13.10.2007   

DE

Amtsblatt der Europäischen Union

L 270/12


ENTSCHEIDUNG DES RATES

vom 9. Oktober 2007

zur Ermächtigung Frankreichs, auf in seinen überseeischen Departements hergestellten „traditionellen“ Rum einen ermäßigten Verbrauchsteuersatz anzuwenden und zur Aufhebung der Entscheidung 2002/166/EG

(2007/659/EG)

DER RAT DER EUROPÄISCHEN UNION —

gestützt auf den Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft, insbesondere auf Artikel 299 Absatz 2,

auf Vorschlag der Kommission,

nach Stellungnahme des Europäischen Parlaments (1),

in Erwägung nachstehender Gründe:

(1)

Nach Artikel 299 Absatz 2 des Vertrags gilt dieser Vertrag für die französischen überseeischen Departements, die Azoren, Madeira und die Kanarischen Inseln. Unter Berücksichtigung der strukturbedingten sozialen und wirtschaftlichen Lage der französischen überseeischen Departements, der Azoren, Madeiras und der Kanarischen Inseln, die durch die Faktoren Abgelegenheit, Insellage, geringe Größe, schwierige Relief- und Klimabedingungen und wirtschaftliche Abhängigkeit von einigen wenigen Erzeugnissen erschwert wird, die als ständige Gegebenheiten und durch ihr Zusammenwirken die Entwicklung schwer beeinträchtigen, beschließt der Rat jedoch auf Vorschlag der Kommission nach Anhörung des Europäischen Parlaments mit qualifizierter Mehrheit spezifische Maßnahmen, die insbesondere darauf abzielen, die Bedingungen für die Anwendung des Vertrags auf die genannten Gebiete, einschließlich gemeinsamer Politiken, festzulegen. Bei Beschlüssen über solche Maßnahmen berücksichtigt der Rat Bereiche wie die Steuerpolitik. Er beschließt solche Maßnahmen unter Berücksichtigung der besonderen Merkmale und Zwänge der Gebiete in äußerster Randlage, ohne dabei die Integrität und Kohärenz der gemeinschaftlichen Rechtsordnung, die auch den Binnenmarkt und die gemeinsamen Politiken umfasst, auszuhöhlen.

(2)

Auf der Grundlage dieser Bestimmung des Vertrags hat der Rat in Bezug auf die französischen überseeischen Departements die Entscheidung 2002/166/EG vom 18. Februar 2002 zur Ermächtigung Frankreichs, die Anwendung eines ermäßigten Verbrauchsteuersatzes auf in seinen überseeischen Departements hergestellten „traditionellen“ Rum zu verlängern (2) angenommen. Der ermäßigte Satz kann niedriger sein als der in der Richtlinie 92/84/EWG des Rates vom 19. Oktober 1992 über die Annäherung der Verbrauchsteuersätze auf Alkohol und alkoholische Getränke (3) geregelte Mindestverbrauchsteuersatz für ähnliche Erzeugnisse, die nicht aus den französischen überseeischen Departements stammen, darf jedoch den normalen nationalen Verbrauchsteuersatz für Alkohol um nicht mehr als 50 % unterschreiten. Die Entscheidung des Rates gilt bis zum 31. Dezember 2009, wobei bis spätestens Juni 2006 ein Zwischenbericht zu erstellen war.

(3)

Nach dem Zwischenbericht der französischen Behörden vom 27. Dezember 2005 ist die Beibehaltung der Steuerregelung für traditionellen, im französischen Mutterland vermarkteten Rum unerlässlich. Zudem hat Frankreich in Anbetracht der Entwicklung des Gemeinschaftsmarktes für Rum, die im Wesentlichen Erzeugnissen aus Drittländern zugute kommt, sowie der wirtschaftlichen und sozialen Bedeutung der Branche und des strukturellen Charakters der Produktionsbedingungen, die die Produktivität der Branche in den überseeischen Departements beeinträchtigen und die fortgesetzte Präsenz ihrer Erzeugnisse auf dem Gemeinschaftsmarkt erschweren, darum ersucht, dass die Steuerregelung für im Mutterland vermarkteten traditionellen Rum mengenmäßig ausgedehnt und verlängert wird.

(4)

Der Fortbestand der Zuckerrohr-Zucker-Rum-Wirtschaft in den überseeischen Departements ist zur Wahrung des dortigen wirtschaftlichen und sozialen Gleichgewichts unerlässlich. In den drei am stärksten betroffenen Departements — Réunion, Guadeloupe und Martinique — erzielt diese Branche einen Jahresumsatz von etwa 250 Mio. EUR und sichert rund 40 000 Arbeitsplätze, davon 22 000 direkt. In diesem Zusammenhang sind auch die positiven Auswirkungen der Zuckerrohrwirtschaft auf den Schutz der Umwelt in den überseeischen Departements zu berücksichtigen. Zusammen mit dem Bananensektor stellt dieser Bereich die einzige Exportaktivität von Bedeutung in Regionen dar, deren Exporte höchstens 7 % ihrer Importe ausmachen. Daher ist es notwendig und gerechtfertigt, dass Frankreich abweichend von Artikel 90 des Vertrags einen ermäßigten Verbrauchsteuersatz auf in diesen Departements hergestellten „traditionellen“ Rum aufrechterhält, um ihre Entwicklung nicht zu gefährden.

(5)

Die Revision der gemeinsamen Marktorganisation für Zucker vom Februar 2006 trägt zur Erhaltung der Branche bei. So sind im Rahmen der POSEI-Regelung (Verordnung (EG) Nr. 247/2006 des Rates vom 30. Januar 2006 über Sondermaßnahmen im Bereich der Landwirtschaft zugunsten der Regionen in äußerster Randlage der Union (4)) gemeinschaftliche sowie nationale Unterstützungsmaßnahmen vorgesehen, um die Wettbewerbsfähigkeit der Zuckerrohr-Zucker-Rum-Wirtschaft der überseeischen Departements zu steigern. Diese Maßnahmen ermöglichen es jedoch nach wie vor nicht, den schrittweisen Abbau des Zollschutzes auszugleichen und die Marktanteile der überseeischen Departements bei Rum zu erhalten.

(6)

Da die französischen überseeischen Departements selbst nur begrenzte Absatzmöglichkeiten bieten, können die dortigen Brennereien nur überleben, wenn sie einen genügenden Zugang zum Markt im Mutterland haben, wo sie einen wesentlichen Teil ihrer Rumproduktion (über 50 %) absetzen.

(7)

Das Wettbewerbsdefizit auf dem Gemeinschaftsmarkt, das sich im Wesentlichen aus den gestiegenen Marktpreisen ergibt, lässt sich auf die Gestehungskosten zurückführen, die seit 2001 steigen. Seitdem haben sowohl die Produktions- als auch die Arbeitskosten in den französischen überseeischen Departements sehr stark zugenommen. Darüber hinaus sind beim Rum der französischen überseeischen Departements die Gemeinschaftsnormen einzuhalten, was erhebliche nichtproduktive Investitionen erfordert. Seit 2001 wurden in den französischen überseeischen Departements über 45,5 Mio. EUR in die Erhaltung der Umwelt investiert, was 47 % der Gesamtsumme ausmacht. Zwar wird ein Teil dieser Investitionen von den Strukturfonds mitgetragen, aber das trifft nicht auf die erhöhten Betriebskosten zu, die die Gestehungskosten für Rum je nach Brennerei um etwa 10 bis 15 % erhöhen.

(8)

All diese seit 2001 erheblich gestiegenen Kosten bringen die Unternehmen in den französischen überseeischen Departements in schwierige Finanzlagen. Die Branche kann nur dann erhalten werden, wenn diese Belastung durch ein höheres Produktionsvolumen ausgeglichen wird.

(9)

Seit 2002 ist die auf den Gemeinschaftsmarkt gebrachte Gesamtmenge um 12 % zurückgegangen, von 176 791 hl r. A. auf 155 559 hl r. A. Die Rumerzeugung in den französischen überseeischen Departements konnte nur dank des Marktes im Mutterland erhalten werden, auf dem für diesen Rum eine spezifische Steuerregelung gilt, die es ermöglicht, die höheren Gestehungskosten teilweise auszugleichen. Da die Wettbewerbsfähigkeit des traditionellen Rums aus den französischen überseeischen Departements auf dem Markt des Mutterlands gestärkt werden muss, um die Tätigkeit der Zuckerrohr-Zucker-Rumwirtschaft dieser Departements zu erhalten, sollten die Mengen des traditionellen Rums aus französischen überseeischen Departements, auf die beim Inverkehrbringen auf diesem Markt ein ermäßigter Verbrauchsteuersatz angewandt werden kann, revidiert werden.

(10)

Der Steuervorteil, der durch diese Regelung gewährt wird, geht nicht über das hinaus, was erforderlich ist, damit die traditionellen Rumproduzenten ihre hohen Produktionskosten decken können.

(11)

Um zu gewährleisten, dass die vorliegende Entscheidung dem Binnenmarkt nicht schadet, dürfen die für diese Maßnahme in Frage kommenden Mengen an Rum mit Ursprung in den französischen überseeischen Departements wie bisher das Volumen der traditionellen Handelsströme der letzten Jahre aus den einzelnen Herkunftsgebieten nicht übersteigen.

(12)

Damit die Wirtschaftsbeteiligten in der Zuckerrohr-Zucker-Rumwirtschaft über die erforderliche Rechtssicherheit verfügen und den Abschreibungszeiträumen für Anlagen und Gebäuden Rechnung getragen wird sowie im Interesse der Kohärenz mit anderen Gemeinschaftsmaßnahmen für die Branche, sollte die Ausnahme bis Ende 2012 gewährt werden.

(13)

Diese Geltungsdauer muss jedoch an die Verpflichtung geknüpft werden, einen Zwischenbericht vorzulegen, damit die Kommission prüfen kann, ob die Gründe für die steuerliche Ausnahmeregelung weiterhin gegeben sind und gegebenenfalls feststellen kann, ob die Laufzeit der Regelung oder die betroffenen Mengen angesichts der Entwicklung des gemeinschaftlichen Marktes für Rum revidiert werden sollten.

(14)

Die Entscheidung 2002/166/EG sollte aufgehoben werden.

(15)

Diese Entscheidung berührt nicht die etwaige Anwendung der Artikel 87 und 88 des Vertrags —

HAT FOLGENDE ENTSCHEIDUNG ERLASSEN:

Artikel 1

Abweichend von Artikel 90 des Vertrags wird Frankreich ermächtigt, auf in seinen überseeischen Departements hergestellten „traditionellen“ Rum im Gebiet des Mutterlandes weiterhin einen Verbrauchsteuersatz anzuwenden, der niedriger ist als der in Artikel 3 der Richtlinie 92/84/EWG festgelegte volle Verbrauchsteuersatz für Alkohol.

Artikel 2

Die Ausnahme nach Artikel 1 gilt nur für Rum im Sinne von Artikel 1 Absatz 4 Buchstabe a der Verordnung (EWG) Nr. 1576/89 des Rates vom 29. Mai 1989 zur Festlegung der allgemeinen Regeln für die Begriffsbestimmung, Bezeichnung und Aufmachung von Spirituosen (5), der in den französischen überseeischen Departements aus am Herstellungsort geerntetem Zuckerrohr hergestellt wird und einen Gehalt an anderen flüchtigen Bestandteilen als Ethylalkohol und Methanol von mindestens 225 g/hl reinen Alkohols sowie einen Alkoholgehalt von mindestens 40 % vol aufweist.

Artikel 3

(1)   Der ermäßigte Verbrauchsteuersatz für das in Artikel 2 genannte Erzeugnis gilt nur für ein Jahreskontingent von 108 000 hl reinen Alkohols.

(2)   Der ermäßigte Steuersatz kann niedriger sein als der Mindestverbrauchsteuersatz für Alkohol gemäß der Richtlinie 92/84/EWG, darf jedoch den normalen nationalen Verbrauchsteuersatz für Alkohol um nicht mehr als 50 % unterschreiten.

Artikel 4

Frankreich legt der Kommission bis zum 30. Juni 2010 einen Bericht vor, damit diese prüfen kann, ob die Gründe für die Steuerermäßigung weiterhin gegeben sind und ob das Kontingent in Anbetracht der Marktentwicklung gegebenenfalls angepasst werden muss.

Artikel 5

Diese Entscheidung gilt vom 1. Januar 2007 bis zum 31. Dezember 2012.

Artikel 6

(1)   Die Entscheidung 2002/166/EG des Rates vom 18. Februar 2002 wird aufgehoben.

(2)   Bezugnahmen auf die aufgehobene Entscheidung gelten als Bezugnahmen auf die vorliegende Entscheidung.

Artikel 7

Diese Entscheidung ist an die Französische Republik gerichtet.

Geschehen zu Luxemburg am 9. Oktober 2007.

Im Namen des Rates

Der Präsident

F. TEIXEIRA DOS SANTOS


(1)  Stellungnahme vom 25. September 2007 (noch nicht im Amtsblatt veröffentlicht).

(2)  ABl. L 55 vom 26.2.2002, S. 33.

(3)  ABl. L 316 vom 31.10.1992, S. 29.

(4)  ABl. L 42 vom 14.2.2006, S. 1. Verordnung geändert durch die Verordnung (EG) Nr. 2013/2006 (ABl. L 384 vom 29.12.2006, S. 13).

(5)  ABl. L 160 vom 12.6.1989, S. 1. Verordnung zuletzt geändert durch die Beitrittsakte von 2005.