14.7.2010   

DE

Amtsblatt der Europäischen Union

L 179/1


BESCHLUSS Nr. 388/2010/EU DES EUROPÄISCHEN PARLAMENTS UND DES RATES

vom 7. Juli 2010

über eine Makrofinanzhilfe für die Ukraine

DAS EUROPÄISCHE PARLAMENT UND DER RAT DER EUROPÄISCHEN UNION —

gestützt auf den Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union, insbesondere auf Artikel 212,

auf Vorschlag der Europäischen Kommission,

gemäß dem ordentlichen Gesetzgebungsverfahren (1),

in Erwägung nachstehender Gründe:

(1)

Die Beziehungen zwischen der Ukraine und der Europäischen Union entwickeln sich im Rahmen der Europäischen Nachbarschaftspolitik (ENP). Im Jahr 2005 haben sich die Gemeinschaft und die Ukraine auf einen ENP-Aktionsplan verständigt, in dem mittelfristige Prioritäten in den Beziehungen zwischen der Europäischen Union und der Ukraine festgelegt wurden. Dieser Aktionsplan wurde durch die Assoziierungsagenda EU-Ukraine vom November 2009 ersetzt. Seit 2007 werden zwischen der Gemeinschaft und der Ukraine Verhandlungen über ein Assoziierungsabkommen geführt, das an die Stelle des bestehenden Partnerschafts- und Kooperationsabkommens treten soll. Der Rahmen für die Entwicklung der Beziehungen zwischen der Europäischen Union und der Ukraine wird durch die neu begründete Östliche Partnerschaft weiter gestärkt.

(2)

Die ukrainische Wirtschaft ist zunehmend von den Auswirkungen der internationalen Finanzkrise betroffen, was sich in einem dramatischen Einbruch der Wirtschaftstätigkeit, einer Verschlechterung der Haushaltsposition und einer Zunahme des Außenfinanzierungsbedarfs niederschlägt.

(3)

Die wirtschaftliche Stabilisierung und Erholung der Ukraine wird durch eine Finanzhilfe des Internationalen Währungsfonds (IWF) unterstützt. Die IWF-Bereitschaftskreditvereinbarung für die Ukraine wurde im November 2008 gebilligt.

(4)

Angesichts einer weiteren Verschlechterung der Haushaltsposition der Ukraine wurden ein Großteil der aufgrund der IWF-Bereitschaftskreditvereinbarung ausgezahlten zweiten Tranche sowie der volle Betrag der dritten Tranche dem Staatshaushalt der Ukraine zugeführt.

(5)

In Anbetracht der Verschlechterung der wirtschaftlichen Situation und der wirtschaftlichen Perspektiven hat die Ukraine um eine Makrofinanzhilfe der Union ersucht.

(6)

Da in der Zahlungsbilanz 2009-2010 der Ukraine eine Finanzierungslücke verbleibt, wird die Gewährung einer Makrofinanzhilfe als geeignete Maßnahme erachtet, um dem Ersuchen der Ukraine nachzukommen, den wirtschaftlichen Stabilisierungsprozess im Zusammenwirken mit dem laufenden IWF-Programm zu unterstützen. Diese Makrofinanzhilfe soll darüber hinaus einen Beitrag zur Verringerung des Außenfinanzierungsbedarfs des Staatshaushalts leisten.

(7)

Die Makrofinanzhilfe der Union kann nur zur Stabilisierung der Wirtschaft beitragen, wenn die maßgeblichen politischen Kräfte in der Ukraine die politische Stabilität gewährleisten und einen breiten Konsens über eine rigorose Umsetzung der erforderlichen Strukturreformen erzielen.

(8)

Die Makrofinanzhilfe sollte der Ukraine zusätzlich zu der Darlehensfazilität gewährt werden, die auf der Grundlage des Beschlusses 2002/639/EG des Rates vom 12. Juli 2002 über eine weitere Makrofinanzhilfe für die Ukraine (2) bereitgestellt wurde.

(9)

Die Makrofinanzhilfe der Union sollte nicht lediglich die Programme und Mittel des IWF und der Weltbank ergänzen, sondern auch den zusätzlichen Nutzen des Engagements der Union gewährleisten.

(10)

Die Kommission sollte sicherstellen, dass die Makrofinanzhilfe der Union rechtlich und der Sache nach im Einklang mit den Maßnahmen in den einzelnen externen Politikbereichen und mit anderen relevanten Politikbereichen der Union steht.

(11)

Die besonderen Ziele der Makrofinanzhilfe der Union sollten die Effizienz, die Transparenz und die Rechenschaftspflicht stärken. Diese Ziele sollten von der Kommission regelmäßig überwacht werden.

(12)

Die an die Bereitstellung der Makrofinanzhilfe der Union geknüpften Auflagen sollten den wichtigsten Grundsätzen und Zielen der Strategie der Union gegenüber der Ukraine entsprechen.

(13)

Um einen wirksamen Schutz der finanziellen Interessen der Union im Zusammenhang mit dieser Makrofinanzhilfe zu gewährleisten, ist es erforderlich, dass die Ukraine geeignete Maßnahmen trifft, um Betrug, Korruption und andere Unregelmäßigkeiten im Zusammenhang mit dieser Hilfe zu verhindern bzw. dagegen vorzugehen. Es ist weiter notwendig, dass die Kommission angemessene Kontrollen und der Rechnungshof angemessene Prüfungen vorsehen.

(14)

Die Freigabe der Makrofinanzhilfe der Union erfolgt unbeschadet der Befugnisse der Haushaltsbehörde.

(15)

Diese Makrofinanzhilfe sollte von der Kommission verwaltet werden. Um sicherzustellen, dass das Europäische Parlament und der Wirtschafts- und Finanzausschuss in der Lage sind, die Durchführung dieses Beschlusses zu verfolgen, sollte die Kommission sie regelmäßig über die Entwicklungen in Bezug auf die Hilfe informieren und ihnen die einschlägigen Dokumente zur Verfügung stellen.

(16)

Gemäß Artikel 291 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union werden allgemeine Regeln und Grundsätze, nach denen die Mitgliedstaaten die Wahrnehmung der Durchführungsbefugnisse durch die Kommission kontrollieren, im Voraus durch eine Verordnung gemäß dem ordentlichen Gesetzgebungsverfahren festgelegt. Bis zur Annahme dieser neuen Verordnung findet weiterhin der Beschluss 1999/468/EG des Rates vom 28. Juni 1999 zur Festlegung der Modalitäten für die Ausübung der der Kommission übertragenen Durchführungsbefugnisse (3) Anwendung, mit Ausnahme des nicht anwendbaren Regelungsverfahrens mit Kontrolle —

HABEN FOLGENDEN BESCHLUSS ERLASSEN:

Artikel 1

(1)   Die Union stellt der Ukraine eine Makrofinanzhilfe in Form einer Darlehensfazilität über einen Kapitalbetrag von maximal 500 Mio. EUR und mit einer durchschnittlichen Laufzeit von höchstens 15 Jahren zur Verfügung, um die Ukraine bei der wirtschaftlichen Stabilisierung zu unterstützen und ihren im laufenden IWF-Programm festgestellten Zahlungsbilanz- und Haushaltsfinanzierungsbedarf zu verringern.

(2)   Zu diesem Zweck wird die Kommission ermächtigt, im Namen der Union Anleihen in Höhe der erforderlichen Mittel aufzunehmen.

(3)   Die Freigabe der Makrofinanzhilfe der Union erfolgt durch die Kommission im Einklang mit den zwischen dem IWF und der Ukraine getroffenen Vereinbarungen und Absprachen und den wichtigsten Grundsätzen und Zielen der Wirtschaftsreform, die in der Assoziierungsagenda EU-Ukraine festgelegt sind. Die Kommission informiert das Europäische Parlament und den Wirtschafts- und Finanzausschuss regelmäßig über Entwicklungen bei der Verwaltung der Hilfe und stellt ihnen die einschlägigen Dokumente zur Verfügung.

(4)   Die Makrofinanzhilfe der Union wird für die Dauer von zwei Jahren und sechs Monaten ab dem ersten Tag nach Inkrafttreten der in Artikel 2 Absatz 1 genannten Vereinbarung bereitgestellt.

Artikel 2

(1)   Der Kommission wird die Befugnis übertragen, gemäß dem in Artikel 6 Absatz 2 genannten Beratungsverfahren mit den Behörden der Ukraine die an die Makrofinanzhilfe der Union geknüpften wirtschaftspolitischen Auflagen zu vereinbaren, die in einer Vereinbarung festzulegen sind, die auch einen Zeitrahmen für ihre Erfüllung enthält (nachstehend „Vereinbarung“ genannt). Diese Auflagen müssen mit den zwischen dem IWF und der Ukraine getroffenen Vereinbarungen und Absprachen und mit den wichtigsten Grundsätzen und Zielen der Wirtschaftsreform, die in der Assoziierungsagenda EU-Ukraine festgelegt sind, in Einklang stehen. Zweck dieser Grundsätze und Ziele ist die Stärkung der Effizienz und Transparenz der Hilfe der Union und der Rechenschaftspflicht für diese, einschließlich insbesondere der Systeme der Ukraine zur Verwaltung der öffentlichen Finanzen. Die Fortschritte bei der Verwirklichung dieser Ziele werden von der Kommission regelmäßig überwacht. Die finanziellen Bedingungen der Finanzhilfe werden in einer zwischen der Kommission und den Behörden der Ukraine zu schließenden Darlehensvereinbarung im Einzelnen festgelegt.

(2)   Während der Durchführung der Makrofinanzhilfe der Union prüft die Kommission die Zuverlässigkeit der für eine solche Finanzhilfe relevanten Finanzregelungen, Verwaltungsverfahren und Mechanismen der internen und externen Kontrolle in der Ukraine sowie die Einhaltung des vereinbarten Zeitrahmens durch die Ukraine.

(3)   Die Kommission überprüft in regelmäßigen Abständen, ob die Wirtschaftspolitik der Ukraine mit den Zielen der Makrofinanzhilfe der Union übereinstimmt und ob die vereinbarten wirtschaftspolitischen Auflagen in zufrieden stellendem Maße erfüllt werden. Dabei stimmt sich die Kommission eng mit dem IWF und der Weltbank und, soweit erforderlich, mit dem Wirtschafts- und Finanzausschuss ab.

Artikel 3

(1)   Die Makrofinanzhilfe der Union wird der Ukraine unter den in Absatz 2 genannten Bedingungen von der Kommission in zwei Darlehenstranchen zur Verfügung gestellt. Die Höhe der Tranchen wird in der Vereinbarung festgelegt.

(2)   Die Kommission beschließt über die Freigabe der Tranchen vorbehaltlich der zufrieden stellenden Erfüllung der in der Vereinbarung vorgesehenen wirtschaftspolitischen Auflagen. Die Auszahlung der zweiten Tranche erfolgt frühestens drei Monate nach Freigabe der ersten Tranche.

(3)   Die Mittel der Union werden an die Nationalbank der Ukraine ausgezahlt. Vorbehaltlich der in der Vereinbarung festgelegten Bedingungen, einschließlich einer Bestätigung des verbleibenden Haushaltsbedarfs, können die Mittel der Union an das Finanzministerium der Ukraine als Endbegünstigten überwiesen werden.

Artikel 4

(1)   Die in diesem Beschluss vorgesehenen Anleihe- und Darlehenstransaktionen werden in Euro mit gleicher Wertstellung abgewickelt und dürfen für die Union weder eine Fristentransformation noch ein Wechselkurs- oder Zinsrisiko oder sonstige kommerzielle Risiken mit sich bringen.

(2)   Auf Ersuchen der Ukraine unternimmt die Kommission die notwendigen Schritte um sicherzustellen, dass eine Klausel über vorzeitige Rückzahlung in die Darlehensbedingungen sowie eine entsprechende Klausel in die Bedingungen der Anleihetransaktionen aufgenommen werden.

(3)   Auf Ersuchen der Ukraine kann die Kommission, wenn die Umstände eine Verbesserung des Darlehenszinssatzes gestatten, ihre ursprünglichen Anleihen ganz oder teilweise refinanzieren oder die entsprechenden finanziellen Bedingungen neu festsetzen. Refinanzierungen und Neufestsetzungen erfolgen nach Maßgabe der in Absatz 1 genannten Bedingungen und dürfen weder zur Verlängerung der durchschnittlichen Laufzeit der betreffenden Anleihen noch zur Erhöhung des zum Zeitpunkt der Refinanzierung bzw. Neufestsetzung noch geschuldeten Kapitalbetrags führen.

(4)   Alle Kosten, die der Union durch die in diesem Beschluss vorgesehenen Anleihe- und Darlehenstransaktionen entstehen, gehen zu Lasten der Ukraine.

(5)   Das Europäische Parlament und der Wirtschafts- und Finanzausschuss werden über die Entwicklung der in den Absätzen 2 und 3 genannten Transaktionen unterrichtet.

Artikel 5

Die Makrofinanzhilfe der Union wird im Einklang mit der Verordnung (EG, Euratom) Nr. 1605/2002 des Rates vom 25. Juni 2002 über die Haushaltsordnung für den Gesamthaushaltsplan der Europäischen Gemeinschaften (4) und ihren Durchführungsbestimmungen (5) durchgeführt. Insbesondere wird in der Vereinbarung und in der Darlehensvereinbarung, die mit den Behörden der Ukraine geschlossen werden, festgelegt, dass die Ukraine besondere Maßnahmen durchführt, um Betrug, Korruption und andere Unregelmäßigkeiten im Zusammenhang mit der Hilfe zu verhindern bzw. dagegen vorzugehen. Zur Gewährleistung größerer Transparenz bei der Verwaltung und Auszahlung von Mitteln werden in der Vereinbarung und in der Darlehensvereinbarung des Weiteren Kontrollen durch die Kommission, einschließlich des Europäischen Amtes für Betrugsbekämpfung, die gegebenenfalls vor Ort vorgenommen werden, vorgesehen. Zusätzlich werden darin Prüfungen durch den Rechnungshof vorgesehen, die gegebenenfalls vor Ort vorgenommen werden.

Artikel 6

(1)   Die Kommission wird von einem Ausschuss unterstützt.

(2)   Wird auf diesen Absatz Bezug genommen, so gelten die Artikel 3 und 7 des Beschlusses 1999/468/EG unter Beachtung von dessen Artikel 8.

Artikel 7

Die Kommission unterbreitet dem Europäischen Parlament und dem Rat alljährlich vor dem 31. August einen Bericht über die Durchführung dieses Beschlusses im Vorjahr; dieser Bericht enthält eine Bewertung der Durchführung dieses Beschlusses. In dem Bericht wird der Zusammenhang zwischen den in der Vereinbarung festgelegten politischen Auflagen, der aktuellen Wirtschafts- und Finanzlage der Ukraine und den Beschlüssen der Kommission über die Auszahlung der einzelnen Tranchen der Finanzhilfe dargelegt.

Spätestens zwei Jahre nach Ablauf des in Artikel 1 Absatz 4 genannten Bereitstellungszeitraums legt die Kommission dem Europäischen Parlament und dem Rat einen Ex-post-Bewertungsbericht vor.

Artikel 8

Dieser Beschluss tritt am Tag seiner Veröffentlichung im Amtsblatt der Europäischen Union in Kraft.

Geschehen zu Straßburg am 7. Juli 2010.

Im Namen des Europäischen Parlaments

Der Präsident

J. BUZEK

Im Namen des Rates

Der Präsident

O. CHASTEL


(1)  Standpunkt des Europäischen Parlaments vom 18. Mai 2010 (noch nicht im Amtsblatt veröffentlicht) und Beschluss des Rates vom 29. Juni 2010.

(2)  ABl. L 209 vom 6.8.2002, S. 22.

(3)  ABl. L 184 vom 17.7.1999, S. 23.

(4)  ABl. L 248 vom 16.9.2002, S. 1.

(5)  Verordnung (EG, Euratom) Nr. 2342/2002 der Kommission vom 23. Dezember 2002 mit Durchführungsbestimmungen zur Verordnung (EG, Euratom) Nr. 1605/2002 des Rates über die Haushaltsordnung für den Gesamthaushaltsplan der Europäischen Gemeinschaften (ABl. L 357 vom 31.12.2002, S. 1).