1.5.2009   

DE

Amtsblatt der Europäischen Union

L 110/48


ENTSCHEIDUNG DER KOMMISSION

vom 30. April 2009

zur Ergänzung der technischen Anforderungen für die Charakterisierung der Abfälle gemäß der Richtlinie 2006/21/EG des Europäischen Parlaments und des Rates über die Bewirtschaftung von Abfällen aus der mineralgewinnenden Industrie

(Bekannt gegeben unter Aktenzeichen K(2009) 3013)

(2009/360/EG)

DIE KOMMISSION DER EUROPÄISCHEN GEMEINSCHAFTEN —

gestützt auf den Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft,

gestützt auf die Richtlinie 2006/21/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 15. März 2006 über die Bewirtschaftung von Abfällen aus der mineralgewinnenden Industrie und zur Änderung der Richtlinie 2004/35/EG (1), insbesondere auf Artikel 22 Absatz 1 Buchstabe e,

in Erwägung nachstehender Gründe:

(1)

Gemäß der Richtlinie 2006/21/EG sind Abfälle im Rahmen des Abfallbewirtschaftungsplans, der von den Betreibern von mineralgewinnenden Betrieben erstellt und von der zuständigen Behörde gebilligt werden muss, zu charakterisieren. Anhang II der Richtlinie enthält eine Liste der Aspekte, die bei der Abfallcharakterisierung zu berücksichtigen sind.

(2)

Die Charakterisierung mineralischer Abfälle dient der Erhebung relevanter Informationen über die zu bewirtschaftenden Abfälle mit dem Ziel, die Eigenschaften, das Verhalten und die Beschaffenheit dieser Abfälle beurteilen und überwachen zu können, um auf diese Weise sicherzustellen, dass die Abfallbewirtschaftung langfristig gesehen unter umweltverträglichen Bedingungen erfolgt. Die Charakterisierung mineralischer Abfälle sollte auch die Festlegung von Optionen zur Bewirtschaftung dieser Abfälle und — im Interesse des Schutzes der menschlichen Gesundheit und der Umwelt — von entsprechenden Schutzmaßnahmen erleichtern.

(3)

Die für die Charakterisierung mineralischer Abfälle erforderlichen Informationen und Daten sollten auf Basis vorhandener relevanter und angemessener Informationen oder erforderlichenfalls durch Probenahmen und Untersuchungen erhoben werden. Es sollte sichergestellt werden, dass die Informationen und Daten für die Abfallcharakterisierung angemessen, von hinreichender Qualität und für die betreffenden Abfälle repräsentativ sind. Diese Informationen sollten zur Zufriedenheit der zuständigen Behörde im Abfallbewirtschaftungsplan glaubhaft begründet sein.

(4)

Die Detailgenauigkeit der zu erhebenden Informationen und die entsprechenden Probenahmen und Untersuchungen sollten von der Art der Abfälle, den potenziellen Umweltrisiken und der vorgesehenen Abfallentsorgungseinrichtung abhängen. Aus technischer Sicht sollte im Interesse einer angemessenen Abfallcharakterisierung ein iterativer Ansatz möglich sein.

(5)

Unter technischen Gesichtspunkten empfiehlt es sich, Abfälle, die nach den Kriterien der Entscheidung 2009/359/EG der Kommission (2) als Inertabfälle gelten, von bestimmten Teilen der geochemischen Untersuchungen auszunehmen.

(6)

Die in dieser Entscheidung vorgesehenen Maßnahmen entsprechen der Stellungnahme des gemäß Artikel 18 der Richtlinie 2006/12/EG des Europäischen Parlaments und des Rates (3) eingesetzten Ausschusses —

HAT FOLGENDE ENTSCHEIDUNG ERLASSEN:

Artikel 1

Charakterisierung von Abfällen

(1)   Die Mitgliedstaaten tragen dafür Sorge, dass die von den Betreibern mineralgewinnender Betriebe vorzunehmende Abfallcharakterisierung den Anforderungen dieser Entscheidung genügt.

(2)   Die Abfallcharakterisierung umfasst die folgenden Informationskategorien, die im Anhang genauer erläutert sind:

a)

Hintergrundinformationen;

b)

geologischer Hintergrund der abzubauenden Lagerstätte;

c)

Art des Abfalls und seine vorgesehene Behandlung;

d)

geotechnisches Verhalten des Abfalls;

e)

geochemische Eigenschaften und geochemisches Verhalten des Abfalls.

(3)   Das geochemische Verhalten des Abfalls wird nach den Kriterien für die Bestimmung des Begriffs „Inertabfälle“ gemäß der Entscheidung 2009/359/EG beurteilt. Werden Abfälle auf Basis dieser Kriterien als „Inertabfälle“ eingestuft, so sind sie nur dem für sie maßgeblichen Teil der geochemischen Untersuchung gemäß Nummer 5 des Anhangs zu unterziehen.

Artikel 2

Erhebung und Auswertung von Informationen

(1)   Die für die Abfallcharakterisierung erforderlichen Informationen und Daten werden in der in den Absätzen 2 bis 5 vorgegebenen Reihenfolge erhoben.

(2)   Dabei sind bereits durchgeführte Untersuchungen und Studien einschließlich vorhandener Genehmigungen, geologische Erhebungen, Daten über ähnliche Standorte, Listen von Inertabfällen, zweckdienliche Zertifizierungsregelungen, europäische oder nationale Normen für ähnliches Material zu berücksichtigen, die die technischen Anforderungen des Anhangs erfüllen.

(3)   Alle Informationen sind auf Qualität und Repräsentativität zu prüfen, und es ist festzustellen, ob möglicherweise Informationen fehlen.

(4)   Fehlen Informationen, die für die Charakterisierung der Abfälle erforderlich sind, so ist nach der Norm EN 14899 ein Probenahmeplan aufzustellen und es sind Proben zu ziehen. Die Probenahmepläne beruhen auf den als notwendig erachteten Informationen wie

a)

Zweck der Datenerhebung,

b)

Untersuchungsprogramm und Probenahmeanforderungen,

c)

Probenahmemöglichkeiten wie Probenahme von Bohrkernen, Schurfwänden, Förderbändern, Halden, Absetzteichen oder anderen maßgeblichen Stellen,

d)

Verfahren und Empfehlungen für Anzahl, Größe, Masse, Beschreibung und Behandlung der Proben.

Stichhaltigkeit und Aussagekräftigkeit der Ergebnisse der Probenanalyse sind zu bewerten.

(5)   Die Ergebnisse des Charakterisierungsprozesses sind auszuwerten. Erforderlichenfalls sind nach derselben Methode zusätzliche Informationen zu erheben. Das Endergebnis ist im Abfallbewirtschaftungsplan zu berücksichtigen.

Artikel 3

Diese Entscheidung ist an die Mitgliedstaaten gerichtet.

Brüssel, den 30. April 2009

Für die Kommission

Stavros DIMAS

Mitglied der Kommission


(1)  ABl. L 102 vom 11.4.2006, S. 15.

(2)  Siehe Seite 46 dieses Amtsblatts.

(3)  ABl. L 114 vom 27.4.2006, S. 9.


ANHANG

TECHNISCHE ANFORDERUNGEN AN DIE CHARAKTERISIERUNG DER ABFÄLLE

1.   Hintergrundinformationen

Allgemeiner Hintergrund und Ziele der Mineralgewinnung — Überblick und Grundverständnis

Erhebung allgemeiner Informationen über

Aufsuchen, Gewinnen oder Aufbereiten;

Art und Beschreibung der Gewinnungsmethode und des angewandten Verfahrens;

Art des angestrebten Produkts.

2.   Geologischer Hintergrund der abzubauenden Lagerstätte

Identifizierung der bei Gewinnung und Aufbereitung freigelegten Abfalleinheiten durch Bereitstellung folgender Informationen:

Art des Nebengesteins, seiner chemischen und mineralogischen Eigenschaften, einschließlich hydrothermaler Alteration von mineralhaltigem und taubem Gestein;

Art der Lagerstätte, einschließlich mineralisierte Gesteine und Nebengesteine;

Typologie der Mineralisation und ihre chemischen und mineralogischen Eigenschaften, einschließlich physikalischer Eigenschaften wie Dichte, Porosität, Korngrößenverteilung und Wassergehalt, bezogen auf abgebaute Minerale, Gangminerale, hydrothermale neu gebildete Minerale;

Größe und Geometrie der Lagerstätte;

Verwitterung und supergene Alteration unter chemischen und mineralogischen Gesichtspunkten.

3.   Die Abfälle und ihre vorgesehene Behandlung

Beschreibung der Abfallarten, die beim Aufsuchen, Gewinnen und Aufbereiten anfallen, einschließlich Deckgebirge, Taubgestein und Bergematerial, durch Bereitstellung folgender Informationen:

Herkunft der am Gewinnungsort anfallenden Abfälle und abfallproduzierender Prozess (wie Aufsuchen, Gewinnen, Mahlen und Konzentration);

Abfallmenge;

Beschreibung des Abfallbeförderungssystems;

Beschreibung der bei der Behandlung verwendeten chemischen Stoffe;

Einstufung des Abfalls gemäß der Entscheidung 2000/532/EG der Kommission (1), auch nach gefährlichen Eigenschaften;

Art der vorgesehenen Abfallentsorgungseinrichtung, endgültige Form, in der der Abfall entsorgt werden soll und Methode der Ablagerung in der Entsorgungseinrichtung.

4.   Geotechnisches Verhalten der Abfälle

Festlegung geeigneter Parameter für die Bewertung der wesentlichen physikalischen Eigenschaften der Abfälle unter Berücksichtigung der Art der Abfallentsorgungseinrichtung.

Zu berücksichtigende relevante Parameter sind: Korngrößenverteilung, Formänderungsvermögen, Dichte und Wassergehalt, Verdichtungsgrad, Scherfestigkeit und Reibungswinkel, Durchlässigkeit und Porenziffer, Verdichtbarkeit und Konsolidierung.

5.   Geochemische Eigenschaften und geochemisches Verhalten der Abfälle

Spezifikation der chemischen und mineralogischen Eigenschaften der Abfälle und etwaiger Zusatz- oder Reststoffe im Abfall.

Prognostizierung der chemischen Zusammensetzung des Sickerwassers im Zeitverlauf, aufgeschlüsselt nach Abfallarten, auch unter Berücksichtigung der vorgesehenen Abfallbehandlung, insbesondere:

Bewertung der Auslaugbarkeit von Metallen, Oxyanionen und Salzen im Zeitverlauf durch Prüfung des Einflusses des pH-Wertes auf das Auslaugungsverhalten und/oder Perkolationsprüfung und/oder Prüfung der zeitabhängigen Freisetzung und/oder andere geeignete Prüfungen;

bei sulfidhaltigem Abfall: statische oder kinetische Prüfungen zur Untersuchung der Bildung von saurem Sickerwasser und der Auslaugung von Metallen im Zeitverlauf.


(1)  ABl. L 226 vom 6.9.2000, S. 3.