6.2.2014   

DE

Amtsblatt der Europäischen Union

L 36/13


BESCHLUSS DES RATES

vom 28. Januar 2014

über das Bestehen eines übermäßigen Defizits in Kroatien

(2014/56/EU)

DER RAT DER EUROPÄISCHEN UNION —

gestützt auf den Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union, insbesondere auf Artikel 126 Absatz 6,

auf Vorschlag der Europäischen Kommission,

unter Berücksichtigung der Bemerkungen Kroatiens,

in Erwägung nachstehender Gründe:

(1)

Nach Artikel 126 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) müssen die Mitgliedstaaten übermäßige öffentliche Defizite vermeiden.

(2)

Der Stabilitäts- und Wachstumspakt (SWP) beruht auf dem Ziel einer gesunden öffentlichen Finanzlage als Mittel zur Verbesserung der Voraussetzungen für Preisstabilität und ein kräftiges tragfähiges Wachstum, das der Schaffung von Arbeitsplätzen förderlich ist.

(3)

Das Verfahren bei einem übermäßigen Defizit (VÜD) nach Artikel 126 AEUV, das durch die zum SWP gehörende Verordnung (EG) Nr. 1467/97 (1) näher geregelt wird, sieht einen Beschluss des Rates über das Vorliegen eines übermäßigen Defizits vor. Protokoll Nr. 12 über das Verfahren bei einem übermäßigen Defizit, das dem Vertrag über die Europäische Union und dem AEUV beigefügt ist, enthält weitere Bestimmungen zur Durchführung des VÜD. In der Verordnung (EG) Nr. 479/2009 (2) des Rates werden detaillierte Regeln und Definitionen für die Anwendung dieser Bestimmungen festgelegt.

(4)

Ist die Kommission der Auffassung, dass in einem Mitgliedstaat ein übermäßiges Defizit besteht oder sich ergeben könnte, so hat sie nach Artikel 126 Absatz 5 AEUV dem betreffenden Mitgliedstaat eine Stellungnahme vorzulegen und den Rat zu unterrichten.

(5)

Unter Berücksichtigung ihres Berichts nach Artikel 126 Absatz 3 AEUV und nach Stellungnahme des Wirtschafts- und Finanzausschusses nach Artikel 126 Absatz 4 AEUV ist die Kommission zu der Auffassung gelangt, dass in Kroatien ein übermäßiges Defizit besteht. Am 10. Dezember 2013 hat die Kommission daher Kroatien eine entsprechende Stellungnahme vorgelegt und den Rat entsprechend unterrichtet (3).

(6)

Nach Artikel 126 Absatz 6 AEUV hat der Rat die Bemerkungen, die der betreffende Mitgliedstaat gegebenenfalls abzugeben wünscht, zu berücksichtigen, bevor er nach Prüfung der Gesamtlage beschließt, ob ein übermäßiges Defizit besteht. Im Falle Kroatiens führt die Prüfung der Gesamtlage zu nachstehenden Schlussfolgerungen.

(7)

Nach der Revision des Haushalts 2013 und dem Entwurf des Haushalts 2014 (4), der am 14. November 2013 von der kroatischen Regierung beschlossen und ins kroatische Parlament eingebracht wurde, veranschlagen die kroatischen Behörden für 2013 ein gesamtstaatliches Defizit von 5,5 % des BIP (nach 5 % des BIP 2012) und gehen für 2014 von einer unveränderten Schuldenquote aus, die erst 2015 und 2016 allmählich sinken soll. Nach der am 5. November 2013 veröffentlichten Herbstprognose 2013 der Kommissionsdienststellen wird das gesamtstaatliche Defizit bereits im Jahr 2013 erheblich über dem im Vertrag festgelegten Referenzwert von 3 % des BIP liegen und im Zeitraum 2013-2015 auf über 6 % des BIP ansteigen, wenn keine Maßnahmen dagegen ergriffen werden. Wie im Bericht der Kommission, der gemäß Artikel 126 Absatz 3 AEUV erstellt wurde, angemerkt, liegen die geplanten und prognostizierten Defizite über dem im Vertrag festgelegten Referenzwert und nicht mehr in dessen Nähe. Der Referenzwert kann im Sinne des SWP als ausnahmsweise überschritten angesehen werden. So ist die Referenzwertüberschreitung zum Teil Folge eines schweren Wirtschaftsabschwungs im Sinne des SWP. Die Wirtschaftstätigkeit ist gegenüber dem Konjunkturhoch von 2008 schätzungsweise um fast 12 % eingebrochen. Den Projektionen zufolge wird das reale BIP 2013 weiter schrumpfen und sich erst 2014 leicht erholen. Das von den Kommissionsdienststellen nach der gemeinsamen Methode geschätzte potenzielle Produktionswachstum stagnierte 2009 und rutschte 2010 in den Negativbereich, wo es seither verharrt. Die berechnete Produktionslücke, die seit 2009 negativ ist, dürfte sich im Prognosezeitraum zwar langsam verengen, aber dennoch bis 2015 negativ bleiben, was Tiefe und Langwierigkeit der Rezession bestätigt. Angesichts der Planungen kann der Referenzwert im Sinne des SWP allerdings nicht als vorübergehend überschritten angesehen werden. Nach den Projektionen der kroatischen Behörden und der Herbstprognose 2013 der Kommissionsdienststellen wird das gesamtstaatliche Defizit auch 2014 und 2015 erheblich über dem Referenzwert liegen. Die Anforderung des AEUV in Bezug auf das Defizitkriterium ist somit nicht erfüllt.

(8)

Im Haushaltsentwurf 2014 sieht die Regierung einen Anstieg der gesamtstaatlichen Schuldenquote von 58,1 % im Jahr 2013 auf 62 % im Jahr 2014 und eine weitere Erhöhung auf 64,1 % im Jahr 2015 und 64,7 % im Jahr 2016 vor. Diese Zahlen liegen etwas über den Angaben in den Leitlinien Kroatiens für die Wirtschafts- und Finanzpolitik vom September 2013, in denen die Regierung die Schuldenquote für 2013 bei 56,6 %, für 2014 bei 60,6 %, für 2015 bei 63,4 % und für 2016 bei 65,3 % veranschlagt hatte. Die Kommissionsdienststellen rechnen in ihrer Herbstprognose 2013 mit einer gesamtstaatlichen Schuldenquote von 59,7 %. Bei unveränderter Politik wird davon ausgegangen, dass die gesamtstaatliche Schuldenquote 2014 auf über 60 % des BIP ansteigen und damit den im Vertrag festgelegten Referenzwert von 60 % des BIP übersteigen wird. Nach aktuell verfügbaren Informationen wird der gesamtstaatliche Schuldenstand aufgrund einer auf USD lautenden Anleiheemission vom November 2013 die 60 %-Hürde schon Ende 2013 reißen. Nach Artikel 2 Absatz 1a der Verordnung (EG) Nr. 1467/97 gilt die Anforderung des Schuldenstandkriteriums ebenfalls als erfüllt, wenn die Haushaltsvorausschätzungen der Kommission darauf hindeuten, dass die geforderte Verringerung des Abstands zum Referenzwert im Zeitraum von drei Jahren einschließlich der zwei Jahre eintritt, die auf das letzte Jahr, für das die Daten verfügbar sind, folgen. Die Vorausschätzungen der kroatischen Behörden und der Kommissionsdienststellen zeigen, dass die Schuldenquote aufgrund der anhaltend hohen Defizite und der schwachen Wirtschaftstätigkeit einen Aufwärtstrend aufweist; den Erwartungen zufolge wird dies im gesamten Prognosezeitraum so bleiben. Folglich wird der Richtwert für den Schuldenstand und somit die Anforderung des Schuldenstandkriterium des AEUV nicht erfüllt.

(9)

Gemäß den Bestimmungen des AEUV hat die Kommission in ihrem Bericht nach Artikel 126 Absatz 3 AEUV auch „einschlägige Faktoren“ analysiert. Nach Artikel 2 Absatz 4 der Verordnung (EG) Nr. 1467/97 können diese Faktoren bei Ländern, deren Schuldenquote über dem Referenzwert liegt, in den Verfahrensschritten, die zum Beschluss über die Erfüllung des Defizitkriteriums führen, nur dann berücksichtigt werden, wenn das gesamtstaatliche Defizit in der Nähe des Referenzwerts bleibt und der Referenzwert nur vorübergehend überschritten wird, was bei Kroatien nicht der Fall ist. Bei der Bewertung der Erfüllung des Schuldenstandkriteriums wurden die einschlägigen Faktoren, insbesondere die tiefe und langwierige Rezession vor dem Hintergrund ungünstiger außenwirtschaftlicher Bedingungen, berücksichtigt. Die einschlägigen Faktoren ändern jedoch nichts an der Schlussfolgerung, dass das Schuldenstandkriterium des AEUV nicht erfüllt ist —

HAT FOLGENDEN BESCHLUSS ERLASSEN:

Artikel 1

Nach Prüfung der Gesamtlage ist festzustellen, dass in Kroatien ein übermäßiges Defizit besteht.

Artikel 2

Dieser Beschluss ist an die Republik Kroatien gerichtet.

Geschehen zu Brüssel am 28. Januar 2014.

Im Namen des Rates

Der Präsident

G. STOURNARAS


(1)  Verordnung (EG) Nr. 1467/97 des Rates vom 7. Juli 1997 über die Beschleunigung und Klärung des Verfahrens bei einem übermäßigen Defizit (ABl. L 209 vom 2.8.1997, S. 6).

(2)  Verordnung (EG) Nr. 479/2009 des Rates vom 25. Mai 2009 über die Anwendung des dem Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft beigefügten Protokolls über das Verfahren bei einem übermäßigen Defizit (ABl. L 145 vom 10.6.2009, S. 1).

(3)  Alle VÜD-Dokumente zu Kroatien finden sich auf folgender Website: http://ec.europa.eu/economy_finance/economic_governance/sgp/deficit/countries/croatia_en.htm

(4)  Der Haushaltsentwurf entspricht nicht der Methodik des ESVG 95 (ESVG 95). Auf Basis des ESVG 95 läge das Defizit in den Jahren 2009-2012 schätzungsweise 1,5 bis 3,3 Prozentpunkte über den nach der nationalen Methodik gemeldeten Werten. Die Differenzen ergeben sich hauptsächlich daraus, dass in den Defizitzahlen nach ESVG 95 auch gewisse Garantiezahlungen, Schuldenübernahmen und die Begleichung von Rentenschulden enthalten sind.