Veranstaltung „Wehrhafte Demokratie – Wehrhafte Frauen zum Internationalen Tag der Demokratie“

15. September 2025
Es gilt das gesprochene Wort.

III. Nationalratspräsidentin Doris Bures:
Demokratie ist nie selbstverständlich.
Sie ist stark, wenn wir für sie eintreten, uns solidarisieren und sie verteidigen.
Und sie ist verletzlich, wenn wir sie der Gleichgültigkeit oder dem Egoismus überlassen.

Unser heutiger Abend findet mit ein paar Monaten Verspätung statt. Ursprünglich wäre diese Veranstaltung für den Vorabend des Internationalen Frauentages geplant gewesen. Wir mussten sie absagen – weil wir unsere liberale Demokratie erfolgreich verteidigt haben.

Denken wir kurz zurück: Noch vor wenigen Monaten stand Österreich an einem Scheideweg. Nach langen, glauben Sie mir, wirklich langen und intensiven Verhandlungen, konnte – in einem zweiten Anlauf – ein breit getragener Kompromiss der demokratischen Mitte erreicht werden.

In diesem Saal hat sich eben am 07. März eine proeuropäische und der liberalen Demokratie verpflichtete Bundesregierung den 183 Abgeordneten – und damit allen Menschen in unserem Land vorgestellt. Ich freue mich sehr Bundesministerin für Justiz Anna Sporrer, Bundesministerin für Wissenschaft und Frauen Eva Maria Holzleitner, und den Staatssekretär im Bundeskanzleramt Alexander Pröll begrüßen zu dürfen!

Heute ist der von der UN-Generalversammlung ins Leben gerufene „Internationale Tag der Demokratie“. Ein Tag, der uns einmahnt auf unsere Demokratien und ihre Institutionen zu achten. Wenn wir uns ansehen, wie es weltweit um die Demokratie steht, gibt es berechtigten Grund zur Sorge.

Als der Tag der Demokratie 2008 erstmals begangen wurde, waren Demokratien global im Aufschwung. Die Hälfte der Weltbevölkerung lebte in freien, demokratischen Staaten. Heute, 18 Jahre später, ist es nur mehr jeder vierte Mensch. Das macht mich – uns alle – betroffen!

Wir dürfen es nicht hinnehmen, wenn sich Staaten von Prinzipien der liberalen Demokratie schrittweise entfernen – weder in der Türkei, noch in Ungarn oder den USA.

Das Muster ist immer die gleiche: Entscheidungen der unabhängigen Justiz werden als politisch motiviert diffamiert, Medien und Journalistinnen werden unter Druck gesetzt und beschimpft. Politisch Andersdenkende werden zu Feinden erklärt. Kunst und Kultur wird als dekadent verunglimpft. Die Polarisierung, also die Spaltung der Gesellschaft wird bewusst herbei geführt.

Unser Lebensmodell – angstfrei und in Würde, in sozialer Sicherheit und in Freiheit leben zu können – gerät dadurch unter Druck. Druck, dem wir nicht nachgeben dürfen. Wir müssen das Modell Europa – mit Menschenrechten, Rechtsstaatlichkeit, Frieden und Solidarität – verteidigen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren!
Demokratie heißt im Kern: Das Volk ist souverän. Und das heißt auch: Wir Frauen sind souverän – über unser Leben, unseren Körper und unsere Zukunft. Genau deshalb beginnen autokratische Kräfte immer auch damit Frauenrechte einzuschränken: die politischen, die sozialen und die ökonomischen. Frauenrechte sind ein Gradmesser der Menschenwürde und Freiheit.

Aus diesem Grund trägt unser heutiger Abend den Titel „Wehrhafte Demokratie – Wehrhafte Frauen“. Ein Befund und Appell zugleich!

In Österreich haben wir ein Sinnbild für diese Wehrhaftigkeit direkt vor unserem Parlament: Pallas Athene, die Göttin der Weisheit und der Wehrhaftigkeit.

Sie erinnert uns daran, dass Demokratie natürlich durch Institutionen und Gesetze geschützt wird. Ganz entscheidend ist aber auch unser Handeln – mit Weisheit und Haltung, mit Mut und Courage.

Wir haben sechs Künstlerinnen unterschiedlicher Genres und Generationen heute in das Parlament eingeladen, um dieses steinerne Sinnbild mit Leben zu erfüllen. Bewusst nur Frauen, bewusst nicht „aus einem Guss“. Jede mit ihrer ganz eigenen Stimme, ihrem eigenen Stil, ihrer eigenen Perspektive. Jede dieser Frauen wird heute hier Position beziehen: sei es eine Kritik, eine Ermutigung, vielleicht eine Provokation, ich denke jedenfalls eine Hoffnung.

Ich sage es offen:
Ich selbst weiß nicht, was uns erwartet.
Aber genau das ist das Schöne.
Denn Demokratie lebt von Vielfalt und von Überraschungen.
Und sie lebt von einem Gefühl der Gemeinschaft.
Deshalb freue ich mich sehr, dass so viele heute ins Parlament – in das Herz unserer Demokratie gekommen sind – um gemeinsam neugierig zu sein.

Wie die Demokratie, so lebt auch die Kunst von der Neugier.

Die Kunst stellt Fragen, wo andere nur kurze Antworten wollen.
Sie kann aufrütteln, wenn wir müde geworden sind.
Sie macht sichtbar, was im Alltag allzu oft verborgen bleibt.

Sowohl für den Weltfrauentag wie auch für den Tag der Demokratie ist es wertvoll, sich von Künstlerinnen ihren Blick auf unsere Demokratie zeigen zu lassen. Vielen Dank dafür!

Meine sehr geehrten Damen und Herren!

Der im März viel zu früh verstorbene Gründer des Ludwig Boltzmann Institutes für Menschenrechte, Prof. Hannes Tretter, hat einmal treffend formuliert. Und ich möchte ihn in memoriam zitieren:
Er sagte: „Wo wollen Sie anfangen, wo aufhören. Bei der Kunst? Der Literatur? Der Musik? Erst hängen wir Bilder ab, dann die Freiheit an den Nagel.“

Heute, erinnern uns sechs herausragende Frauen aus Literatur, Musik, Kabarett und Bildender Kunst genau daran:
Demokratie ist nicht nur eine politische Ordnung, sondern eine Haltung.
Eine Haltung, die Mut, Wehrhaftigkeit und Handlung verlangt – von uns allen.
Denn – wie gesagt:
Demokratie ist nie selbstverständlich.