23.8.2012   

DE

Amtsblatt der Europäischen Union

L 228/1


VERORDNUNG (EU, EURATOM) Nr. 741/2012 DES EUROPÄISCHEN PARLAMENTS UND DES RATES

vom 11. August 2012

zur Änderung des Protokolls über die Satzung des Gerichtshofs der Europäischen Union und seines Anhangs I

DAS EUROPÄISCHE PARLAMENT UND DER RAT DER EUROPÄISCHEN UNION —

gestützt auf den Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union, insbesondere auf Artikel 257 Absätze 1 und 2 und Artikel 281 Absatz 2,

gestützt auf den Vertrag zur Gründung der Europäischen Atomgemeinschaft, insbesondere auf Artikel 106a Absatz 1,

auf Antrag des Gerichtshofs,

nach Stellungnahme der Europäischen Kommission,

nach Zuleitung des Entwurfs des Gesetzgebungsakts an die nationalen Parlamente,

gemäß dem ordentlichen Gesetzgebungsverfahren (1),

in Erwägung nachstehender Gründe:

(1)

Zur Verbesserung der Beteiligung aller Richter an den Entscheidungen der Großen Kammer des Gerichtshofs sollte die Zahl der Richter erhöht werden, die an diesem Spruchkörper beteiligt sein können, und die automatische Beteiligung aller Präsidenten der Kammern mit fünf Richtern sollte abgeschafft werden.

(2)

Die für die Beschlussfähigkeit erforderliche Zahl von Richtern in der Großen Kammer und im Plenum sollte entsprechend angepasst werden.

(3)

Die starke Zunahme der Aufgaben des Präsidenten des Gerichtshofs und des Präsidenten des Gerichts erfordert sowohl bei dem Gerichtshof als auch bei dem Gericht die Einrichtung des Amtes eines Vizepräsidenten, der den Präsidenten bei der Wahrnehmung seiner Aufgaben unterstützt.

(4)

Infolge der schrittweisen Ausweitung der Zuständigkeiten des Gerichts seit seiner Errichtung ist die Zahl der Rechtssachen, mit denen es befasst ist, ständig gestiegen.

(5)

Die Zahl der beim Gericht eingehenden Rechtssachen übersteigt die Zahl der von ihm jährlich erledigten Rechtssachen, was eine bedeutende Erhöhung der Zahl der bei ihm anhängigen Rechtssachen und eine Verlängerung der Verfahrensdauer zur Folge hat.

(6)

Es besteht eine fortdauernde Notwendigkeit, etwas gegen Verzögerungen zu unternehmen, die durch die hohe Arbeitsbelastung des Gerichts entstehen; deshalb ist es angebracht, darauf hinzuarbeiten, dass bis zur teilweisen Neubesetzung des Gerichts im Jahr 2013 geeignete Maßnahmen ergriffen werden.

(7)

Im Hinblick auf die teilweise Neubesetzung des Gerichtshofs am 7. Oktober 2012 und im Einklang mit dem Schreiben des Präsidenten des Gerichtshofs der Europäischen Union vom 8. Mai 2012 sollten in einem ersten Schritt nur Änderungen der Satzung, die die Organisation des Gerichtshofs und des Gerichts betreffen, erlassen werden. Die Prüfung des Teils des Antrags des Gerichtshofs, der die Besetzung des Gerichts betrifft, sollte später erfolgen.

(8)

Die das Gericht für den öffentlichen Dienst betreffenden Änderungen sollten im Hinblick auf die Dringlichkeit einer Lösung, die die Gewähr für seinen ordnungsgemäßen Arbeitsablauf bietet, zusammen mit den Änderungen, die den Gerichtshof betreffen, erlassen werden.

(9)

Damit die Fachgerichte zufriedenstellend weiterarbeiten können, wenn ein Richter fehlt, der, ohne dass er als voll dienstunfähig anzusehen ist, dauerhaft daran gehindert ist, an der Erledigung der Rechtssachen teilzunehmen, ist die Möglichkeit vorzusehen, diesen Gerichten Richter ad interim beizuordnen.

(10)

Das Protokoll (Nr. 3) über die Satzung des Gerichtshofs der Europäischen Union und sein Anhang I sollten daher entsprechend geändert werden —

HABEN FOLGENDE VERORDNUNG ERLASSEN:

Artikel 1

Das Protokoll (Nr. 3) über die Satzung des Gerichtshofs der Europäischen Union wird wie folgt geändert:

1.

Folgender Artikel wird eingefügt:

„Artikel 9a

Die Richter wählen aus ihrer Mitte den Präsidenten und den Vizepräsidenten des Gerichtshofs für die Dauer von drei Jahren. Die Wiederwahl ist zulässig.

Der Vizepräsident unterstützt den Präsidenten nach Maßgabe der Verfahrensordnung. Er vertritt den Präsidenten, wenn dieser verhindert oder sein Amt unbesetzt ist.“

2.

Artikel 16 Absatz 2 erhält folgende Fassung:

„Die Große Kammer ist mit fünfzehn Richtern besetzt. Den Vorsitz führt der Präsident des Gerichtshofs. Der Großen Kammer gehören außerdem der Vizepräsident des Gerichtshofs sowie nach Maßgabe der Verfahrensordnung drei der Präsidenten der Kammern mit fünf Richtern und weitere Richter an.“

3.

Artikel 17 Absätze 3 und 4 erhält folgende Fassung:

„Die Entscheidungen der Großen Kammer sind nur dann gültig, wenn elf Richter anwesend sind.

Die vom Plenum getroffenen Entscheidungen des Gerichtshofs sind nur dann gültig, wenn siebzehn Richter anwesend sind.“

4.

Artikel 20 Absatz 4 erhält folgende Fassung:

„Das mündliche Verfahren umfasst die Anhörung der Bevollmächtigten, Beistände und Anwälte und der Schlussanträge des Generalanwalts durch den Gerichtshof sowie gegebenenfalls die Vernehmung von Zeugen und Sachverständigen.“

5.

Artikel 39 Absatz 2 wird durch folgende zwei Absätze ersetzt:

„Die in Absatz 1 genannten Befugnisse können nach Maßgabe der Verfahrensordnung vom Vizepräsidenten des Gerichtshofs ausgeübt werden.

Bei Verhinderung des Präsidenten und des Vizepräsidenten werden diese durch einen anderen Richter nach Maßgabe der Verfahrensordnung vertreten.“

6.

Artikel 47 Absatz 1 erhält folgende Fassung:

„Artikel 9 Absatz 1, Artikel 9a, Artikel 14 und 15, Artikel 17 Absätze 1, 2, 4 und 5 sowie Artikel 18 finden auf das Gericht und dessen Mitglieder Anwendung.“

7.

Artikel 62c wird folgender Absatz angefügt:

„Das Europäische Parlament und der Rat können gemäß dem in Artikel 257 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union bezeichneten Verfahren den Fachgerichten Richter ad interim beiordnen, um das Fehlen von Richtern auszugleichen, die, ohne dass sie als voll dienstunfähig anzusehen sind, dauerhaft daran gehindert sind, an der Erledigung der Rechtssachen teilzunehmen. In diesem Fall legen das Europäische Parlament und der Rat die Voraussetzungen, unter denen die Richter ad interim ernannt werden, deren Rechte und Pflichten, die Einzelheiten ihrer Amtsausübung und die Umstände fest, unter denen das Amt endet.“

Artikel 2

In Anhang I des Protokolls (Nr. 3) über die Satzung des Gerichtshofs der Europäischen Union wird Artikel 2, dessen derzeitiger Wortlaut zu Absatz 1 wird, folgender Absatz angefügt:

„(2)   Den in Absatz 1 Unterabsatz 1 genannten Richtern werden Richter ad interim beigeordnet, um das Fehlen von Richtern auszugleichen, die, ohne dass sie als voll dienstunfähig anzusehen sind, dauerhaft daran gehindert sind, an der Erledigung der Rechtssachen teilzunehmen.“

Artikel 3

Diese Verordnung tritt am ersten Tag des Monats nach ihrer Veröffentlichung im Amtsblatt der Europäischen Union in Kraft.

Artikel 1 Nummern 1, 2, 3 5 und 6 gelten ab der nächsten teilweisen Neubesetzung der Richterstellen im Sinne des Artikels 9 Absatz 1 des Protokolls (Nr. 3) über die Satzung des Gerichtshofs der Europäischen Union.

Diese Verordnung ist in allen ihren Teilen verbindlich und gilt unmittelbar in jedem Mitgliedstaat.

Geschehen zu Brüssel am 11. August 2012.

Im Namen des Europäischen Parlaments

Der Präsident

M. SCHULZ

Im Namen des Rates

Der Präsident

A. D. MAVROYIANNIS


(1)  Standpunkt des Europäischen Parlaments vom 5. Juli 2012 (noch nicht im Amtsblatt veröffentlicht) und Beschluss des Rates vom 24. Juli 2012.