24.3.2007   

DE

Amtsblatt der Europäischen Union

L 84/37


ENTSCHEIDUNG DER KOMMISSION

vom 19. März 2007

über eine Erhebung über Chronic Wasting Disease bei Hirschartigen

(Bekannt gegeben unter Aktenzeichen K(2007) 860)

(Text von Bedeutung für den EWR)

(2007/182/EG)

DIE KOMMISSION DER EUROPÄISCHEN GEMEINSCHAFTEN —

gestützt auf den Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft,

gestützt auf die Verordnung (EG) Nr. 999/2001 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 22. Mai 2001 mit Vorschriften zur Verhütung, Kontrolle und Tilgung bestimmter transmissibler spongiformer Enzephalopathien (1), insbesondere auf Artikel 6 Absatz 1,

in Erwägung nachstehender Gründe:

(1)

Chronic Wasting Disease (chronisch auszehrende Krankheit) ist eine transmissible spongiforme Enzephalopathie (TSE), die Hirschartige befällt. Die Seuche ist in Nordamerika weit verbreitet, wurde jedoch bislang noch nicht in der Gemeinschaft gemeldet.

(2)

Am 3. Juni 2004 hat die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) ein Gutachten veröffentlicht, in dem sie eine gezielte Überwachung der Hirschartigen in der Gemeinschaft empfiehlt, um etwaige TSE-Infektionen festzustellen. Daher sollten im Einklang mit dem Gutachten entsprechende Bestimmungen für die Mitgliedstaaten zur Durchführung von Erhebungen festgelegt werden.

(3)

Mit der Verordnung (EG) Nr. 999/2001 wurden Vorschriften zur Verhütung, Kontrolle und Tilgung von TSE bei Tieren geschaffen. Diese Verordnung — geändert durch die Verordnung (EG) Nr. 1923/2006 — umfasst Bestimmungen für TSE-Überwachungsprogramme für Hirschartige. Infolgedessen können mit der vorliegenden Entscheidung Rahmenbedingungen für einzelstaatliche Erhebungen über TSE-Infektionen bei Hirschartigen festgelegt werden.

(4)

Die Erhebungen sollten gezüchtete und wild lebende Hirscharten einschließen. Da wild lebende Hirsche hauptsächlich während der Jagdsaison erfasst werden, die sich über einen begrenzten Zeitraum erstreckt, sollte die vorliegende Entscheidung erst nach Annahme der Verordnung (EG) Nr. 1923/2006 zur Anwendung kommen, damit die Mitgliedstaaten genügend Zeit haben, die erforderliche Anzahl von Stichproben zu sammeln.

(5)

Die Mitgliedstaaten sollten einen Jahresbericht über die Ergebnisse der Erhebungen über Hirschartige vorlegen. Im Falle eines positiven TSE-Befundes ist die Europäische Kommission unverzüglich in Kenntnis zu setzen.

(6)

Die Mitgliedstaaten sollten sicherstellen, dass die auf TSE getesteten Hirschartigen nicht in die kommerzielle Nahrungsmittelkette gelangen, bis ein negatives Ergebnis vorliegt.

(7)

Die in dieser Entscheidung vorgesehenen Maßnahmen entsprechen der Stellungnahme des Ständigen Ausschusses für die Lebensmittelkette und Tiergesundheit —

HAT FOLGENDE ENTSCHEIDUNG ERLASSEN:

Artikel 1

Geltungsbereich

Mit dieser Entscheidung werden Rahmenbedingungen für eine Erhebung zur Feststellung von Chronic Wasting Disease (CWD) bei Tieren der Hirschfamilie, d. h. Hirschartigen, festgelegt („die Erhebung“).

Artikel 2

Begriffsbestimmungen

Für die Zwecke dieser Entscheidung gelten die Definitionen in Anhang I.

Artikel 3

Umfang der Erhebung

(1)   Die Mitgliedstaaten führen eine Erhebung durch, um CWD-Infektionen bei Hirschartigen im Einklang mit den Mindestanforderungen gemäß Anhang II festzustellen.

(2)   Die Mitgliedstaaten schließen ihre Erhebung spätestens bis zum Ende der Jagdsaison 2007 ab.

Artikel 4

Maßnahmen der Mitgliedstaaten nach Durchführung der CWD-Tests

Die Mitgliedstaaten ergreifen nach Durchführung der CWD-Tests die in Anhang III beschriebenen Maßnahmen.

Artikel 5

Von den Mitgliedstaaten bei der Kommission einzureichende Berichte

Die Mitgliedstaaten legen der Kommission folgende Berichte vor:

a)

einen Bericht unverzüglich nach Vorliegen eines positiven Befundes oder nicht schlüssigen Ergebnisses in Bezug auf die transmissible spongiforme Enzephalopathie bei Hirschartigen;

b)

einen Jahresbericht über die Ergebnisse der Erhebungen gemäß Anhang IV.

Artikel 6

Zusammenfassender Bericht der Kommission an die Mitgliedstaaten

Die Kommission erstellt für die Mitgliedstaaten eine Zusammenfassung der gemäß Artikel 5 eingereichten Berichte.

Artikel 7

Adressaten

Diese Entscheidung ist an die Mitgliedstaaten gerichtet.

Brüssel, den 19. März 2007

Für die Kommission

Markos KYPRIANOU

Mitglied der Kommission


(1)  ABl. L 147 vom 31.5.2001, S. 1. Verordnung zuletzt geändert durch die Verordnung (EG) Nr. 1923/2006 (ABl. L 404 vom 30.12.2006, S. 1).


ANHANG I

Definitionen

Für die Zwecke dieser Entscheidung gelten folgende Definitionen:

a)

„Ziel-Tierarten“: gezüchtete und wild lebende Rothirsche (Cervus elaphus) und/oder Weißwedelhirsche (Odocoileus virginianus);

b)

„Ziel-Mitgliedstaaten“: Mitgliedstaaten, die über eine ausreichende Population der Ziel-Tierarten verfügen, um den statistisch erforderlichen Stichprobenumfang zu erreichen; dabei handelt es sich um jeweils unterschiedliche Mitgliedstaaten, abhängig von der Tierart und davon, ob es sich um gezüchtete oder wild lebende Tiere handelt (siehe Anhang II Tabellen 1 und 2);

c)

„klinisch erkrankte Hirschartige“: Tiere, die anormale Verhaltensmerkmale und/oder motorische Störungen und/oder einen allgemein schlechten Gesundheitszustand aufweisen;

d)

„im Straßenverkehr verletzte oder getötete Hirschartige“: von Kraftfahrzeugen erfasste Tiere, deren Gesundheitszustand ante mortem nicht festgestellt werden kann;

e)

„verendete/gekeulte Hirschartige“: im Betrieb oder in der freien Natur tot aufgefundene Tiere und aus Gesundheits-/Altersgründen gekeulte Zuchttiere;

f)

„gesunde geschlachtete Hirschartige“: gesunde Zuchttiere, die im Schlachthof oder im Betrieb geschlachtet wurden;

g)

„gesunde erlegte Hirschartige“: gesunde wild lebende Tiere, die in der Jagdsaison erlegt wurden;

h)

„Zielgruppen“: Tiere gemäß Buchstaben c bis g.


ANHANG II

Mindestanforderungen für eine Erhebung zur Ermittlung von Chronic Wasting Disease bei Hirschartigen

1.   Stichprobenauswahl der Ziel-Mitgliedstaaten unter den Ziel-Tierarten

a)

Die Ziel-Mitgliedstaaten ziehen Stichproben zur Untersuchung auf Chronic Wasting Disease (CWD) gemäß Tabelle 1 für wild lebende Rothirsche und Weißwedelhirsche und gemäß Tabelle 2 für gezüchtete Rothirsche.

Diese Stichproben können aus allen Zielgruppen in den Ziel-Mitgliedstaaten gezogen werden.

b)

Die zuständige Behörde der Ziel-Mitgliedstaaten trägt bei der Auswahl von Stichproben unter den Ziel-Tierarten folgenden Kriterien Rechnung:

i)

Alle Tiere müssen älter als 18 Monate sein; das Alter der Tiere ist anhand des Gebisses, eindeutiger Reifezeichen oder anderer zuverlässiger Hinweise zu schätzen.

ii)

Im Falle gesunder erlegter Tiere sind die Stichproben insbesondere von männlichen Tieren zu ziehen.

iii)

Im Falle gesunder geschlachteter Tiere sind die Stichproben insbesondere von älteren männlichen und weiblichen Tieren zu ziehen.

c)

Die zuständige Behörde des Ziel-Mitgliedstaats trägt bei der Auswahl von Stichproben unter den Ziel-Tierarten folgenden potenziellen Risikofaktoren Rechnung:

i)

Gebiete mit großer Hirschpopulation,

ii)

hohe Scrapie-Inzidenz,

iii)

hohe BSE-Inzidenz,

iv)

Tiere, die potenziell TSE-kontaminiertes Futter aufgenommen haben,

v)

Tiere in Betrieben oder Regionen, in denen bereits Einfuhren von Hirschartigen oder ihren Erzeugnissen aus von CWD betroffenen Regionen verzeichnet wurden.

d)

Die zuständige Behörde der Ziel-Mitgliedstaaten stützt sich bei der Auswahl der zu untersuchenden Ziel-Tierarten auf Zufallsstichproben.

2.   Stichprobenauswahl aller Mitgliedstaaten zur Untersuchung aller Hirscharten auf CWD

Alle Mitgliedstaaten ziehen Stichproben zur Untersuchung von klinisch erkrankten und verendeten/gekeulten Tieren (prioritär) sowie von im Straßenverkehr verletzten oder getöteten Tieren aller Hirscharten auf CWD. Die zuständige Behörde der Mitgliedstaaten ergreift entsprechende Sensibilisierungsmaßnahmen, damit möglichst viele dieser Tiere getestet werden können.

Tabelle 1

Wild lebende Rothirsche (Cervus elaphus) und Weißwedelhirsche (Odocoileus virginianus)

 

Population der Ziel-Tierart

Größe der Stichprobe

Tschechische Republik

25 000

598

Deutschland

150 000

598

Spanien

220 000 bis 290 000

598

Frankreich

100 000

598

Italien

44 000

598

Lettland

28 000

598

Ungarn

74 000

598

Österreich

150 000

598

Polen

600 000

598

Slowakei

38 260

598

Finnland

30 000

598

Vereinigtes Königreich

382 500

598


Tabelle 2

Gezüchtete Rothirsche (Cervus elaphus elaphus)

 

Population der Ziel-Tierart

Größe der Stichprobe

Tschechische Republik

> 9 000

576

Deutschland

11 500

598

Frankreich

17 000

598

Irland

10 000

581

Österreich

10 000

581

Vereinigtes Königreich

28 000

598

3.   Probenahme und Labortests

Bei allen gemäß Nummer 1 und 2 dieses Anhangs erfassten Hirschartigen wird eine Probe des Obex entnommen und getestet. Von jeder Probe ist zumindest ein Teil in gekühltem oder gefrorenem Zustand aufzubewahren, bis ein negatives Ergebnis vorliegt, damit erforderlichenfalls ein Bioassay durchgeführt werden kann.

Leitlinien zu den Methoden und Protokollen findet die zuständige Behörde in Anhang X Kapitel C Nummer 3 der Verordnung (EG) Nr. 999/2001.

Schnelltests gemäß Anhang X Kapitel C Nummer 4 der Verordnung (EG) Nr. 999/2001 zur Feststellung einer transmissiblen spongiformen Enzephalopathie (TSE) anhand des Obex von Rindern oder kleinen Wiederkäuern gelten als geeignet für Stichprobenerhebungen gemäß Nummer 1 und 2 dieses Anhangs. Die Mitgliedstaaten können außerdem auf immunohistochemische Verfahren für Screening-Zwecke zurückgreifen, die einem Leistungstest vonseiten des gemeinschaftlichen Referenzlaboratoriums genügen müssen. Ist ein Mitgliedstaat nicht in der Lage, einen positiven Schnelltest zu bestätigen, so sendet er eine geeignete Gewebeprobe zur Bestätigung an das GRL. Im Falle eines positiven TSE-Befundes kommt das Protokoll gemäß Anhang X Kapitel C Nummer 3.2 Buchstabe c Ziffer i und ii der Verordnung (EG) Nr. 999/2001 zur Anwendung.

4.   Genotypisierung

Für jeden positiven TSE-Befund bei Hirschartigen ist der Prionprotein-Genotyp gemäß den Leitlinien des gemeinschaftlichen Referenzlaboratoriums für TSE zu ermitteln.


ANHANG III

Maßnahmen nach Durchführung der Tests

1.

Wenn Hirschartige, die zum menschlichen Verzehr in Verkehr gebracht werden sollen, für einen CWD-Test ausgewählt werden, stellen die Mitgliedstaaten die Rückverfolgbarkeit des Tierkörpers sicher und sorgen dafür, dass er bis zum Vorliegen der Ergebnisse des Schnelltests nicht in den Handel gelangt.

2.

Im Falle von Nummer 1 sollte nach Möglichkeit der Jäger, der Jagdaufseher oder der Züchter, falls bekannt, über die Durchführung von CWD-Tests informiert werden; außerdem sollten ihm die Ergebnisse eines positiven Schnelltests baldmöglichst auf amtlichem Wege mitgeteilt werden.

3.

Die Mitgliedstaaten behalten sich das Recht vor, Material für weitere Analysen oder Forschungszwecke aufzubewahren, bis ein negatives Ergebnis des CWD-Schnelltests vorliegt.

4.

Alle Körperteile von Tieren mit positivem Befund, einschließlich der Haut, werden gemäß Artikel 4 Absatz 2 Buchstabe a, b oder e der Verordnung (EG) Nr. 1774/2002 (1) möglichst unmittelbar beseitigt, mit Ausnahme des Materials, das für weitere Analysen oder Forschungszwecke aufbewahrt werden soll.


(1)  ABl. L 273 vom 10.10.2002, S. 1.


ANHANG IV

Berichterstattungs- und -aufzeichnungsvorschriften

1.   Verpflichtungen der Mitgliedstaaten

Informationen, die von den Mitgliedstaaten im Jahresbericht über die Ergebnisse der CWD-Erhebung anzugeben sind:

a)

Anzahl der untersuchten Proben nach Zielgruppe sowie nach folgenden Kriterien:

Tierart,

gezüchtete oder wild lebende Tiere,

Zielgruppe,

Geschlecht,

Alter;

b)

Ergebnisse der Schnell- und Bestätigungstests (Anzahl der positiven und negativen Befunde) und ggf. der differenzialdiagnostischen Tests, Gewebeproben sowie für die Schnell- und Bestätigungstests eingesetzte Verfahren;

c)

geografische Verteilung einschließlich des Herkunftslands (wenn es sich vom Meldeland unterscheidet) positiver TSE-Befunde;

d)

Genotyp und Art für jedes einzelne Tier mit positivem TSE-Befund.

2.   Berichtszeiträume

Die Ergebnisse der CWD-Stichprobenerhebung des Vorjahres werden in einem Jahresbericht festgehalten.

Dieser Bericht ist baldmöglichst, jedoch nicht später als sechs Monate nach Ablauf des jeweiligen Erhebungsjahrs vorzulegen.

In dem Bericht 2007 sind die Ergebnisse der Jagdsaison 2007 zu beschreiben, selbst wenn einige Proben erst 2008 entnommen wurden.