30.5.2009   

DE

Amtsblatt der Europäischen Union

L 135/21


ENTSCHEIDUNG DES RATES

vom 27. April 2009

über das Bestehen eines übermäßigen Defizits in Griechenland

(2009/415/EG)

DER RAT DER EUROPÄISCHEN UNION —

gestützt auf den Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft, insbesondere auf Artikel 104 Absatz 6,

auf Empfehlung der Kommission,

unter Berücksichtigung der Bemerkungen Griechenlands,

in Erwägung nachstehender Gründe:

(1)

Nach Artikel 104 des Vertrags müssen die Mitgliedstaaten übermäßige öffentliche Defizite vermeiden.

(2)

Der Stabilitäts- und Wachstumspakt beruht auf dem Ziel einer gesunden öffentlichen Finanzlage als Mittel zur Verbesserung der Voraussetzungen für Preisstabilität und ein kräftiges tragfähiges Wachstum, das der Schaffung von Arbeitsplätzen förderlich ist.

(3)

Das Verfahren bei einem übermäßigen Defizit (VÜD) nach Artikel 104, das durch die (zum Stabilitäts- und Wachstumspakt gehörende) Verordnung (EG) Nr. 1467/97 des Rates vom 7. Juli 1997 über die Beschleunigung und Klärung des Verfahrens bei einem übermäßigen Defizit (1) näher geregelt wird, sieht eine Entscheidung über das Bestehen eines übermäßigen Defizits vor. Das Protokoll über das Verfahren bei einem übermäßigen Defizit im Anhang zum des Vertrags enthält weitere Bestimmungen zur Durchführung des Verfahrens. In der Verordnung (EG) Nr. 3605/93 des Rates (2) werden detaillierte Regeln und Definitionen für die Anwendung des genannten Protokolls festgelegt.

(4)

Durch die Reform des Stabilitäts- und Wachstumspakt im Jahr 2005 sollten seine Effizienz und wirtschaftlichen Grundlagen gestärkt und die langfristige Tragfähigkeit der öffentlichen Finanzen gewährleistet werden. Insbesondere sollte sichergestellt werden, dass der wirtschaftliche und budgetäre Hintergrund auf allen Stufen des Defizitverfahrens in vollem Umfang berücksichtigt wird. Auf diese Weise bietet der Stabilitäts- und Wachstumspakt einen Rahmen, der die Politik der Regierungen zur umgehenden Wiederherstellung einer soliden Haushaltsposition mit Rücksicht auf die Wirtschaftslage unterstützt.

(5)

Nach Artikel 104 Absatz 5 des Vertrags hat die Kommission dem Rat eine Stellungnahme vorzulegen, wenn sie der Auffassung ist, dass in einem Mitgliedstaat ein übermäßiges Defizit besteht oder sich ergeben könnte. Unter Berücksichtigung ihres Berichts nach Artikel 104 Absatz 3 und nach Stellungnahme des Wirtschafts- und Finanzausschusses gemäß Artikel 104 Absatz 4 gelangte die Kommission zu der Auffassung, dass in Griechenland ein übermäßiges Defizit besteht. Die Kommission hat dem Rat daher am 24. März 2009 eine entsprechende Stellungnahme zu Griechenland vorgelegt (3).

(6)

Nach Artikel 104 Absatz 6 des Vertrags hat der Rat die Bemerkungen, die der betreffende Mitgliedstaat gegebenenfalls abzugeben wünscht, zu berücksichtigen, bevor er nach Prüfung der Gesamtlage entscheidet, ob ein übermäßiges Defizit besteht. Im Falle Griechenlands führt die Prüfung der Gesamtlage zu folgenden Schlussfolgerungen.

(7)

Das gesamtstaatliche Defizit Griechenlands hat im Jahr 2007 3,5 % des BIP erreicht, womit es über dem Referenzwert von 3 % des BIP lag. Laut der Zwischenprognose der Kommissionsdienststellen vom Januar 2009 wird das gesamtstaatliche Defizit ohne Anrechnung einmaliger Maßnahmen im Jahr 2008 auf 3,6 % des BIP geschätzt (bzw. auf 3,4 % des BIP einschließlich einmaliger Maßnahmen). Diese Schätzung basiert auf einem realen BIP-Wachstum von 2,9 % und berücksichtigt die jüngsten Angaben zur Ausführung des Haushaltsgesetzes 2008. Laut der Zwischenprognose der Kommissionsdienststellen vom Januar 2009 soll das gesamtstaatliche Defizit ohne Anrechnung einmaliger Maßnahmen, ausgehend von einer Projektion des realen BIP-Wachstums von 0,2 % und einer vorsichtigen Bewertung des vom Parlament am 21. Dezember 2008 verabschiedeten Haushaltsgesetzes 2009, im Jahr 2009 4,4 % des BIP (oder 3,7 % einschließlich einmaliger Einnahmen) betragen. Unter der üblichen Annahme einer unveränderten Politik und der Annahme, dass die einmaligen Maßnahmen nicht fortgesetzt werden, wird das Defizit 2010 schätzungsweise 4,2 % des BIP betragen. Daher ist das Defizitkriterium des Vertrags nicht erfüllt.

(8)

Der gesamtstaatliche Bruttoschuldenstand lag mit 94,8 % des BIP im Jahr 2007 und 94,6 % im Jahr 2008 eindeutig über dem Referenzwert des Vertrags von 60 % des BIP. Nach der Zwischenprognose der Kommissionsdienststellen vom Januar 2009 soll die gesamtstaatliche Schuldenquote weiter ansteigen auf 96,25 % des BIP im Jahr 2009 bzw. auf 98,5 % des BIP im Jahr 2010. Das derzeitige Defizit und die mittelfristigen Wachstumsschätzungen sind nicht mit einer Senkung der Schuldenquote unter 60 % des BIP vereinbar. Die Schuldenquote kann im Sinne des Vertrags und des Stabilitäts- und Wachstumspakts nicht als hinreichend rückläufig und sich rasch genug dem Referenzwert annähernd angesehen werden.

(9)

Gemäß Artikel 2 Absatz 4 der Verordnung (EG) Nr. 1467/97 können „einschlägige Faktoren“ bei der Entscheidung des Rates über das Bestehen eines übermäßigen Defizits nach Artikel 104 Absatz 6 nur dann berücksichtigt werden, wenn die doppelte Bedingung — dass das Defizit in der Nähe des Referenzwertes bleibt und der Referenzwert vorübergehend überschritten wird — vollständig erfüllt ist. Im Falle Griechenlands ist diese doppelte Bedingung nicht erfüllt. Daher werden in den Verfahrensschritten auf dem Weg zur Entscheidung über das Bestehen eines übermäßigen Defizits keine einschlägigen Faktoren berücksichtigt —

HAT FOLGENDE ENTSCHEIDUNG ERLASSEN:

Artikel 1

Nach Prüfung der Gesamtlage ist festzustellen, dass in Griechenland ein übermäßiges Defizit besteht.

Artikel 2

Diese Entscheidung ist an die Hellenische Republik gerichtet.

Geschehen zu Luxemburg am 27. April 2009.

Im Namen des Rates

Der Präsident

A. VONDRA


(1)  ABl. L 209 vom 2.8.1997, S. 6.

(2)  ABl. L 332 vom 31.12.1993, S. 7.

(3)  Alle Dokumente zum Defizitverfahren gegen Griechenland finden sich unter:

http://ec.europa.eu/economy_finance/netstartsearch/pdfsearch/pdf.cfm?mode=_m2