11.6.2010   

DE

Amtsblatt der Europäischen Union

L 145/6


BESCHLUSS DES RATES

vom 8. Juni 2010

gerichtet an Griechenland zwecks Ausweitung und Intensivierung der haushaltspolitischen Überwachung und zur Inverzugsetzung Griechenlands mit der Maßgabe, die zur Beendigung des übermäßigen Defizits als notwendig erachteten Maßnahmen zu treffen

(2010/320/EU)

DER RAT DER EUROPÄISCHEN UNION —

gestützt auf den Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV), insbesondere auf Artikel 126 Absatz 9 und Artikel 136,

auf Empfehlung der Kommission,

in Erwägung nachstehender Gründe:

(1)

Nach Artikel 136 Absatz 1 Buchstabe a AEUV besteht die Möglichkeit, für die Mitgliedstaaten, deren Währung der Euro ist, spezifische Maßnahmen zu erlassen, um die Koordinierung und Überwachung ihrer Haushaltsdisziplin zu verstärken.

(2)

Artikel 126 AEUV bestimmt, dass die Mitgliedstaaten übermäßige öffentliche Defizite zu vermeiden haben, und legt das Verfahren bei einem übermäßigen Defizit fest. Der Stabilitäts- und Wachstumspakt, dessen korrektive Komponente das Verfahren bei einem übermäßigen Defizit ist, bietet einen Rahmen, der die Politik der Regierungen zur umgehenden Wiederherstellung einer soliden Haushaltsposition mit Rücksicht auf die Wirtschaftslage unterstützt.

(3)

Am 27. April 2009 entschied der Rat gemäß Artikel 104 Absatz 6 des Vertrags zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft (EGV), dass in Griechenland ein übermäßiges Defizit besteht, und sprach gemäß Artikel 104 Absatz 7 EGV sowie Artikel 3 Absatz 4 der Verordnung (EG) Nr. 1467/97 des Rates vom 7. Juli 1997 über die Beschleunigung und Klärung des Verfahrens bei einem übermäßigen Defizit (1) Empfehlungen aus mit dem Ziel, dieses Defizit bis spätestens 2010 zu beenden. Außerdem setzte der Rat den 27. Oktober 2009 als Frist für Griechenland zur Ergreifung wirksamer Maßnahmen fest. Am 30. November 2009 stellte der Rat gemäß Artikel 126 Absatz 8 AEUV fest, dass Griechenland keine wirksamen Maßnahmen ergriffen hat; infolgedessen setzte er Griechenland am 16. Februar 2010 gemäß Artikel 126 Absatz 9 AEUV mit der Maßgabe in Verzug, bis spätestens 2012 Maßnahmen zur Korrektur des übermäßigen Defizits zu treffen (nachstehend „Beschluss des Rates nach Artikel 126 Absatz 9“ genannt). Der Rat setzte auch den 15. Mai 2010 als Frist zur Ergreifung wirksamer Maßnahmen fest.

(4)

Wurden in Einklang mit Artikel 126 Absatz 9 AEUV wirksame Maßnahmen ergriffen und treten nach der Inverzugsetzung unerwartete nachteilige wirtschaftliche Ereignisse mit sehr ungünstigen Auswirkungen auf die öffentlichen Finanzen ein, kann der Rat gemäß Artikel 5 Absatz 2 der Verordnung (EG) Nr. 1467/97 auf Empfehlung der Kommission eine geänderte Inverzugsetzung nach Artikel 126 Absatz 9 AEUV aussprechen.

(5)

Laut Herbstprognose 2009 der Kommissionsdienststellen, die die Grundlage für die erste Inverzugsetzung Griechenlands bildete, sollte das BIP im Jahr 2010 um ¼ % zurückgehen und sich ab 2011 im Zuge eines vorausgesagten Wirtschaftswachstums von 0,7 % wieder erholen. Für 2010 wird nunmehr ein drastischer Einbruch des realen BIP erwartet, gefolgt von einem weiteren Rückgang im Jahr 2011. Danach wird mit einem allmählichen Wiedereinsetzen des Wachstums gerechnet. Diese merkliche Verschlechterung des ökonomischen Szenarios zieht bei unveränderter Politik eine entsprechende Verschlechterung der Perspektiven für die öffentlichen Finanzen nach sich. Hinzu kommt, dass das gesamtstaatliche Defizit 2009 (das zum Zeitpunkt des Beschlusses des Rates gemäß Artikel 126 Absatz 9 auf 12,7 % des BIP geschätzt worden war und nach der Datenmeldung Griechenlands vom 1. April 2010 auf 13,6 % des BIP) nach oben korrigiert wurde und die Gefahr besteht, dass eine weitere Aufwärtskorrektur (in einer Größenordnung von 0,3 bis 0,5 % des BIP) vorgenommen werden muss, wenn Eurostat seine derzeitige Überprüfung bei den griechischen Statistikbehörden abgeschlossen hat (2). Schließlich haben sich Bedenken des Marktes hinsichtlich der Entwicklung der öffentlichen Finanzen in einem steilen Anstieg der Risikoprämien für staatliche Schuldtitel niedergeschlagen, womit es noch schwieriger wird, die Entwicklung des staatlichen Defizits und der öffentlichen Schulden unter Kontrolle zu halten. Die Kommission gelangte in einer vorläufigen Bewertung im März 2010 zu dem Schluss, dass Griechenland die haushaltspolitischen Maßnahmen zur Erreichung des geplanten Defizitsziels 2010 den Vorgaben entsprechend durchführt. Angesichts der abrupten Veränderung des ökonomischen Szenarios sind diese Pläne jedoch nicht mehr als ausreichend zu betrachten. Die unmittelbare Bedrohung der Zahlungsfähigkeit des griechischen Staates erfordert noch drastischere Maßnahmen im laufenden Jahr. Gleichzeitig macht der nunmehr zu erwartende massive Wirtschaftseinbruch die Einhaltung des ursprünglich ins Auge gefassten Defizitrückführungspfads unmöglich. Unerwartete nachteilige wirtschaftliche Ereignisse mit sehr ungünstigen Auswirkungen auf die öffentlichen Finanzen können im Falle Griechenlands als gegeben angesehen werden, so dass eine Änderung der Empfehlungen nach Artikel 136 und Artikel 126 Absatz 9 AEUV gerechtfertigt ist.

(6)

Angesichts dieser Erwägungen scheint es angezeigt, die in dem Beschluss des Rates nach Artikel 126 Absatz 9 für die Korrektur des übermäßigen Defizits in Griechenland gesetzte Frist um zwei Jahre, d.h. bis 2014 zu verlängern.

(7)

Der öffentliche Bruttoschuldenstand lag Ende 2009 bei 115,1 % des BIP. Diese Schuldenquote zählt zu den höchsten in der EU und liegt erheblich über dem im Vertrag vorgesehenen Referenzwert von 60 % des BIP. Darüber hinaus besteht die Gefahr, dass die Schuldenquote infolge der laufenden statistischen Untersuchungen weiter (um 5 bis 7 Prozentpunkte) nach oben korrigiert werden muss. Um den Defizitrückführungspfad, der als erforderlich und unter den gegebenen Umständen als realistisch anzusehen ist, einhalten zu können, müsste sich der Anstieg der Schuldenquote ab 2014 ins Gegenteil verkehren. Zusätzlich zu den anhaltend hohen staatlichen Defiziten haben „Below-the-line“-Transaktionen erheblich zur Erhöhung des Schuldenstands beigetragen. Dadurch wurde das Vertrauen der Märkte in die Fähigkeit der griechischen Regierung geschwächt, weitere Schulden bedienen zu können. Griechenland muss dringendst einschneidende Maßnahmen in nie dagewesenem Umfang ergreifen, um das Defizit zu beheben und die anderen schuldenstandserhöhenden Faktoren in den Griff zu bekommen, mit dem Ziel, die Schuldenquote wieder abzubauen und schnellstmöglich eine Rückkehr zur Marktfinanzierung zu ermöglichen.

(8)

Die außerordentlich gravierende Verschlechterung der Finanzlage der griechischen Regierung hat die Mitgliedstaaten des Euroraums veranlasst, mit Blick auf die Sicherung der finanziellen Stabilität im gesamten Euroraum die Gewährung einer Stabilitätshilfe für Griechenland — kombiniert mit einer multilateralen Unterstützung durch den Internationalen Währungsfonds — zu beschließen. Die von den Mitgliedstaaten des Euroraums gewährte Hilfe wird in Form von bilateralen Darlehen unter Koordinierung der Kommission zusammengeführt. Die Darlehensgeber haben beschlossen, die Gewährung der Hilfe daran zu knüpfen, dass Griechenland die in diesem Beschluss festgelegten Bedingungen einhält. Insbesondere wird von Griechenland erwartet, dass es die in diesem Beschluss genannten Maßnahmen nach dem vorgegebenen Zeitplan durchführt —

HAT FOLGENDEN BESCHLUSS ERLASSEN:

Artikel 1

(1)   Griechenland beendet das derzeitige übermäßige Defizit so rasch wie möglich, spätestens aber im Jahr 2014.

(2)   Mit dem Anpassungspfad zur Korrektur des übermäßigen Defizits soll erreicht werden, dass das gesamtstaatliche Defizit folgende Werte nicht überschreitet: 18 508 Mio. EUR (8 % des BIP) im Jahr 2010, 17 065 Mio. EUR (7,6 % des BIP) im Jahr 2011, 14 916 Mio. EUR (6,5 % des BIP) im Jahr 2012, 11 399 Mio. EUR (4,9 % des BIP) im Jahr 2013 und 6 385 Mio. EUR (2,6 % des BIP) im Jahr 2014. Zur Erreichung dieses Ziels wird sich der strukturelle Saldo im Zeitraum 2009-2014 um mindestens 10 % des BIP verbessern müssen.

(3)   Der in Absatz 2 genannte Anpassungspfad setzt voraus, dass die jährliche Veränderung des konsolidierten gesamtstaatlichen Bruttoschuldenstands folgende Beträge nicht übersteigt: 34 058 Mio. EUR im Jahr 2010, 17 365 Mio. EUR im Jahr 2011, 15 016 Mio. EUR im Jahr 2012, 11 599 Mio. EUR im Jahr 2013, 7 885 Mio. EUR im Jahr 2014. Bei Zugrundelegung der aktuellen BIP-Projektionen würde der entsprechende Pfad für die Entwicklung der Schuldenquote wie folgt verlaufen: 133,2 % im Jahr 2010, 145,2 % im Jahr 2011, 148,8 % im Jahr 2012, 149,6 % im Jahr 2013 und 148,4 % im Jahr 2014.

Artikel 2

(1)   Griechenland trifft bis Ende Juni 2010 folgende Maßnahmen:

a)

Erlass eines Gesetzes zur Einführung eines progressiven Steuertarifs für alle Einkommensarten und horizontale Vereinheitlichung der Besteuerung von Arbeits- und Kapitaleinkünften;

b)

Erlass eines Gesetzes zur Aufhebung sämtlicher Steuerbefreiungen und autonomer Steuerregelungen, auch für Einkünfte aus Sonderzulagen für Beamte;

c)

Streichung der für unvorhergesehene Ausgaben zurückgestellten Haushaltsmittel mit dem Ziel einer Einsparung von 700 Mio. EUR;

d)

Streichung des größten Teils der für die Solidaritätsbeihilfe vorgesehenen Haushaltsmittel (mit Ausnahme eines für Armutslinderung bestimmten Teils) mit dem Ziel einer Einsparung von 400 Mio. EUR;

e)

Kürzung der höchsten Pensionen mit dem Ziel einer Einsparung von 500 Mio. EUR jährlich (350 Mio. EUR für den Rest des Jahres 2010);

f)

Kürzung des Oster-, Urlaubs- und Weihnachtsgelds für Beamte mit dem Ziel einer Einsparung von 1 500 Mio. EUR jährlich (1 100 Mio. EUR für den Rest des Jahres 2010);

g)

Abschaffung des Oster-, Urlaubs- und Weihnachtsgelds für Rentner — bei gleichzeitigem Schutz der Bezieher niedriger Renten — mit dem Ziel einer Einsparung von 1 900 Mio. EUR jährlich (1 500 Mio. EUR für den Rest des Jahres 2010);

h)

Erhöhung der Mehrwertsteuer zur Erzielung von Einnahmen in Höhe von mindestens 1 800 Mio. EUR jährlich (800 Mio. EUR für den Rest des Jahres 2010);

i)

Erhöhung der Verbrauchsteuern auf Kraftstoffe, Tabak und Alkohol zur Erzielung von Einnahmen in Höhe von mindestens 1 050 Mio. EUR jährlich (450 Mio. EUR für den Rest des Jahres 2010);

j)

Erlass gesetzlicher Vorschriften zur Umsetzung der Dienstleistungsrichtlinie (3);

k)

Erlass eines Gesetzes zur Reform und Vereinfachung der öffentlichen Verwaltung auf kommunaler Ebene mit dem Ziel einer Reduzierung der Betriebskosten;

l)

Einsetzung einer Taskforce mit dem Auftrag, für eine stärkere Inanspruchnahme der Struktur- und Kohäsionsfondsmittel Sorge zu tragen;

m)

Erlass eines Gesetzes zur Erleichterung von Unternehmensgründungen;

n)

Kürzung der öffentlichen Investitionen gegenüber der ursprünglichen Planung um 500 Mio. EUR;

o)

Übertragung der Haushaltsmittel für die Kofinanzierung von Struktur- und Kohäsionsfondsprojekten auf ein zentrales Sonderkonto, das nicht für andere Zwecke in Anspruch genommen werden kann;

p)

Errichtung eines unabhängigen Fonds für finanzielle Stabilität zur Regelung möglicher Kapitalausfälle und zur Erhaltung der Solidität des Finanzsektors, im Bedarfsfall durch Bereitstellung von Eigenkapital für Banken;

q)

Verstärkte Bankenaufsicht mit erhöhten personellen Ressourcen, häufigerer Berichterstattung und vierteljährlichen Stresstests.

(2)   Griechenland trifft bis Ende September 2010 folgende Maßnahmen:

a)

Aufnahme in den Haushaltsentwurf 2011 von Haushaltskonsolidierungsmaßnahmen im Umfang von mindestens 3 % des BIP (4,1 % des BIP, falls Mittelübertragungen aus Vorjahresmaßnahmen geplant sind). Der Haushaltsplan hat insbesondere folgende Maßnahmen (oder — unter außergewöhnlichen Umständen — Maßnahmen, die vergleichbare Einsparungen bringen) vorzusehen: Verringerung der Vorleistungen des Gesamtstaates um mindestens 300 Mio. EUR gegenüber dem Stand von 2010 (zusätzlich zu den Einsparungen durch die in diesem Absatz erwähnte Reform der öffentlichen Verwaltung und der lokalen Gebietskörperschaften); Einfrieren des Rentenindex (mit dem Ziel einer Einsparung von 100 Mio. EUR); Einführung einer befristeten Krisenabgabe für hochprofitable Unternehmen (die in den Jahren 2011, 2012 und 2013 zusätzliche jährliche Einnahmen in Höhe von mindestens 600 Mio. EUR bringen soll); Steuervorauszahlungen für Selbständige (die im Jahr 2011 Einnahmen in Höhe von mindestens 400 Mio. EUR und in den Jahren 2012 und 2013 noch höhere Einnahmen bringen sollen); Verbreiterung der Mehrwertsteuerbasis durch Einbeziehung bestimmter derzeit mehrwertsteuerbefreiter Dienstleistungen sowie durch die künftige Anwendung des vollen Mehrwertsteuersatzes auf 30 % der Waren und Dienstleistungen, für die bislang der ermäßigte Mehrwertsteuersatz gilt (womit Einnahmen in Höhe von 1 Mrd. EUR erzielt werden sollen); schrittweise Einführung einer Ökosteuer auf CO2-Emissionen (die Einnahmen in Höhe von mindestens 300 Mio. EUR im Jahr 2011 bringen soll); Erlass von Rechtsvorschriften durch die griechische Regierung zur Reform der öffentlichen Verwaltung und Neuordnung der lokalen Gebietskörperschaften (mit dem Ziel einer Kostensenkung um mindestens 500 Mio. EUR im Jahr 2011 und jeweils weitere 500 Mio. EUR in den Jahren 2012 und 2013); Abbau von inlandsfinanzierten Investitionen (um mindestens 1 Mrd. EUR) durch Priorisierung von Investitionsprojekten, die aus den EU-Strukturfonds finanziert werden; Setzen von Anreizen zur Regularisierung bei Verstößen gegen Flächennutzungspläne (was in den Jahren 2011 bis 2013 Einnahmen in Höhe von mindestens 1 500 Mio. EUR, davon mindestens 500 Mio. EUR im Jahr 2011, bringen soll); Erzielung von Einnahmen aus der Vergabe von Glücksspiellizenzen (mindestens 500 Mio. EUR aus dem Verkauf von Lizenzen und 200 Mio. EUR aus Lizenzgebühren); Verbreiterung der Bemessungsgrundlage für die Immobiliensteuer durch Neuberechnung der aktuellen Vermögenswerte (was zusätzliche Einnahmen in Höhe von mindestens 500 Mio. EUR bringen soll); höhere Besteuerung von Sachleistungen, unter anderem Besteuerung von Kfz-Leasingzahlungen (im Umfang von mindestens 150 Mio. EUR); höhere Besteuerung von Luxusgütern (im Umfang von mindestens 100 Mio. EUR), Erhebung einer Sondersteuer auf nicht genehmigte Gebäude (was Einnahmen von mindestens 800 Mio. EUR pro Jahr bringen soll); Ersetzung von lediglich 20 % der in den Ruhestand tretenden Bediensteten des öffentlichen Sektors (Zentralregierung, Kommunen, öffentliche Unternehmen, lokale Gebietskörperschaften, staatliche Agenturen und sonstige öffentliche Einrichtungen);

b)

Erlass eines Gesetzes zur Reformierung des Rentensystems und zur Gewährleistung seiner mittel- und langfristigen Tragfähigkeit. Mit dem Gesetz eingeführt werden sollten insbesondere ein einheitliches gesetzliches Renteneintrittsalter von 65 Jahren (auch für Frauen); eine Verschmelzung der bestehenden Rentenfonds zu drei Fonds sowie ein einheitliches neues Rentensystem für alle derzeitigen und künftigen Beschäftigten (anwendbar ab 1. Januar 2013); eine Herabsetzung der Rentenobergrenze; eine schrittweise Erhöhung der Mindestbeitragszeiten für den Bezug einer vollen Rente von 37 auf 40 Jahre (bis 2015); die Einführung eines Mindestrentenalters von 60 Jahren bis zum 1. Januar 2011 (auch für Personen, die schwere und anstrengende Tätigkeiten ausüben, sowie für Beschäftigte mit 40 Beitragsjahren); die Abschaffung der Sondervorschriften für bereits vor 1993 versicherte Personen (bei Aufrechterhaltung bereits erworbener Ansprüche); eine deutliche Verkürzung der Liste der schweren und anstrengenden Berufe; eine Kürzung der Rentenleistungen (um jährlich 6 %) für Personen, die bei Eintritt in den Ruhestand zwischen 60 und 65 Jahre alt sind und deren Beitragszeiten unter 40 Jahren liegen; die Schaffung eines automatischen Anpassungsmechanismus, der eine Anpassung des Rentenalters an den Anstieg der Lebenserwartung vorsieht (ab 2020); die Einführung eines bedarfsorientierten garantierten Mindesteinkommens für ältere Menschen, die das gesetzliche Rentenalter erreicht haben; die Einführung strengerer Vorschriften für den Bezug einer Invalidenrente und eine regelmäßige Prüfung der Anspruchsvoraussetzungen; eine Änderung der Rentenformel im beitragsbasierten System zur stärkeren Koppelung der Rentenleistungen an die Beitragszahlungen (wobei die Zuwachsrate auf jährlich durchschnittlich 1,2 % zu begrenzen ist) und eine Ausweitung der Grundlage für die Berechnung des rentenfähigen Einkommens auf das gesamte Lebenseinkommen (bei Aufrechterhaltung bereits erworbener Ansprüche). Mit der Durchführung dieses Gesetzes dürfte der projizierte Anstieg der Rentenausgaben im Verhältnis zum BIP in den kommenden Jahrzehnten unter den Durchschnittswert im Euroraum abgesenkt und der Anstieg der Rentenausgaben des öffentlichen Sektors im Zeitraum 2010-2060 auf weniger als 2,5 % des BIP begrenzt werden;

c)

Stärkung von Rolle und Ressourcen des Obersten Rechnungshofs und Treffen von Vorkehrungen, um eine etwaige politische Einflussnahme auf Datenprojektionen und Rechnungswesen zu verhindern;

d)

Ausarbeitung eines Reformentwurfs für eine Lohngesetzgebung für den öffentlichen Sektor, insbesondere Einrichtung einer Zentralen Zahlungsstelle für die Auszahlung der Löhne, Festlegung einheitlicher Grundsätze und eines einheitlichen Zeitplans für die Schaffung einer rationalisierten, einheitlichen Tarifordnung für staatlichen Sektor, kommunale Behörden und sonstige öffentliche Stellen;

e)

Erlass von Rechtsvorschriften zur Erhöhung der Effizienz von Steuerverwaltung und Steuerkontrollen;

f)

Einführung einer unabhängigen Prüfung der öffentlichen Verwaltung und bestehender Sozialprogramme;

g)

Veröffentlichung monatlicher Statistiken (auf Kassenbasis) über Einnahmen, Ausgaben, Finanzierungen und Zahlungsrückstände für den Sektor Staat und dessen Teilsektoren;

h)

Ausarbeitung eines Aktionsplans zur Verbesserung der Erhebung und Verarbeitung gesamtstaatlicher Daten, insbesondere durch Stärkung der Kontrollmechanismen der Statistikbehörden und des Obersten Rechnungshofs sowie durch Gewährleistung einer effektiven persönlichen Haftung bei fehlerhaften Angaben, mit dem Ziel, die umgehende Bereitstellung gesamtstaatlicher Daten hoher Qualität gemäß den Verordnungen (EG) Nr. 2223/96 (4), (EG) Nr. 264/2000 (5), (EG) Nr. 1221/2002 (6), (EG) Nr. 501/2004 (7), (EG) Nr. 1222/2004 (8), (EG) Nr. 1161/2005 (9), (EG) Nr. 223/2009 (10) und (EG) Nr. 479/2009 (11) sicherzustellen;

i)

regelmäßige Veröffentlichung von Informationen über die Finanzlage öffentlicher Unternehmen und anderer öffentlicher Einrichtungen, die nicht dem Sektor Staat zuzurechnen sind (einschließlich detaillierter Gewinn- und Verlustrechnungen, Bilanzen und Daten zu Beschäftigung und Lohnkosten).

(3)   Griechenland trifft bis Ende Dezember 2010 folgende Maßnahmen:

a)

Erlass der in Absatz 2 Buchstaben a und d genannten Maßnahmen;

b)

Entwurf von Rechtsvorschriften zur Stärkung des finanzpolitischen Rahmens. Dies sollte insbesondere die Festlegung eines mittelfristigen finanzpolitischen Rahmens, die obligatorische Haushaltsrückstellung in Höhe von 10 % der Gesamtmittel für unvorhergesehene Ausgaben, die Schaffung strengerer Ausgabenüberwachungsmechanismen und die Einrichtung einer unabhängigen Finanzagentur, die in finanzpolitischen Fragen berät und sachkundige Prüfungen durchführt, einschließen;

c)

Erlass eines Gesetzes zur Reformierung des Tarifverhandlungssystems im privaten Sektor, das eine Kürzung der Vergütung von Überstunden, eine größere Flexibilität in Bezug auf das Arbeitszeitmanagement sowie die Möglichkeit des Abschlusses regionaler Pakte über unterhalb der bestehenden sektoralen Vereinbarungen liegende Lohnzuwächse vorsehen sollte;

d)

Erlass eines Mindestlohngesetzes, mit dem niedrigere Mindestlöhne für besonders gefährdete Personengruppen wie Jugendliche und Langzeitarbeitslose sowie Maßnahmen eingeführt werden, die gewährleisten, dass die derzeitigen Mindestlöhne für die Dauer von drei Jahren nominal festgeschrieben werden;

e)

Reform der Rechtsvorschriften zum Beschäftigungsschutz mit dem Ziel, bei Neueinstellungen die Probezeit auf ein Jahr zu verlängern, die Gesamthöhe von Abfindungen herabzusetzen und zu gewährleisten, dass für Arbeiter und Angestellte dieselben Abfindungsbedingungen gelten, die Mindestschwelle für die Anwendung der Vorschriften über Massenentlassungen insbesondere für größere Unternehmen anzuheben und den Abschluss befristeter Arbeitsverträge zu erleichtern;

f)

deutliche Erhöhung der Ausschöpfungsquote bei den Struktur- und Kohäsionsfondsmitteln;

g)

Einführung eines neuen Systems im Bereich des Arzneimittel-Managements zur Förderung des Einsatzes von Generika;

h)

Einführung eines einheitlichen öffentlichen Vergabesystems mit einer zentralen Vergabebehörde, die insbesondere robuste Ausschreibungsverfahren sowie Ex-ante- und Ex-post-Kontrollen gewährleistet;

i)

Erlass von Rechtsvorschriften zur Vereinfachung und Beschleunigung des Verfahrens der Zulassung von Unternehmen, gewerblichen Tätigkeiten und Berufen;

j)

Änderung des institutionellen Rahmens der griechischen Wettbewerbsbehörde (HCC) mit dem Ziel, deren Unabhängigkeit zu erhöhen, angemessene Fristen für Untersuchungen und für die Bekanntgabe von Entscheidungen festzulegen und der Behörde die Befugnis zu übertragen, Beschwerden abzuweisen;

k)

bessere Verwaltung des öffentlichen Vermögens mit dem Ziel, im Zeitraum 2011-2013 Einnahmen in Höhe von jährlich mindestens 1 Mrd. EUR zu erzielen;

l)

Maßnahmen, die auf die Beseitigung bestehender Beschränkungen der Dienstleistungsfreiheit abzielen.

(4)   Griechenland trifft bis Ende März 2011 folgende Maßnahmen:

a)

Erlass der in Absatz 3 Buchstabe b genannten Maßnahmen.

(5)   Griechenland trifft bis Ende Juni 2011 folgende Maßnahmen:

a)

Straffung und Vereinheitlichung der Tarifstruktur im öffentlichen Sektor für die Anwendung auf staatlichen Sektor, Kommunalbehörden und sonstige Stellen, wobei sich die Vergütung an der Produktivität und den Aufgaben orientieren sollte;

b)

Maßnahmen zur Umsetzung der Erkenntnisse aus der externen und unabhängigen funktionalen Überprüfung der öffentlichen Verwaltung;

c)

Stärkung der Arbeitsaufsicht, wobei eine Ausstattung mit dem erforderlichen qualifizierten Personal sowie quantitative Zielvorgaben bezüglich der Zahl der durchzuführenden Kontrollen vorzusehen sind.

(6)   Griechenland trifft bis Ende September 2011 folgende Maßnahmen:

a)

Aufnahme in den Haushaltsentwurf 2012 von Haushaltskonsolidierungsmaßnahmen im Umfang von mindestens 2,2 % des BIP. Der Haushaltsplan hat insbesondere folgende Maßnahmen (oder — unter außergewöhnlichen Umständen — Maßnahmen, die vergleichbare Einsparungen bringen) vorzusehen: zusätzliche Erweiterung der Mehrwertsteuerbasis durch Anwendung des vollen Mehrwertsteuersatzes auf Waren und Dienstleistungen, für die bislang der ermäßigte Mehrwertsteuersatz gilt (zur Erzielung zusätzlicher Einnahmen von mindestens 300 Mio. EUR); weiterer Abbau der Beschäftigung im öffentlichen Dienst — über die Formel „eine Neueinstellung auf fünf Verrentungen im öffentlichen Sektor“ hinaus — (mit dem Ziel einer Einsparung von mindestens 600 Mio. EUR); Einführung von Verbrauchsteuern auf nichtalkoholische Getränke (in einem Umfang von insgesamt mindestens 300 Mio. EUR); Erweiterung der Bemessungsgrundlage für die Immobiliensteuer durch Neuberechnung der aktuellen Vermögenswerte (zur Erzielung zusätzlicher Einnahmen von mindestens 200 Mio. EUR); Reorganisation der Verwaltung auf substaatlicher Ebene (wodurch Einsparungen in Höhe von mindestens 500 Mio. EUR erzielt werden sollen); Verringerung der Vorleistungen des Gesamtstaates (um mindestens 300 Mio. EUR gegenüber dem Stand von 2011); Einfrieren der nominalen Renten; Steigerung der Effizienz bei der Einziehung von Steuervorauszahlungen bei Selbständigen (mit dem Ziel, Einnahmen in Höhe von mindestens 100 Mio. EUR zu erzielen); Reduzierung der Transfers zugunsten öffentlicher Unternehmen (um mindestens 800 Mio. EUR) nach deren Umstrukturierung; Gewährung der Leistungen bei Arbeitslosigkeit aufgrund einer Bedarfsprüfung (mit dem Ziel einer Einsparung von 500 Mio. EUR); Erzielung weiterer Einnahmen aus der Vergabe von Glücksspiellizenzen (mindestens 225 Mio. EUR aus dem Verkauf von Lizenzen und 400 Mio. EUR aus Lizenzgebühren);

b)

Abbau der steuerlichen Hindernisse für Fusionen und Übernahmen;

c)

Vereinfachung der Zollverfahren bei Exporten und Importen;

d)

weitere Erhöhung der Ausschöpfungsquote bei den Struktur- und Kohäsionsfondsmitteln;

e)

vollständige Umsetzung der Agenda für bessere Rechtsetzung mit dem Ziel einer Reduzierung des Verwaltungsaufwands um 20 % (gegenüber dem Jahr 2008).

(7)   Griechenland trifft bis Ende Dezember 2011 folgende Maßnahmen:

a)

Erlass der in Absatz 6 Buchstabe a genannten Maßnahmen;

b)

Stärkung der Durchführungskapazitäten aller Durchführungsbehörden und zwischengeschalteten Stellen bei den operationellen Programmen im Rahmen des nationalen strategischen Referenzrahmens 2007-2013 und Zertifizierung nach ISO 9001:2008 (Qualitätsmanagement).

Artikel 3

Griechenland arbeitet uneingeschränkt mit der Kommission zusammen und übermittelt dieser auf begründete Anforderung unverzüglich sämtliche Daten oder Unterlagen, die benötigt werden, um die Einhaltung dieses Beschlusses zu überwachen.

Artikel 4

(1)   Griechenland legt dem Rat und der Kommission vierteljährlich einen Bericht vor, in dem die zur Umsetzung dieses Beschlusses getroffenen Maßnahmen dargelegt werden.

(2)   Die Berichte gemäß Absatz 1 sollten ausführliche Angaben zu Folgendem enthalten:

a)

konkrete Maßnahmen, die bis zum Berichtstermin durchgeführt wurden, um diesem Beschluss nachzukommen, einschließlich ihrer quantifizierten Haushaltsauswirkungen;

b)

konkrete Maßnahmen, die nach dem Berichtstermin durchgeführt werden sollen, um diesem Beschluss nachzukommen, Zeitplan für die Umsetzung dieser Maßnahmen und Schätzung ihrer Haushaltsauswirkungen;

c)

monatlicher Vollzug des Staatshaushalts;

d)

Haushaltsvollzug der Sozialversicherung, Kommunen und außerbudgetären Fonds im Jahresverlauf;

e)

Emission und Tilgung von Staatsanleihen;

f)

Entwicklungen bei der unbefristeten und befristeten Beschäftigung im öffentlichen Sektor;

g)

öffentliche Ausgaben vor Auszahlung (aufgelaufene Zahlungsrückstände);

h)

Finanzlage der öffentlichen Unternehmen und anderer öffentlicher Einrichtungen.

(3)   Die Kommission und der Rat analysieren die Berichte, um die Befolgung dieses Beschlusses durch Griechenland zu bewerten. Im Rahmen dieser Bewertungen kann die Kommission Maßnahmen nennen, die erforderlich sind, um den in diesem Beschluss vorgezeichneten Anpassungspfad zur Korrektur des übermäßigen Defizits einzuhalten.

Artikel 5

Dieser Beschluss tritt am Tag seiner Bekanntgabe in Kraft.

Artikel 6

Dieser Beschluss ist an die Hellenische Republik gerichtet.

Geschehen zu Luxemburg am 8. Juni 2010.

Im Namen des Rates

Die Präsidentin

E. SALGADO


(1)  ABl. L 209 vom 2.8.1997, S. 6.

(2)  Eurostat, Pressemitteilung 55/2010 vom 22. April 2010.

(3)  Richtlinie 2006/123/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12. Dezember 2006 über Dienstleistungen im Binnenmarkt (ABl. L 376 vom 27.12.2006, S. 36).

(4)  Verordnung (EG) Nr. 2223/96 des Rates vom 25. Juni 1996 zum Europäischen System Volkswirtschaftlicher Gesamtrechnungen auf nationaler und regionaler Ebene in der Gemeinschaft (ABl. L 310 vom 30.11.1996, S. 1).

(5)  Verordnung (EG) Nr. 264/2000 der Kommission vom 3. Februar 2000 zur Durchführung der Verordnung (EG) Nr. 2223/96 des Rates hinsichtlich der Übermittlung kurzfristiger öffentlicher Finanzstatistiken (ABl. L 29 vom 4.2.2000, S. 4).

(6)  Verordnung (EG) Nr. 1221/2002 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 10. Juni 2002 über die vierteljährlichen Konten des Staates für nichtfinanzielle Transaktionen (ABl. L 179 vom 9.7.2002, S. 1).

(7)  Verordnung (EG) Nr. 501/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 10. März 2004 über die vierteljährlichen Finanzkonten des Staates (ABl. L 81 vom 19.3.2004, S. 1).

(8)  Verordnung (EG) Nr. 1222/2004 des Rates vom 28. Juni 2004 über die Erhebung und Übermittlung von Daten zum vierteljährlichen öffentlichen Schuldenstand (ABl. L 233 vom 2.7.2004, S. 1).

(9)  Verordnung (EG) Nr. 1161/2005 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 6. Juli 2005 über die Erstellung von vierteljährlichen nichtfinanziellen Sektorkonten (ABl. L 191 vom 22.7.2005, S. 22).

(10)  Verordnung (EG) Nr. 223/2009 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. März 2009 über europäische Statistiken und zur Aufhebung der Verordnung (EG, Euratom) Nr. 1101/2008 des Europäischen Parlaments und des Rates über die Übermittlung von unter die Geheimhaltungspflicht fallenden Informationen an das Statistische Amt der Europäischen Gemeinschaften, der Verordnung (EG) Nr. 322/97 des Rates über die Gemeinschaftsstatistiken und des Beschlusses 89/382/EWG, Euratom des Rates zur Einsetzung eines Ausschusses für das Statistische Programm der Europäischen Gemeinschaften (ABl. L 87 vom 31.3.2009, S. 164).

(11)  Verordnung (EG) Nr. 479/2009 des Rates vom 25. Mai 2009 über die Anwendung des dem Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft beigefügten Protokolls über das Verfahren bei einem übermäßigen Defizit (ABl. L 145 vom 10.6.2009, S. 1).