichts ändern – weil Gesetze immer zeitgemäßer gemacht wurden –, es ist top aktuell. Es hat einmal eine Debatte gegeben, während der ein Abgeordneter gesagt hat, dass wir das Bildungssystem mit den Kompetenzen, anderen Dingen und Auswirkungen heute nicht abschließend geregelt, sondern einen Kompromiss gefunden haben, der uns vielleicht in ein paar Jahren noch nachhängen wird. Diese Aussage war in der konstituierenden Nationalversammlung 1919. Diese paar Jahre haben sich mittlerweile schon ein bisschen ausgewachsen.
Eines möchte ich keinesfalls, weil der Ausdruck gefallen ist, dass die autochthonen Volksgruppen die Bettler der Nation sein müssen. Das müssen sie wahrlich nicht sein. Und jedem neuen Format, das sich auch aufgrund der demografischen, demoskopischen Veränderungen der Volksgruppen aus den ursprünglichen regionalen Zusammenhängen hin in die Ballungszentren ergibt, muss man einfach zeitgemäß Rechnung tragen.
Ein richtiger Gedanke war, der mir auch gut gefallen hat, weil ich natürlich auch regelmäßig bei internationalen Kontakten darauf zurückkommen kann, wenn man Sprachen beherrscht und einen Politiker eines anderen Landes oder einen Wirtschaftstreibenden bei Vertragsverhandlungen in seiner eigenen Sprache begrüßen kann, sich mit ihm auseinandersetzt, dann öffnet das die Tür, das Herz und vielleicht auch wirtschaftlich die Geldbörse in einem anderen Ausmaß, wenn es um einen Auftrag geht. Das ist ein Gedanke, der durchaus gefällt.
Sie haben von einer europäischen Schule, von einem europäischen Vorzeigeprojekt gesprochen. Mir würde es schon genügen, aufgrund der Sprachen, die es hier gibt, dass es ein mitteleuropäisches Projekt wird, das würde mir schon genügen, es muss jedenfalls aus meiner Sicht funktionieren. Mir ist es wichtig, dass bei allen Formaten, die stattfinden, bei jedem Austausch – als Nationalratspräsident kann ich auch nicht alles alleine entscheiden, ich darf es auch gar nicht –, die Informationen an diejenigen herankommen, die dann die Entscheidungen treffen, und das sind die Abgeordneten in den zwei Kammern dieses Hauses.
Daher lege ich größten Wert darauf, dass bei allen Diskussionsformaten die Informationen zu allen Abgeordneten kommen, dass sie denselben Erfahrungsschatz haben, dass man auch weiß, wenn zum Beispiel die Verwaltung sagt, das und das können wir leisten, wir brauchen aber diese oder jene gesetzliche, sogar verfassungsgesetzliche Änderung dafür. Es wurde ja bereits vom Rechts-, Legislativ- und Wissenschaftlichen Dienst auch aufgezeigt, wo wir noch Hürden sehen würden, wo man nicht darauf warten kann und auch nicht soll, dass der Verfassungsgerichtshof darüber vielleicht entscheidet.
Wenn es die Notwendigkeit gibt, dann müssen das die entsprechenden Mehrheiten im Hohen Haus erledigen. Daher ist es notwendig – und das ist mein Zugang dazu –, dass jede Veranstaltung, die hier in diesem Gebäude stattfindet, Nutzen für die Abgeordneten hat, und ich glaube, Ihre Präsentationen waren dazu angetan, bei sämtlichen Abgeordneten aus den unterschiedlichen Kammern das Parlaments, die heute hier waren, auf fruchtbaren Boden zu fallen. Wir werden diesen Dialog hier auch entsprechend weiterführen. Das werde ich Ihnen selbstverständlich garantieren.
Sandra Szabo: Vielen Dank.
Den Dialog weiterführen – ein wichtiges Stichwort am Ende der heutigen Dialogplattform. Damit geht ein intensiver Nachmittag zu Ende. Ich wünsche Ihnen allen noch einen guten Nachmittag und alles Gute.