52011DC0851

MITTEILUNG DER KOMMISSION AN DAS EUROPÄISCHE PARLAMENT, DEN RAT UND DEN EUROPÄISCHEN WIRTSCHAFTS- UND SOZIALAUSSCHUSS zur Zukunft der MehrwertsteuerWege zu einem einfacheren, robusteren und effizienteren MwSt-System, das auf den Binnenmarkt zugeschnitten ist /* KOM/2011/0851 endgültig */


INHALTSVERZEICHNIS

1. Einleitung 3

2. Allgemeine Schlussfolgerungen aus der öffentlichen Konsultation 3

3. Zweck dieser Mitteilung 4

4. Die Grundzüge eines umgestalteten MwSt-Systems für die EU 5

4.1. Ein auf dem Bestimmungslandprinzip basierendes EU-weites MwSt-System 5

4.2. Ein einfacheres, effizienteres und robusteres MwSt-System 6

5. Die Schwerpunktbereiche für weitere Massnahmen 7

5.1. Wege zu einem einfacheren MwSt-System 7

5.1.1. Das Konzept der zentralen Anlaufstelle 8

5.1.2. Bereitstellung von leichter zugänglichen und genaueren Informationen für Unternehmen auf EU-Ebene 8

5.1.3. Verbesserung des Handelns im Mehrwertsteuerbereich auf EU-Ebene 9

5.1.4. Standardisieren von MwSt-Verpflichtungen 10

5.2. Wege zu einem effizienteren MwSt-System 10

5.2.1. Erweiterung der Steuerbemessungsgrundlage 10

5.2.2. Überprüfung der Steuersatzstruktur 12

5.3. Wege zu einem robusteren und weniger betrugsanfälligen MwSt-System 13

5.3.1. Mechanismus für die schnelle Reaktion auf unerwartete Betrugsfälle 14

5.3.2. Bekämpfung von MwSt-Betrug 14

5.3.3. Überprüfung der Art der Erhebung und der Überwachung von Mehrwertsteuer 16

5.4. Ein auf den Binnenmarkt zugeschnittenes MwSt-System 17

6. Weitere mittelfristig zu ergreifende Massnahmen 18

7. Fazit 19

Einleitung

Das zunehmende Tempo der Globalisierung, ein verschärfter Konkurrenzdruck aus neuen bedeutenden Wirtschaftsregionen der Welt sowie sich rasch verändernde Geschäftsmodelle und technischer Fortschritt stellen neue Herausforderungen für die Effektivität und Effizienz des europäischen Steuersystems dar.

Darüber hinaus stellt die Finanzkrise die Mitgliedstaaten in zweifacher Hinsicht vor wirtschaftspolitische Herausforderungen: zum einen die Förderung nachhaltigen wirtschaftlichen Wachstums und zum anderen die Konsolidierung der Staatshaushalte. Wie im Jahreswachstumsbericht für 2012[1] festgestellt wurde, ist die Steuerpolitik diesbezüglich ein wichtiger Hebel. Damit die Steuersysteme wirksamer, effizienter und gerechter werden, muss ihrer Ausgestaltung und Struktur mehr Aufmerksamkeit gewidmet werden. Dies trifft insbesondere auf das MwSt-System der EU zu.

In diesem Zusammenhang nahm die Kommission am 1. Dezember 2010 ein Grünbuch über die Zukunft der Mehrwertsteuer[2] an und forderte alle interessierten Kreise auf, sämtliche Aspekte des MwSt-Systems der EU, das nun seit über 40 Jahren in Kraft ist, einer kritischen Prüfung zu unterziehen.

Die überwältigende Reaktion von Unternehmen, Wissenschaftlern, Bürgern und Steuerbehörden (mehr als 1 700 Beiträge)[3] zeigte, dass der richtige Zeitpunkt für eine derartige Debatte gekommen war.

Das Europäische Parlament[4], der Europäische Wirtschafts- und Sozialausschuss[5] und die aus den persönlichen Vertretern der Finanzminister bestehende Arbeitsgruppe Steuerpolitik begrüßten das Grünbuch und waren sich darin einig, dass das MwSt-System der EU reformbedürftig ist.

Gleichzeitig führte die Kommission eine wirtschaftliche Bewertung des MwSt-Systems[6] durch und regte die Einführung neuer MwSt-Eigenmittel zur Finanzierung des EU-Haushalts an.[7]

ALLGEMEINE SCHLUSSFOLGERUNGEN AUS DER ÖFFENTLICHEN KONSULTATION

Unter den interessierten Kreisen herrscht allgemein der Eindruck, dass die Aufsplitterung des gemeinsamen MwSt-Systems der EU in 27 nationale MwSt-Systeme das größte Hindernis bei der effizienten Abwicklung von Handelsgeschäften innerhalb der EU darstellt und dadurch verhindert wird, dass den Bürgern die Vorteile eines echten Binnenmarkts zugute kommen.

International tätige Unternehmen sind der Auffassung, dass sich diese mangelnde Harmonisierung in höherer Komplexität, zusätzlichen Kosten für die Befolgung von Steuervorschriften und rechtlicher Unsicherheit niederschlägt. KMU verfügen nicht immer über die erforderlichen Ressourcen, um dies bewältigen zu können, und nehmen daher von grenzübergreifenden Geschäften Abstand.

Diese Mängel wirken sich auf das Geschäftsverhalten aus, was unter Umständen die effektivsten geschäftlichen Entscheidungen verhindern kann. Wenn Steuerregelungen die Entscheidung beeinflussen, in welchen Ländern Waren und Dienstleistungen erworben oder verkauft werden sollen, ist die wirtschaftliche Neutralität der Mehrwertsteuer nicht mehr gewährleistet, und das Funktionieren des Binnenmarkts wird stark beeinträchtigt.

In mehreren Beiträgen wurde sogar darauf hingewiesen, dass infolgedessen Geschäftsbeziehungen mit Partnern außerhalb der EU einfacher und gewinnbringender werden als mit Firmen aus EU-Ländern.

Interessengruppen, die derzeit von Steuerbefreiungen, Ausnahmeregelungen oder ermäßigten Steuersätzen profitieren, möchten solche Vergünstigungen in der Regel weiter in Anspruch nehmen. Andere möchten diese Vorzugsbehandlung sogar auf ihre eigene Geschäftstätigkeit ausweiten.

Insgesamt nährt das Grünbuch hohe Erwartungen, dass es Veränderungen geben wird. Gleichzeitig besteht allgemeines Einvernehmen, dass eine grundlegende Überarbeitung der Mehrwertsteuer in jedem Fall ein langfristiges Projekt ist.

Die Mitgliedstaaten sind verständlicherweise nicht bereit, Risiken einzugehen, die durch Reformbestrebungen entstehen und sich nachteilig auf die MwSt-Einnahmen auswirken könnten, die sich im Jahr 2009 auf 784 Milliarden Euro bzw. 21 % der nationalen Steuereinnahmen beliefen.[8] Sie sind daher offensichtlich nur zu schrittweisen Veränderungen bereit, deren Risiken, Vorteile und Kosten eindeutig, allgemein bekannt und vollständig bewertet sein müssen.

Dies sind die augenfälligsten allgemeinen Schlussfolgerungen, die aus der öffentlichen Konsultation gezogen werden können. Detailliertere Schlussfolgerungen werden nachfolgend den speziellen Themenbereichen zugeordnet, auf die sie sich beziehen.

Zweck dieser Mitteilung

Diese besorgniserregenden Zustände, die nahezu 20 Jahre nach Einführung des Binnenmarkts bestehen, zeigen deutlich, dass ein einfaches „Weiter so“ nicht die passende Antwort auf die Probleme ist. Die Bewältigung dieser Herausforderungen erfordert eine ambitioniertere Reform des aktuellen MwSt-Systems. Eine solche Reform spielt dank ihres Potenzials, dem Binnenmarkt neue Impulse zu geben und die derzeitigen Maßnahmen zur Haushaltskonsolidierung in den Mitgliedstaaten zu unterstützen eine entscheidende Rolle bei der Umsetzung der in der Strategie Europa 2020 [9] formulierten Ziele und bei der Rückkehr auf den Wachstumspfad.

Diese Mitteilung – die auf dem Ergebnis der öffentlichen Konsultation, aber auch auf den Diskussionen mit Mitgliedstaaten und den von den europäischen Organen geäußerten Meinungen basiert – erfüllt einen doppelten Zweck:

- Es werden die Grundzüge eines zukünftigen MwSt-Systems der EU dargelegt, das weiterhin seiner Aufgabe gerecht werden kann, Einnahmen zu generieren und das gleichzeitig die Wettbewerbsfähigkeit der EU stärkt. Diese Grundzüge sollten die langfristigen Ziele bilden, die die gesamte künftige MwSt-Strategie prägen.

- Es werden die Schwerpunktbereiche genannt, in denen in den kommenden Jahren weitere Maßnahmen zur Erreichung dieser Ziele zu ergreifen sind.

Die Grundzüge eines umgestalteten MwSt-Systems für die EU

Ein auf dem Bestimmungslandprinzip basierendes EU-weites MwSt-System

Die Binnenmarktakte [10] hob die grundlegende Bedeutung der Schaffung eines endgültigen MwSt-Systems für grenzübergreifende Geschäfte hervor.

Das Grünbuch bot eine ideale Gelegenheit, zu überprüfen, ob die im Jahr 1967[11] beschlossene Selbstverpflichtung zur Schaffung eines endgültigen MwSt-Systems, das EU-weit ebenso anwendbar wäre wie innerhalb eines einzelnen Landes, und das auf dem Grundsatz der Besteuerung im Ursprungsland basiert, noch relevant ist.

Die jüngsten Diskussionen mit den Mitgliedstaaten haben bestätigt, dass dieses Prinzip politisch nicht durchsetzbar ist. Diese Blockadesituation wird mittlerweile auch vom Europäischen Parlament anerkannt, das bisher ein leidenschaftlicher Verfechter des Ursprungslandprinzips war und nun eine Umstellung auf das Bestimmungslandprinzip fordert.

Außerdem erkennen die Interessengruppen an, dass das auf dem Ursprungsland basierende System – theoretisch die attraktivste Option für sie – in absehbarer Zukunft nicht umsetzbar ist. Sie unterstützen daher den Aufbau eines ordnungsgemäß funktionierenden Systems, das auf einer Besteuerung im Bestimmungsland basiert, da dies eine pragmatische und politisch umsetzbare Lösung zu sein scheint.

Daher ist die Kommission zu dem Schluss gekommen, dass es keine triftigen Gründe für die Beibehaltung dieser Zielsetzung mehr gibt. Aus diesem Grund wird vorgeschlagen, das Konzept aufzugeben. Tatsächlich würde die Aufrechterhaltung dieser Verpflichtung angesichts fehlender politischer Fortschritte die Glaubwürdigkeit des europäischen Entscheidungsprozesses in Frage stellen.

Die Aufgabe des Ursprungslandprinzips ermöglicht eine verstärkte Konzentration auf alternative Konzepte für ein ordnungsgemäß funktionierendes bestimmungslandbasiertes MwSt-System innerhalb der EU. Hierzu hat es seit 1993 keine Arbeiten mehr gegeben, da diese Option zugunsten des Ursprungslandprinzips fallengelassen worden war.

Die Hauptprinzipien für solche Arbeiten sind erstens, dass Geschäfte zwischen verschiedenen EU-Mitgliedstaaten ebenso einfach und sicher ablaufen müssen wie rein inländische Geschäfte, und zweitens, dass die Kosten für die Befolgung mehrwertsteuerlicher Vorschriften für Geschäftstätigkeiten in Europa sinken müssen. In jedem Fall darf grenzübergreifender Handel keine zusätzlichen Kosten verursachen.

Ein einfacheres, effizienteres und robusteres MwSt-System

Am Ende des durch das Grünbuch angestoßenen Reformprozesses sollte ein MwSt-System stehen, das alle folgenden Eigenschaften erfüllt:

- „Einfach“ : Ein Steuerpflichtiger, der EU-weit tätig ist, sollte auf einheitliche und ebenso klare wie einfache MwSt-Regeln vertrauen können, nämlich auf einen EU-weiten MwSt-Kodex. Durch einen solchen Kodex würden an moderne Geschäftsmodelle angepasste Regeln sowie standardisierte Verpflichtungen festgelegt, die den bei neuen Technologien erzielten Fortschritten in vollem Umfang gerecht werden könnten. Ein Steuerpflichtiger sollte nur mit den Steuerbehörden eines einzigen Mitgliedstaats zu tun haben;

- „Effizient und neutral“ : Die Einführung einer breiteren Steuerbemessungsgrundlage sowie die Umsetzung des Grundsatzes der Besteuerung zum Regelsteuersatz würde zu höheren Einnahmen bei gleichzeitig geringeren Kosten führen oder alternativ die einnahmenneutrale Verringerung des Regelsteuersatzes ermöglichen. Jede Abweichung von diesen Grundsätzen müsste nachvollziehbar sein und einheitlich definiert werden. Neutralität erfordert außerdem gleiche Bestimmungen zur Regelung des Rechts auf Vorsteuerabzug, und die Ausübung dieses Rechts dürfte nur sehr begrenzt eingeschränkt werden dürfen;

- „Robust und betrugssicher“ : Moderne Methoden der MwSt-Erhebung und - Überwachung sollten die tatsächlichen Einnahmen maximieren und Steuerbetrug und -hinterziehung so weit wie möglich verhindern. Abgesehen von der Senkung des Befolgungsaufwands für Unternehmen erfordert dies, dass sich die nationalen Steuerbehörden auf riskante Verhaltensweisen und tatsächliche Betrüger konzentrieren und letztlich gemeinsam als europäische MwSt-Behörde handeln. Ein wesentlicher Faktor zur Verwirklichung dieses Ziels ist der intensivere, automatische und schnelle Austausch von Informationen zwischen den nationalen Steuerverwaltungen.

Die Schwerpunktbereiche für weitere Massnahmen

Die verschiedenen Schwerpunktthemen sind nachfolgend unter vier Überschriften ausgeführt. Allerdings sind sie eng miteinander verbunden: Ein einfacheres MwSt-System, das sowohl für Geschäftstätigkeiten im Inland als auch innerhalb der EU gilt, vereinfacht die Einhaltung von Vorschriften und trägt zur Robustheit des Systems bei.

Einige der entsprechenden Schlüsselmaßnahmen können relativ schnell umgesetzt werden, wohingegen andere Schritte offensichtlich mehr Zeit erfordern. Gegebenenfalls wird die Kommission die üblichen Folgenabschätzungen vornehmen.

Wege zu einem einfacheren MwSt-System

Die Reaktionen auf die öffentliche Konsultation lassen den starken und dringenden Wunsch nach Vereinfachung erkennen. Dieser Wunsch betrifft sowohl die MwSt-Gesetzgebung der EU als auch die Steuerverwaltung. Unterschiedliche Verfahren auf nationaler Ebene werden zunehmend als große Belastung genannt. Obgleich die Steuerverwaltung ein Bereich ist, für den hauptsächlich die Mitgliedstaaten zuständig sind, besteht das Ziel der Kommission darin, hier die Koordinierung und Zusammenarbeit deutlich zu verbessern.

Die wirtschaftliche Bewertung ergibt, dass die Unternehmen hohe Befolgungskosten haben. Schätzungen reichen von 2 % bis 8 % der erhobenen Mehrwertsteuer. Kleinere Unternehmen sind überlastet und bringen die notwendigen Kapazitäten nicht mehr auf, und diese Kosten werden ohne zielgerichtete politische Maßnahmen auch künftig nicht zurückgehen.

Darüber hinaus sind Unternehmen im EU-weiten Handel zusätzlichen Belastungen ausgesetzt. Die wirtschaftliche Bewertung legt nahe, dass durch die Aufhebung nationaler Verpflichtungen, die über die von der EU formulierten Anforderungen hinausgehen, oder durch eine zehnprozentige Verringerung der zwischen Mitgliedstaaten bestehenden Unterschiede in den Verwaltungsverfahren der Handel innerhalb der EU um 2,6 % bzw. 3,7 % gesteigert werden könnte, während eine Erhöhung des realen BIP um 0,2 % bis 0,4 % möglich wäre. Obgleich in dem Bericht eingeräumt wird, dass diese Zahlen möglicherweise zu hoch angesetzt sind, machen sie doch deutlich, dass die Harmonisierung der MwSt-Verfahren zu deutlichen Zugewinnen bei Handel und BIP führen könnte.

Die nachstehend dargelegten Maßnahmen dürften insbesondere den KMU zugute kommen. Diesen stehen weniger Ressourcen zur Verfügung, um Schwierigkeiten aufgrund unterschiedlicher Regelungen und Verpflichtungen zu bewältigen. Die wirtschaftliche Bewertung zeigt, dass auch die Kosten für die KMU proportional höher sind.

Die verstärkte Konzentration auf Vereinfachungen in den kommenden Jahren entspricht dem Prinzip der „Vorfahrt für KMU“ des „Small Business Act“ für Europa[12], einer Initiative zur Förderung von Onlinebehördendiensten (e-Government) und zentralen Anlaufstellen für die Vereinfachung der Rechts- und Verwaltungsumgebung, in der KMU tätig sind.

Das Konzept der zentralen Anlaufstelle

Angesichts der Schwierigkeiten, über die in mehreren Mitgliedstaaten tätige Unternehmen berichten, kommt dem Konzept der zentralen Anlaufstelle („One-Stop-Shop“), das im Plan der Kommission als Maßnahme zur Verringerung des Verwaltungsaufwands vorgeschlagen[13] und von der hochrangigen Gruppe für den Bürokratieabbau[14] unterstützt wird, nach wie vor eine hohe Priorität zu.

Eine Miniregelung für eine einzige Anlaufstelle für die EU-Anbieter von Telekommunikations-, Rundfunk- und Elektronikdienstleistungen, die ihre Dienstleistungen Endverbrauchern in der EU anbieten, wird es ab dem Jahr 2015 geben. Einige Unternehmen, die grenzübergreifende Geschäfte tätigen, verstehen nicht, warum ihre Aktivitäten ausgenommen wurden, obwohl sie mit denselben Schwierigkeiten zu kämpfen haben.

Die Einführung der Miniregelung wird von zahlreichen Mitgliedstaaten und von der Wirtschaft als wichtiger Meilenstein betrachtet. Das reibungslose Funktionieren dieser Einrichtung dürfte den Weg für eine umfassende Anwendung dieses Konzepts ebnen. Allerdings scheinen die Mitgliedstaaten in Anbetracht der mangelnden Erfahrung mit zentralen Anlaufstellen für EU-internen Handel nur zögerlich dazu bereit zu sein, ihren Anwendungsbereich in einem derart frühen Stadium auszuweiten.

Die Kommission ist weiterhin davon überzeugt, dass in einem auf der Besteuerung im Bestimmungsland basierenden MwSt-System eine zentrale Anlaufstelle ein außerordentlich wichtiges Instrument für die Vereinfachung des Zugangs zum Binnenmarkt ist, insbesondere für KMU.

1. Die reibungslose Einführung der Miniregelung für eine einzige Anlaufstelle im Jahr 2015 besitzt für die Kommission hohe Priorität, und die Kommission geht davon aus, dass die Mitgliedstaaten die erforderlichen Ressourcen zur Verfügung stellen.

2. Ab 2015 plant die Kommission längerfristig eine gesteuerte Erweiterung des Konzepts.

Bereitstellung von leichter zugänglichen und genaueren Informationen für Unternehmen auf EU-Ebene

Interessengruppen betonten, dass die Verfügbarkeit von genauen, zuverlässigen und aktuellen Informationen zu den Details der derzeit in den Mitgliedstaaten geltenden MwSt-Regelungen ein wesentlicher Faktor ist, der die Einhaltung von Vorschriften für Unternehmen vereinfacht, bis EU-weit ähnliche Regelungen gelten. Darüber hinaus gilt die Sprachbarriere nach wie vor als Hindernis für Handelsgeschäfte innerhalb der EU.

Die Kommission ist der Ansicht, dass die Einrichtung eines Webportals, das solche Informationen zu Angelegenheiten wie Registrierung, Rechnungsstellung, MwSt-Erklärungen, MwSt-Sätze, spezielle Verpflichtungen und Einschränkungen des Vorsteuerabzugs in mehreren Sprachen bereithält, der Weg für die Zukunft ist. Zu der Frage, welche Informationen benötigt werden, könnten sich auch die Unternehmen äußern.

3. Mithilfe der Mitgliedstaaten wird die Kommission ein EU-MwSt-Portal einrichten. Sie fordert die Mitgliedstaaten dazu auf, ihre in der Arbeitsgruppe Steuerpolitik signalisierte Bereitschaft zu bestätigen, indem sie die erforderlichen Informationen bereitstellen und sie stets rechtzeitig aktualisieren.

Verbesserung des Handelns im Mehrwertsteuerbereich auf EU-Ebene

Interessengruppen wünschen sich bei der Einführung und Auslegung der MwSt-Vorschriften in der EU eine stärkere Beteiligung und größere Transparenz.

Die Kommission wird ihrer Verantwortung gerecht und gibt diesem berechtigten Anspruch statt. Der Meinungsaustausch zwischen der Kommission und den Interessengruppen wird besser strukturiert. Die Kommission wird dafür sorgen, dass der Öffentlichkeit mehr Informationen zu den MwSt-Vorschriften in der EU zur Verfügung gestellt werden.

Allerdings richtet sich der Ruf nach einem verbesserten Handeln teilweise auch an den Rat, da der Rechtsrahmen, der die Annahme von Legislativvorschlägen regelt, über die Zuständigkeit der Kommission hinausgeht. Die Kommission ersucht daher den Rat, zu prüfen, wie Interessengruppen bei der Verhandlung der Vorschläge am besten einbezogen werden können.

Interessengruppen haben sich für die Einrichtung eines Kommunikationskanals auf EU-Ebene ausgesprochen, über den Steuerbehörden, Kommission und Vertreter der Wirtschaft einen Meinungsaustausch zu praktischen Problemen der MwSt-Verwaltung pflegen können. Derzeit können sie solche Probleme mit nationalen Steuerbehörden diskutieren, doch es fehlt ein größeres Forum, das alle Steuerbehörden einbeziehen würde, insbesondere bei grenzübergreifenden Angelegenheiten.

Die Mitgliedstaaten haben ihre Bereitschaft zur Teilnahme an einem derartigen Forum signalisiert. Die Ermittlung von bewährten Verfahren könnte zur Optimierung des MwSt-Systems und dadurch zur Verringerung der Befolgungskosten beitragen, wodurch auch die MwSt-Einnahmen gesichert würden.

4. Die Kommission wird 2012 die Leitlinien des Mehrwertsteuerausschusses zu den MwSt-Vorschriften der EU veröffentlichen und ggf. Erläuterungen zu neuen Vorschriften vor deren Inkrafttreten vorlegen, um die Wirtschaft zu informieren und eine einheitlichere Anwendung zu fördern.

5. Die Kommission wird 2012 ein aus drei Parteien bestehendes EU-MwSt-Forum einrichten (Kommission, Mitgliedstaaten und Interessengruppen).

Standardisieren von MwSt-Verpflichtungen

Die Rechnungsstellungsvorschriften wurden vor Kurzem weiter harmonisiert, und der Grundsatz der Gleichbehandlung von Rechnungen, die in Papierform oder elektronisch ausgestellt werden, ist in den MwSt-Vorschriften verankert. Allerdings zwingen Unterschiede bei anderen MwSt-Verpflichtungen Unternehmen weiterhin dazu, IT-Spezifikationen und -Verfahren auf jeden Mitgliedstaat zuzuschneiden, in dem sie tätig sind. Dadurch verringern sich die positiven Effekte gemeinsamer Servicezentren für EU-weite Buchführungs- und Steuerverpflichtungen.

6. Die Kommission wird 2013 vorschlagen, dass für die Unternehmen in der EU eine standardisierte, optionale MwSt-Erklärung in allen Sprachen verfügbar sein soll.

7. Dasselbe Standardisierungskonzept könnte anschließend hinsichtlich anderer Verpflichtungen wie Registrierung, Rechnungsstellung und die Faktoren verfolgt werden, die eine Steuerbefreiung oder eine Verlagerung der Steuerschuldnerschaft begründen.

Wege zu einem effizienteren MwSt-System

Die Erweiterung der Steuerbemessungsgrundlage und die Beschränkung der Verwendung ermäßigter Steuersätze würden neue Einnahmequellen zu geringeren Kosten erschließen oder eine deutliche Senkung des derzeit gültigen MwSt-Normalsatzes ermöglichen, was einnahmenneutral wäre. Ein effizienteres MwSt-System liegt daher vor allem im Interesse der Mitgliedstaaten, würde jedoch auch den Verwaltungsaufwand für Unternehmen verringern.

Erweiterung der Steuerbemessungsgrundlage

Öffentliche Einrichtungen

Eine kürzlich durchgeführte Studie zum Thema Mehrwertsteuer im öffentlichen Sektor und zu Steuerbefreiungen im öffentlichen Interesse[15] offenbarte die Mängel der aktuellen Regelungen aus wirtschaftlicher Sicht – nämlich ihre fehlende Neutralität, die dadurch entstehenden Wettbewerbsverzerrungen und ihre Komplexität. Außerdem haben Privatisierung und Deregulierung häufig zu Situationen geführt, in denen öffentliche Einrichtungen in Konkurrenz zu Privatunternehmen stehen.

In Anbetracht der potenziell erheblichen Auswirkungen auf die Kosten für öffentliche Güter oder auf die Sozialversicherungssysteme, die sich aus dem umfassenden Abbau bestehender Steuerbefreiungen in Bereichen wie Bildung oder Gesundheit ergeben können, wird ein schrittweises Herangehen an eine Besteuerung sorgfältig geprüft werden.

8. Die Kommission wird einen Vorschlag vorlegen, dessen Hauptaugenmerk auf Tätigkeiten liegt, bei denen der private Sektor stark vertreten ist und ein erhöhtes Risiko von Wettbewerbsverzerrungen besteht.

Personenbeförderungsdienstleistungen

Wie das Europäische Parlament bereits annahm und durch das Ergebnis der öffentlichen Konsultation auch bestätigt wurde, entstehen dadurch, dass Personenbeförderungsdienstleistungen je nach Transportmittel in bestimmten Mitgliedstaaten steuerbefreit sind, innerhalb des Binnenmarkts Wettbewerbsverzerrungen. Wo die Steuerbefreiung nicht gilt, haben in mehreren Mitgliedstaaten tätige Unternehmen infolge der Komplexität der derzeitigen Vorschriften für den Ort der Leistungserbringung höhere Befolgungskosten, was Fehler oder sogar Steuerhinterziehung nach sich ziehen kann.

Die öffentliche Konsultation zeigt, dass es zwei Hauptkonzepte gibt, die miteinander in Konflikt stehen: zum einen die Wahrung des Status quo und zum anderen die Abschaffung der Steuerbefreiung, wobei die letztgenannte Variante mit der Zielsetzung einer Stärkung der Steuerneutralität und -effizienz in Einklang steht.

9. Die Kommission wird ein neutraleres und einfacheres MwSt-Rahmenwerk für Tätigkeiten im Bereich der Personenbeförderung vorschlagen.

Sonstige Steuerbefreiungen

Sonstige Steuerbefreiungen, durch die die Steuerbemessungsgrundlage eingeschränkt wird und die möglicherweise zu Wettbewerbsverzerrungen führen, werden überprüft, um festzustellen, ob die wirtschaftlichen, sozialen oder technischen Gründe dafür weiterhin Gültigkeit besitzen und ob die Anwendung verbessert werden kann. Bei den Bestrebungen, die Steuerbemessungsgrundlage zu erweitern, sollten derzeit noch keine Möglichkeiten verworfen werden. Allerdings haben sich einige Interessengruppen dafür ausgesprochen, den Umfang bestimmter Steuerbefreiungen beizubehalten oder sogar noch auszuweiten.

Die mehrwertsteuerliche Behandlung von gemeinnützigen Organisationen zog zahlreiche Reaktionen nach sich. Allerdings gilt für diese Organisationen bereits eine Steuerbefreiung, die ihre Tätigkeiten im allgemeinen Interesse abdeckt. Problematisch sind nur die verbleibenden Tätigkeiten, die nicht unter diese Befreiung fallen. Allerdings könnten diese Tätigkeiten durch das allgemeine Steuerbefreiungssystem für Kleinunternehmen, deren Umsatz unter einem bestimmten Schwellenwert liegt, und durch weitere von den Mitgliedstaaten eingeführte Vereinfachungsmaßnahmen und -verfahren abgedeckt werden. Zudem können die Mitgliedstaaten auch außerhalb des MwSt-Systems gezielte Ausgleichsmechanismen einführen, um die Vorsteuerbelastung zu mindern.

10. Die Kommission fordert die Mitgliedstaaten dazu auf, von den bestehenden Optionen Gebrauch zu machen, um die MwSt-Belastung von gemeinnützigen Organisationen zu mindern. Sie kann Leitlinien für einschlägige Vorschriften bereitstellen.

Überprüfung der Steuersatzstruktur

Zahlreiche Interessengruppen betonten, dass unterschiedliche MwSt-Sätze zusätzliche Befolgungskosten verursachen. Die wirtschaftliche Bewertung beinhaltet eine Abschätzung der Auswirkungen. Die Bewertung ergab, dass bei einer 50-prozentigen Verringerung der Unterschiede bei der Struktur der MwSt-Sätze in den einzelnen Mitgliedstaaten das Handelsvolumen innerhalb der EU um 9,8 % und das BIP um 1,1 % steigen könnten. Gleichzeitig wurde jedoch angemerkt, dass diese Zahlen zu hoch angesetzt sein könnten.

Die wirtschaftliche Bewertung bestätigte auch die bereits in früheren wirtschaftlichen Studien geäußerten Ansichten[16], dass die Einführung niedrigerer Sätze häufig nicht das optimale Instrument für die Verfolgung politischer Ziele darstellt. Dies gilt insbesondere für die Umverteilung zugunsten einkommensschwacher Haushalte oder die Förderung des Konsums von Waren, die als sozial wünschenswert angesehen werden.

Interessengruppen, die von ermäßigten Steuersätzen profitieren, berufen sich auf diese Ziele, um die bestehenden niedrigeren Sätze zu rechtfertigen oder sie sogar zu erweitern, insbesondere auf umweltfreundliche Produkte. Außerdem gab es in der öffentlichen Konsultation deutliche Reaktionen zur Frage der Gleichbehandlung von Produkten, die sowohl in traditioneller Form als auch in Onlineformaten erhältlich sind. Hinsichtlich dieser Themen besteht Diskussionsbedarf.

Erwähnenswert ist, dass sich bereits die derzeitige Anwendung von ermäßigten Sätzen in beträchtlichen Subventionen niederschlägt. In den einzelnen Mitgliedstaaten ist diese Situation abhängig von der Art der Nutzung der ermäßigten Sätze sehr unterschiedlich ausgeprägt. Die wirtschaftliche Bewertung ergab, dass diese Subventionen in neun untersuchten Mitgliedstaaten[17] einen Anteil von 8,2 % bis 53,3 % an den MwSt-Einnahmen hatten. Durch die Abschaffung ermäßigter MwSt-Sätze könnte der MwSt-Normalsatz theoretisch um 1,9 bis 7,5 Prozentpunkte verringert werden.

Die Anwendung des MwSt-Normalsatzes bleibt weiterhin das Grundprinzip, und die MwSt-Richtlinie zwingt die Mitgliedstaaten nicht dazu, ermäßigte Sätze anzuwenden. Die Mitgliedstaaten sind daher in erster Linie dafür verantwortlich, den Anwendungsbereich solcher Sätze dort, wo sie zu einer ungerechtfertigten Steuererleichterung führen, möglichst weit zu beschränken. Auch die derzeitige wirtschaftliche und finanzielle Situation, die eine starke Konsolidierung der nationalen Haushalte erfordert, spricht eher für die eingeschränkte Verwendung ermäßigter Sätze als für die Erhöhung der Normalsätze. Dennoch sollten aber die möglichen Vorteile eines begrenzten Einsatzes ermäßigter Sätze, die sorgfältig abgegrenzt und angewendet werden, nicht außer Acht gelassen werden.

Daher rechtfertigt eine Reihe von Faktoren die Überprüfung der aktuellen Struktur der MwSt-Sätze. Die Kommission geht davon aus, dass eine solche Überprüfung auf einer alle Aspekte umfassenden, gründlichen Folgenabschätzung und den folgenden Leitprinzipien basieren sollte:

- Abschaffung der ermäßigten Sätze, die ein Hindernis für das ordnungsgemäße Funktionieren des Binnenmarktes darstellen. Vormals gerechtfertigte ermäßigte Steuersätze können heute wettbewerbsverzerrende Auswirkungen haben, da sich die wirtschaftlichen, unternehmerischen und rechtlichen Rahmenbedingungen mittlerweile geändert haben.

- Abschaffung von ermäßigten Sätzen für Gegenstände und Dienstleistungen, deren Konsum bzw. Inanspruchnahme durch andere Maßnahmen auf EU-Ebene verhindert werden soll. Dies kann vor allem bei Gegenständen und Dienstleistungen der Fall sein, die sich schädlich auf Umwelt, Gesundheit und Gemeinwohl auswirken.

- Auf vergleichbare Gegenstände und Dienstleistungen sollte derselbe MwSt-Satz erhoben werden, und der technologische Fortschritt sollte diesbezüglich Berücksichtigung finden, so dass das Problem der Konvergenz zwischen Online-Umfeld und realem Umfeld angegangen wird.

- Zur Steigerung der Effizienz des MwSt-Systems bevorzugt die Kommission eine eingeschränkte Verwendung ermäßigter MwSt-Sätze. Sie wird 2012 eine Überprüfung der derzeitigen Struktur der MwSt-Sätze unter Berücksichtigung der oben genannten Leitprinzipien einleiten und anschließend nach umfassender Konsultation mit Interessengruppen und Mitgliedstaaten bis Ende 2013 entsprechende Vorschläge vorlegen.

- Zur Beseitigung rechtlicher Unsicherheiten und von Befolgungskosten aufgrund von 27 unterschiedlichen Steuersatzstrukturen wird die Kommission vorschlagen, in das Mehrwertsteuer-Webportal der EU eindeutige und verbindliche Informationen über die Liste der Gegenstände und Dienstleistungen aufzunehmen, die in den Mitgliedstaaten nicht durch die Normalsätze abgedeckt sind. Zu diesem Zweck könnte die Kombinierte Nomenklatur verwendet werden.

Wege zu einem robusteren und weniger betrugsanfälligen MwSt-System

Eine im Auftrag der Kommission vor einigen Jahren durchgeführte Studie ergab, dass im Allgemeinen 12 % der theoretischen MwSt-Beträge nicht eingezogen werden. Betrug ist ein wichtiger Faktor bei der so genannten „Mehrwertsteuerlücke“, doch hierbei spielen auch andere Aspekte eine Rolle, z. B. aufgrund von Fehlern, Fahrlässigkeit oder Insolvenz nicht erhobene Mehrwertsteuer.

Daher geht die Kommission davon aus, dass neben der dauerhaften Notwendigkeit, MwSt-Betrug zu bekämpfen, auch das Gesamtbild zu betrachten ist und wirksamere Methoden zur Erhebung und Überwachung der Mehrwertsteuer erschlossen werden müssen.

Mechanismus für die schnelle Reaktion auf unerwartete Betrugsfälle

Jüngste Erfahrungen mit organisierten, schwerwiegenden und plötzlichen MwSt-Betrugsfällen haben gezeigt, dass das Verfahren für die Änderung der Gesetzgebung oder die Genehmigung von Ausnahmeregelungen für Mitgliedstaaten nicht immer flexibel genug ist, um eine schnelle und angemessene Reaktion zu gewährleisten.

Zahlreiche Mitgliedstaaten haben die Möglichkeit begrüßt, dass anhand einer entsprechenden rechtlichen Grundlage – wenn auch nur zeitweise – umgehende Maßnahmen auf nationaler Ebene ergriffen werden können, um bestimmte betrügerische Verhaltensweisen zu unterbinden.

11. Die Kommission wird 2012 einen Vorschlag für einen Mechanismus für die schnelle Reaktion auf solche Vorfälle vorlegen.

Bekämpfung von MwSt-Betrug

Das Ergebnis einer im Jahr 2006[18] gestarteten Strategie zur Bekämpfung des Steuerbetrugs war ein kurzfristiger Aktionsplan, den die Kommission im Dezember 2008 vorlegte[19]. Seitdem hat die Kommission alle in diesem Aktionsplan angekündigten Legislativvorschläge vorgelegt, und der Rat hat die meisten Vorschläge angenommen.

Das Ergebnis ist eine Reihe neuer Maßnahmen wie die Schaffung von Eurofisc[20] und der verstärkte automatische Austausch von Informationen, die demnächst in Kraft treten oder vor Kurzem in Kraft getreten sind.

Ihre Effizienz im Hinblick auf die Verringerung von MwSt-Betrugsfällen wird einer sorgfältigen Prüfung unterzogen. Dies ist jedoch erst möglich, wenn alle Maßnahmen vollständig in Kraft sind. Falls sich diese Maßnahmen als unzureichend erweisen sollten, sind ggf. neue Initiativen erforderlich.

Einige der vorgeschlagenen Maßnahmen wurden nicht angenommen oder im Rat in dem Bestreben, Einstimmigkeit zu erzielen, verwässert. Dies trifft beispielsweise auf den automatisierten Zugang zu Informationen zu. Die Kommission wird auf diese Maßnahmen zurückkommen, um einen Konsens herbeizuführen. Sie wird insbesondere eine Ausdehnung des Spektrums an Informationen prüfen, zu denen die Mitgliedstaaten, die zu diesem Schritt bereit sind, automatisch Zugang hätten.

Multilaterale Kontrollen haben sich als wirksames Instrument bei komplexen Betrugsfällen mit Beteiligten aus verschiedenen Mitgliedstaaten erwiesen. Langfristig könnte ein an Eurofisc angegliedertes grenzübergreifendes Prüfteam mit Spezialisten der nationalen Steuerbehörden ins Auge gefasst werden. So könnten auf systematischere Weise mehr grenzübergreifende Prüfungen durchgeführt werden, und es wäre möglich, auf von Prüfern und Koordinatoren gewonnene Erkenntnisse und Erfahrungen zurückzugreifen.

12. Die Kommission wird die vollständige Umsetzung der neuen Betrugsbekämpfungsmaßnahmen gewährleisten und überwachen und 2014 Berichte zu deren Effizienz und zur Notwendigkeit weiterer Maßnahmen vorlegen.

13. Die Kommission ersucht den Rat, bei der Annahme der ihm zurzeit vorliegenden Vorschläge voranzuschreiten. Sie wird prüfen, wie der automatisierte Informationszugang erheblich ausgedehnt werden kann.

14. Die Kommission wird prüfen, ob ein grenzübergreifendes EU-Prüfteam eingeführt werden kann, um multilateriale Kontrollen zu vereinfachen und zu verbessern.

Der Erfolg jeglicher Maßnahmen zur Bekämpfung von Betrugsfällen hängt unmittelbar von der Verwaltungskapazität der nationalen Steuerbehörden ab. Dies wurde angesichts der derzeit angespannten Situation der Staatshaushalte mehrerer Mitgliedstaaten verstärkt deutlich. Zur Lösung dieser Probleme wurde die Schaffung einer effizienten und effektiven Steuerverwaltung befürwortet.

Gemäß der aktuellen MwSt-Eigenmittelverordnung[21] muss die Kommission regelmäßig Bericht über die Maßnahmen erstatten, die die Mitgliedstaaten zur Verwaltung und Kontrolle der Mehrwertsteuer ergreifen, und mögliche Verbesserungen überprüfen (sog. „Bericht nach Artikel 12“).

Im nächsten Bericht wird die Kommission einige Bezugspunkte (Benchmarks) festlegen, um die Leistung der einzelnen Steuerverwaltungen zu ermitteln. Dadurch könnten Mitgliedstaaten ihre eigene Position im Vergleich zu Durchschnittswerten innerhalb der EU bestimmen.

Es sollte systematischer über erfolgreiche Konzepte einiger Mitgliedstaaten in betrugsanfälligen Bereichen informiert werden. Steuerbehörden haben gemeinsame Probleme, und wenn sie ihre Maßnahmen auf die Erfahrungen anderer Mitgliedstaaten stützen könnten, wären bei den Ressourcen erhebliche Einsparungen möglich. In diesem Zusammenhang wird die Kommission auch die Tätigkeiten von Eurofisc, insbesondere im Arbeitsbereich für neue Tendenzen bei Betrugspraktiken (MwSt-Beobachtungsstelle) genau verfolgen.

15. Die Kommission wird im nächsten Bericht nach Artikel 12 die Überwachung der Effizienz und Effektivität der Steuerverwaltungen in den Mitgliedstaaten verstärken.

16. Die Kommission wird mit Unterstützung der Mitgliedstaaten den Austausch bewährter Verfahren bei der Betrugsbekämpfung in besonders anfälligen Bereichen intensivieren.

17. Die Kommission wird die Arbeit von Eurofisc weiterhin verfolgen und die Mitgliedstaaten ermutigen, diese Instrument auszubauen, um neue Betrugsmuster ausfindig zu machen oder ihr Entstehen zu verhindern.

Die Kommission hält auch ein „Soft Law“-Konzept (im Bereich der Steuerverwaltung) für einen vielversprechenden Schritt bei der Bekämpfung von MwSt-Betrug. Die Mitgliedstaaten werden daher aufgefordert, die Einhaltung von Vorschriften zu fördern, indem sie ihre Beziehungen zu Unternehmen intensivieren und ihre MwSt-Verfahren verbessern.

Ein solcher Ansatz zielt insbesondere darauf ab, potenzielle Betrüger am Zugang zum MwSt-System zu hindern und Steuerbehörden Personalumschichtungen zur Bekämpfung von vorschriftswidrigem Verhalten zu ermöglichen.

18. Die Kommission wird die Mitgliedstaaten bei ihren Bestrebungen zur Ausweitung der freiwilligen Einhaltung von Vorschriften mittels des unter Punkt 5.1.3 genannten MwSt-Forums unterstützen.

Da sich die Betrugsmethoden im Mehrwertsteuerbereich ständig ändern und auch Drittländer betreffen, bedarf es neuer Impulse, um der Notwendigkeit einer weitergehenderen, koordinierten Zusammenarbeit mit diesen Ländern gerecht zu werden. Die sich ändernden Betrugsmethoden erfordern zudem eine engere Zusammenarbeit und einen verstärkten Informationsaustausch zwischen Steuer- und Zollbehörden.

19. Die Kommission wird prüfen, wie die Zusammenarbeit mit Drittländern im Hinblick auf den Austausch von Informationen im Bereich der indirekten Steuern verstärkt werden kann; hierzu wird sie um ein EU-Mandat zum Abschluss von Abkommen mit Drittländern ersuchen.

20. Die Kommission wird Initiativen für eine verstärkte Zusammenarbeit zwischen den Steuer- und Zollbehörden einleiten und erleichtern.

Überprüfung der Art der Erhebung und der Überwachung von Mehrwertsteuer

Die heftigsten Reaktionen dürften die neuen im Grünbuch genannten Steuererhebungsmethoden verursacht haben.

Insbesondere das Modell für die Aufteilung von Zahlungen[22], das als weitreichendste Änderung angesehen wurde, erntete im Allgemeinen negative Reaktionen von Unternehmen und Steuerfachleuten. Letztere zeigten sich wegen der Auswirkungen der Methode im Hinblick auf Cashflow, Befolgungskosten und geschäftliche Belange besorgt. Darüber hinaus äußerten sie Zweifel hinsichtlich der Möglichkeiten, die MwSt-Lücke dadurch tatsächlich zu verringern. Allerdings möchten einige Mitgliedstaaten diese Methode weiter untersuchen.

Das Fehlen ausführlicher Daten zu den Auswirkungen des Modells und ungenaue Angaben zu seiner genauen Funktionsweise lassen die Kritik in gewisser Hinsicht erklärbar erscheinen. Die Kommission ist daher der Ansicht, dass es verfrüht wäre, das Modell aufzugeben.

Im Hinblick auf das Data-Warehouse-Modell (SAFT)[23], das von einigen Mitgliedstaaten bereits umgesetzt wird, baten zahlreiche Interessengruppen um eine einfachere und einheitliche Umsetzung.

21. Die Kommission wird die Umsetzbarkeit des Modells für aufgeteilte Zahlungen und dessen Ausgestaltung weiter analysieren, um im Hinblick auf eine spätere Entscheidung über geeignete Folgemaßnahmen den geäußerten Bedenken Rechnung zu tragen.

22. Die Kommission strebt einen gemeinsamen Ansatz zum Data-Warehouse-Modell auf EU-Ebene an, um dessen Umsetzung zu optimieren.

Ein auf den Binnenmarkt zugeschnittenes MwSt-System

Im Grünbuch wurden mehrere Methoden zur Durchsetzung der Besteuerung im Bestimmungsland beschrieben. In diesem Zusammenhang müssen zwei grundlegende Gesichtspunkte berücksichtigt werden: Erstens die Definition des Bestimmungsorts und zweitens die Frage, ob der Lieferer Mehrwertsteuer auf Umsätze innerhalb der EU in Rechnung stellt oder stattdessen der Erwerber für die Mehrwertsteuer aufkommt („Reverse Charge“).

Die aktuellen, übergangsweise geltenden MwSt-Vorschriften für Umsätze zwischen Unternehmen innerhalb der EU basieren bereits auf der Besteuerung im Bestimmungsland. Allerdings sprechen sich angesichts der unter Punkt 2 beschriebenen Mängel die meisten Interessengruppen dagegen aus, diese Vorschriften als definitive Lösung einzuführen. In ihrer derzeitigen Form stehen sie nicht in Einklang mit der grundlegenden Zielsetzung, grenzübergreifende Umsätze wie inländische Umsätze zu behandeln.

Interessengruppen aus der Wirtschaft und das Europäische Parlament fordern, das Konzept der Besteuerung am Firmensitz des Kunden weiter zu untersuchen. Dadurch würde gewährleistet, dass Gegenstände und Dienstleistungen gleich behandelt werden. Die Abkoppelung der Besteuerungsregeln vom physischen Warenfluss bei gleichzeitiger Bindung an das Vertragsverhältnis scheint einen vielversprechenden Ansatz darzustellen, der einer genaueren Prüfung unterzogen werden sollte.

Hinsichtlich des zweiten Aspekts könnte die Inrechnungstellung von Mehrwertsteuer auf grenzübergreifende Leistungen zwischen Unternehmen durch das leistende Unternehmen zu einer Gleichbehandlung von inländischen und grenzübergreifenden Umsätzen führen. Das Prinzip einer fraktionierten Zahlung der Mehrwertsteuer würde wieder in Kraft gesetzt, da es sowohl für inländische als auch für EU-interne Umsätze gelten würde. Ein solche Konzept würde daher für die derzeitige Anfälligkeit des MwSt-Systems gegen Betrugsfälle Abhilfe schaffen.

Allerdings beläuft sich das Handelsvolumen innerhalb der EU auf 2,5 Billionen EUR, was bedeuten würde, dass Mehrwertsteuer in Höhe von mehreren Hundert Milliarden Euro auf Umsätze erhoben werden müsste, bei denen derzeit nur der Erwerber für die Mehrwertsteuer aufkommt. Die Auswirkungen auf Unternehmen, insbesondere bezüglich des grenzübergreifenden Cashflows, wären beträchtlich. Im Hinblick auf die Arbeit der Steuerbehörden wäre zu berücksichtigen, dass es sich bei dem Unternehmen, das die Steuern zu zahlen hat, nicht mehr um das Unternehmen handeln würde, das in dem Mitgliedstaat, in dem die Steuerzahlungen zu leisten sind, seinen Firmensitz hat.

Hinsichtlich der Befolgungskosten würde die Erhebung von Mehrwertsteuer auf solche Leistungen die Schaffung einer umfassenden zentralen Anlaufstelle erfordern. Zur Sicherung der Einnahmen wären ggf. weitere Maßnahmen oder Garantien erforderlich.

23. Die Kommission wird eine umfassende technische Prüfung vornehmen und einen breit angelegten Dialog mit den Mitgliedstaaten in der Gruppe zur Zukunft der Mehrwertsteuer und mit den Interessengruppen in der MwSt-Expertengruppe führen und dabei die verschiedenen Möglichkeiten zur Umsetzung des Bestimmungslandprinzips ausführlich prüfen.

24. Die Kommission wird im ersten Halbjahr 2014 einen Legislativvorschlag vorlegen, der das definitive System der Besteuerung von Handelsgeschäften innerhalb der EU beinhaltet.

WEITERE MITTELFRISTIG ZU ERGREIFENDE MASSNAHMEN

In der Mitteilung wurden nun die Prioritäten und ein praktisches Arbeitsprogramm für die kommenden Jahre dargelegt. Darin werden mehrere Vorschläge im legislativen und nicht legislativen Bereich sowie eine Reihe umfassender Studien erläutert, die im Hinblick auf die Erarbeitung weiterer Vorschläge durchzuführen sind.

Diese Prioritätsinitiativen stehen mit der vorgeschlagenen Entwicklung der neuen MwSt-basierten Eigenmittel in Einklang und verstärken diese überdies. Die Erweiterung der Steuerbemessungsgrundlage, die Beschränkung der Verwendung ermäßigter Steuersätze und die Verringerung des Spielraums für betrügerische Handlungen könnten die Steuereinnahmen der Mitgliedstaaten erhöhen. Ein Teil dieser Mehreinnahmen könnte der EU-Ebene zugewiesen werden, und durch eine höhere Effizienz des MwSt-Systems wären weitere Einnahmensteigerungen möglich.

Auf weitere Aspekte der EU-Mehrwertsteuer, die im Grünbuch dargelegt wurden, wird mittelfristig eingegangen.

Eine Reihe von Bestimmungen in der MwSt-Richtlinie sind veraltet und werden dem Binnenmarktaspekt nicht mehr gerecht. Dies gilt insbesondere für die Regelung für Kleinunternehmen und die Bestimmungen zu MwSt-Gruppen.

Um die Neutralität der Steuer besser gewährleisten zu können, müssen auch die komplexen und voneinander abweichenden Regelungen bezüglich des Steuerabzugsrechts überprüft und es muss ein Mechanismus zur Lösung von Doppelbesteuerungsproblemen vorgesehen werden.

Außerdem müssen für Lieferer aus EU-Staaten und Nicht-EU-Staaten identische Bedingungen geschaffen werden. In diesem Zusammenhang muss die Behandlung von Kleinsendungen und sonstiger Internetverkäufe in Angriff genommen werden.

Fazit

Die Mitteilung umreißt Wege zur Umsetzung eines einfacheren, robusteren und effizienteren MwSt-Systems, das den Anforderungen des Binnenmarkts entspricht.

Die Kommission fordert den Rat, das Europäische Parlament und den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss dazu auf, politisch die Richtung zu weisen und ihre Bereitschaft zu signalisieren, die in dieser Mitteilung dargelegten Wege zu prüfen.

Um die Überarbeitung des MwSt-Systems in der EU weiterhin zu steuern, wird die Kommission regelmäßig über den aktuellen Stand dieser Überprüfung berichten und neue Maßnahmen darlegen.

[1] KOM(2011) 815 vom 23.11.2011.

[2] KOM(2010) 695, Arbeitsdokument der Dienststellen, SEK(2010) 1455 vom 1.12.2010.

[3] Sie sind zusammen mit einem Bericht, in dem alle Hauptaspekte zusammengefasst werden, unter der folgenden Adresse erhältlich: http://ec.europa.eu/taxation_customs/common/consultations/tax/2010_11_future_vat_en.htm

[4] Entschließung vom 13.10.2011, P7_TA(2011)0436.

[5] ABl. C 318 vom 29.10.2011, S. 87.

[6] http://ec.europa.eu/taxation_customs/common/publications/studies/index_de.htm

[7] KOM(2011) 510 vom 29.6.2011.

[8] Einschließlich Sozialversicherungsbeiträgen, Steuertrends in der Europäischen Union , 2011, Anhang A, Tabelle 8.

[9] KOM(2010) 2020 vom 3.3.2010.

[10] KOM(2011) 206 vom 13.4.2011.

[11] Erste Richtlinie 67/227/EWG und Zweite Richtlinie 67/228/EWG vom 11.4.1967.

[12] KOM(2008) 394 vom 25.6.2008.

[13] KOM(2009) 544 vom 22.10.2009, Anhang, S. 83.

[14] http://ec.europa.eu/enterprise/policies/better-regulation/administrative-burdens/high-level-group/index_en.htm

[15] http://ec.europa.eu/taxation_customs/resources/documents/common/publications/studies/ vat_public_sector.pdf.

[16] Copenhagen Economics, Study on reduced VAT applied to goods and services in the Member States of the European Union , Schlussbericht, 21.6.2007.

[17] Belgien, Frankreich, Deutschland, Griechenland, Ungarn, Italien, Polen, Spanien und Vereinigtes Königreich.

[18] KOM(2006) 254 vom 31.5.2006; KOM(2007) 758 vom 23.11.2007.

[19] KOM(2008) 870 vom 1.12.2008.

[20] Verordnung (EU) Nr. 904/2010 des Rates vom 7.10.2010.

[21] Verordnung (EWG, Euratom) Nr. 1553/89 des Rates vom 29.5.1989.

[22] Ein Modell, bei dem der Käufer die Mehrwertsteuer auf ein gesperrtes MwSt-Bankkonto bei der Bank der Steuerbehörden einzahlt, das nur vom Lieferanten für die Zahlung der Mehrwertsteuer auf das gesperrte MwSt-Bankkonto von dessen Lieferanten verwendet werden kann.

[23] Ein Modell, bei dem der Steuerpflichtige vordefinierte Umsatzdaten, die in einem vereinbarten Format strukturiert sind, in ein gesichertes Data Warehouse für Mehrwertsteuer hochlädt, das vom Steuerpflichtigen verwaltet wird und auf das die Steuerbehörden Zugriff haben.