18. November 2025
Programm
Eröffnungsworte
Walter Rosenkranz – Präsident des Nationalrates
Grußworte
Harald Dossi – Parlamentsdirektor
Inhaltliche Einführung in das Projekt „Sichtbarmachung autochthoner Volksgruppen im Parlament“
Jürgen Pirker – Kurator
Präsentation: Einblicke in die Formate und Aktivitäten der Parlamentsdirektion im Rahmen des Projekts „Sichtbarmachung autochthoner Volksgruppen im Parlament“
Susanna Enk – Leiterin Dienst 5 – Demokratikum der Parlamentsdirektion
Statement Thema Bildung
Michael Bernhard – Abgeordneter zum Nationalrat, NEOS
Bericht aus dem Bildungsministerium
Doris Wagner – Sektionschefin, Bundesministerium für Bildung
Impulsvortrag zum Thema „Volksgruppengesetz“
Georg Lienbacher – Mitglied des Verfassungsgerichtshofes
Statements der Vorsitzenden im Volksgruppenbeirat
Josef Buranits – Volksgruppenbeirat Kroatinnen und Kroaten
Susanne Weitlaner – Volksgruppenbeirat Sloweninnen und Slowenen in Kärnten und der Steiermark
Attila Somogyi – Volksgruppenbeirat Ungarinnen und Ungarn
Karl Hanzl – Volksgruppenbeirat Tschechinnen und Tschechen
Vladimir Mlynár – Volksgruppenbeirat Slowakinnen und Slowaken
Emmerich Gärtner-Horvath – Volksgruppenbeirat Romnja und Roma
Statements der Bereichssprecherinnen und Bereichssprecher für Volksgruppen der Parlamentsfraktionen
Klemens Kofler – Mitglied des Bundesrates, FPÖ
Agnes Totter – Abgeordnete zum Nationalrat, ÖVP
Pia Maria Wieninger – Abgeordnete zum Nationalrat, SPÖ
Michael Bernhard – Abgeordneter zum Nationalrat, NEOS
Olga Voglauer – Abgeordnete zum Nationalrat, GRÜNE
Abschlussworte
Walter Rosenkranz – Präsident des Nationalrates
Moderation
David Pinchasov – Abteilung 5.2 – Dialogplattform Staat & Gesellschaft, Parlamentsdirektion
David Pinchasov (Abteilung 5.2 - Dialogplattform Staat & Gesellschaft, Parlamentsdirektion): Sehr geehrte Damen und Herren! Einen wunderschönen guten Vormittag! Ich darf Sie sehr herzlich zur heutigen Dialogplattform autochthoner Volksgruppen im Parlament willkommen heißen. Die heutige Veranstaltung findet auf Einladung und Initiative des gesamten Präsidiums des Nationalrates sowie des Präsidenten des Bundesrates statt.
Zunächst darf ich den Gastgeber der heutigen Veranstaltung, Präsident des Nationalrates Walter Rosenkranz, begrüßen.
Es freut mich außerdem, Parlamentsdirektor Harald Dossi begrüßen zu dürfen.
Herzlich begrüßen möchte ich auch die Bereichssprecherinnen und Bereichssprecher für Volksgruppen der im Parlament vertretenen Klubs und Fraktionen.
Ganz besonders freue ich mich auch, die geschätzten Vertreterinnen und Vertreter des Volksgruppenbeirats in unserer Mitte begrüßen zu dürfen.
Im Rahmen der heutigen Veranstaltung dürfen wir uns auch auf mehrere Vorträge freuen, daher möchte ich hierzu folgende Personen herzlich begrüßen: Herrn Jürgen Pirker, Kurator des Projekts „Sichtbarmachung autochthoner Volksgruppen im Parlament“, Frau Susanna Enk, Leiterin des Dienstes 5 – Demokratikum der Parlamentsdirektion, Frau Doris Wagner, Leiterin der Sektion I – Allgemeinbildung und Berufsbildung im Bundesministerium für Bildung, sowie Herrn Georg Lienbacher, Mitglied des Verfassungsgerichtshofes.
Abschließend darf ich außerdem alle anwesenden Vertreterinnen und Vertreter des Bundeskanzleramtes, des Nationalfonds und des Zukunftsfonds herzlich begrüßen.
Sehr geehrte Anwesende, schön, dass Sie alle heute hier sind! Es freut uns sehr, dass wir heute erneut in diesem Rahmen zusammenkommen, um den Dialog, den Austausch und das gemeinsame Verständnis zwischen den Volksgruppen und der Politik weiter zu vertiefen.
Mein Name ist David Pinchasov. Ich leite die Abteilung Dialogplattform Staat & Gesellschaft und darf Sie heute durch das Programm führen.
Die Parlamentsdirektion widmet sich seit 2021 verstärkt dem Thema autochthone Volksgruppen und diese Dialogplattform hat sich dabei als wertvolles Forum etabliert, als Ort der Begegnung, des inhaltlichen Austausches und der thematischen Auseinandersetzung mit volksgruppenrelevanten Anliegen. Dass wir heuer, im Jahr 2025, erstmalig bereits zum zweiten Mal in einem Jahr hier zusammenkommen, zeigt: Der Dialog lebt und er wächst.
Ich wünsche uns also allen einen inspirierenden, offenen und konstruktiven Austausch und darf nun den Präsidenten des Nationalrates, Herrn Walter Rosenkranz, um die Eröffnungsworte bitten, gefolgt von den Grußworten von Parlamentsdirektor Harald Dossi.
Eröffnungsworte
Walter Rosenkranz (Präsident des Nationalrates): Es freut mich sehr, dass dieses Format auch heute wieder stattfindet – das ist aber kein großes Wunder, denn: Was gut ist, das soll man auch fortführen.
Es freut mich auch, dass alle vollzählig hier sind, dass wir ein tolles Programm haben, tolle Vorträge hören werden und dass wir auch über Punkte, die wir bei den letzten Malen – unter meinem Vorsitz heute zum zweiten Mal – begonnen haben, diskutieren werden. Es strahlt natürlich immer ein positives Signal aus, wenn aus den Runden, die sich hier zum Austausch treffen, auch konkrete Ergebnisse vorweisbar sind – wenn auch nicht alles von heute auf morgen gelöst werden kann, aber ich habe hier im Parlament eine Abteilung, die sich mit viel Herzblut auch um die Angelegenheiten der autochthonen Minderheiten kümmert.
Im nächsten Jahr gibt es wieder einen Anlass – Österreich neigt dazu, runde Jubiläen immer in irgendeiner Form zu begehen –: 50 Jahre Volksgruppengesetz sind natürlich ein Anlass, um 2026 hier im Haus ganz besonders die Volksgruppen selbst vor den Vorhang zu holen.
Dazu, zur Ausstellung hier im Haus, wird es auch noch entsprechend detailliertere Informationen geben; die Vertreterinnen und Vertreter der Volksgruppen sind ja bereits bis zu einem gewissen Grad eingeweiht worden, worum es gehen wird. Ich glaube, es ist ein gutes Konzept, das hier im Haus erarbeitet wurde.
Am 8. Jänner – eine genaue Einladung wird natürlich noch erfolgen – soll diese Ausstellung hier im Parlament eröffnet werden, und die Personen, die das österreichische Parlament besuchen – die Zahlen schwanken momentan, aber es sind ungefähr 1 800 bis 2 000 Personen an sechs Tagen in der Woche –, werden diese Ausstellung im Rahmen von diversen Führungsformaten auch sehen können.
Bei der Terminfindung spielt es auch eine Rolle, dass wir im nächsten Jahr schon mit einem Untersuchungsausschuss starten, und erfahrungsgemäß ist das mediale Echo auf Untersuchungsausschüsse ein besonders starkes, sodass wir versuchen, mit solchen Veranstaltungen eher auf Tage auszuweichen, die keine Untersuchungsausschusstage sind; dafür gibt es ganz einfache handwerkliche Gründe.
Ich möchte jetzt meine Eröffnungsworte gar nicht in die Länge ziehen. Es gibt unterschiedliche Dinge in Verbindung mit den Vorträgen, die ich auch nicht vorwegnehmen möchte. Mich freut es, dass diese Veranstaltung hier stattfinden kann.
Ein kleiner Wermutstropfen ist dabei: Vorsitzender Sadovnik kann heute aus einem familiären Grund beziehungsweise aufgrund eines Trauerfalls in seinem näheren Umfeld nicht hier sein, aber wie bei jeder guten Vereinigung gibt es auch in diesem Fall hervorragende Vertretungsmöglichkeiten, und daher darf ich Frau Weitlaner heute hier im Besonderen bei uns begrüßen.
Seien Sie alle herzlich willkommen, auch die Abgeordneten der einzelnen Fraktionen, die Volksgruppensprecher, auch alle, die seitens der Institutionen, des Nationalfonds, des Zukunftsfonds, hier sind! Sie leisten uns ja auch bei der Frage, wie man gemeinsam bei der Finanzierung der einzelnen Projekte voranschreiten kann, wertvolle Unterstützung – direkt im Parlament angesiedelt beziehungsweise auf gesetzlicher Basis von den Ministerien dotiert.
Ich freue mich auf einen spannenden Dialog, wie es schon so schön heißt, und darf daher jetzt an den Herrn Parlamentsdirektor übergeben. – Somit habe ich Herrn Pinchasov bereits seine Moderation weggenommen. Danke für die Moderation!
Grußworte
Harald Dossi (Parlamentsdirektor): Vielen Dank. – Einen schönen guten Morgen! Ich schließe mich den Grüßen an. Ich freue mich, dass sich dieses Dialogforum in den letzten Jahren tatsächlich so entwickelt hat, dass es fast selbstverständlich ist, dass es in regelmäßigen Abständen solche Termine gibt. Aus meiner Sicht ist es eine wirklich hervorragende Möglichkeit des Dialogs zwischen den Vorsitzenden der Volksgruppenbeiräte auf der einen Seite und den Bereichssprechern und Bereichssprecherinnen der parlamentarischen Klubs auf der anderen Seite.
Inhaltlich möchte auch ich nichts vorwegnehmen. Ich freue mich, dass wir Ihnen heute in besonderer Weise die Aktivitäten, die wir im nächsten Jahr im Parlament zum Thema autochthone Volksgruppen in Österreich präsentieren werden, offiziell ein erstes Mal zeigen können. Ich möchte mich bei der zuständigen Abteilung, bei allen Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen besonders bedanken – ich weiß, wie viel Aufwand da dahinter ist –, auch bei Professor Pirker, der das in einer sehr guten Art und Weise inhaltlich unterstützt.
Wir machen das immer auch gewissermaßen im Rahmen von inhaltlichen Schwerpunkten, die wir selbst für das Parlament definieren. Das war im laufenden Jahr aus naheliegenden Gründen eher rückblickend angelegt. Sie kennen den Schwerpunkt: 80/70/30; 80 Jahre Ende des Zweiten Weltkrieges, Befreiung vom Faschismus, 70 Jahre Staatsvertrag von Wien, 30 Jahre österreichische Mitgliedschaft in der Europäischen Union. Vieles ist in diesem Rahmen gelaufen.
Wir haben uns für das nächste Jahr, für das Jahr 2026, ganz bewusst vorgenommen, nach diesem Jahr des Rückblicks nach vorne zu schauen, und werden vielfältige parlamentarische Aktivitäten am Motto Zukunft und Jugend orientieren. Ich glaube, das ist naheliegend und es trifft ja auch einen Themenschwerpunkt, über den wir heute auch noch reden werden.
Das Ganze ist aus der Sicht der autochthonen Volksgruppen natürlich mit dem schon angesprochenen Jubiläum 50 Jahre Beschlussfassung des Volksgruppengesetzes verbunden, aber wohl auch mit dem im nächsten Jahr zu feiernden Jubiläum 70 Jahre österreichische Mitgliedschaft im Europarat. Ich glaube, ich sage hier nichts Neues, wenn ich sage, dass der Europarat mit der Europäischen Charta der Regional- oder Minderheitensprachen, aber auch mit dem Rahmenübereinkommen zum Schutz nationaler Minderheiten ja auch eine wichtige internationale Bühne nicht zuletzt zum Thema Volksgruppen ist – nur um das Ganze jetzt auch in diesen Rahmen zu stellen.
Alles andere erwarten wir in gespannter Neugier, und es gibt ja am Ende dann wie immer die Gelegenheit für sowohl die Bereichssprecher und Bereichssprecherinnen als auch die Vorsitzenden der Beiräte, dazu in einen Dialog zu treten. Ich freue mich darauf! – Danke.
David Pinchasov: Vielen herzlichen Dank für diese einleitenden Worte.
Damit kommen wir auch schon zum ersten inhaltlichen Punkt des heutigen Programms. Er ist ein besonders sichtbares und auch nachhaltiges Zeichen für die Wertschätzung und Präsenz der autochthonen Volksgruppen im Parlament. Im Jahr 2026 jährt sich die Beschlussfassung des Volksgruppengesetzes zum 50. Mal. Dieses Jubiläum bietet nicht nur Anlass zum Rückblick, sondern auch zum bewussten Blick nach vorne, auf die Bedeutung der Volksgruppen für die österreichische Demokratie, für unsere gemeinsame Geschichte, Sprache und Identität.
Unter dem Titel „Sichtbarmachung autochthoner Volksgruppen im Parlament“ entsteht aktuell ein vielschichtiges Projekt, das diesen Beitrag in seiner ganzen Vielfalt sichtbar machen möchte. Geplant sind eine Vielzahl an Formaten und Aktivitäten.
Zur inhaltlichen Einführung in das Projekt darf ich nun den Kurator, Professor Jürgen Pirker, vorstellen. Professor Pirker ist Leiter des Fachbereichs Global Governance am Institut für Rechtswissenschaftliche Grundlagen der Karl-Franzens-Universität Graz. Er forscht an der Schnittstelle von öffentlichem Recht, Geschichte und Politik, insbesondere in den Feldern des Grundrechts- und Minderheitenschutzes, der kulturellen Vielfalt und interaktiven Konflikttransformation in Europa. Unter anderem ist er auch Mitglied des Sachverständigenausschusses des Europarates nach der Europäischen Charta der Regional- oder Minderheitensprachen.
Im Anschluss an die inhaltliche Einführung durch Professor Pirker werden wir einen Blick darauf werfen, wie dieses Projekt in der Praxis Gestalt annehmen wird, welche Formate, Aktivitäten und Vermittlungsansätze die Parlamentsdirektion konkret entwickelt, um die autochthonen Volksgruppen sichtbar zu machen. Darauf wird Susanna Enk, Leiterin von Dienst 5 - Demokratikum der Parlamentsdirektion im Rahmen einer Präsentation im Detail eingehen.
Lieber Herr Professor Pirker, vielen Dank für die so gedeihliche Zusammenarbeit! Ich darf nun um Ihre einleitenden inhaltlichen Ausführungen bitten.
Inhaltliche Einführung in das Projekt „Sichtbarmachung autochthoner Volksgruppen im Parlament“
Jürgen Pirker (Kurator): Vielen herzlichen Dank. – Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Parlamentsdirektor! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich durfte in diesem Jahr die Initiative zur Sichtbarmachung der Volksgruppen im Parlament begleiten. Diese Initiative dient vor allem der Integration der Volksgruppen und der sie betreffenden Themen in die schon vorhandenen Angebote und Ausstellungen des Parlaments.
Erreicht werden soll damit vor allem eine Bewusstseinsbildung in der Bevölkerung – also bei allen aus dem In- und Ausland, die das Parlament besuchen –, aber auch in der Politik, um eine Basis zu legen, einen Rahmen zu schaffen: für Verständnis, für Dialog und für die Notwendigkeit zur stetigen Weiterentwicklung hinsichtlich der Situation der Volksgruppen. Das trägt auch zur Erfüllung von europäischen Verpflichtungen, die schon angesprochen wurden, bei, nämlich die Präsenz von Minderheiten und ihren Sprachen als Bereicherung zu begreifen und diese auch als Teil der Gesamtgesellschaft und der Demokratie zu erkennen. Volksgruppen, ihre Geschichte, ihre Kultur, ihre Sprachen, ihre Anliegen, ihr Schutz, aber auch Konflikte um diesen Schutz und Minderheitenrechte werden in die bestehenden Ausstellungsformate des Parlaments integriert.
Besucher:innen – und das können mehrere Hunderttausend im Jahr sein – verstehen dann, welche Volksgruppen in Österreich beheimatet sind, welche Rechte sie haben, wie umstritten die Umsetzung der Rechte gewesen ist, wie ihre Sprache und Kultur die Gesamtgesellschaft bereichern und was diese Vielfalt auch mit den Besucher:innen selbst zu tun hat.
Ein notwendiger roter Faden für die Ausstellung sind die Demokratie und die Rechtsetzungsfunktion des Parlaments. Von diesen ausgehend und auf diese rückbezogen werden die Inhalte ausgewählt und präsentiert, und dabei finden einige Grundmotive Berücksichtigung. Dazu gehört zum Beispiel die Bedeutung des Volksgruppen- und Minderheitenbegriffs im nationalen, aber auch im internationalen Kontext. So werden Besucher:innen mit einer interaktiven Einführung entlang der Themen Identität, nationale Zugehörigkeit oder Vielfalt abgeholt und an die Definition der Volksgruppen und ihrer Rechte herangeführt. Sie werden auch die Situation der Volksgruppensprachen in Österreich und Europa kennenlernen.
Thematisiert werden der Nationalismus, die Geschichte der Volksgruppen in Österreich ab 1848, die Entwicklung des Minderheitenschutzes – und das alles immer verbunden mit authentischen Einblicken in Phasen von Konflikten und Phasen, in denen es Errungenschaften gegeben hat. Es wird ein Einblick in das Volksgruppenrecht gegeben, es wird die Funktion des Minderheitenschutzes erläutert, es erfolgt eine Auseinandersetzung mit der Rolle der Volksgruppen in der Demokratie und mit ihren Möglichkeiten der Partizipation und Mitwirkung.
Angesprochen werden auch traditionelle Verortungen. Es werden Siedlungsgebiete gezeigt, und es werden die Herausforderungen thematisiert, die mit der Abwanderung aus diesen Siedlungsgebieten in städtische Zentren zu tun haben, wo es schwieriger ist, die Sprache und die Kultur zu erhalten.
Die Ausstellung soll auch Einblicke in Lebenswirklichkeiten eröffnen, sie soll Sprachenvielfalt erlebbar machen, und sie soll Funktion und Reichtum der Sprachen zeigen. Angesprochen werden auch Tradition und Moderne in der Sprache, in den Kulturen, in den Lebenswelten. Es wird aber auch gezeigt, dass Volksgruppen vielfältig sind, dass es einen Pluralismus innerhalb der Volksgruppen gibt, und wir machen Geschlechter- und Generationenvielfalt auch durch die Berücksichtigung weiblicher und jüngerer Perspektiven sichtbar.
Schließlich finden auch die Rolle der Medien und die Digitalisierung als Herausforderung für den Spracherhalt, vielleicht auch als Chance für den Spracherhalt Berücksichtigung.
Insgesamt ist das Ziel die Bewusstseinsbildung und das Schaffen von Verständnis für Volksgruppensprachen als gesamtgesellschaftliches, als österreichisches und als europäisches Erbe.
Frau Dienstleiterin Enk wird die einzelnen Stationen im Parlament noch detaillierter vorstellen, aber im Hintergrund stehen die angesprochenen Jubiläen; 70 Jahre Staatsvertrag von Wien, 50 Jahre Beschluss des Volksgruppengesetzes wurden bereits angesprochen. Man kann für die Jahre 2025/2026 noch ein paar hinzufügen: 25 Jahre Aufnahme der Staatszielbestimmung zum Schutz der Volksgruppen in die Verfassung, 25 Jahre Ortstafelerkenntnis, 15 Jahre Ortstafellösung.
Hintergrund der Ausstellung ist das Bekenntnis der Bundesverfassung zu den Volksgruppen als Teil der autochthonen Vielfalt der Republik. Damit verbunden ist die Verpflichtung, die Gruppen und ihre Sprachen zu erhalten, zu sichern und zu fördern. Hinzu kommen die Verpflichtungen aus Artikel 7 des Staatsvertrages und die Ziele des Volksgruppengesetzes. Der Verfassungsgerichtshof hat in seiner Rechtsprechung erkannt, dass die österreichische Bundesverfassung eine Wertentscheidung des Verfassungsgesetzgebers zugunsten des Minderheitenschutzes enthält, und diese Wertentscheidung und das Bekenntnis der Republik sollen in der Ausstellung zum Ausdruck kommen.
Authentische Stimmen der Vertreter:innen der Volksgruppen und von Jugendlichen aus den Volksgruppen illustrieren die Inhalte. – An dieser Stelle möchte ich Ihnen ganz besonders danken, denn ohne Sie wäre diese Initiative nicht umsetzbar und sie wäre auch nicht authentisch.
Hinzu kommen Statements von Expertinnen und Experten, etwa dem Präsidenten des österreichischen Verfassungsgerichtshofes, einer Volksanwältin oder dem Vorsitzenden der Gremien des Europarates, die die Umsetzung von Maßnahmen zum Schutz von Minderheiten und Sprachen evaluieren.
Die Ausstellung integriert also Volksgruppen permanent in die Ausstellungsformate des Parlaments, und zwar als Teil der Gesellschaft, als Teil der Demokratie und ohne sie in einer Art Folklorisierung auszustellen. Damit will die Ausstellung einen Beitrag zum demokratischen Prozess und zur demokratischen Bildung leisten, und das unter dem Motto „Wir sind Demokratie“. – Vielen Dank.
Präsentation: Einblicke in die Formate und Aktivitäten der Parlamentsdirektion im Rahmen des Projekts „Sichtbarmachung autochthoner Volksgruppen im Parlament“
Susanna Enk (Leiterin Dienst 5 - Demokratikum der Parlamentsdirektion): Nachdem Herr Prof. Pirker die grundsätzliche Herangehensweise an das Thema sichtbar gemacht hat, möchte ich nun konkreter ins Detail gehen und Ihnen erste Einblicke geben, was Sie dann vor Ort im Haus sehen werden.
Wie angekündigt wird es eine gemeinsame Klammer, ein gemeinsames Sujet geben, das die Vielfalt der Sprachen zeigen soll, mit dem gemeinsamen Nenner deutsche Sprache. Und es soll hier vermittelt werden: Vielfalt macht Demokratie aus. Dieses Sujet wird sich überall finden, an jeder Station, an der wir das Thema behandeln.
Ich möchte auch vorwegschicken, dass sich konkret neun Abteilungen des Hauses mit dieser Sichtbarmachung beschäftigen. Die Federführung liegt bei der Abteilung 5.2, bei den Herren Pinchasov und Kassl, aber zum Beispiel ist auch der Dienst Kommunikation und Öffentlichkeitsarbeit sehr stark involviert, bis hin zum internationalen Dienst, der es wieder übernehmen wird, die Botschaften einzubinden, die bilateralen parlamentarischen Gruppen zu informieren und auch bei internationalen Terminen das Thema aufs Tapet zu bringen.
Ich werde aus Zeitgründen eher zügig durchführen, Ihnen wird diese Präsentation dann im Anschluss übermittelt werden. (Die Rednerin unterstützt in der Folge ihre Ausführungen mittels einer Powerpoint-Präsentation.)
Der Ort des Geschehens ist unser Besucherzentrum direkt beim Eingang, wo wir jährlich 500 000 Menschen begrüßen. Wenn Sie auf der rechten Seite diesen Tisch sehen: Dort beginnt quasi der Rundgang und dort wird niederschwellig an das Thema herangeführt. Wir wollen alle Menschen hereinholen und als Einstieg einmal befragen: Wie sehen Sie sich? Sehen Sie sich als Europäer, als Teil der Gemeinde, in der Sie wohnen, oder als Weltenbürger? – Da kann man dann etwas ankreuzen. Dann geht es weiter: Viele Menschen in Österreich sehen sich auch als Teil einer Volksgruppe. Es wird dann auch noch mit schönen Grafiken, etwa einer Österreichkarte, gezeigt: Wo sind die Schulstandorte? Wo werden die Sprachen gesprochen? Wo gibt es zweisprachige Ortstafeln? Und dann ist dort noch der Ausgangspunkt für die Runde durch den öffentlichen Bereich, wo man dann auf einer Karte verortet sieht, in welchem Bereich im Parlament man etwas sehen kann. Also dort beginnt quasi der Rundgang.
Wir kommen dann in einen zentralen Bereich des Besucherzentrums, das ist der linke Raum, wenn man reinkommt, das Auditorium. Dort wird im Rahmen unserer Ausstellung immer das Thema Medien beleuchtet und dort finden auch Pressekonferenzen statt. Es wird gerade umgebaut beziehungsweise werden die Seitenwände für die Bespielung mit dem Thema Sichtbarmachung der autochthonen Volksgruppen vorbereitet.
Was Sie da rechts und links sehen, ist schon einmal ein erster grober Einblick. Auf der linken Wand werden die Meilensteine des Volksgruppenrechts, beginnend mit 1867, bis 2011 darlegen. Da sehen Sie ein Segment, das Jahr 1976, mit der Beschlussfassung des Volksgruppengesetzes.
Anknüpfungspunkt – weil das ja in dem Medienraum ist – wird sein, dass wir immer wieder auch Zeitungsausschnitte zeigen. Links unten wird auch ein Folder zum Durchblättern hergezeigt, in dem wichtige Medienberichte nachzulesen sind.
Auf der anderen Seite, gegenüber, wird das Thema Lebenswelten, also Sprache und Kultur, dargestellt. Da ist eines von drei Segmenten sichtbar, das vor allem das Thema Sprache mit dem Bildungsthema verknüpft. In der Mitte sehen Sie zum Beispiel die Komenský-Schule. Man sieht das jetzt natürlich noch nicht so gut, aber da wird dargestellt, dass dort von den Volksschulkindern bis zu den Maturanten zweisprachig unterrichtet wird, und auch Schulbücher zum Herausnehmen können durchgeblättert werden.
Uns ist immer wichtig, dass auch aktiv etwas zu tun ist. Zum Beispiel gibt es auf der Seite auch eine Abstimmungsstation, wo man dann mit Chips wählen kann: Wie kann man Volksgruppensprachen schützen? Und da kann man dann auswählen, wie man das persönlich empfindet. Das ist dann sicher nicht wissenschaftlich relevant, aber es gibt einen Eindruck und die Besucher können mitmachen, und das ist eigentlich immer das Wichtigste. Es wird noch eine Begleitbroschüre zu dieser Ausstellung geben, die man dann mit nach Hause nehmen kann.
In diesem Raum haben wir auch eine riesige LED-Wand, die zu den Schwerpunktthemen bespielt werden kann, und da werden gleich im Anschluss an diesen Termin heute gleich einmal Interviews gemacht. Es kommen auch sechs Jugendliche zu Wort, damit man in dem Raum auch die Sprache hören kann. Es werden dann kurze O-Töne von den Jugendlichen abgespielt, und man kann zusätzlich zu dem Erlebnis der Ausstellung die Sprache hören.
Dann haben wir natürlich im Besucher:innenzentrum Medientische, interaktiv und digital. Da gibt es zum Beispiel den Geschichtstisch, wo man acht Beiträge zu den wichtigen Momenten im Volksgruppenrecht darstellen wird, oder die Wandstation „Unsere Stimmen“, wo wie angekündigt Verfassungsgerichtshofpräsident Grabenwarter, Volksanwältin Schwarz und andere zum Thema Stellung beziehen werden. Da kann man dann diese Interviews abrufen.
Ganz wichtig sind auch analoge Stationen, die wir vorbereiten. Sie sehen da Sitzhocker; diese werden auch mit dem Sujet verkleidet. Da kann man das Parlamentsquiz spielen, das derzeit mit Volksgruppenfragen aufgewertet wird, und dann gibt es auch Abstimmungsstationen mit Klebepunkten, die sehr beliebt sind, und natürlich wird der Parlamentsshop Produkte und Fachliteratur anbieten. Das ist derzeit schon sichtbar.
Das ist das Regal in der Bibliothek zum Thema. Da möchte ich mich für Ihre Beiträge bedanken, die hoffentlich auch sehr gut umgesetzt wurden. Bei der Literaturauswahl haben Sie uns ja sehr massiv unterstützt.
Jetzt komme ich zu einem wichtigen Thema: Wir werden im Rahmen der Reihe „Literatur am Ring“ drei Veranstaltungen zum Thema Volksgruppen haben. Ganz grob kann man sagen: Im April/Mai, aus Anlass Ende Zweiter Weltkrieg, hätten wir die Paarung Burgenlandkroaten und Roma vorgesehen – natürlich stehen immer alle Volksgruppen im Mittelpunkt, aber zwei werden sozusagen exemplarisch sichtbar gemacht –, im Juni/Juli wäre 50 Jahre Volksgruppengesetz auf der Tagesordnung, da hätten wir Slowenen und Tschechen vorgesehen, und im September anlässlich des Europäischen Tags der Sprachen die Slowaken und die Burgenlandungarn. Wir wären sehr dankbar, wenn wir bei der konkreten Umsetzung der Veranstaltung wieder auf Sie zukommen und uns mit Ihnen austauschen können.
Dann gibt es natürlich noch den Tag der Volksgruppen, wie Sie wissen, das ist dann im Dezember eine größere Veranstaltung. Sie kennen unsere wiederkehrenden Formate, wie zum Beispiel den Internationalen Romatag, und in Vorbereitung ist eine gemeinsame Publikation mit dem Bundeskanzleramt, eine Broschüre, die dann an die Besucher ausgeteilt werden kann.
Wir haben ja die Demokratiewerkstatt im Haus, wo wir in Workshops die Jugendlichen in Demokratie bilden und unterrichten. Da haben sich die Kolleg:innen ein Generationenkonzept überlegt, wo man von der älteren Generation bis hin zur ganz jungen Generation jeweils einen Vertreter einlädt und dann zum Beispiel das Thema: Wie wirkt sich das Volksgruppengesetz auf das heutige Leben aus?, diskutiert, also wo man vor Jugendlichen mit Jugendlichen diskutiert.
In der Demokratiewebstatt, das ist unser Onlineportal, wo Lehrerinnen und Schüler zugreifen und dort verschiedene Themen aufbereitet finden, arbeiten wir gerade am aktuellen Thema Volksgruppen, das dann ab Jänner dort sichtbar sein wird, und wir führen regelmäßig Chats mit Schulklassen durch, die auch dann neu zum Thema Volksgruppen stattfinden werden.
Jetzt noch zum letzten Punkt, zu unseren Führungen: Wir haben ja 300 000 Personen, die im Jahr durch das Parlament geführt werden. Wir haben verschiedene Formate, und ein ganz neues Format wird jetzt dieses Volksgruppenformat sein, bei dem man im Besucher:innenzentrum beginnt, ein bisschen Einblick in die Stationen gewinnt und dann an gewissen Orten im Haus noch einmal geschichtlich, inhaltlich etwas erfährt.
Hier sieht man den historischen Sitzungssaal, der sicher auch eine Station sein wird. In den allgemeinen Führungen werden wir auch darauf hinweisen, dass wir jetzt eben diesen Volksgruppenschwerpunkt haben.
Ich bedanke mich für Ihre Unterstützung bei der Erarbeitung dieses Schwerpunkts und freue mich auf die Eröffnung im Jänner.
David Pinchasov: Vielen herzlichen Dank an Susanna Enk und Professor Jürgen Pirker für diese Einblicke in das spannende Projekt.
Wir kommen nun zu einem weiteren zentralen Thema, das für die autochthonen Volksgruppen von besonderer Bedeutung ist: den mehrsprachigen Bildungsbereich und den damit verbundenen Bildungsangeboten.
In diesem Forum wurde ja bereits über die bestehenden Erfahrungen, Herausforderungen und Potenziale gesprochen. Besonders mit Blick auf die urbanen Zentren zeigt sich, dass neue Anforderungen, zugleich aber auch neue Chancen entstehen. Bildung ist nicht nur der Schlüssel zur gesellschaftlichen Teilhabe, sondern auch ein entscheidender Faktor für den Erhalt von Sprache, Kultur und Identität und damit ein Herzstück volksgruppenpolitischer Arbeit.
Bevor wir gleich zum fachlichen Bericht aus dem Bundesministerium für Bildung kommen, darf ich zunächst Herrn Abgeordneten Michael Bernhard das Wort erteilen, der in Abstimmung mit den anderen Bereichssprecherinnen und Bereichssprechern eine kurze Wortmeldung zum Themenkomplex Bildung bringen möchte.
Im Anschluss daran wird uns Frau Doris Wagner, Sektionschefin im Bildungsministerium, einen Überblick über die aktuellen Entwicklungen, Maßnahmen und bildungspolitischen Schwerpunkte geben. – Frau Wagner, wir danken Ihnen schon jetzt herzlich dafür, dass Sie heute bei uns sind, und freuen uns auf Ihren Beitrag.
Zuvor darf ich nun das Wort Herrn Abgeordneten Michael Bernhard erteilen.
Statement Thema Bildung
Michael Bernhard (Abgeordneter zum Nationalrat, NEOS): Vielen Dank für die Einleitung. Ich weiß, dass das Thema auf Ebene der Referent:innen besprochen wurde, auch mit den Bereichssprechern innerhalb der Regierungsfraktionen, ich weiß aber nicht, ob die Kolleg:innen von den Grünen und den Freiheitlichen auch eingebunden waren, ich berichte aber tatsächlich ausschließlich zur Frage der Schule in Wien und dem Diskussionsstand dazu.
Um alle hier auf den gleichen Wissensstand zu holen: Es gab im Jahr 2024 eine Arbeitsgruppe im Bildungsministerium, an der alle Volksgruppenvertreter und -vertreterinnen teilgenommen haben. Diese wurde vom damaligen Generalsekretär Netzer geleitet. Thema der damaligen Arbeitsgruppe war, dass es abseits der traditionellen Siedlungsgebiete auch das Erfordernis gibt, ein Bildungsangebot vom Kindergarten bis zur Matura zu etablieren. Es wurde da in vier Sitzungen Verschiedenes erarbeitet, ganz konkret ging es um zwei Szenarien, nämlich um die Fragestellung, ob das Minderheiten-Schulgesetz oder auch das Privatschulgesetz entsprechend angepasst werden können, dass eine Schule nach einer der beiden gesetzlichen Rahmenbedingungen in Wien errichtet werden kann.
Ergebnis dieser Arbeitsgruppe war auf der einen Seite, dass die Vertreterinnen und Vertreter der Volksgruppen sich sehr klar für das privatschulgesetzliche Modell nach dem Vorbild der Komenský-Schule entschieden haben, dass man eben tatsächlich – dazu gibt es ein entsprechendes Papier – auch im Detail skizziert hat, was da die nächsten Schritte sind: von einer Umsetzung zunächst in Wien über die Frage des pädagogischen Modells bis hin zur Frage des Gebäudes, das ja sogar schon besteht.
Es wurde als nächster konkreter Schritt berichtet, dass die Volksgruppenvertreterinnen und -vertreter sowohl in der Stadt Wien als auch bei den parlamentarischen Fraktionen lobbyieren, und da komme ich jetzt ins Spiel. Das Lobbyieren vonseiten der Volksgruppenvertretungen war sehr intensiv und erfolgreich, kann ich, glaube ich, für alle Abgeordneten hier im Haus sagen, und deswegen möchte ich hier auch nur einen Zwischenstand in der Runde teilen: Was wir aktuell machen, ist, dass wir vonseiten der Regierungsfraktionen prüfen, sowohl ob das Minderheiten-Schulgesetz mit einer danach gedachten öffentlichen Schule oder ob das Privatschulgesetz mit dem Erfordernis, dass man für die autochthonen Volksgruppen einen zusätzlichen gesetzlichen Passus einfügt, der auch die Einschränkung sozusagen ausschließlich auf autochthone Volksgruppen beinhaltet, geeigneter ist, und wir evaluieren, ob es hier Mehrheiten im Haus gibt.
Sobald – und das möchte ich auch in aller Deutlichkeit sagen – klar ist, welche Mehrheiten vonseiten der Regierungsfraktionen möglich sind, wird das Angebot einer vollen Einbindung an die grüne Fraktion und an die freiheitliche Fraktion ergehen, mit dem Wunsch, dass wir dann auch wirklich in einem breiten Konsens über die konkrete Ausgestaltung, auch einer solchen Schule und aller politischen Fragen, gemeinsam diskutieren.
Es sind dazu mehrere Gespräche anberaumt, es wurden die Volksgruppenvertreterinnen und -vertreter bereits einmal in einem sehr offenen Gespräch informiert. Es gibt konkrete Gespräche mit der Stadt Wien, weil die Frage beispielsweise betreffend Kindergarten, Volksschule oder Nachmittagsbetreuung Themen sind, die nicht den Nationalrat und auch nicht die Finanzierungsfrage des Nationalrats, sondern die Stadt Wien betreffen.
Es gibt auch Gespräche mit dem Bildungsministerium. Da wurde vereinbart, dass es einen parlamentarischen Prozess gibt und, wenn eine Meinungsbildung abgeschlossen ist, diese Meinungsbildung dann auch dem Bildungsministerium wiederum zurückgemeldet wird.
Es ist klar, dass es aufgrund der besonderen Situation, einerseits politisch, dass wir nächstes Jahr ein Jubiläumsjahr haben, sehr angezeigt wäre – das haben wir zumindest auch innerhalb der Regierungsfraktionen besprochen –, dass wir bis zum nächsten Sommer politische Klarheit wollen. Man muss offen sagen: Wir wissen noch nicht, wie diese Klarheit ausschauen wird, aber die Vision, dass im übernächsten Schuljahr auch tatsächlich Kinder der Volksgruppen in Wien in ein erstes Volksschuljahr beispielsweise starten können, ist etwas, das nach den vielen Jahren des politischen Werbens sehr angezeigt ist. Diesbezüglich haben wir uns auch diese Deadline gesetzt.
Einschränkend kommt hinzu, dass wir diese budgetäre Situation haben, die alle kennen, und man nicht aus dem Vollen schöpfen kann. Das bedeutet aber – und das ist der wesentliche Punkt für den heutigen Tag –, der Wunsch nach der Volksgruppenschule in Wien, neben der Komenský-Schule, die ja schon eine Volksgruppenschule in Wien ist, ist in einem parlamentarischen Prozess, in einem Abstimmungsprozess angekommen.
Es gibt konkrete Ziele, die noch – zugegebenermaßen – sehr offen sind. Es wird jedenfalls eine Einbindung aller Fraktionen geben, so das von allen Fraktionen auch erwünscht ist.
Alles Politischere berichte ich dann in meinem anderen Redebeitrag. – Vielen Dank.
Bericht aus dem Bildungsministerium
Doris Wagner (Sektionschefin, Bundesministerium für Bildung): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Parlamentsdirektor! Sehr geehrte Damen und Herren der Volksgruppenvertreter, der Volksgruppen! Sehr geehrte Abgeordnete! Liebe Damen und Herren! Es freut mich ganz besonders, dass ich heute im Rahmen der Dialogplattform autochthoner Volksgruppen hier im Parlament zu Ihnen sprechen darf.
Sie wissen – und es ist heute schon sehr oft zum Ausdruck gekommen –, dass die Förderung unserer autochthonen Volksgruppen auch dem Bildungsministerium und unserem Herrn Bildungsminister Christoph Wiederkehr nicht nur ein zentrales Anliegen, sondern wirklich auch ein wesentlicher Bestandteil unseres Tuns ist. Ich möchte Ihnen jetzt einfach ein paar pädagogische Projekte, die wir in Umsetzung haben beziehungsweise die schon umgesetzt wurden, näherbringen. Denn eines ist klar: Volksgruppen und Volksgruppensprachen sind ein wesentlicher Bestandteil unseres demokratischen Selbstverständnisses und unseres vielfältigen kulturellen Erbes. Gerade Demokratie und Demokratiebildung stehen ja auch im Zentrum unseres schulischen Geschehens für alle Schülerinnen und Schüler. Sie wissen, auch im Regierungsprogramm wird ein neues Fach Demokratiebildung ins Auge gefasst und ist ein zentrales Element. (Die Rednerin unterstützt in der Folge ihre Ausführungen mittels einer Powerpoint-Präsentation.)
Was machen wir konkret? – Ich möchte einmal mit der Förderung der Volksgruppensprachen beginnen und für Sie auch ganz kurz umreißen, wo denn unsere Fördermöglichkeiten im Bereich der Volksgruppen und deren Sprachen liegen; einerseits natürlich im Personal, das heißt, wir stellen Personal in Form von Lehrpersonal zur Verfügung, nämlich im Pflichtschulbereich. Der Pflichtschulbereich umspannt die Primarstufe, die Sekundarstufe I, aber auch die Sekundarstufe II. Um nur eine Zahl seitens des Bildungsministeriums zu nennen: Diese pädagogischen Projekte, die Sachmittel und das Personal umfassen rund 17 Millionen Euro.
Was uns budgetär ganz wichtig war und was auch gelungen ist – Sie wissen, das Bildungsbudget ist ja auch Teil eines großen Gesamtbudgets –, ist, dass wir, obwohl wir Einsparungen vornehmen mussten, in diesem Bereich keine Budgetkürzungen vorgenommen haben, weil es eben ein zentrales Anliegen ist.
Die Förderung der Volksgruppensprachen gilt als demokratisches Fundament unserer Gesellschaft. Wenn es nämlich den Minderheiten gut geht, dann geht es auch der Demokratie gut. Wir wollen einfach diese durchgängige Bildung von der Elementarpädagogik, also vom Kindergarten an, bis zur Matura stark unterstützen und forcieren und weitere zentrale Maßnahmen ins Auge fassen, damit das auch wirklich gut gelingt.
Nun, Sie werden sich jetzt fragen, was denn im Bildungsbereich passiert, wo wir denn anhebeln, was denn umgesetzt worden ist oder wo Schritte gesetzt worden sind, denn man möchte ja auch Ergebnisse sehen. Ich möchte eine Sache hervorheben: Sie wissen, wir haben 2021 neue Lehrpläne geschaffen. Diese sind jetzt aufsteigend in Kraft, das heißt, sie sind bis zur 3. Klasse Volksschule und zur 3. Klasse Sekundarstufe I – also Mittelschule oder AHS-Unterstufe – in Anwendung. Wichtig ist uns auch, dass wir alle Schultypen des Minderheitenschulwesens in Kärnten und im Burgenland, und das umfasst vieles, nämlich Volksschulen, Mittelschulen, mit den Sonderformen – Sie wissen, wir haben Sonderformen im Bereich Sport, wir haben Sonderformen im Bereich Musik –, aber auch die AHS, den allgemeinbildenden höheren Bereich, und die BHS im berufsbildenden höheren Bereich, miteinbeziehen.
Es geht aber nicht nur um Lehrpläne, in denen wir im Rahmen der Lehrplangestaltung wirklich eigene Schwerpunkte gesetzt haben, um die Sprachen gut zu definieren, sondern wir haben dazu auch Kompetenzraster entwickelt. Kompetenzraster gibt es nicht für alle Fächer, für die Sprachen des Minderheitenschulwesens war es uns aber ein großes Anliegen, auch Kompetenzraster zu erstellen.
Sie werden sich fragen: Was sind denn Kompetenzraster? Lehrpläne sind sehr grob geschrieben, haben eine sehr hohe Granulation, und mit Kompetenzrastern sind wir jetzt in den Lehrplänen sehr kompetenzorientiert unterwegs. Es wird nicht nur Lehrstoff genannt, sondern es geht letztendlich darum, was denn die Kinder am Ende des Tages können und wo sie gut unterwegs sind. Das umspannt natürlich einerseits die Fachlichkeit – in diesem Fall die Sprache –, andererseits geht es aber um noch mehr. Es geht um die soziale Kompetenz, das Miteinanderleben, das Miteinander-in-der-Klasse-Sein, und es geht auch um die Persönlichkeitsbildung, nämlich wie man sich persönlich weiterentwickeln kann, wie man sich persönlich präsentieren kann. Hierzu haben wir in den Kompetenzrastern wirklich pro Schulstufe klar definiert: Was soll denn am Ende der Schulstufe an Kompetenzen wirklich erlernt worden sein, worauf liegt der Fokus? Deshalb war es uns auch ganz wichtig, Kompetenzraster für die Sprachen des Minderheitenschulwesens zu entwickeln.
Wenn wir von Schule sprechen, kommen wir irgendwann auf den Punkt zu sprechen, an dem man in die Schule eintritt. Sie wissen: Wir haben das Schuleingangsscreening entwickelt, um die Schulen dabei zu unterstützen, die Schulreife festzustellen. Das haben wir ursprünglich nur in der Sprache Deutsch gehabt, nur passt das einfach nicht. Wir wollten gezielt auch das Schuleingangsscreening übersetzen und bieten das Schuleingangsscreening nun auch in den Sprachen Burgenlandkroatisch, Slowenisch und Ungarisch an – als wichtiges Symbol dafür, dass uns das Minderheitenschulwesen sehr am Herzen liegt und einen wesentlichen Bestandteil bildet.
Ich habe das Thema Lehrpläne bereits angesprochen, aber es geht weit über das Minderheitenschulwesen hinaus. Wir haben nämlich auch für den allgemeinen Teil der Lehrpläne – und zwar wirklich aller Lehrpläne, von der Primarstufe bis zur Sekundarstufe II – Kernelemente definiert. Diese sind: der respektvolle Umgang mit Vielfalt, die Bedeutung der Mehrsprachigkeit, die Bedeutung der Volksgruppen. Es ist nämlich ganz wichtig, hier nicht nur Einzelelemente zu haben, sondern die Dinge bildungspolitisch allen Schülerinnen und Schülern nahezubringen und auch ein Stück weit zur Identitätsbildung, zu demokratischen Werten und auch zum Minderheitenschutz beizutragen.
Sie wissen es vielleicht: Im Zentrum unserer pädagogischen Entwicklungen stehen nicht nur Lehrplanprojekte, Kompetenzraster und Schuleingangsscreening – Dinge, die wir gut abgewickelt haben –, sondern wir haben auch eine richtungsweisende Sache ins Leben gerufen, und zwar die Arbeitsgruppe durchgängige Sprachbildung in der Volksgruppensprache. Sie wurde 2024 beim Dialogforum in Kärnten vom damaligen Bildungsminister Martin Polaschek und von Landeshauptmann Kaiser ins Leben gerufen. Die Leitung hat meine Kollegin Margareta Scheuringer inne, und es wurden drei Subarbeitsgruppen zu den drei identifizierten Kernelementen gebildet. Vielleicht waren einige von Ihnen dabei und haben mitgewirkt, es wurden jedenfalls drei Themenbereiche als ganz wichtig herauskristallisiert, nämlich das Themenfeld Elementarpädagogik – also der Kindergarten –, dann die durchgängige Sprachbildung vom Kindergarten bis zur Matura inklusive aller Schnittstellen – von der Elementarpädagogik, vom Kindergarten in die Schule, in die Primarstufe, von der Primarstufe in die Sekundarstufe I, von der Sekundarstufe I in die Sekundarstufe II sollte es ja eigentlich eine durchgängige Reise sein –, und als Drittes die allgemeinbildende Pflichtschule.
Wer ist nun in dieser Arbeitsgruppe dabei? – Die Vertretung des Bildungsressorts, des Landes Kärnten, der Bildungsdirektion, die Pädagogischen Hochschulen sind dabei – diese sind auch sehr wichtig, nämlich wenn es um die Ausbildung der Pädagoginnen und Pädagogen geht –, es sind Schulen dabei, es sind die Bafep dabei, es sind Vertreter des Volksgruppenbüros, der pädagogischen Vereinigungen, der Arbeitsgemeinschaft zweisprachiger Kindergärten dabei.
Was ist das Ziel des Ganzen? – Das Ziel ist, wirklich über den gesamten Bildungsbereich hinweg Maßnahmen zu definieren und zu setzen und diese Maßnahmen wirklich kontinuierlich abzuarbeiten. Es wurden 33 Maßnahmen identifiziert und es gibt dazu auch einen Fachbeirat. Wir haben gestern BMB-intern diesen Fachbeirat für uns bestückt und auch mit dem Land Kärnten besprochen, wer im Fachbeirat vertreten ist und wie wir monitoren, denn es soll kein Blatt Papier mit Maßnahmen – 33 an der Zahl – bleiben, sondern wir wollen diese wirklich kontinuierlich angehen und abarbeiten und klare Verbesserungen bewirken.
Welche Maßnahmen sind nun in diesem Papier verankert? Ich möchte nur ein paar herausgreifen, um Ihnen ein paar Projekte ein bisschen näherzubringen, denn es ist ein sehr umfassender Maßnahmenkatalog der Arbeitsgruppe – wie gesagt: 33 Maßnahmen sind darin umfasst.
Eine Maßnahme ist ein Schulversuch, die zweisprachige Mittelschule Bleiburg, genauer gesagt der Start einer zweisprachigen Klasse Deutsch-Slowenisch, ab 2026/2027 oder 2027/2028. Es liegt noch im Kompetenzbereich der Bildungsdirektion, wie hier die genauen Zahlen dann ausschauen. Das Ziel ist einfach: Wir haben die Volksschule mit einem zweisprachigen Unterricht und wir brauchen dann in der Sekundarstufe eine Möglichkeit, Sprache gut fortzuführen. Das geschieht mit diesem Schulversuch. Das Konzept selber – Sie kennen es vielleicht – ist das Immersionsmodell. Da geht es darum, Slowenisch als Unterrichts- und Arbeitssprache wirklich gut einzuführen und umzusetzen, gemeinsam mit der Sprache Deutsch.
Kooperation und Erfahrungsaustausch gibt es bereits, denn es gibt gute Modelle im Burgenland. Dort gibt es eine zweisprachige Mittelschule in Großwarasdorf, mit der auch schon Kontakt aufgenommen wurde. Dort sind die Umsetzungsmaßnahmen bereits gestartet, das heißt, hier sind wir schon gut im Feld.
Ein zweites Beispiel möchte ich Ihnen noch bringen, nämlich die Alpen-Adria-Klasse am BG/BRG Sankt Martin in Villach. Dort starten wir 2026/2027 in der Sekundarstufe I ein Pilotprojekt mit Slowenisch als verbindlicher Übung und auch als Arbeitssprache in ausgewählten Fächern; die Schule definiert da sehr gut die einzelnen Bereiche. Wir haben damit wirklich die erste Schule in der Bildungsregion West mit einem Slowenischangebot außerhalb des Geltungsbereiches des Minderheiten-Schulgesetzes. Wir sind in der Umsetzung, dieser stufenweise Ausbau wird im Schuljahr 2030/2031 fertig sein.
Lassen Sie mich mit Ihnen gemeinsam in die Elementarpädagogik eintauchen. Auch das ist ein wichtiger Bereich. Hierzu sind wir im Bildungsressort für die Ausbildung verantwortlich, und es gibt gute Kooperationen mit der Pädagogischen Hochschule Kärnten und mit der Bildungsdirektion, das möchte ich hier betonen.
Es geht einfach darum, neue Ausbildungsangebote zu schaffen, nämlich für die Ausbildung zweisprachiger Elementarpädagoginnen und -pädagogen, denn das ist der Schlüssel. Auf der einen Seite, das wissen Sie, haben wir den Lehrplan, die Rahmenbedingungen, das Schaffen der Möglichkeit, Schulversuche und zweisprachige Angebote zu machen. Aber wir brauchen natürlich auf der anderen Seite auch Menschen, die die Lehrpläne dann mit Leben füllen, und das sind unsere Pädagoginnen und Pädagogen. Sie sehen da, dass wir bereits seit dem Sommersemester 2025 einen neuen Hochschullehrgang haben, der genau diese Ausbildung sicherstellt.
Was uns auch wichtig ist: ausbilden können wir natürlich nur Menschen, wenn sie da sind, wenn sie ins System wollen. Wir machen eine große Werbeaktion, auch im Bereich Fort- und Weiterbildungsangebote. Sie kennen aber vielleicht auch Klasse Job für das Recruiting von Lehrpersonen. Wir wollen das auf den Bereich der Elementarpädagogik ausdehnen, um auch dafür genügend zweisprachige Fachkräfte zu erhalten. Wir haben für die Angebote an den Bafeps die Mindestteilnehmeranzahl für diesen sprachlichen Bereich für den Slowenischschwerpunkt herabgesetzt, damit die Eintrittshürde nicht so hoch ist, und, wie gesagt: Auch die gezielte Anwerbung und Qualifizierung ist auf Schiene, ist mit Sommersemester 2025 gestartet, und wir hoffen, dass wir möglichst viele Lehrkräfte rekrutieren können.
Den letzten Punkt möchte ich eigentlich fast überspringen, denn den hat Herr Abgeordneter Bernhard sehr gut dargestellt – die Schule in Wien. Auch hier sind wir sehr gute Partner für Sie, sowohl in beratender als auch unterstützender Funktion. Wir werden bestmöglich die gesetzlichen Grundlagen schaffen. Das Einzige, was so ein bisschen ein Wermutstropfen ist und bei dem wir alle kräftig zusammenhelfen müssen, sind die Finanzen. Auch das haben Sie angesprochen.
Ich kann nur noch eines sagen: Lassen Sie uns gemeinsam diesen erfolgreichen Weg weitergehen. Es ist schon viel passiert, aber wir haben von den 33 Maßnahmen auch noch einige vor uns. Es ist uns wichtig, wir arbeiten gut daran, wir gehen in Richtung Ziel. Lassen Sie uns diesen Weg gemeinsam weitergehen, im Sinne der Kinder, im Sinne der Gesellschaft, im Sinne der Volksgruppen. – Vielen herzlichen Dank.
David Pinchasov: Vielen herzlichen Dank, Frau Sektionschefin Wagner und Herr Abgeordneter Bernhard für diese interessanten Einblicke und Ausführungen!
Der nächste Programmpunkt bringt uns – und man gestatte es mir an dieser Stelle, es wortwörtlich auszuführen – zum Bundesgesetz vom 7. Juli 1976 über die Rechtsstellung der Volksgruppen in Österreich, dem sogenanntem Volksgruppengesetz. Wir haben es heute schon mehrfach gehört, wir begehen im Jahr 2026 das 50-jährige Jubiläum seines Beschlusses. Dieses Gesetz bildet seit einem halben Jahrhundert den rechtlichen Rahmen für den Schutz und die Förderung der autochthonen Volksgruppen in Österreich – ein Meilenstein, der Anlass bietet, aus heutiger Perspektive zu reflektieren und auch nach vorne zu blicken.
Für diesen Impuls dürfen wir einen ausgewiesenen Experten begrüßen, der sich seit vielen Jahren mit Fragen des Verfassungs- und Volksgruppenrechts befasst. Er hat selbst als ehemaliger Leiter des Verfassungsdienstes im Bundeskanzleramt unter anderem aktiv die Etappen hin zur Lösung der Kärntner Ortstafelfrage begleitet.
Herr Professor Georg Lienbacher ist Professor am Institut für österreichisches und europäisches öffentliches Recht an der Wirtschaftsuniversität Wien sowie Mitglied des Verfassungsgerichtshofes. In seinem Vortrag wird er uns eine Rückschau und eine Bestandsaufnahme zum rechtlichen Rahmen für die Volksgruppen in Österreich geben. – Herr Professor Lienbacher, vielen Dank für Ihr Kommen. Wir dürfen nun um Ihren Beitrag ersuchen.
Impulsvortrag zum Thema „Volksgruppengesetz“
Georg Lienbacher (Mitglied des Verfassungsgerichtshofes): Herzlichen Dank für diese nette Vorstellung. – Herr Präsident! Herr Parlamentsdirektor! Meine sehr geehrten Damen und Herren! In der kommenden Viertelstunde möchte ich Ihnen etwas Trockeneres bieten, als Sie bisher gehört haben, nämlich eine Übersicht über die rechtlichen Rahmenbedingungen für die Volksgruppen in Österreich.
Ich sage gleich dazu: Ich glaube, ich muss hier in diesem Rahmen nicht erklären, was autochthone Volksgruppen sind, und ich muss auch nicht erklären, dass wir sechs davon haben, und auch nicht, wie groß sie sind. Das wissen Sie alles besser als ich. Ich konzentriere mich also eher auf den rechtlichen Rahmen und merke dazu an, dass dieser rechtliche Rahmen die Unterkante ist, die der Staat zur Verfügung zu stellen hat, und dass das nichts daran ändert, dass darüber hinaus viele Projekte, wie wir das jetzt auch schon gehört haben, auf diesem Sektor durchgeführt werden und auch immer wieder angestoßen werden. Ich beschäftige mich ja lediglich mit der Unterkante und den rechtlichen Grundlagen, die der Staat zu gewährleisten hat.
Vielleicht einmal zunächst kurz zum verfassungsrechtlichen Rahmen: Der Staatsvertrag von Wien, der heuer seinen 70. Geburtstag feiert, gewährleistet in seinem Artikel 7 der slowenischen und kroatischen Minderheit in Kärnten, dem Burgenland und der Steiermark Anspruch auf Elementarunterricht in slowenischer und kroatischer Sprache und Anspruch auf eine verhältnismäßige Anzahl eigener Mittelschulen. Absatz 3 sieht zusätzlich für Verwaltungs- und Gerichtsbezirke in Kärnten, im Burgenland und in der Steiermark mit slowenischer, kroatischer oder gemischter Bevölkerung die Zulassung der jeweiligen Sprache zusätzlich zum Deutschen als Amtssprache vor. Auch topografische Bezeichnungen und Aufschriften sind in solchen Bezirken sowohl in Deutsch als auch in Slowenisch beziehungsweise Kroatisch zu verfassen.
Einige dieser Umschreibungen blieben unbestimmt und mussten deshalb konkretisiert werden. Im Hinblick auf die Frage, was Verwaltungs- und Gerichtsbezirke mit slowenischer oder kroatischer oder gemischter Bevölkerung sind, hat eben Unklarheit geherrscht. Es wurde kein konkreter Prozentsatz festgelegt. Der Meinungsstand im Völkerrecht bewegte sich auf einer Bandbreite zwischen 5 und 25 Prozent. Der Verfassungsgerichtshof hat mehrfach betont, dass Art. 7 Z 3 1. Satz des Staatsvertrags unmittelbar anwendbar ist und keiner einfachgesetzlichen Durchführung bedarf. Das hat dazu geführt, dass der Minderheitenschutz beziehungsweise seine Verletzungen vor dem Verfassungsgerichtshof geltend gemacht werden konnten. Dafür kommen sowohl Verletzungen durch generelle Rechtsvorschriften in Gesetzesprüfungs- und Verordnungsprüfungsverfahren infrage, wenn ein Gesetz oder eine Verordnung dem verfassungsrechtlich garantierten Minderheitenschutz widerspricht, ebenso stehen dafür die Verfahren nach Artikel 144 zur Verfügung, wenn gegenüber einer Person in einer Entscheidung durch ein Verwaltungsgericht diese Rechte verletzt werden.
Das Volksgruppengesetz, das 1976 erlassen wurde, enthält zusätzlich Verfassungsbestimmungen zu den topografischen Bezeichnungen und zur Amtssprache: In Gebietsteilen, die in Anlage 1 zum Volksgruppengesetz ausdrücklich aufgelistet sind, müssen verfassungsrechtlich abgesichert zweisprachige Bezeichnungen angebracht werden. In diesen konkret aufgezählten Gebietsteilen variiert der Bevölkerungsanteil in den gemischten Gebieten im Wesentlichen zwischen 10 und 15 Prozent. Ebenso wird mit ähnlicher Technik auch die Amtssprache für die slowenische, kroatische und ungarische Minderheit verfassungsrechtlich garantiert. Die in der Anlage 2 konkret aufgezählten Behörden haben diese Amtssprachen zusätzlich zum Deutschen zu verwenden. Zudem enthalten die Minderheiten-Schulgesetze für das Burgenland und für Kärnten Verfassungsbestimmungen für die Gewährleistung der Verwendung des Kroatischen, des Ungarischen und des Slowenischen als Unterrichtssprache. Bemerkenswerterweise wird auch den einzelnen Schülerinnen und Schülern ein subjektives Recht, sogar gegen ihre Erziehungsberechtigten, gewährleistet, die Minderheitensprache im Unterricht verwenden zu dürfen.
Wie ich schon gesagt habe, sind einige Bestimmungen des Staatsvertrags durch Kompromisse zustande gekommen und vage formuliert. Ihre Auslegung fällt schwer. Im Gegensatz zum Burgenland hinsichtlich der kroatischen Minderheit gab es zum Beispiel in Kärnten keine klare Vorstellung vom Siedlungsgebiet und von der Siedlungsdichte der slowenischen Minderheit. Die Formulierungen in Art. 7 Abs. 3 im Staatsvertrag von Wien haben daher die Fragen aufgeworfen, wer zur Minderheit gehört, wie groß dieser Anteil sein muss, damit man von gemischter Bevölkerung sprechen kann, und welche territorialen Einheiten der Bezugspunkt sein können.
Der Verfassungsgerichtshof hat im Jahr 1987 eine sehr grundlegende Entscheidung in Bezug auf das Burgenland getroffen, die einige dieser Fragen allgemein geklärt hat. Er hat mehrere Worte im § 13 Abs. 2 des Volksgruppengesetzes als verfassungswidrig aufgehoben, weil sie Art. 7 Z. 3 des Staatsvertrags widersprachen. Bemerkenswerterweise hat er dabei ganz allgemein festgestellt, dass das Volksgruppengesetz, soweit es die Bestimmungen des Staatsvertrags wiederholt, als Ausführungsgesetz zu sehen ist, wenn es mit ihm nicht in Widerspruch steht. Art. 7 Z. 3 des Staatsvertrags von Wien ist aber jedenfalls auch unmittelbar anwendbar. Die Bundesregierung hatte das in dem Verfahren noch bestritten. Die Bestimmung enthält die Garantie, dass in den Verwaltungs- und Gerichtsbezirken mit slowenischer, kroatischer oder gemischter Bevölkerung in Kärnten, im Burgenland und in der Steiermark diese Sprachen zusätzlich zum Deutschen als Amtssprache zugelassen werden.
Die Schwierigkeit lag in der Interpretation der unbestimmten Rechtsbegriffe der staatsvertraglichen Bestimmungen. Der Verfassungsgerichtshof leitete aus Art. 7 Z. 3 des Staatsvertrags ab, dass in den genannten Gebieten jedermann in der Sprache der Minderheit verhandeln könne, ohne den Nachweis seiner Zugehörigkeit zu einer Minderheit erbringen zu müssen.
Das entspricht inzwischen auch dem Volksgruppengesetz, wonach die Zugehörigkeit zu einer bestimmten Volksgruppe nicht in jedem einzelnen Verfahren nachgewiesen werden muss, und steht auch in unmittelbarem Zusammenhang mit dem Diskriminierungsverbot.
§ 13 Abs. 2 Volksgruppengesetz hatte den Gebrauch der Sprache der Volksgruppen von der Erlassung einer Verordnung einer Bundesregierung abhängig gemacht, die die Behörden und Dienststellen bezeichnet, bei denen man sich einer Minderheitensprache bedienen kann. Diese Verordnung war noch nicht erlassen worden, sodass die Verwendung der Minderheitensprache als Amtssprache nicht möglich war. Der Verfassungsgerichtshof hat diese Bestimmung als verfassungswidrig aufgehoben.
Eine weitere Zäsur war dann im Jahr 2000 die Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes im Hinblick auf die Beschränkungen des Elementarunterrichts in slowenischer Sprache im Minderheiten-Schulgesetz für Kärnten. Die Beschränkung des Elementarunterrichts in slowenischer Sprache auf lediglich drei Stufen und die Einrichtung eines Pflichtfaches Slowenisch in der vierten Schulstufe entsprach nicht den staatsvertraglichen Bestimmungen und damit auch nicht der Verfassung. Dabei verglich der Verfassungsgerichtshof in seiner Entscheidung die Kärntner Regelungen auch mit den komplementären Bestimmungen im Minderheiten-Schulgesetz für das Burgenland, in denen der Elementarunterricht in Kroatisch für alle vier Volksschulstufen vorgesehen war.
Der Beginn der Zweitausenderjahre war für den Verfassungsgerichtshof eine sehr herausfordernde Zeit in den Angelegenheiten der Minderheiten. Schon ein Jahr nach den verfassungsrechtlichen Fragen im Schulbereich begann die Rechtsprechung zu den zweisprachigen Ortstafeln. Dieses Thema war lange Zeit umstritten und medial sehr präsent. Es hat besonders deutlich gezeigt, wie wichtig die Akzeptanz der höchstgerichtlichen Rechtsprechung ist.
Maßgeblich ist die Entscheidung Verfassungssammlung 16404. Der Verfassungsgerichtshof hat klargestellt, dass der Begriff der gemischten Bevölkerung im Zusammenhang mit dem 2. Satz des Art. 7 Z 3 des Staatsvertrages von Wien keine andere Bedeutung haben könne wie im 1. Satz. Der Verfassungsgerichtshof hob § 2 Abs. 2 des Volksgruppengesetzes, durch den das Anbringen zweisprachiger topografischer Bezeichnungen auf Gebietsteile beschränkt war, in denen ein Viertel der Bevölkerung slowenischsprachige Volksgruppenangehörige sind, als verfassungswidrig auf. Die Regelung stand im Widerspruch zu Art. 7 Z 3 2. Satz des Staatsvertrages von Wien.
Weiters hob der Verfassungsgerichtshof auch die Topografieverordnung als gesetzwidrig auf. Er verlangte, dass die Ergebnisse von Volkszählungen über einen längeren Zeitraum hinweg betrachtet werden müssten. Wenn über diesen längeren Zeitraum hinweg betrachtet ein Minderheitenprozentsatz von über 10 Prozent gegeben sei, ist die Gemeinde als Verwaltungsbezirk mit gemischter Bevölkerung im Sinne des Art. 7 Z 3 des Staatsvertrages zu qualifizieren.
Zehn Jahre nach diesem richtungsweisenden Ortstafelerkenntnis kam es zur sogenannten Ortstafellösung und einer neuen Amtssprachenregelung in einer Novelle des Volksgruppengesetzes. Diese neuen Bestimmungen legen in Bezug auf topografische Bezeichnungen keine Prozentsätze fest, sondern verweisen auf konkrete Gebietsteile. Dort sind jeweils zweisprachige topografische Bezeichnungen verpflichtend. Diese sind verfassungsrechtlich abgesichert, unabhängig davon, welcher Prozentsatz an slowenischsprachiger beziehungsweise kroatischsprachiger Bevölkerung dort lebt. Tatsächlich variiert der Prozentsatz zwischen 8 und 14 Prozent. Mit der verfassungsrechtlichen Absicherung sind diese Regelungen auch der Kontrolle des Verfassungsgerichtshofes entzogen.
Wie schaut der einfachgesetzliche Rahmen aus? – Einfachgesetzlich werden im Volksgruppengesetz zunächst die Volksgruppen definiert, weiters wird im Volksgruppengesetz festgelegt, dass den Volksgruppenangehörigen Gleichbehandlung, Elementarunterricht in slowenischer/kroatischer Sprache und eine verhältnismäßige Anzahl eigener Mittelschulen mit kroatischer oder slowenischer Sprache in den einschlägigen Verwaltungs- und Gerichtsbezirken mit slowenischer und kroatischer Amtssprache zukommt.
Dazu kommt die Umsetzung der Verpflichtung des Staates gemäß Art. 8 Abs. 2 Bundes-Verfassungsgesetz zur permanenten Förderung der autochthonen Volksgruppen, welche nicht nur im Volksgruppengesetz, sondern auch in den Minderheiten-Schulgesetzen auf Landesebene Rechnung getragen wird. Das Volksgruppengesetz gewährleistet den Schutz durch die Gesetze sowie die Erhaltung der Volksgruppen und die Sicherung ihres Bestandes: „Sprache und Volkstum sind zu achten.“ „Das Bekenntnis zu einer Volksgruppe ist frei. Keinem Volksgruppenangehörigen darf durch die Ausübung oder Nichtausübung der ihm als solchem zustehenden Rechte ein Nachteil erwachsen. Keine Person ist verpflichtet, ihre Zugehörigkeit zu einer Volksgruppe nachzuweisen.“
Maßgeblicher Regelungsinhalt des Volksgruppengesetzes ist auch die Einrichtung der Volksgruppenbeiräte. Sie werden zur Vertretung der Volksgruppen und ihrer legitimen Interessen eingesetzt. Sie sind zur Beratung der Bundesregierung und der Bundesminister in Volksgruppenangelegenheiten beim Bundeskanzleramt einzurichten. Sie müssen insbesondere vor der Erlassung von Rechtsvorschriften und zu allgemeinen Fragen der Planung auf dem Gebiet des Förderungswesens, die die Interessen der Volksgruppen berühren, gehört werden. Damit soll eine Art Mitspracherecht eingeräumt werden.
Volksgruppenorganisationen haben zwar ein Vorschlagsrecht für die Beschickung der Volksgruppenbeiräte, aber kein effektives Recht auf Repräsentation, an das die Bundesregierung bei der Bestellung der Volksgruppenbeiräte gebunden wäre. Die Volksgruppenbeiräte selbst und ihre Anzahl sind durch Verordnung eingerichtet, die Bestellung der Mitglieder erfolgt für die Dauer von vier Jahren durch die Bundesregierung. Damit, nämlich mit dieser Verordnung, ist auch die Anerkennung als autochthone Volksgruppe verbunden.
Ich möchte jetzt zum Schluss noch ein paar Gedanken auf rechtspolitische Desiderata verwenden, wie sie uns in den Regierungsprogrammen begegnen, wie sie von den Volksgruppenbeiräten als Forderungen formuliert werden und auch als kritische Fragestellungen in der Wissenschaft zutage treten.
Im aktuellen Regierungsprogramm findet sich ein klares Bekenntnis zu den in Österreich anerkannten Volksgruppen als unverzichtbaren Teil der österreichischen Identität und dem Ziel der Stärkung der sechs Volksgruppen und ihrer verfassungsrechtlichen Verankerung. Damit soll eine deutliche Sichtbarmachung erfolgen.
Die Bildungsangebote für die Volksgruppen sollen erweitert werden. Im letzten Regierungsprogramm wurde eine Neukodifikation der verfassungsrechtlichen Bestimmungen zu den Volksgruppen in Aussicht genommen. Dazu ist es nicht gekommen. Im Hinblick auf die Volksgruppenförderung sollte eine Absicherung der Medienförderung durch ein eigenes Bundesgesetz erfolgen; auch das wurde nicht umgesetzt. Im Übrigen gibt es eine Reihe von Bekenntnissen zur stärkeren Sichtbarmachung der Volksgruppen im ORF. Es sollte eine Arbeitsgruppe unter Einbeziehung der Volksgruppenvertretungen zur Prüfung einer Modernisierung der Volksgruppenvertretung eingerichtet werden. Volksgruppensprachen im virtuellen Raum sollten eine besondere Beachtung finden, zweisprachige Bezirksgerichtsbarkeit sollte im Zusammenhang mit den Zusammenlegungen von Bezirksgerichten abgesichert werden. Die Anerkennung der jenischen Volksgruppe sollte geprüft werden. Der Verein zur Anerkennung der Jenischen hat am 23. März 2022 ein Ansuchen um Anerkennung nach dem Volksgruppengesetz gestellt. Ebenso wurde als Ziel die Stärkung der Kunst- und Kulturprojekte im Bereich der anerkannten Volksgruppen festgeschrieben.
In früheren Regierungsprogrammen fanden die Volksgruppen zum Teil gar keine Erwähnung oder diese beschränkten sich auf mehr oder weniger umfangreiche Bekenntnisformeln.
Was sind die Forderungen der Volksgruppenbeiräte? – Auch dazu nur wenige Schlagworte: Die wichtigsten Forderungen sind die Förderung der Volksgruppensprachen im Bildungssystem sowie eine Novellierung des Volksgruppengesetzes in bestimmten Punkten. Es bräuchte die Möglichkeit einer durchgehenden Sprachbildung vom Kindergarten bis zum Studium. Die Bindung der Volksgruppenrechte an die traditionellen Siedlungsgebiete ist eine Regelung aus der Monarchie, die nicht mehr den heutigen Mobilitätsbedürfnissen entspricht. Das Verständnis als Volksgruppe müsste über alle Bundesländer reichen. Die volksgruppenspezifischen Bildungsangebote sollten von den traditionellen Siedlungsgebieten entkoppelt werden. Zudem sollte die Wiener Komenský-Schule für die tschechische Volksgruppe abgesichert werden. Die slowakische Volksgruppe möchte die Mobilität der jungen Menschen fördern. Die Roma fordern Maßnahmen gegen die Diskriminierung und den zweisprachigen Ausbau der Elementarpädagogik.
Auch die Wissenschaft meldet sich mit kritischen Fragestellungen zu Wort. In den begleitenden Diskussionen wird immer öfter die Frage gestellt, wie mit Angehörigen von Migrationsminderheiten als zukünftige Angehörige von Volksgruppen im Sinne des Volksgruppengesetzes umzugehen sei. Dafür wird der Begriff neue Minderheiten geprägt. Nach der Verleihung der österreichischen Staatsbürgerschaft an Angehörige von Minderheiten von Migranten stelle sich die Frage, ob und, wenn ja, unter welchen Voraussetzungen diese den Volksgruppenbegriff im Sinne des Volksgruppengesetzes erfüllen können. Maßgeblich ist dabei die Auslegung des Tatbestandsmerkmals des § 1 Abs. 2 im Volksgruppengesetz, nämlich der Beheimatung. Dabei wird auf große Migrationsminderheiten, die bereits in dritter Generation in Österreich leben und nach wie vor ihre sprachlichen und kulturellen Einheiten pflegen, Bezug genommen.
Im Hinblick auf die bestehenden autochthonen Volksgruppen wird besonders die Sprachkompetenz in den Mittelpunkt gerückt und ihre Funktion des Kulturerhalts besonders betont. Dabei erscheint es nicht mehr als zeitgemäß, wenn die Rechtsordnung an bestimmte traditionelle Siedlungsgebiete im Inland anknüpfe. Die Volksgruppen sind nicht weniger als andere Staatsangehörige den heutigen Trends der räumlichen Mobilität und Urbanisierung ausgesetzt.
An der derzeitigen Regelung der Volksgruppenbeiräte wird zudem kritisiert, dass sie unzureichend ist. Selbst das Minimum an demokratischer Repräsentation und Effizienz, die sich aus dem Gebot der Wahrung und Förderung der kulturellen Vielfalt durch selbstbestimmte Gruppenautonomie ergibt, würde unterschritten. Auch wenn die Volksgruppenorganisationen ein Vorschlagsrecht hätten, ist damit kein Recht auf Entsendung und damit kein effektives Recht auf Repräsentation verbunden, an das sich die Bundesregierung bei der Bestellung von Mitgliedern der Volksgruppenbeiräte halten müsse.
Im Bereich des Rechtsschutzes wurde die Einräumung zusätzlicher kollektiver Rechte angedacht, weil eine rechtliche Durchsetzungsmöglichkeit fehlt, die nicht auf das Individuum abstellt, sondern auf die Volksgruppe als solche.
Meine Damen und Herren, ich habe versucht, Ihnen ein wenig Überblick über den bestehenden rechtlichen Rahmen und über die ganz unterschiedlichen Forderungen, die auch aus ganz unterschiedlichen Richtungen kommen, zu geben. Ich hoffe, dass das für Sie zumindest ein wenig instruktiv war und danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.
David Pinchasov: Vielen herzlichen Dank, Herr Professor Lienbacher, für diesen Impulsvortrag.
Im nächsten Programmpunkt kommen nun jene zu Wort, die die Anliegen, Perspektiven und Erfahrungen der autochthonen Volksgruppen in besonders wichtiger Weise vertreten, die Vorsitzenden der Volksgruppenbeiräte. Sie tragen wesentlich dazu bei, dass der Dialog zwischen Volksgruppen, Politik und Verwaltung lebendig bleibt und dass die Stimme der Volksgruppen im öffentlichen Diskurs gehört wird.
An dieser Stelle möchte ich mich im Namen unserer Abteilung auch noch bei Ihnen, sehr geschätzte Volksgruppenbeiräte, für die kontinuierliche, angenehme Zusammenarbeit und den engagierten Austausch herzlich bedanken!
Wir erwarten nun Ihre Statements zu den thematischen Schwerpunkten der Tagesordnung, und es kommen in weiterer Folge zu Wort: Herr Josef Buranits, Volksgruppenbeirat der Kroatinnen und Kroaten, Frau Susanne Weitlaner, Volksgruppenbeirat der Sloweninnen und Slowenen in Kärnten und der Steiermark, in Vertretung von Herrn Bernard Sadovnik, Herr Attila Somogyi, Volksgruppenbeirat der Ungarinnen und Ungarn, Herr Karl Hanzl, Volksgruppenbeirat der Tschechinnen und Tschechen, Herr Vladimir Mlynár, Volksgruppenbeirat der Slowakinnen und Slowaken, und Herr Emmerich Gärtner-Horvath, Volksgruppenbeirat der Romnja und Roma.
Ich darf Sie nun einladen, Ihre Gedanken und Einschätzungen mit uns zu teilen. Den Beginn macht Herr Josef Buranits.
Statements der Vorsitzenden im Volksgruppenbeirat
Josef Buranits (Volksgruppenbeirat Kroatinnen und Kroaten): Sehr geehrter Parlamentspräsident! Sehr geehrter Direktor! Liebe Abgeordnete und Vertreter der Ministerien und des Bundeskanzleramtes! Es ist mir wirklich eine Freude, wieder hier in dieser Dialogplattform, die sich etabliert hat, zu sein. Dafür möchte ich allen, die dazu beitragen, danken, denn es ist wirklich ein Ort der Begegnung und des Austausches, der für uns wichtig ist. Es ist sehr wichtig, gehört zu werden und auch die Möglichkeit zu bekommen, direkt Input zu geben.
Wir haben schon von den gesetzten Schwerpunkten gehört: 80-70-30, 50 Jahre Volksgruppengesetz, ein Jubiläum, das vor uns steht, 25 Jahre Aufnahme der Staatszielbestimmung hätte ich fast nicht im Blick gehabt, und meinen, das Parlament hat seine Schwerpunkte so gesetzt, dass es in Richtung Zukunft geht, in Richtung Jugend. Es freut mich besonders, diese verschiedenen Aspekte hier im Haus zu sehen, die Veranstaltungen, die dazu gemacht werden. Der Fokus auf Volksgruppen im nächsten Jahr, das gesamte Konzept gefällt mir sehr, Herr Dr. Pirker. Mit diesen Schwerpunkten werden die Volksgruppen sichtbar, weil wirklich sehr viele Besucher kommen, und die Sichtbarkeit der Volksgruppen und Volksgruppensprachen ist uns ein besonders wichtiges Anliegen.
Der andere Aspekt, über den wir heute sehr viel gehört haben, ist der Bildungsbereich, der für die Volksgruppen natürlich von besonderem Interesse ist. Für die burgenländischen Kroaten ist die Qualitätsverbesserung im Minderheiten-Schulgesetz selber wichtig. Die Arbeitsgruppen in Kärnten haben sehr gut gearbeitet, da werden wir uns auch einiges abschauen und aufs Burgenland ummünzen können. Die Bildung außerhalb des autochthonen Siedlungsgebietes ist auch für uns wirklich besonders wichtig. Wir brauchen ein durchgehendes Bildungsangebot im urbanen Bereich, vor allem nach dem Modell der Komenský-Schule in Wien, mit der wir uns intensiv befasst haben. Mich freut es, dass auch die Protokolle dieser Arbeitsgruppen als Entscheidungsgrundlage gesehen werden, auf der man aufbaut.
Ihr Vortrag, Frau Wagner, hat mir wirklich gezeigt, was alles gemacht werden kann. Die Gesetzeslage ist die eine Sache, die andere ist, was man wirklich tun kann, damit es auch praxisrelevant wird. Ich habe gesehen, dass wir gemeinsam in die richtige Richtung gehen. Auch für das Burgenland oder für die Kroaten allgemein ist da einiges drinnen.
Ich möchte mich jetzt auf das Volksgruppengesetz fokussieren. Es ist 50 Jahre alt. Es hat dazu schon sehr viele Entwürfe und Vorschläge gegeben: einen Grundrechtskatalog im Österreich-Konvent, die Expertengruppe über ein neues Volksgruppenrecht 2009, Bürgerinitiativen, das Volksgruppenreformpaket 2022, die Europäische Bürgerinitiative Minority Safepack, und Sie, Herr Professor Lienbacher, haben auch korrekt ausgeführt, was alles von den Volksgruppen und auch von der Wissenschaft gefordert wird. Die Volksgruppen müssen aber von diesen Mindestschutzstandards wegkommen. Wir reden von Artikel 7 des Staatsvertrages, der dafür gedacht war, dass die Volksgruppen nach einem nationalsozialistischen Staat überleben konnten. Es war eine Sache des Überlebens, dass die Minderheiten wirklich Schutz bekommen haben. Jetzt müssen wir über eine aktive Sprachpolitik reden, damit wir auch die Sprecheranzahl halten können beziehungsweise sie sich nicht weiter verringert. Der Trend arbeitet da jetzt gerade gegen uns. Das heißt auch, dieses Volksgruppengesetz entspricht nicht dem, was wir brauchen, um wirklich weiter bestehen zu können.
Beim Bildungswesen geht es wie auch hier im Haus um die Sichtbarkeit der Sprache und natürlich besonders um die Funktionalität unserer kleinen Sprachen. Wir brauchen eine wirklich praxisnahe Regelung im Bereich der zweisprachigen Formulare, die jetzt ganz schrecklich geregelt sind. Da besteht wirklich Reformbedarf. Wir brauchen Sprachkenntnisse in den Ämtern, in den Gemeinden, wirklich auf allen Gemeinde- und Landesebenen.
In den Bereichen Amtssprache und Topografie haben wir gesehen, dass sich die Regierung eben nicht daran gehalten hat. Zur Kärntner Ortstafellösung wurden die Beiräte nicht befragt. Die Kroaten sind nicht befragt worden, es wurde kein Beirat einberufen, das heißt, es ist an uns vorbei agiert worden; man hat sich nicht an das Gesetz gehalten. Man hat die Topografieregelung, noch kurz dazu, auf Ortstafeln und Hinweisschilder eingeschränkt, was aus unserer Sicht Artikel 7 entgegensteht. Da sind wir also wirklich eingeschränkt und nicht einmal dazu befragt worden.
Es ist auch gesagt worden, dass Volksgruppenmedien für uns besonders wichtig sind. Eine rechtliche Absicherung der Volksgruppenmedien wäre also besonders wichtig. Das heißt, nicht nur einen Fördertopf im Bundeskanzleramt, der je nach Budgetlage sehr unterschiedlich gefüllt sein kann, sondern tatsächlich eine gesetzliche Absicherung des Medienangebots zu haben.
Zum Schluss – ich habe ja nur 5 Minuten –: Es braucht mehr Autonomie. Es geht, das ist auch schon angesprochen worden, um den Ausbau der Rechte der Volksgruppenbeiräte, die ich per se als keine Vertretung ansehe, aber als eine Möglichkeit, mehr zu machen, Entwicklungen abzusehen: Was braucht die Volksgruppe? Wohin, in welche Richtung geht es? Aus meiner Sicht geht es in Richtung mehr Autonomie, in Richtung Selbstverwaltung und verbesserte Repräsentation.
Eines ist auch schon angeklungen: ein Rechtssystem, bei dem wir zum Beispiel ein Verbandsklagerecht hätten. Wenn uns im Schulsystem irgendetwas nicht passt, können wir als Volksgruppenvertreter nicht einmal eingreifen, wir können uns nicht für die Umsetzung einsetzen, sondern das können nur die wirklich Betroffenen. Das heißt, weil wir auch keine Rechte als Volksgruppenbeiräte oder als Vertretungsorganisationen in dieser Richtung haben, sind uns die Hände gebunden. Da wäre natürlich ein Verbandsklagerecht besonders wünschenswert, um genau das abzuschaffen.
Damit würde ich gerne abschließen, damit die anderen Kollegen auch noch ihre Minuten haben, um ihre Dinge vorzubringen.
Susanne Weitlaner (Volksgruppenbeirat Sloweninnen und Slowenen in Kärnten und der Steiermark): Sehr geehrter Herr Nationalratspräsident! Sehr geehrter Herr Parlamentsdirektor! Sehr geehrte Bereichssprecherinnen und Bereichssprecher für die Volksgruppen der Parlamentsfraktionen! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Spoštovani gospe in gospodje! Vieles ist heute schon gesagt und angesprochen worden, die Gesellschaft hat sich einfach sehr schnell verändert. Wir leben in einer globalisierten Welt, und das Ganze wirkt sich natürlich auch auf die Volksgruppen aus. Was uns oft schon zu schnell geht, ist für die Volksgruppen noch einmal um eine Spur schneller.
Der Volksgruppenbeirat der Sloweninnen und Slowenen hat bereits 2020 ein Maßnahmenpaket zusammengestellt und auch beschlossen. Ein paar Punkte daraus in Bezug auf die Bildungsmaßnahmen möchte ich ansprechen.
Es ist bereits vieles in Bezug auf die durchgehende Förderung der Sprache gesagt worden, wirklich von der Kinderkrippe bis zur Matura und darüber hinaus. Das heißt, in Kärnten braucht es eine verstärkte Förderung und Einrichtung von zwei- und mehrsprachigen Kinderkrippen, dementsprechend auch mit zwei- und mehrsprachiger Betreuung. Das heißt, es muss eben auch Aus- und Weiterbildung für das Betreuungspersonal gewährleistet sein. Das gilt dann natürlich auch für die Kinderkrippen.
Der Spracherwerb und die Sprachkompetenzen an den Schulen wurden auch bereits angesprochen. Darüber hinaus braucht es ein zweisprachiges Angebot an den neuen Mittelschulen – es wurde ja bei der Studie festgestellt, dass dort ein bisschen ein Bruch ist –, aber auch an landwirtschaftlichen und berufsbildenden Schulen.
Im Bericht wurde ja schon vieles aufgelistet, was die Arbeitsgruppe in Kärnten alles macht, und die zahlreichen Maßnahmen, die getroffen wurden und jetzt Step by Step umgesetzt werden, wurden aufgezeigt. Ich möchte dazu aber anmerken, dass sich eben all diese Maßnahmen, die angesprochen worden sind, dezidiert auf das Minderheitenschulwesen in Kärnten und im Burgenland beziehen und sich auch die Minderheitenschulgesetzgebung eben nur auf Kärnten und das Burgenland bezieht. Ich bin der Meinung, wenn es ein neues Volksgruppengesetz geben wird, dass eine Minderheitenschulgesetzgebung für ganz Österreich gelten sollte und diese nicht nur auf zwei Bundesländer beschränkt ist, weil es eben auch Tschechen, Slowaken und Ungarn und Roma in Wien gibt und es eben auch steirische Slowenen gibt, die in diese Maßnahmen nicht hineinfallen.
Sehr, sehr gut finde ich im neuen Lehrplan den Grundsatz 6, der eben festlegt, dass Sprache, Kultur und Geschichte der sechs autochthonen Volksgruppen wirklich im Unterricht besprochen werden sollen, dass darauf eingegangen werden soll. Ich denke, was es dazu jetzt braucht, sind Materialien und Weiterbildungen für die Pädagoginnen und Pädagogen, dies aber auch in enger Zusammenarbeit mit den Volksgruppen.
Für zweisprachige Schulen braucht es natürlich auch qualifiziertes Personal. Da ich selbst auf der Slawistik in Graz studiert habe und schon damals gedroht wurde, diese zuzusperren oder einzuschränken, denke ich, ist es einfach wichtig, dass es eine Weiterbildung beziehungsweise eine Ausbildung in den Volksgruppensprachen an den Pädagogischen Hochschulen und Universitäten geben muss.
Was auch bereits angesprochen wurde, ist die neue Möglichkeit der Komenský-Schule. Ich hoffe, es geht gut aus. Dass finanzielle Mittel gebraucht werden, ist klar, aber ob es jetzt dann auch durchgesetzt wird, ob alle zustimmen, ist die Frage. Es wäre wünschenswert.
Ich möchte noch ein bisschen auf die Situation der slowenischen Volksgruppe in der Steiermark eingehen, die sich ja doch von der in Kärnten sehr unterscheidet, denn es gibt hier kein einziges zweisprachiges slowenisch-deutsches Bildungsangebot. Bis auf ein paar wenige Ausnahmen gibt es Slowenisch nur als Freigegenstand und da und dort als Wahlpflichtgegenstand.
Ich würde für die Steiermark empfehlen, das Best-Practice-Beispiel aus Niederösterreich zu übernehmen, wo eben mit EU-Geldern Sprachförderungsprojekte zwischen Niederösterreich, Tschechien und Ungarn in Kindergärten und Volksschulen initiiert wurden und 2020 dann auch fortgesetzt wurden. Ich denke, das wäre eine Förderung der regionalen Minderheitensprache Slowenisch – gerne auch Ungarisch – in der Steiermark, um eben Sprachimpulse zu setzen und eine wirklich sehr engagierte Arbeit der Slowenischlehrerinnen und -lehrer aus den 1990er-Jahren kontinuierlich fortzusetzen.
Für Graz würden wir uns ein zweisprachiges Angebot, wie es das bereits für Kroatisch beziehungsweise BKS gibt, wünschen. Es geht uns dabei nicht rein um die Förderung des Muttersprachlichen für Kinder, sondern es soll Slowenisch als Heritage Language, als Regional- und Minderheitensprache angeboten werden. Was wir wollen, ist einfach: Ein Teil der steirischen Geschichte, ein Teil der Steiermark sollte sich eben auch in diesem Sprachunterricht abbilden.
Was neben der gezielten Sprachförderung in der Schule und im Kindergarten notwendig ist, ist eben auch ein adäquates Freizeitangebot, bei dem die Sprache gebraucht und gesprochen wird, von der Nachmittagsbetreuung bis zum Fußball, von Kulturvereinen, vom Chor, Theater, was auch immer, bis zu digitalen Medien, denn jeder von uns hat in der Schule eine Sprache gelernt. Wenn man die Sprache nicht spricht, haben wir dann irgendwann ein Austrian Pidgin English, das einfach nicht mehr dem entspricht, was man einmal gekonnt hat. Sprache muss gebraucht, muss verwendet werden. Dazu müssen natürlich auch wir unseren Teil beitragen, indem wir sie sprechen und weitergeben, aber es braucht auch einen Rahmen, in dem die Sprache gesprochen werden kann und nicht von Englisch überrollt wird.
Wir hoffen, dass diese und viele weitere Punkte mehr in ein neues Volksgruppengesetz einfließen werden, und wir werden sicher noch weiter in dieser Runde und in anderen Konstellationen darüber sprechen müssen. – Hvala vam za vašo pozornost! Hvala lepa. Danke schön. – Ich reiche weiter.
Attila Somogyi (Volksgruppenbeirat Ungarinnen und Ungarn): Szép jó napot kívánok! Tisztelt elnök úr! Képviselőurak! Igazgató úr! Schönen guten Tag wünsche ich! Herr Präsident! Herr Direktor! Werte Abgeordnete! Es ist uns eine besondere Freude, dass diese Plattform besteht. Für mich persönlich und meine Kollegin Andrea ist es schon das dritte Mal, dass wir heute hier zusammenkommen können. Wir freuen uns ganz besonders über die Initiative des Parlaments zur Sichtbarmachung der Volksgruppen. Das möchte ich als Lehrer hervorheben. Auch im Lehrplan steht jetzt, dass man die Volksgruppen in Österreich bekannter machen soll. Das ist ein ganz wesentlicher und guter Schritt dazu. Wenn wir hören, dass 300 000 Leute durch das Parlament gehen, dann wird sehr viel hängen bleiben. Für die Akzeptanz unserer Volksgruppe ist es ein Schritt in die richtige Richtung, dass wir auch das Bildungssystem fit machen. Wie Josef vorhin gesagt hat, brauchen wir keine Adaptierung an der Unterkante, sondern Konzepte, wie wir weiter bestehen können.
Wir haben dabei im Burgenland sehr gute Erfahrungen gemacht. Ich selbst bin Lehrer am zweisprachigen Bundesgymnasium in Oberwart. Das ist ein ganz besonderes Modell, wo sogar zwei Volksgruppen unter einem Dach leben. Man kann jetzt nach 30 Jahren sagen, das ist die Kaderschmiede von beiden Volksgruppen geworden.
Leider haben wir für die Roma im Burgenland dieses Modell nicht. Da sind wir dann auch schon beim Volksgruppengesetz, das natürlich auch in diese Richtung adaptiert werden muss, denn damals, als das Volksgruppengesetz gemacht wurde, hat es einige Volksgruppen wie die Roma noch gar nicht gegeben; die sind erst 1995 anerkannt worden.
Aber auch bei den Ungarn hat sich einiges getan. Die Ungarn in Wien sind erst 1992 als autochthone Volksgruppe anerkannt worden. An und für sich ist darauf aber noch nicht besonders reagiert worden. Man hat einfach die burgenländischen Förderungen damals verdoppelt, wobei aber in Wien wesentlich mehr autochthone Ungarn leben als im Burgenland. Die Problematik ergibt sich dann natürlich von selbst. An der wollen wir natürlich weiter arbeiten und auch transparent machen, dass Handlungsbedarf besteht. Die burgenländischen Ungarn und die Wiener Ungarn zusammen sind mit 26 000 Angehörigen – zumindest statistisch nach der Volkszählung 2001 – die größte Volksgruppe in Österreich. Fördertechnisch stehen wir aber an dritter Stelle.
Wie gesagt, ich möchte auch an die Funktionalität der Sprache anschließen, wie sie Josef erwähnt hat. In den burgenländischen Gemeinden haben wir das Problem, dass wir oft kein entsprechendes Personal haben, sodass die Funktionalität unserer Muttersprache in unserer Heimatgemeinde gewährleistet sein kann. Es steht nämlich drinnen, man soll das nach Möglichkeit besetzen. In Zeiten der Sparpakete weiß natürlich jeder, was das bedeutet. Da wird dann halt nicht unbedingt prioritär ein Volksgruppenangehöriger dorthin gesetzt, der dort die Zweisprachigkeit am Leben halten kann. Da brauchen wir die Hilfe vom Bund, dass wir Vorgaben haben, dass das wirklich gemacht werden muss und nicht gemacht werden soll – oder nach Möglichkeiten oder vielleicht.
Die Autonomie bei den Volksgruppenförderungen wäre auch ein Punkt, bei dem man sich beim neuen Volksgruppengesetz Reformen erwarten könnte, wenn das wirklich kommt. Eine parlamentarische Arbeitsgruppe für Volksgruppenangelegenheiten wurde schon öfter angesprochen. Heute hat es noch niemand erwähnt, aber das wäre für uns auch wichtig, dass wir im dauernden Dialog mit den Entscheidungsträgern sein können. Ich möchte mich heute wirklich bei allen bedanken, die hier sind und die uns ständig einladen und wirklich in einem guten Dialog mit uns sind.
Einige Treffen sind noch ausständig, aber ich glaube, Viribus unitis, mit vereinten Kräften, werden wir das Großprojekt, das auch für die ungarische Volksgruppe das Allerwichtigste ist, dort stemmen, wo die meisten Ungarn von der Volksgruppe her sind. Es gibt auch große Migrationsgruppen in Wien. Die könnten diese Schule natürlich auch unterstützen. Wenn wir nur ans Lehrpersonal denken – da könnte man gut rekrutieren. Wir haben natürlich jetzt die Möglichkeit, da etwas ganz Gutes und Wesentliches zu machen.
Das wird vielleicht auch – wenn man es so nennen will – ein Leuchtturmprojekt von der nächsten Regierung sein können, dass man da etwas sehr Tolles für Wien macht – und für Österreich, für den Wirtschaftsstandort. Das hat noch niemand gesagt: Wenn wir 30 Jahre zweisprachiges Gymnasium feiern und schauen, wo unsere Kinder mittlerweile alle untergekommen sind, sehen wir, in welchen Firmen sie alle Brückenbildner sind. Wenn wir jetzt die ältere Generation auch noch hernehmen, waren sie wirklich auch daran beteiligt, dass sich die österreichischen Firmen in Mittelosteuropa ausbreiten konnten. Da war das oft der springende Punkt, dass jemand von unserer Volksgruppe dabei war und auch emotional die Leute ansprechen konnte, wenn es um Riesenfirmenübernahmen gegangen ist, sei es die Telekom, sei es im Versicherungsbereich, in der Industrie und so weiter.
Da ist großes Potenzial für Wien drinnen, nicht nur für Wien, sondern auch für die großen Städte, die Agglomerationen. Es ist auch das europäische Prinzip, nicht nur die englische Sprache als meistverbreitete Fremdsprache zu nutzen, sondern natürlich die Sprache des Nachbarn. Und alle Volksgruppensprachen sind Nachbarsprachen, auch die Roma-Sprache, denn Roma gibt es auch in jedem Nachbarland auf der östlichen Seite, aber auch auf der westlichen Seite von Österreich.
In diesem Sinne sind wir guter Zuversicht, dass wir noch einmal, Viribus unitis, etwas Gutes zusammenbringen. – Danke schön.
Karl Hanzl (Volksgruppenbeirat Tschechinnen und Tschechen): Sehr geehrter Herr Nationalratspräsident! Sehr geehrter Herr Parlamentsdirektor! Liebe Teilnehmer an der Dialogplattform! Ich möchte mich am Anfang einmal bedanken, denn es ist nie etwas Selbstverständliches, wenn etwas für die Volksgruppen passiert. Im Endeffekt sind es einerseits die Beamten, die in den jeweiligen Institutionen arbeiten, aber andererseits vor allem die Politiker, die Entscheidungsträger dieses Landes.
Ich möchte mich bei Frau Ministerin Raab bedanken, die die Volksgruppenförderung verdoppelt hat und die dann auch eine Unterstützung des Elementarunterrichts auf den Weg gegeben hat. Das ist so ein Beispiel: gut gemeint, aber nicht immer angekommen. Der Elementarunterricht war so gemeint, dass das auch für die Volksgruppensprachen und zur Entwicklung der Volksgruppensprachen ist, nur hat dann Wien eine ganz eigene Meinung vertreten, nämlich dass Deutsch entwickelt werden muss und dass das im Endeffekt nicht bei den Volksgruppensprachen landet.
Ich möchte mich beim Herrn Parlamentspräsidenten und Ihrem Vorgänger Sobotka bedanken, der diesen Weg eingeleitet und mit dazu beigetragen hat, dass die Volksgruppenvertreter hier durch Sie Stimme bekommen und auch ständig präsent sind. Herzlichen Dank an Sie, Herr Präsident, dass Sie diesen Weg fortgesetzt haben. Das ist alles nicht selbstverständlich. Es hört die eine oder andere Initiative genau mit dem Politiker auf und muss ja nicht absolut übernommen werden.
Ich danke auch Herrn Generalsekretär Netzer, der mit uns faktisch diesen Vergleich der Schulen erarbeitet hat und mehr oder weniger dann auch im Rahmen seines Besuches und seiner Tätigkeit im Rahmen dieses Ausschusses in Vertretung des Herrn Ministers die Feststellung getroffen hat, dass für die Volksgruppen in Wien das Modell Komenský-Schule das zielführendste ist.
Ich möchte mich bei den Abgeordneten bedanken. Von den hier anwesenden Abgeordneten waren bereits vier bei uns in der Schule, und wir durften sie auch in Gesprächen damit vertraut machen. Ein herzlicher Dank an Sie, Frau Totter, Voglauer, Wieninger und Herr Bernhard, für Ihr riesiges Engagement, das Sie haben.
Ich möchte aber bei der Gelegenheit auch den Vorsitzenden danken, weil es einfach nicht selbstverständlich ist: Die Kommunikation muss immer unter den Partnern beginnen, die etwas Gleiches vertreten. Es vertritt jeder von den Volksgruppenvorsitzenden und ihren Stellvertretern seine Volksgruppe. Das war eine Initiative vor fünf Jahren, die im Endeffekt die Vorsitzendenkonferenz ins Leben gerufen hat, um auch ein wirksames Auftreten nach Außen zu gewährleisten. Wir haben das Glück gehabt, zwei Lichtgestalten an der Spitze gehabt zu haben. Es war vier Jahre lang der burgenländische Kroate Martin Ivancsics und es ist jetzt der Kärntner Slowene Bernard Sadovnik. Das sind Persönlichkeiten, die wirklich im öffentlichen Leben gestanden sind, Positionen haben und die Frage der Volksgruppen auch von allen Warten beleuchten können.
Die haben sich auch auf bestimmte Themen geeinigt. Die habt ihr auch gehört. Das ist einerseits das Volksgruppengesetz, das eigentlich endlich dann die Volksgruppen in eine Linie stellen sollte – es kann nicht zwei oder drei an der Spitze geben und drei in der dritten Reihe dahinter –, und dann auch die Lösung der zweisprachigen Schulen in Wien.
Wir sind in den letzten Monaten wirklich intensive Gäste des Parlaments geworden. Ich finde schon jede Tür – danke schön für all die Einladungen. Es ist ja gar nicht so einfach, sich in so einem wunderbaren Gebäude zu orientieren – das dank Ihnen, Herr Nationalratspräsident. Danke auch für die Freundlichkeit, dass wir bei all diesen großen Sitzungen teilnehmen können.
Wenn ich jetzt an diesen 80/70/30-Jahr-Feiern teilgenommen habe, wird mir eines bewusst: Was hat Österreich in dieser Zeit geleistet! Das ist unglaublich! Ich kann mich noch an das Land erinnern, in dem bei uns im 10. Bezirk – ich wohne beim Reumannplatz – die Bombentrichter waren, wo mehr Löcher waren, auf denen dann langsam die Häuser gebaut wurden. Allein unser Haus hat drei Bombeneinschläge gehabt. Und das hat Österreich komplett allein aufgebaut.
Da hat es Initiativen gegeben. Wenn wir jetzt in der Geschichte zurückgehen: Was haben wir für die Fauna und Flora getan? Wir haben allen fast ausgestorbenen Tieren geholfen, dass sie wieder bei uns heimisch sind. Meine Lieblinge sind die Seeadler. Wir haben unsere Bauten renoviert. Wir haben allen Menschen bessere Bedingungen geboten – und auf das kann Österreich, auch ich als kleiner Steuerzahler, stolz sein –, die benachteiligt zur Welt gekommen sind und für die vieles ausgeglichen wurde.
Womit ich aber – und da rede ich jetzt für die Tschechen – nicht zufrieden sein kann, ist die Art und Weise, wie die Volksgruppen, aber eben speziell die Tschechen in Wien behandelt werden. Gestatten Sie mir da einen kurzen Ausflug, denn es ist vieles mit Bildern verbunden. Unsere elfjährigen Kinder aus der Unterstufe Gymnasium sind jetzt vor Kurzem in der tschechischen Botschaft aufgetreten und haben dort hintereinander die tschechische, die österreichische und die europäische Hymne gesungen – Elfjährige. Und da gibt es eine wunderbare Passage in der österreichischen Bundeshymne. Da hat es früher geheißen: „Heimat bist du großer Söhne“, jetzt heißt es: „Heimat großer Töchter und Söhne“. Das passt super. Das heißt aber, wir müssen uns bewusst sein: Das sind auch wir, bitte!
Denn unsere Vorfahren haben in diesem Land in der Monarchie gelebt, haben quasi das Land nie verlassen, sind also nur von einer Staatsstruktur in die andere marschiert, haben das Land nach dem Ersten Weltkrieg mit aufgebaut und sind nicht weggegangen, haben abgestimmt, damit das Land nicht noch kleiner wird, nicht noch mehr schrumpft – das sind die Kroaten, die Slowenen und die Ungarn, das haben sie aktiv getan –, und haben das Land nach dem Zweiten Weltkrieg aktiv mit aufgebaut. Das heißt, das kann man nicht groß genug schätzen. Das ist meine Einstellung dazu, wie man die Volksgruppen als solche auch sehen kann.
Jetzt zurück zum Schulwesen, und das ist mein Hauptthema. Die tschechische Komenský-Schule ist eine Insellösung. Wenn ich da daran denke – und ich habe den Riesenapparat des Unterrichtsministeriums, den ich wirklich bewundere –: Ich habe allein in meiner Ära zehn Unterrichtsminister erlebt, begonnen mit Scholten, der auch 1992 das Gymnasium in Oberwart eingeweiht hat. Faktum ist, dass wir dort immer nur sehr langsam durchgedrungen sind, und wenn wir endlich durch waren, hat es einen anderen Unterrichtsminister beziehungsweise Unterrichtsministerin gegeben. Aber wir haben trotzdem im Jahr 1993 begonnen, dieses Schulwesen umzubauen, wir haben 30 Jahre Erfahrung, und faktisch ist es so, dass die Slowenen, die Ungarn und die Kroaten in Wien in einer ähnlichen, sehr knappen Situation sind.
Für die muss wirklich etwas gemacht werden, und da projiziere ich es immer so: Denken Sie bitte an die Kinder, nicht an die Gesetze und an die Texte und das, was beschlossen werden kann oder nicht beschlossen werden kann! Wir haben bereits bei den Kroaten, Slowenen und Ungarn in Wien alle Kinder bis zum Jahrgang 2020 verloren. Die sind weg. Für die haben wir keine Schule. Und jedes Jahr verlieren wir wieder einen Jahrgang. Der ist dann weg!
Ich kann es Ihnen aus der Erfahrung der Komenský-Schule sagen: Wir haben lange überlegt, ob wir eine Vorschulklasse machen, und haben sie im Endeffekt dann deswegen gemacht, weil alle Kinder, die an einer anderen Schule in die Vorschulklasse gegangen sind, dort geblieben sind. Das ist Realität! Es geht um Menschen.
Mein Projektionsfeld ist jedes Mal: Jedes Kind, dem ich diese Sprache so beibringe, dass er in ihr schreiben, lesen und rechnen kann, habe ich langfristig für die Volksgruppe gewonnen. Auch der Seeadler muss seine Eier ausbrüten, damit da einmal ein großer Seeadler rauskommt, und wir werden schauen, dass da keiner abgeschossen wird. Aber eine ähnliche Art und Weise, wie wir uns um alles andere in diesem Land kümmern, verdienen sich auch die Volksgruppen mit ihren Volksgruppensprachen. Der Stephansdom ist, seit ich lebe, glaube ich, das dritte Mal renoviert. Das ist wirklich ein Kennbild unserer Republik. Aber wir sind sprachliche Stephansdome. Wir gehören zu diesem Land, und es wäre schade, wenn es uns einfach nicht gäbe.
Wobei ich dazusage: Betrachten Sie das bitte als einen sehr leisen Hilferuf, den ich nur in so einem Gremium und nicht nach außen sagen kann. Wir haben es mit Eltern zu tun, die jeder für sich und für die Familie die Entscheidung Ihres Lebens treffen: Wohin schicke ich meine Kinder? Wie vertraue ich dieser Institution? Wir haben es mit jungen Lehrerinnen und Lehrern zu tun, die auch wieder mit dem großen Vertrauen in die Institution reingehen, weil sie diese Institution sicher sehen. Das heißt, Sie werden von der Komenský-Schule nie einen Hilferuf hören, nie!
Damit ruinieren wir die komplette Nische. Da geht’s hintereinander: Neue Eltern kommen nicht, die Alten nehmen ihre Kinder raus, weil das System vielleicht bald abgeschafft wird. – Bitte, nehmen Sie immer in den Gedankengang rein, dass die Zeit unerbittlich ist! Die rationiert uns komplett weg, wenn es notwendig ist. Aber das ist eine wirklich wichtige Aufgabe.
Mein Projektionsfeld sind weniger die Gesetze und die Bestimmungen. Man kann über alles ewig lang herumreden, aber denken Sie immer nur daran: Mit jedem Jahr ist ein Jahrgang weg! Das ist das Kriterium, das wir haben und über das wir wirklich nachdenken müssen.
Mir gefällt der Begriff Unterkante, den Sie verwendet haben. Jetzt ist es bei den Gesetzen Unterkante, dort fühle ich mich. Das ist etwa der Bereich, das ist eine sehr gute neue Definition auch für mich, die werde ich sicher übernehmen.
Und zu den ewigen Finanzen, ich will das jetzt nur wieder einmal beantworten: Jedes Kind, das in Wien in die Schule geht, hat einen Anspruch darauf, kostenlos eine Schule zu besuchen. Wenn wir unsere Schule zusperren, dann werden 450 Kinder von einem Tag auf den anderen in Wien einen Schulplatz suchen. Wir bezahlen für die Kinder knapp 5 000 Euro mit Nachmittagsbetreuung. Davon zahlen die Eltern 2 750 Euro, und den Rest müssen wir erschnorren, kriegen wir vom Bundeskanzleramt. Also wir sind ein kleiner Nischenbereich, der ständig in Bewegung bleiben muss, sonst verschwindet er.
Das heißt, es ist nicht so, dass der Staat uns Geld geben muss, das dann weg ist, sondern die Realität ist, dass wir derzeit den Staat plus minus jährlich, alleine mit den Kindern der Komenský-Schule, mit 2 Millionen Euro fördern. Also das ist die Realität. Ich meine, das muss man sich auch von der anderen Seite einmal anschauen. Ihr macht kein Geschenk!
Und wenn die Kinder aus der Schule draußen sind, dann hängen sie am Unterrichtsministerium und an der Stadt Wien. Und ich glaube, auch diese Realität muss gesagt werden und sollte auch in die Betrachtung Eingang finden.
Zum Abschluss: Ich glaube weiterhin, dass der österreichische Staat Lösungen findet, dass er uns nicht nur erklärt, wie sehr er uns wertschätzt, sondern dass er real etwas dafür tut, dass auch unsere Kleinen und die, die jetzt folgen, ein Teil dieses Staates sind, so wie wir unseren Schülern erklären: Ihr seid Teil dieses Staates! Ihr könnt halt nur eine Sprache mehr, auch nicht schlecht! Wir erziehen sie auch in den Kulturen für Österreich im Geiste der Freundschaft mit allen unseren Nachbarländern.
Also herzlichen Dank für eure Unterstützung! Ich freue mich sehr, euch alle wieder in der Schule begrüßen zu dürfen. – Danke schön.
David Pinchasov: Danke. Ich muss nur darauf hinweisen, bitte die Zeitvorgaben zu beachten, damit wir nicht überziehen!
Wir machen weiter mit Herrn Vladimir Mlynár.
Vladimir Mlynár (Volksgruppenbeirat Slowakinnen und Slowaken): Herr Parlamentspräsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Danke für die Möglichkeit im Zentrum der Demokratie in Österreich, im Parlament, die slowakische Volksgruppe zu präsentieren.
Wir bringen seit jeher eine kulturelle Vielfalt in Österreich. Die slowakische Sprache steht dabei im Zentrum für uns. Wie wir schon gehört haben: Bildung ist uns sehr wichtig. Slowakisch ist eine mitteleuropäische Brückensprache, die verbindet, öffnet und Identität stiftet. Die Slowaken zeichnen sich durch Offenheit, Mehrsprachigkeit und eine starke Bildungsorientierung aus. Unsere Vereine, unsre kulturelle und kirchliche Arbeit tragen wesentlich dazu bei, dass Sprache und Tradition lebendig bleiben. Wir sind eine kleine, aber sehr engagierte Gemeinschaft und unser Beitrag zum gesellschaftlichen Leben ist größer als es die reine Zahl unserer Mitglieder vermuten lässt.
Das Jahr 2026 bietet uns auch im Parlament eine wunderbare Möglichkeit, uns zu präsentieren, um wirklich höhere Bekanntheit zu erlangen. Aber es gibt klarerweise auch Herausforderungen. Dringendste Aufgabe ist, dass wir die Weitergabe der Sprache in die nächste Generation sicherstellen. Das gelingt nur, wenn wir verlässliche zweisprachige Bildungswege vom Kindergarten bis zur Matura nach dem Modell der Komenský-Schule in Wien haben, das wir auch sehr aktiv unterstützen.
Slowakisch braucht aber auch einen öffentlichen Raum, um in den Medien sichtbar zu bleiben. Es ist wichtig, dass kulturelle Initiativen langfristig planbare und wertgesicherte Förderungen erhalten. Sprachpflege ist kein Projekt, sondern ein Generationenauftrag. Das ist nicht mit einem Jahr gegeben. Es ist uns wichtig, dass nach den unendlichen Diskussionen, die wir mit der Besuchspolitik bei der Komenský-Schule immer haben, die Schule auch saniert wird. Ich habe dem Kollegen Hanzl gesagt, er sollte für die Besuche Geld verlangen, für jeden Besuch einen Tausender, dann wäre die Schule vielleicht schon fast saniert.
Mit dem neuen Volksgruppengesetz hoffen wir, dass die slowakische Volksgruppe nach wie vor ein lebendiger und sichtbarer Teil Österreichs bleibt, anerkannt von Kittsee bis Feldkirch und mit gleichen Rechten wie alle Volksgruppen in Österreich, mit jungen Menschen, die Slowakisch nicht nur verstehen, sondern selbstverständlich sprechen. Wir wollen eine moderne, digital präsentierte Minderheit sein, die Tradition und Innovation verbindet, und wir wollen, dass Slowakisch als Ressource wahrgenommen wird, kulturell, gesellschaftlich, wirtschaftlich, auch als eine Möglichkeit, Länder zu verbinden, und letztendlich als europäisch.
Investitionen in Bildung sind eine der nachhaltigsten Ausgaben, die wir für uns als Steuerzahler machen können, denn dann kann eine slowakische Volksgruppe auch in Zukunft ein starker, offener und inspirierender Teil unseres Landes sein. – Vielen Dank.
Emmerich Gärtner-Horvath (Volksgruppenbeirat Romnja und Roma): Del tumenca! Sehr geehrter Herr Nationalratspräsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Sehr geehrte Bereichssprecher! Die Volksgruppe der Roma muss sich mit mehreren Themenschwerpunkten auseinandersetzen. Wir haben erst vor ein paar Wochen im Sozialministerium einen internationalen Kongress zum Thema Arbeitswelt unserer Volksgruppe international gehabt, wo Angehörige unserer Volksgruppe aus Slowenien und Rumänien präsentiert haben und sich herausgestellt hat: Die Projekte laufen gut, aber es gibt trotz allem Diskriminierung – ob am Arbeitsmarkt, im Bildungsbereich, in allen gesellschaftlichen Bereichen –, die ist sozusagen das Handicap für diese Projekte. Ich bin aber trotz allem dankbar dafür, dass das Sozialministerium seit einigen Jahren dies durchführt, wir auch laufend in Kontakt sind und die Projekte hier in Österreich trotz allem ziemlich gut laufen.
Bedanken möchte ich mich beim Bundeskanzleramt. Seit 2011 gibt es ja auch die Dialogplattform, wo wir verschiedene Themen behandeln, sozusagen ein offenes Ohr haben und durch diese Projekte auch Etliches umsetzen können.
Wir haben demnächst die 34. Dialogplattform und da werden wir auch Themen behandeln, die uns zugeschickt worden sind – ich glaube, das ist das Thema OeAD. Das heißt, dass es dort auch Projekte geben soll, die wir dann auch aufnehmen können, und das zeigt auch, welche Förderungsmaßnahmen es da gibt. Das ist für uns auch wichtig: wie wir nicht nur national, sondern eben auch international, länderübergreifend tätig werden können.
Der Festakt 30 Jahre Nationalfonds hat auch gezeigt, dass die Geschichte unserer Volksgruppe nicht vergessen wird, dass man diese dort auch aufzeigt. Darauf bin ich auch sehr stolz, dass meine Tochter eben meine Geschichte, Mri Historija, vom Burgenländer dort erzählen durfte. Ich war total überrascht, weil ich darüber nichts wusste. Das war wirklich für mich sehr herzberührend, muss ich auch dazusagen. Ich glaube, es ist auch wichtig, dass man diese Geschichte, diese gemeinsame Geschichte, die uns widerfahren ist, aufarbeitet, dass so etwas nie mehr wieder passiert. Wir müssen alles dagegen tun! Es heißt immer so schön: Niemals vergessen!, aber man muss trotzdem ein Ohr dafür haben und immer wirklich aufmerksam sein.
Die Tatsache, dass wir den 8. April jedes Jahr auch hier im Parlament begehen, zeigt ja auch, dass wir hier willkommen sind und dass wir auch Themen, die international unsere Volksgruppe betreffen, hier behandeln. Da möchte ich mich ganz herzlich bei Thomas Kassl bedanken! Er ist immer unsere Ansprechperson, wir arbeiten das gemeinsam aus. Man ist hier dahinter und versucht, mit uns gemeinsam Lösungen zu finden, dass wir gemeinsam einen besseren Weg gehen können.
Was derzeit große Probleme darstellt, sind digitale Medien. Da bekomme ich tagtäglich über Whatsapp Nachrichten von Anhängern meiner Volksgruppe darüber, dass Hetze gegen unsere Volksgruppe betrieben wird. Die Kommentare, die man dann liest, sind erschreckend.
Da wäre meine Aufforderung beziehungsweise mein Wunsch: Erst vor Kurzem wurde von der Bundesregierung die Strategie gegen Antisemitismus 2.0 präsentiert. Ich finde, es ist notwendig, sich Gedanken zu machen, wie man auch gegen diesen Rassismus, gegen diese Hetze, gegen Antiziganismus vorgehen kann. Ich glaube, es ist da ganz wichtig, im Bereich Bildung anzusetzen.
Wir arbeiten mit dem Forum4Burgenland zusammen. Wir arbeiten auch Arbeitsmaterialien, Lehrmaterialien heraus, nämlich gemeinsam mit meinem Kollegen Josef Schmidt, mit Karin Vukman-Artner beziehungsweise mit den Kroaten gemeinsam. Und da sind wir natürlich auch sehr dankbar. Da gibt unter anderem unsere keinen Minimultis: „mri nevi minimulti“, die wir unseren Kindern auch übermitteln.
Aber zur Stärkung der Identität, zum Selbstbewusstsein der Roma-Jugendlichen ist es auch wichtig, dass sie nicht benachteiligt werden, weder im Bildungsbereich noch am Arbeitsmarkt und überhaupt in der Gesellschaft. – Danke.
David Pinchasov: Herzlichen Dank an die Vorsitzenden der Volksgruppenbeiräte für diese Beiträge und an die Stellvertreterin!
Im Sinne des Dialogs, den diese Plattform ja fördert, hören wir nun auch die Stimmen aus dem Parlament, jene der Bereichssprecherinnen und Bereichssprecher für Volksgruppen der Parlamentsfraktionen. Sie vertreten die politische Ebene dieses wichtigen Themas und tragen dazu bei, dass die Anliegen der Volksgruppen ihren Weg in die parlamentarische Diskussion und Entscheidungsfindung erlangen.
Ich darf mich auch bei Ihnen, sehr geehrte Bereichssprecherinnen und Bereichssprecher, an dieser Stelle für dem immer angenehmen Austausch und die gute Zusammenarbeit bei diesem wichtigen Thema bedanken.
Ich darf nun der Reihe nach ankündigen: Herrn Klemens Kofler, Mitglied des Bundesrates (FPÖ), Frau Agnes Totter, Abgeordnete zum Nationalrat (ÖVP), Frau Pia Maria Wieninger, Abgeordnete zum Nationalrat (SPÖ), Herrn Michael Bernhard, Abgeordneter zum Nationalrat (NEOS) und Frau Olga Voglauer, Abgeordnete zum Nationalrat (Grüne).
Ich darf nun um Ihre Ausführungen bitten. Den Anfang macht Herr Klemens Kofler.
Statements der Bereichssprecherinnen und Bereichssprecher für Volksgruppen der Parlamentsfraktionen
Klemens Kofler (Mitglied des Bundesrates, FPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Direktor! Sehr geehrte Kollegen! Sehr geehrte Beiräte! Sehr geehrte Beamte! Grüß Gott! Ich habe vor der Sitzung ein Gespräch mit Herrn Buranits geführt und das war recht interessant. Wir haben festgestellt, dass die Volksgruppen eigentlich bei der Mehrzahl der Österreicher nicht bekannt sind. Es ist sehr schade und natürlich falsch. Daran müssen wir arbeiten. Deswegen bin ich unserem Parlamentspräsidenten Dr. Walter Rosenkranz auch sehr dankbar dafür, dass er das Parlament zur Verfügung stellt, um eben die Volksgruppen sichtbar zu machen. Das Parlament ist nämlich genau der richtige Ort, um die Volksgruppen sichtbar zu machen, denn es ist das Zentrum des Staates und das Zentrum der Demokratie.
Unser Parlament wird außerdem von mehr als 500 000 Menschen pro Jahr besichtigt.
Ich möchte da auch noch auf die vielen Schulveranstaltungen wie die Demokratiewerkstatt hinweisen, bei denen man das Thema sicher ausführlich spielen kann.
Unsere Volksgruppen bereichern Österreich und sind, wie Herr Hanzl gesagt hat, selbstverständlich immer schon Teil von Österreich gewesen. Das hat auch nichts mit Zuwanderung zu tun, denn da geht es um Jahrhunderte. Es sind Österreicher und sie dürfen natürlich von den anderen Österreichern nicht unterschieden werden – das werden sie auch nicht, bei uns zumindest.
Das Volksgruppengesetz ist jetzt 50 Jahre alt – wahrscheinlich alt genug, um darüber reden zu müssen, ob man nicht da und dort auch Anpassungen macht. Unsere Gesellschaft ist sehr mobil geworden, unsere Berufe sind nicht da, wo wir geboren sind, wir studieren vielleicht in Wien oder in Graz oder sonst wo, lernen dort einen Partner kennen, bleiben dort – was ist mit den Kindern? Die Kinder verlieren dann ja den Anspruch, zweisprachig geschult zu werden. Das ist ein Problem, da müssen wir Lösungen suchen. Natürlich könnte man das ins Digitale verlegen, aber eine Volksschule, in der man in seiner Muttersprache unterrichtet wird, ist schon etwas ganz anderes und wäre natürlich erstrebenswert.
Ich glaube, so ziemlich die größte Aufgabe, die alle Volksgruppen jetzt eben haben, ist die Mobilität, und deswegen sollten wir alle zusammenarbeiten, um trotz der Wanderbewegungen in Österreich die Volksgruppen genauso zu erhalten, wie wir sie haben wollen. – Danke schön.
Agnes Totter (Abgeordnete zum Nationalrat, ÖVP): Geschätzter Herr Präsident! Geschätzter Herr Parlamentsdirektor! Geschätzte Vertreterinnen und Vertreter der Volksgruppen! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Geschätzte Damen und Herren! Ich freue mich sehr, dass wir heute bei dieser Dialogplattform sein dürfen.
Ich war schon einmal dabei und ich empfinde das als sehr, sehr bereichernd, habe aus den Berichten natürlich auch verstanden, worum es geht, was der Kern sein soll, und das ist auf jeden Fall die Bildung – die sprachliche Bildung und die Weitergabe von Sprache und Kultur.
Das nehmen wir nicht nur mit, sondern das nehmen wir auch ernst. Es ist heute schon angeklungen – Kollege Bernhard hat bereits berichtet –: Wir, die Vertreterinnen und Vertreter der Regierungsparteien, hatten schon mehrere Treffen diesbezüglich, wir tauschen uns da regelmäßig aus, und wir haben uns auch ganz klare Ziele gesetzt, was die Volksgruppen und die Bildung anlangt. Wir arbeiten also wirklich eifrig daran und wir sind auch sehr zuversichtlich, dass wir noch in dieser Legislaturperiode zu guten Lösungen kommen werden.
Meine Damen und Herren, wie bereits gesagt: Die Weitergabe von Sprache und Kultur ist auch aus meiner Sicht das Wichtigste für den Fortbestand der österreichischen Volksgruppen, aber auch die Jugendarbeit ist enorm wichtig. Ich danke diesbezüglich allen, die sich in den österreichischen Volksgruppen für Jugendarbeit einsetzen, besonders aber auch Bundesministerin Claudia Plakolm für ihre Initiativen im Bereich der Jugendförderung.
Bundesministerin Plakolm hat sich im Sommer des heurigen Jahres mit den Vertreterinnen und Vertretern aller Volksgruppen getroffen und hat Folgendes vereinbart – da möchte ich nur einige Punkte nennen –:
Die Beiräte bekommen bei den Sonstigen Zuschüssen die Möglichkeit, Stellungnahmen abzugeben. Der Fördercall Sonstige Zuschüsse wurde nur für das Jahr 2026 ausgeschrieben, was aus meiner Sicht gut ist, denn man kann dadurch im folgenden Jahr das Ganze auch wieder neu budgetieren; und die Fachabteilung hat einen Leitfaden für die Volksgruppenvereine verfasst, wie man Anträge richtig stellt, als Service für die Ehrenamtlichen in den Vereinen.
Das Bundeskanzleramt unterstützt die Volksgruppen dabei, auch andere Fördertöpfe anzuzapfen. Es wurde ihnen auch das Transparenzportal gezeigt und auf die RTR-Förderungen aufmerksam gemacht, wo die Volksgruppenmedien auch explizit förderberechtigt sind.
Auch im aktuellen Regierungsprogramm gibt es wesentliche Punkte zu den autochthonen Volksgruppen. Wir haben ein klares Bekenntnis zu den in Österreich anerkannten Volksgruppen als unverzichtbarem Teil der österreichischen Identität, und wir wollen diese sechs autochthonen Volksgruppen, eben die kroatische, slowenische, ungarische, tschechische, slowakische sowie die Volksgruppe der Roma, auch weiter stärken.
Wir sind als ÖVP auch für diese taxative Festschreibung der sechs autochthonen Volksgruppen, und wir wollen natürlich – wie bereits erwähnt – das Bildungsangebot in den Volksgruppensprachen weiterentwickeln. Ich selber komme aus dem Bildungsbereich, Bildung ist für mich ganz, ganz wesentlich, und ich weiß, dass Bildung, Sprache und Kultur natürlich zusammenhängen und dass Bildung einfach notwendig ist, um diese Bereiche gut weiterentwickeln zu können.
Ich möchte nur ganz kurz vielleicht noch auf die Förderungen eingehen, in aller Kürze. Es ist heute schon gesagt worden, dass unter Bundesministerin Susanne Raab die Volksgruppenförderung verdoppelt wurde, das ist ganz wichtig und richtig, und trotz der angespannten Budgetlage bleibt das Förderbudget für die Volksgruppen auf hohem Niveau. Was mich besonders freut, ist, dass die beiden zentralen Säulen der Förderung, also Beiratstopf und Medienförderung, in vollem Umfang erhalten bleiben. Die Anpassungen, die getroffen werden, betreffen alleinig die sogenannten Sonstigen Zuschüsse.
Das heißt, dass die Kernstruktur der Volksgruppenförderung stabil bleibt, und das freut mich besonders. Was den Bildungsbereich anlangt, sind wir, wie gesagt, auf jeden Fall dran. Da haben wir schon wichtige Schritte gesetzt, da bleiben wir dran, und ich bin sehr, sehr zuversichtlich, dass wir wirklich zu einer guten Lösung kommen. – Herzlichen Dank.
Pia Maria Wieninger (Abgeordnete zum Nationalrat, SPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Direktor! Sehr geehrte Vertreterinnen und Vertreter der Volksgruppen! Sehr geehrte Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es ist mir eine große Ehre, dass ich heute zum ersten Mal bei der Dialogplattform dabei bin. Ich war ja das letzte Mal leider verhindert, es war mir aber trotzdem sehr wichtig, mit den Vertreterinnen und Vertretern der Volksgruppen ins Gespräch zu kommen. Deswegen habe ich auch die meisten von Ihnen schon getroffen, manche sogar mehrmals.
Was bei diesen Gesprächen vor allem herausgekommen ist, ist das, was heute hier auch präsentiert wurde, nämlich dass Bildung und Sprache etwas ist, was Sie alle forcieren möchten, was Ihnen allen besonders wichtig ist; und was auch immer oder von eigentlich allen erwähnt wurde, ist: Wir wollen keine Volksgruppentage im Parlament mehr, wo schön getanzt wird, sondern wir wollen wirklich Fakten schaffen und dass für die Volksgruppe wirklich etwas weitergeht.
Ich glaube, bei allem, was wir heute gehört haben, sind wir auf einem sehr guten Weg. Meine Kolleg:innen haben vorhin eh schon alles erläutert, ich möchte da jetzt gar nicht noch großartig etwas dazusagen. Wir sind auf einem sehr guten Weg bei der Schule, die angedacht ist, und ich würde mich wirklich sehr freuen, wenn wir da gemeinsam etwas schaffen, sodass wir dann wirklich in den nächsten Jahren damit starten können.
Was mir schon auch wichtig ist, ist, zu sagen: 2026 feiern wir dann 50 Jahre Volksgruppengesetz. Das ist ein Grund zum Feiern, aber auch ein Moment der Reflexion, und das Jubiläum soll uns nicht nur an die Errungenschaften erinnern, sondern auch an die Aufgaben, die noch vor uns liegen: Auch die Gesellschaft von heute muss respektvoll mit den Traditionen und der Sprache der autochthonen Volksgruppen umgehen, denn – Herr Gärtner-Horvath hat es vorhin schon erwähnt – es gibt immer noch Diskriminierung, es gibt immer noch sehr viel Hetze im Internet. Wir haben es aber auch im Juli bei dem Polizeieinsatz am Peršmanhof gesehen, der für große Erschütterung gesorgt hat. Im Oktober wurden zweisprachige Ortstafeln in der gleichen Region beschmiert, und erst letzte Woche wieder wurde in Klagenfurt ein Gedenkstein verunstaltet. Ich selbst konnte mir im Oktober bei einem Besuch in Kärnten vor Ort ein Bild davon machen, wie sehr diese Ereignisse alte Wunden wieder aufreißen.
Das heißt, 2026 soll nicht nur die Feier eines Meilensteins der Vergangenheit sein, sondern auch ein Weckruf für die Zukunft, dass wir da auch wirklich dranbleiben. Das soll auch ein Moment sein, um uns zu fragen, wie wir diese Intoleranz endgültig ersticken können und wie wir unsere Volksgruppen weiter stärken können, wie wir sie noch sichtbarer machen können.
Wie schon gesagt, ich glaube, wir sind auf einem sehr guten Weg, mit allem, was wir heute gehört haben, auch mit den Projekten der Parlamentsdirektion, hier im Parlament die Volksgruppen sichtbarer zu machen. Ich freue mich wirklich sehr darauf, mit Ihnen allen daran weiterzuarbeiten und wünsche uns allen gutes Gelingen dabei. – Vielen Dank.
Michael Bernhard: Ich darf mich jetzt auch noch für meine Fraktion zu Wort melden. Ich möchte noch einmal unterstreichen, dass ich mich, so wie meine Vorrednerinnen und Vorredner auch, wirklich sehr über diesen Dialog und die Möglichkeit dazu freue.
Ich bin schon seit ein paar Jahren im Nationalrat und habe das Gefühl, dass es in den letzten Jahren, was den Dialog zwischen Parlament und Volksgruppen betrifft, deutliche Verbesserungen gab. In den Ergebnissen gibt es sicherlich noch viel Luft nach oben, aber der erste Schritt ist ja, dass der Dialog beginnt. Ich glaube, dass wir die Dialogplattform ganz stark dafür nutzen müssen, auch wirklich über die Frage zu sprechen: Wie kommen wir zu Ergebnissen? Deswegen möchte ich auch nochmals in aller Kürze über die Schule sprechen.
Herr Hanzl hat ja vorhin gesagt, wir dürfen nicht nur die Gesetze sehen, sondern wir müssen die Menschen dahinter sehen. Ich finde das Bild vom Seeadler sehr gut. Wir sind ja als NEOS in den Nationalrat eingezogen und haben gesagt, wir wollen jedem Kind die Flügel heben. Jetzt haben wir die Kinder und den Adler, also das passt ja hervorragend!
Ich denke, wenn es uns gelingt, dass wir in Wien, in der größten Stadt im Lande, außerhalb der autochthonen Siedlungsgebiete eine Schule auf den Boden bringen, die sozusagen in einem gesetzlichen Rahmen abgebildet ist und nicht immer in der Unsicherheit, die die Komenský-Schule jetzt gerade ja immer wieder erlebt, schwebt, dann stellt das einen Meilenstein dar, der zwei Dinge beinhaltet. Einerseits würde er hoffentlich die Absicherung der Komenský-Schule mit beinhalten – das dürfen wir in der Frage nicht vergessen – und er könnte natürlich gleichzeitig auch Vorbild für andere große Städte sein, in denen vielleicht nicht alle Volksgruppen, aber doch einzelne betroffen sind. Insofern finde ich, mit Blick nach vorne gerichtet sind die jetzt Kleinsten in der Gesellschaft dann tatsächlich auch diejenigen, an denen der Unterschied festzumachen ist, wie wir die Zukunft gestalten, in all den Volksgruppensprachen, die es gibt.
Inhaltlich – und damit ende ich dann auch sehr rasch – sind, glaube ich, zusätzlich zwei Punkte, die wir nicht vergessen dürfen, wichtig: erstens, dass Leistungen, die der Staat ganz selbstverständlich für die Mehrheitsbevölkerung erbringt, immer auch für die Volksgruppen mitgedacht werden müssen. Es ist sehr oft so, dass die Volksgruppenvertreterinnen und -vertreter selbstgestrickte Lösungen suchen müssen, weil sonst die Sprache auf der Strecke bleibt. Ich denke, dass wir uns hier in der Verwaltung noch weit über das Schulwesen hinaus Gedanken machen müssen, und werden wir als NEOS uns auch einbringen.
Weil es oft vergessen wird, ist, glaube ich, auch wesentlich, dass wir uns mit Blick nach vorne auch bei der Volksgruppe der Roma überlegen müssen, wie in Zukunft das Schulwesen ausschauen kann. Davon ist man noch ein paar Schritte entfernt, das wissen wir, damit es aber dann, wenn man soweit ist, nicht wiederum viele Jahre braucht, um starten zu können, glauben wir, dass wir auch darüber sehr intensiv diskutieren müssen. Wir sind offen für alle Möglichkeiten und werden nach besten Kräften unterstützen. – Danke für die Zusammenarbeit.
Olga Voglauer (Abgeordnete zum Nationalrat, Grüne): Sehr geehrte Vertreterinnen und Vertreter der Volksgruppen! Liebe Vertreterin der Parlamentsdirektion! Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe restlichen Gäste! Hvala za vaš doprinos, hvala za vašo vztrajnost, hvala da nas pozivate da pridemo do naslednji korakov. Ich selbst bin Kärntner Slowenin und ich muss sagen, es ist Ihnen (in Richtung der Vorsitzenden im Volksgruppenbeirat) zu verdanken, dass wir nächstes Jahr eine breite Ausstellung in diesem Haus haben werden, und es ist diesem Haus dafür zu danken, dass man sich entschieden hat, die 50 Jahre Volksgruppengesetz den Volksgruppen so zu widmen und somit auch allen Bürgerinnen und Bürgern Österreichs, die das Haus besuchen, zugänglich zu machen.
Ich meine – nicht nur aus meiner persönlichen Perspektive, sondern ich glaube, die Meinung teilen wir alle hier –: Das ist ein historischer Moment für die Sichtbarmachung der österreichischen Volksgruppen. Es ist auch historisch, dass wir uns bereits seit fünf Jahren regelmäßig im Rahmen so einer Dialogplattform treffen. Ich meine auch, dass die Dialogplattform schon einiges bewirkt hat, denn Sie sind mit den Anliegen der Volksgruppen auf den Agenden der Ministerien, des Parlaments, der Parlamentsklubs. Dort zu sein, bedeutet, dass irgendwann der Dialog nicht reichen wird. Irgendwann gibt es dann auch die Novellen, die im Gesetz verankert werden, die im Plenarsaal beschlossen, sowohl vom Nationalrat als auch vom Bundesrat, und am Ende vom Bundespräsidenten unterschrieben werden.
Bei all dem vergessen Sie bitte nicht, dass es Ihr Mut ist, dass es Ihre Arbeit ist, dass es Ihre Zuversicht war, die uns so weit gebracht haben, denn weder das Parlament noch die Ministerien noch die politischen Parteien können sich dessen rühmen, von sich aus auf die Idee gekommen zu sein, bereits vor Jahren oder aktuell ein Gesetz aufzumachen und so zu novellieren, dass es den europäischen Standards entsprechen würde und dass es eben keine – wie es Herr Dr. Lienbacher gesagt hat – Unterkante dessen ist, was wir unter Minderheitenrechten verstehen. Das muss auch uns bewusst sein, wenn wir nächstes Jahr in dieser historischen Ausstellung die Möglichkeit nutzen, 50 Jahre Volksgruppengesetz Revue passieren zu lassen und weiterzuentwickeln. Das bedeutet, eine Sichtbarmachung ist in Zeiten wie diesen und auch in den vergangenen Zeiten nicht genug.
Ich gebe Ihnen zwei Beispiele. Frau Weitlaner, Sie haben das so schön gesagt: Vergeht die Zeit für uns recht schnell, vergeht sie für die Volksgruppen doppelt so schnell. Wir alle haben uns daran gewöhnt, dass wir ID Austria nutzen. Das ist ein tolles Service. ID Austria hat mit keinem einzigen Punkt und Beistrich die Volksgruppensprachen bedacht. Dabei wäre es in einer Zeit wie heute überhaupt kein Problem, auch die digitale Welt zu übersetzen. Dasselbe gilt für die Formulare, über die wir so glücklich sind: Während wir als Volksgruppenangehörige es feiern, das analoge Formular endlich in unserer Muttersprache zur Verfügung zu haben, spielt sich halt die Welt digital ab.
Auch das wäre eine Anregung für die Zukunft – und ich hoffe, dass es uns gelingen wird; ich habe das schon bei der letzten Dialogplattform eingebracht, wir haben das im Hintergrund mittlerweile intern bei den Grünen auch gut diskutiert –: Es wäre mir ein Anliegen, dass wir auch eine parlamentarische Enquete abhalten, am besten wäre es, eine Enquete-Kommission einzurichten, sodass wir wirklich beim Volksgruppengesetz zumindest ein paar Schritte vorwärtskommen, dass wir Ihnen auch gewährleisten können, dass es zu einer Novellierung kommt, und dass wir nicht nur ein Papier als Letter of Intent oder als Memorandum haben, sondern dass Sie sich dann letztendlich auch vor Gericht auf neu festgeschriebene Rechte berufen können.
Es braucht neben der Bildung – alles, was ich noch gehört habe, unterstreiche ich – die Möglichkeit, mitzuwirken – auch das ist ein Auftrag an uns –, und es braucht Finanzierung. Deshalb ist es uns als Grüne ein Anliegen, dass die Bundesregierung sich das sehr wohl bewusst macht und dass sie im Jahr 2026 die Reduktion um 700 000 Euro bei den verfügbaren Mitteln für die österreichischen autochthonen Volksgruppen wieder zurücknimmt und die Mittel zumindest um diese 700 000 Euro wieder erhöht und eben bei den Novellierungen danach trachtet, immer die Mitwirkung der Volksgruppen im Blick zu haben. – Danke schön.
David Pinchasov: Herzlichen Dank an die Bereichssprecherinnen und Bereichssprecher der Parlamentsfraktionen für diese Beiträge und die klaren Worte.
Es kam gerade eine Anfrage vom ORF, im Anschluss an die Sitzung noch Schnittbilder zu machen. Wenn das für alle in Ordnung ist, würden wir Sie bitten, nach den Abschlussworten des Präsidenten für diese Schnittbilder noch kurz sitzen zu bleiben.
Damit nähern wir uns auch schon dem Ende der heutigen Dialogplattform. Zum Abschluss dieser Veranstaltung darf ich nun nochmals den Präsidenten des Nationalrates, Herrn Walter Rosenkranz, ankündigen und ihn um sein Resümee bitten.
Abschlussworte
Walter Rosenkranz: Sehr geehrte Damen und Herren! Ich hoffe, es ist genug Zeit für mein Resümee, und ich bitte den ORF, noch etwas Geduld zu bewahren, bis er für die Schnittbilder hereinkommen kann.
Es sind nur kleine Punkte angesprochen worden, die aber trotzdem wieder einen ganz bunten Strauß von neuen Fragen ergeben.
Ich bin zunächst einmal der Abteilung im Haus sehr dankbar, in der wirklich mit Herzblut nicht nur an der Sichtbarmachung und am Umgang mit unseren autochthonen Volksgruppen gearbeitet wird, sondern die sich mittlerweile um drei Schwerpunkte kümmert, weil sie für diese Republik wichtig sind. Es ist in dieser Abteilung natürlich auch der Kampf gegen den Antisemitismus angesiedelt, und angedacht und begonnen worden ist auch das Sichtbarmachen der Altösterreicherinnen und Altösterreicher, die es bei uns gibt, denn all diese Gruppen – Sie und die beiden von mir genannten – haben Verdienste um die Republik Österreich, gerade wenn es um die Frage des Aufbaus geht, so wie es Herr Hanzl ja auch angesprochen hat.
Auf der einen Seite gibt es eben das jüdische Leben in Österreich, das in seiner Tradition in erster Linie wahnsinnig viel für Wissenschaft und Kultur geleistet hat und das eigentlich mit einem Federstrich hätte ausgelöscht werden können. Andererseits gibt es natürlich eine der – unter Anführungszeichen – jüngsten autochthonen Volksgruppen, nämlich die von Ihnen, Herr Gärtner-Horvath, vertretene, bei der jetzt der Kampf gegen den Antiziganismus stattfindet.
Jetzt möchte ich schon überleiten, ich möchte es wirklich nicht zu lange machen: Hier besteht eine Verantwortung des Parlaments als – es wurde schon angesprochen – Herz der Demokratie. Natürlich: Ein Organismus hat in der Regel eben nur ein Herz. Es wäre aber an sich schön, wenn auch die Landtage, die Gemeindestuben Herzen der Demokratie sind. Es ist auch gut, wenn die Schulen, die Bildungseinrichtungen genauso Herzen der Demokratie sind. Da gibt es also wirklich ein sehr breites Betätigungsfeld.
Eine Idee, die gekommen ist, „drängt“ sich mir – unter Anführungszeichen – aus der Erfahrung dieser heutigen Veranstaltung auf: Es ist gelungen, Sprecherinnen und Sprecher aller im Parlament vertretenen Parteien zu versammeln, und ich möchte zusätzlich betonen, dass Vertreter des Nationalrates und des Bundesrates hier sind. Es ist mir immer ein besonderes Anliegen, diese zweite Kammer des Parlaments, nämlich den Bundesrat, als repräsentatives Zeichen unseres Föderalismus, den wir in der Verfassung ja auch entsprechend festgeschrieben haben, sichtbar zu machen, denn für den Gesetzesbeschluss wird es auch den Bundesrat brauchen.
Dieser Austausch ist wichtig, und es ist mir bewusst geworden, dass dieses Format Plattform heißt. Auf einer Plattform, da stehen alle drauf und sie muss sehr fest sein. Mir ist heute irgendwie der Gedanke gekommen, dass es eher ein Scharnier ist. Wir haben es nämlich geschafft, Unterschiedlichstes, was die Gewaltenteilung bei uns bietet, heute hier versammelt zu haben. Wir haben jemanden aus der Spitze der Verwaltung hier – Schwerpunkt heute: Bildungspolitik –, wir haben aber auch aus der Gerichtsbarkeit, noch dazu aus der Höchstgerichtsbarkeit, jemanden hier gehabt. Es sind also alle drei Gewalten heute abgebildet worden. Mit dem ORF ist sogar die vierte Gewalt, also die Medien, hier vertreten, wobei in der Person des Richters am Verfassungsgerichtshof ja sogar auch noch ein Wissenschaftler hier ist. Die Wissenschaft wurde ja auch beim einen oder anderen Thema angesprochen.
Es wurden die Themen der Bildung angesprochen, und Sie, Herr Somogyi, haben, da Sie gesagt haben: mit vereinten Kräften, auch noch die lateinische Übersetzung Viribus unitis mit eingebracht, also den Wahlspruch des vorletzten Kaisers von Österreich und Königs von Ungarn. Diese vereinten Kräfte, die Viribus unitis, das österreichische Kaiserreich, ist ja eigentlich in seiner gesamten Geschichte dafür verantwortlich, dass sich die autochthonen Volksgruppen eben jetzt auf unserem, wenn auch geschrumpften, Staatsgebiet befinden. Diese vereinten Anstrengungen halte ich für notwendig.
Herr Hanzl, Sie haben das Beispiel des Steinadlers gebracht. Mir schwebt ein anderer Adler vor. Ich weiß jetzt nicht genau, ob es der Kaiseradler oder der Steinadler ist – sie unterscheiden sich nämlich nur durch die Schwanzfedern –, den wir in unserem österreichischen Bundeswappen haben, aber auch diesen Adler, den Bundesadler, halte ich für eine absolut schützenswerte Art, die gepflegt und gehegt werden möchte.
Ein paar nachdenklich stimmende Dinge habe ich auch für die Zukunft mitgenommen. Die Arbeit der Abteilung im Haus wird heute nicht enden, sondern sie wird weitergehen. Einerseits ist die Ausstellung selbst noch zu machen und auch mit mir wird es noch den einen oder anderen Gedanken zu besprechen geben, den ich jetzt nur einmal so, wie es so schön heißt, in die Menge werfe:
Wir haben gehört, dass unter Umständen die Bundesländer, die speziell angesprochenen Länder und Landesregierungen auch Verantwortung haben. Warum sitzen Vertreter dieser eigentlich nicht in irgendeiner Form – ob immer oder einmal speziell – auch hier in dieser Dialogplattform?
Wir haben angesprochen, dass wir von unseren Nachbarstaaten, denen Sie ja zum Großteil auch angehören, in der Verwirklichung dessen, was bei uns im Staatsvertrag steht, sehr genau beobachtet werden. Warum öffnen wir nicht die Dialogplattform einmal oder permanent – das wird auf die Räumlichkeiten im Haus oder vielleicht auf Schwerpunktsetzungen ankommen –, warum laden wir nicht auch Vertreterinnen und Vertreter der Botschaften ein, die ja ihren Ländern unter Umständen aus erster Hand aus dem Parlament berichten wollen? Ich habe natürlich die Kontakte zu den Botschafterinnen und Botschaftern, die auch immer wieder Rückfragen stellen – die einen vielleicht intensiver als die anderen, auch zu zeithistorisch aktuelleren Themen –; auch da ist zu fragen, wie man sie einbinden kann.
Eine Frage an Sie drängt sich für mich auf: Sie haben die Sprache angesprochen, welchen wirtschaftlichen Vorteil es hat, Sprachen der Nachbarländer zu sprechen. Das ist mir eigentlich schon bei der letzten Plattform, bei der ich hier sein durfte, stark aufgefallen. Unabhängig von allen historischen oder kulturellen Verknüpfungen ist die Tatsache, dass junge Menschen die Sprache eines Nachbarlandes erlernen und damit im wirtschaftlichen Geflecht unmittelbar dort wirken können, ein unschätzbarer Wert.
Es wurde auch die Frage der Slawistik als Gegenstand an den Universitäten, an denen dann auch Pädagoginnen und Pädagogen der Zukunft ausgebildet werden, angesprochen. Ich glaube, es denkt niemand daran, die Slawistik in irgendeiner Form zu beschränken. Meine Frage ist jetzt eine, die sich auftut, seit ich in der Politik bin. Wenn ich höre: Wir haben einen Ärztemangel, wir haben einen Lehrermangel, wir haben einen Pflegepersonalmangel et cetera, dann frage ich mich: Was passiert, wenn sich Menschen nicht dafür entscheiden, Arzt zu werden, Polizist zu werden, Lehrer zu werden? Meine Frage an Sie und natürlich auch an das Bundesministerium ist: Welche Anreize gibt es eigentlich in Ihren Volksgruppen, so wie Sie, Herr Somogyi, oder auch Ihre Tochter den Lehrberuf zu ergreifen? Gerade das wäre ja essenziell, auch wenn der Lehrberuf in irgendeiner Form nicht mehr so attraktiv zu sein scheint.
Die Zahlen sind da, aber noch dringender wäre es, wenn die Lehrkräfte der Zukunft wirklich auch aus Ihren Reihen kämen und wenn dafür Werbung betrieben werden könnte. Es hilft einfach nichts, die Ressource Mensch muss genützt und erhalten werden, denn aus Nullmengen kann man zwar Studiengänge anbieten, aber weiter nichts. Ich kann mich an die Schulen im Grenzgebiet im oberen Waldviertel erinnern, als es geheißen hat, die Schuldirektoren sollen sich ihre Lehrer selbst aussuchen dürfen. Was macht ein Schuldirektor, wenn sich niemand dort bewirbt? Aus Nullmengen wird man nichts aussuchen können, auch wenn im Deutschen Bundestag in einer Sitzung, bei der es um Energiefragen gegangen ist und in der ein Experte gesagt hat, das ohmsche Gesetz würde diesen Dingen entgegenstehen, eine Staatssekretärin dann gemeint hatte, Gesetze könne man ändern. (Heiterkeit.) Da wird es dann unter Umständen schwierig.
Das sind jetzt nur einige Gedanken, die sich für mich heute aus dieser Diskussion ergeben haben und mit denen ich meine Abteilung – ich werde nicht sagen, quälen, sondern – motivieren werde, mit Ihnen gemeinsam die Formate zu verbessern.
Eines hat mir gefallen und das möchte ich zum Schluss vorbringen. Herr Prof. Pirker hat bei der Frage der Gesetzgebung oder überhaupt der Frage der Beurteilung der Volksgruppen gemeint, dass es immer umstritten gewesen ist. Das heißt, er hat in der Vergangenheitsform gesprochen und nicht in der Mitvergangenheit von einem Prozess, der vielleicht schon abgeschlossen war. Also: Es war nicht umstritten, es ist umstritten. Genauso notwendig ist es, dass Lösungen gefunden werden. So sind auch Themen, die heute vorgegeben sind, nicht nur aus der Vergangenheit, sondern auch in die Gegenwart zu tragen, und daher steht das in der Vergangenheits- und nicht in der Mitvergangenheitsform.
Ich bedanke mich bei Ihnen allen, dass Sie hier waren, ich bedanke mich für die Beiträge, die in ganz hoher Qualität seitens der Forschung und Wissenschaft, seitens der hohen Gerichtsbarkeit und seitens der hohen Verwaltung hier am Ort der Gesetzgebung geliefert wurden. Gesellschaftspolitik muss aber letztlich in einem Gesetz münden, ohne Gesetz kann nämlich die Verwaltung oder die Rechtsprechung nicht entsprechend handeln. Es ist daher notwendig, die Gesellschaftspolitik hier im Haus zu haben. Danke an die entsprechende Abteilung. Danke allen fürs Kommen. (Beifall.)
David Pinchasov: Danke.
Auch von mir noch einmal einen herzlichen Dank an alle Rednerinnen und Redner für die Beiträge, an die Vertreter:innen der Volksgruppenbeiräte und der Parlamentsfraktionen für den offenen Dialog.
Damit schließen wir diese Sitzung. Ich wünsche Ihnen noch einen angenehmen Ausklang des Nachmittags. – Herzlichen Dank und auf Wiedersehen!