1.5.2008   

DE

Amtsblatt der Europäischen Union

L 117/42


ENTSCHEIDUNG DER KOMMISSION

vom 29. April 2008

zum Erlass von Sondervorschriften für die Einfuhr von Guarkernmehl, dessen Ursprung oder Herkunft Indien ist, wegen des Risikos einer Kontamination dieser Erzeugnisse mit Pentachlorphenol und Dioxinen

(Bekannt gegeben unter Aktenzeichen K(2008) 1641)

(Text von Bedeutung für den EWR)

(2008/352/EG)

DIE KOMMISSION DER EUROPÄISCHEN GEMEINSCHAFTEN —

gestützt auf den Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft,

gestützt auf die Verordnung (EG) Nr. 178/2002 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 28. Januar 2002 zur Festlegung der allgemeinen Grundsätze und Anforderungen des Lebensmittelrechts, zur Errichtung der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit und zur Festlegung von Verfahren zur Lebensmittelsicherheit (1), insbesondere auf Artikel 53 Absatz 1 Buchstabe b Ziffer ii,

in Erwägung nachstehender Gründe:

(1)

In einigen Chargen Guarkernmehl mit Ursprung in oder Herkunft aus Indien wurde ein hoher Gehalt an Pentachlorphenol (PCP) und Dioxinen festgestellt. Werden keine Maßnahmen dagegen ergriffen, kann eine solche Kontamination von Guarkernmehl mit Pentachlorphenol und Dioxinen eine Gefahr für die öffentliche Gesundheit in der Gemeinschaft darstellen.

(2)

Als Reaktion auf die erhöhten PCP- und Dioxinwerte führte die Kommission vom 5. bis zum 11. Oktober 2007 eine Dringlichkeitsinspektion in Indien durch. Ziel war es, Informationen über einen möglichen Ursprung der Kontamination zu sammeln und die Kontrollmaßnahmen zu bewerten, die von den indischen Behörden eingeführt worden waren, um eine erneute Kontamination zu verhindern. Das Inspektionsteam kam zu dem Schluss, dass es derzeit keine ausreichende Gewissheit über die Kontaminationsursache gibt und die Nachforschungen der indischen Behörden nicht ausreichten, um daraus Schlussfolgerungen abzuleiten. Angesichts der Verfügbarkeit von Natriumpentachlorphenolat und seiner Verwendung in der Guarkernmehlindustrie sowie aufgrund der Tatsache, dass die Industrie weitgehend der Selbstregulierung unterliegt, reichen die derzeitigen Kontrollen nicht aus, um eine erneute Kontaminierung zu verhindern.

(3)

Unbeschadet der Kontrollverpflichtungen der Mitgliedstaaten sollten gegen die Einfuhr wahrscheinlich kontaminierter Erzeugnisse umfassende und gemeinsame Maßnahmen getroffen werden, so dass rasch und wirksam gehandelt werden kann und ein unterschiedliches Vorgehen der Mitgliedstaaten bei diesem Geschehen vermieden wird. Daher ist es angezeigt, besondere Maßnahmen auf Gemeinschaftsebene zu ergreifen.

(4)

Um Betrugsversuchen vorzubeugen, die darauf abzielen, die mit dieser Entscheidung erlassenen Sondervorschriften zum Schutz der Gesundheit von Mensch und Tier zu umgehen, ist es wichtig, dass zusammengesetzte Lebensmittel und Mischfuttermittel, die eine erhebliche Menge Guarkernmehl enthalten, dessen Ursprung oder Herkunft Indien ist, auch unter diese Entscheidung fallen. Aus diesem Grund wird ein Schwellenwert von 10 % festgelegt.

(5)

Das gemeinschaftliche Referenzlabor für Dioxine und PCB in Lebensmitteln und Futtermitteln hat untersucht, welcher Zusammenhang zwischen PCP und Dioxinen in kontaminiertem Guarkernmehl aus Indien besteht. Diese Untersuchung lässt den Schluss zu, dass Guarkernmehl mit einem PCP-Gehalt unter 0,01 mg/kg keine inakzeptablen Mengen an Dioxinen enthält.

(6)

Das Labor Vimta in Hyderabad, das vom Inspektionsteam besucht wurde, ist ein akkreditiertes Labor mit guter personeller und technischer Ausstattung. Die Leistungsfähigkeit des Labors bei PCP-Analysen wurde als angemessen beurteilt. In den anderen besuchten Laboratorien wurde die Leistungsfähigkeit der Analytik hingegen als nicht ausreichend beurteilt.

(7)

Daher sollte vorgeschrieben werden, dass allen Sendungen von Guarkernmehl oder Erzeugnissen, die erhebliche Mengen an Guarkernmehl enthalten, deren Ursprung oder Herkunft Indien ist und die in die Gemeinschaft eingeführt werden und zum menschlichen Verzehr oder zur Verwendung als Futtermittel bestimmt sind, ein Analysebericht beizufügen ist, der entweder von einem Labor ausgestellt wurde, welches nach der Norm EN ISO/IEC 17025 für die Analyse von PCP in Lebens- und Futtermitteln akkreditiert ist, oder von einem Labor stammt, das auf die notwendigen Akkreditierung hinarbeitet und zweckmäßige Qualitätssicherungssysteme eingerichtet hat, und dessen analytischer Report der von der zuständigen Behörde des Landes, in dem das Labor ansässig ist, gebilligt wurde.

(8)

Die in dieser Entscheidung vorgesehenen Maßnahmen entsprechen der Stellungnahme des Ständigen Ausschusses für die Lebensmittelkette und Tiergesundheit —

HAT FOLGENDE ENTSCHEIDUNG ERLASSEN:

Artikel 1

Geltungsbereich

Diese Entscheidung gilt für:

a)

Guarkernmehl des KN-Codes 1302 32 90, dessen Ursprung oder Herkunft Indien ist und das zum menschlichen Verzehr oder zur Verwendung als Futtermittel bestimmt ist,

b)

zusammengesetzte Lebensmittel und Mischfuttermittel, die mindestens 10 % Guarkernmehl enthalten, dessen Ursprung oder Herkunft Indien ist.

Artikel 2

Bedingungen für das erstmalige Inverkehrbringen

(1)   Die Mitgliedstaaten verbieten das erstmalige Inverkehrbringen der Erzeugnisse nach Artikel 1, es sei denn, der Sendung ist ein Originalanalysebericht beigefügt, der entweder von einem Labor ausgestellt wurde, welches nach der Norm EN ISO/IEC 17025 für die Analyse von PCP in Lebens- und Futtermitteln akkreditiert ist, oder von einem Labor stammt, das die notwendigen Akkreditierungsverfahren betreibt und geeignete Qualitätssicherungssysteme eingerichtet hat (2), und dieser Bericht belegt, dass das Erzeugnis nicht mehr als 0,01 mg/kg Pentachlorphenol (PCP) enthält. Mit dem Analyseergebnis ist auch die erweiterte Messunsicherheit anzugeben.

(2)   Der Analysebericht wird von einem Vertreter der zuständigen Behörde des Landes, in dem das Labor ansässig ist, unterzeichnet.

(3)   Vor Eintreffen der Sendung von Erzeugnissen nach Artikel 1 wird die zuständige Behörde des Zielmitgliedstaats vom Lebens- oder Futtermittelunternehmer, der für die Sendung verantwortlich ist, oder von seinem Vertreter vorab unterrichtet.

(4)   Die zuständigen Behörden in den Mitgliedstaaten überprüfen, dass jeder zum erstmaligen Inverkehrbringen vorgestellten Sendung von Erzeugnissen nach Artikel 1 ein Analysebericht gemäß Absatz 1 beigefügt ist. Jede Sendung von Erzeugnissen nach Artikel 1 wird mit einem Code gekennzeichnet, der dem Code auf dem oben genannten Analysebericht mit den Probennahme- und Analysenergebnissen entspricht. Jede einzelne Packung (oder sonstige Verpackungseinheit) der Sendung wird mit diesem Code gekennzeichnet.

(5)   Fehlt ein solcher Analysebericht gemäß Absatz 1, lässt der in der Gemeinschaft niedergelassene Lebens- und Futtermittelunternehmer das Erzeugnis entweder durch ein Labor untersuchen, welches nach der Norm EN ISO/IEC 17025 für die Analyse von PCP in Lebens- und Futtermitteln akkreditiert ist, oder von einem Labor, das die notwendigen Akkreditierungsverfahren betreibt und das geeignete Qualitätssicherungssysteme eingerichtet hat, um nachzuweisen, dass das Erzeugnis nicht mehr als 0,01 mg/kg PCP enthält. Bis der Analysebericht vorliegt, der von einem Vertreter der zuständigen Behörde des Landes gebilligt wurde, in dem das Labor ansässig ist, wird das Erzeugnis unter amtlicher Aufsicht längstens 60 Tage lang zurückgehalten, nach deren Ablauf die zuständige Behörde in Bezug auf dieses Erzeugnis Maßnahmen gemäß Artikel 19 Absatz 1 Buchstabe a der Verordnung (EG) Nr. 882/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29. April 2004 über amtliche Kontrollen zur Überprüfung der Einhaltung des Lebensmittel- und Futtermittelrechts sowie der Bestimmungen über Tiergesundheit und Tierschutz (3) ergreifen kann.

(6)   Für die Zwecke der Prüfung nach den Absätzen 1 und 5 wird eine repräsentative Stichprobe analysiert, die von der Sendung gemäß der Richtlinie 2002/63/EG der Kommission vom 11. Juli 2002 zur Festlegung gemeinschaftlicher Probenahmemethoden zur amtlichen Kontrolle von Pestizidrückständen in und auf Erzeugnissen pflanzlichen und tierischen Ursprungs und zur Aufhebung der Richtlinie 79/700/EWG (4) entnommen wurde. Die Extraktion vor der Analyse erfolgt mittels eines angesäuerten Lösungsmittels. Die Analyse wird nach der modifizierten QuEChERS-Methode durchgeführt, die auf der Website der Gemeinschaftsreferenzlaboratorien für Pestizidrückstände (5) dargelegt ist, oder nach einem anderen, gleichermaßen zuverlässigen Verfahren.

Artikel 3

Probenahmen und Analysen

(1)   Die Mitgliedstaaten treffen geeignete Maßnahmen, einschließlich der Entnahme und Analyse von Stichproben der Erzeugnisse nach Artikel 1 von 5 % der Sendungen von Erzeugnissen nach Artikel 1, die zum erstmaligen Inverkehrbringen vorgestellt werden, um zu überprüfen, dass der Grenzwert von 0,01 mg/kg PCP nicht überschritten wird.

Die Mitgliedstaaten melden der Kommission über das Schnellwarnsystem für Lebens- und Futtermittel alle Sendungen, in denen unter Berücksichtigung der Messunsicherheit ein PCP-Gehalt von mehr als 0,01 mg/kg festgestellt wurde.

Die Mitgliedstaaten erstatten der Kommission vierteljährlich Bericht über die Analyseergebnisse der amtlichen Kontrollen an Sendungen der Erzeugnisse nach Artikel 1. Der Bericht wird in dem auf das betreffende Quartal folgenden Monat vorgelegt (April, Juli, Oktober und Januar).

(2)   Sendungen, die amtlich beprobt und untersucht werden, können vor der Freigabe für den Handel höchstens 15 Arbeitstage lang zurückgehalten werden.

Artikel 4

Aufteilung einer Sendung

Wird eine Sendung aufgeteilt, so ist jeder Teilsendung eine beglaubigte Kopie des Analyseberichts gemäß Artikel 2 Absätze 1 und 5 bis einschließlich zur Großhandelsebene beizufügen. Falls der Lebens- oder Futtermittelunternehmer mitteilt, dass er eine Aufteilung der Sendung beabsichtigt, kann die zuständige Behörde beglaubigte Kopien des Analyseberichts auch zum Zeitpunkt der Freigabe für den freien Verkehr aushändigen.

Artikel 5

Behandlung nicht vorschriftsmäßiger Sendungen

Enthalten Sendungen von Erzeugnissen nach Artikel 1 unter Berücksichtigung der Messunsicherheit mehr als 0,01 mg/kg PCP, werden Maßnahmen gemäß Artikel 19 Absatz 1 Buchstabe a der Verordnung (EG) 882/2004 ergriffen.

Artikel 6

Kostenerstattung

Alle aus der Probenahme, Analyse, Lagerung oder aus Maßnahmen aufgrund von Nichteinhaltung der Vorschriften entstehenden Kosten werden von den betroffenen Lebens- oder Futtermittelunternehmern gemäß Artikel 22 und Anhang VI der Verordnung (EG) Nr. 882/2004 getragen.

Artikel 7

Übergangsmaßnahmen

Abweichend von Artikel 2 Absätze 1 und 5 werden Sendungen von Erzeugnissen nach Artikel 1, die das Ursprungs- oder Herkunftsland vor Geltungsbeginn dieser Entscheidung verlassen haben, von den Mitgliedstaaten auch dann akzeptiert, wenn ihnen kein Analysebericht gemäß Artikel 2 beigefügt ist.

Artikel 8

Überprüfung der Maßnahmen

Diese Entscheidung wird spätesten ein Jahr nach Geltungsbeginn überprüft.

Artikel 9

Beginn der Geltung

Diese Entscheidung gilt ab 5. Mai 2008.

Artikel 10

Adressaten

Diese Entscheidung ist an die Mitgliedstaaten gerichtet.

Brüssel, den 29. April 2008

Für die Kommission

Androulla VASSILIOU

Mitglied der Kommission


(1)  ABl. L 31 vom 1.2.2002, S. 1. Zuletzt geändert durch die Verordnung (EG) Nr. 202/2008 der Kommission (ABl. L 60 vom 5.3.2008, S. 17).

(2)  Den Erkenntnissen des Lebensmittel- und Veterinäramts zufolge erfüllt Vimta Labs, Hyderabad, Andhra Pradesh, diese Anforderung als einziges Labor in Indien.

(3)  ABl. L 165 vom 30.4.2004. Berichtigte Fassung im ABl. L 191 vom 28.5.2004, S. 1. Verordnung zuletzt geändert durch die Verordnung (EG) Nr. 3011/2008 des Rates (ABl. L 97 vom 9.4.2008, S. 85).

(4)  ABl. L 187 vom 16.7.2002, S. 30.

(5)  http://www.crl-pesticides.eu/library/docs/srm/QuechersForGuarGum.pdf