9.10.2012   

DE

Amtsblatt der Europäischen Union

L 274/26


DURCHFÜHRUNGSBESCHLUSS DES RATES

vom 4. Oktober 2012

zur Ermächtigung Ungarns, eine von Artikel 193 Richtlinie 2006/112/EG des Rates über das gemeinsame Mehrwertsteuer-System abweichende Regelung einzuführen

(2012/624/EU)

DER RAT DER EUROPÄISCHEN UNION —

gestützt auf den Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union,

gestützt auf die Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28. November 2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem (1), insbesondere auf Artikel 395 Absatz 1,

auf Vorschlag der Europäischen Kommission,

in Erwägung nachstehender Gründe:

(1)

Ungarn beantragte mit einem bei der Kommission am 3. Februar 2012 registrierten Schreiben die Ermächtigung, vom 1. Juli 2012 und während eines Zeitraums von zwei Jahren bezüglich der Steuerschuldnerschaft von Artikel 193 der Richtlinie 2006/112/EG abzuweichen. In dem Schreiben erklärt Ungarn, keine Verlängerung dieser Ermächtigung beantragen zu wollen.

(2)

Die Kommission unterrichtete die anderen Mitgliedstaaten gemäß Artikel 395 Absatz 2 Unterabsatz 2 der Richtlinie 2006/112/EG mit Schreiben vom 26. April 2012 über den Antrag Ungarns und teilte Ungarn mit Schreiben vom 2. Mai 2012 mit, dass sie über alle für die Beurteilung des Antrags erforderlichen Angaben verfügt. Die Kommission unterbreitete ihren Vorschlag für die Genehmigung einer Ausnahmeregelung dem Rat am 29. Juni 2012.

(3)

Nach der allgemeinen Regel des Artikels 193 der Richtlinie 2006/112/EG wird die Mehrwertsteuer von dem Steuerpflichtigen geschuldet, der Gegenstände steuerpflichtig liefert. Mit der beantragten Ausnahmeregelung will Ungarn diese Steuerschuldnerschaft für einen begrenzten Zeitraum auf den Steuerpflichtigen verlagern, der Lieferungen bestimmter unverarbeiteter Agrarerzeugnisse in den Sektoren Getreide und Ölsaaten erhält.

(4)

Ungarn hat festgestellt, dass es in diesen Sektoren Unternehmen gibt, die sowohl im inländischen als auch im innergemeinschaftlichen Handel auf unterschiedliche Weise Steuern hinterziehen, indem sie die bei ihren Lieferungen in Rechnung gestellte Mehrwertsteuer nicht an die Steuerbehörden abführen. Die Empfänger dieser Lieferungen können nach wie vor die Vorsteuer abziehen, sofern es sich um Steuerpflichtige mit uneingeschränktem Recht auf Vorsteuerabzug handelt.

(5)

Die Verlagerung der Steuerschuldnerschaft vom Lieferer auf den steuerpflichtigen Empfänger ist eine befristete Notfallmaßnahme, mit der die Möglichkeit beseitigt werden soll, auf die genannte Weise Steuern zu hinterziehen. Damit die Regelung wirksam ist, sollte sie die Ernte von 2012 erfassen. Sie sollte nach einem Zeitraum von zwei Jahren enden, der für Ungarn ausreichen sollte, um im Agrarsektor endgültige, mit der Richtlinie 2006/112/EG vereinbare Regelungen einzuführen, so dass diese Form der Steuerhinterziehung verhindert und bekämpft wird.

(6)

Damit die Steuerhinterziehung nicht auf die Stufe der Verarbeitung der Erzeugnisse, auf andere Erzeugnisse oder andere Sektoren verlagert wird, sollte Ungarn geeignete Kontrollmaßnahmen und Berichtspflichten einführen und der Kommission melden.

(7)

Damit die Ausnahmeregelung nur für bestimmte landwirtschaftliche Erzeugnisse gilt und Rechtssicherheit gewährleistet wird, sollten die von der Sonderregelung erfassten Erzeugnisse unter Verwendung der Kombinierten Nomenklatur gemäß der Verordnung (EWG) Nr. 2658/87 des Rates vom 23. Juli 1987 über die zolltarifliche und statistische Nomenklatur sowie den Gemeinsamen Zolltarif (2) bestimmt werden.

(8)

Die Sonderregelung ist dem angestrebten Ziel angemessen, da sie befristet ist und nicht allgemein, sondern nur für ganz bestimmte Erzeugnisse gelten soll, die in der Regel in unverändertem Zustand nicht für den Endverbrauch bestimmt sind und bei denen die Steuerhinterziehung zu erheblichen MwSt.-Mindereinnahmen geführt hat.

(9)

Die Sonderregelung wird die MwSt.-Eigenmittel der Europäischen Union nicht beeinträchtigen —

HAT FOLGENDEN BESCHLUSS ERLASSEN:

Artikel 1

Abweichend von Artikel 193 der Richtlinie 2006/112/EG wird Ungarn ermächtigt, bezüglich der Lieferung der folgenden, in der Kombinierten Nomenklatur gemäß der Verordnung (EWG) Nr. 2658/87 genannten Erzeugnisse den steuerpflichtigen Empfänger als Steuerschuldner zu bestimmen:

KN-Code

Erzeugnis

1001

Weizen und Mengkorn

1002

Roggen

1003

Gerste

1004

Hafer

1005

Mais

1008 60 00

Triticale

1201

Sojabohnen, auch geschrotet

1205

Raps- oder Rübsensamen, auch geschrotet

1206 00

Sonnenblumenkerne, auch geschrotet

Artikel 2

Die Ermächtigung gemäß Artikel 1 hängt davon ab, dass Ungarn geeignete und wirksame Kontrollmaßnahmen und Berichtspflichten für Steuerpflichtige einführt, die von diesem Beschluss betroffene Erzeugnisse liefern.

Ungarn unterrichtet die Kommission über die Einführung der Maßnahmen und Pflichten nach Absatz 1.

Artikel 3

Dieser Beschluss wird am Tag seiner Bekanntgabe wirksam.

Er gilt vom 1. Juli 2012 bis 30. Juni 2014.

Artikel 4

Dieser Beschluss ist an Ungarn gerichtet.

Geschehen zu Luxemburg am 4. Oktober 2012.

Im Namen des Rates

Die Präsidentin

S. CHARALAMBOUS


(1)  ABl. L 347 vom 11.12.2006, S. 1.

(2)  ABl. L 256 vom 7.9.1987, S. 1.