25.4.2012   

DE

Amtsblatt der Europäischen Union

L 113/8


BESCHLUSS DES RATES

vom 13. März 2012

zur Änderung des Beschlusses 2011/734/EU gerichtet an Griechenland zwecks Ausweitung und Intensivierung der haushaltspolitischen Überwachung und zur Inverzugsetzung Griechenlands mit der Maßgabe, die zur Beendigung des übermäßigen Defizits als notwendig erachteten Maßnahmen zu treffen

(2012/211/EU)

DER RAT DER EUROPÄISCHEN UNION —

gestützt auf den Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV), insbesondere auf Artikel 126 Absatz 9 und Artikel 136,

auf Empfehlung der Europäischen Kommission,

in Erwägung nachstehender Gründe:

(1)

Nach Artikel 136 Absatz 1 Buchstabe a AEUV besteht die Möglichkeit, für die Mitgliedstaaten, deren Währung der Euro ist, spezifische Maßnahmen zu erlassen, um die Koordinierung und Überwachung ihrer Haushaltsdisziplin zu verstärken.

(2)

Artikel 126 AEUV bestimmt, dass die Mitgliedstaaten übermäßige öffentliche Defizite zu vermeiden haben, und legt das Verfahren bei einem übermäßigen Defizit fest. Der Stabilitäts- und Wachstumspakt, mit dessen korrektiver Komponente das Verfahren bei einem übermäßigen Defizit umgesetzt wird, bietet einen Rahmen, der die Politik der Regierungen zur umgehenden Wiederherstellung einer soliden Haushaltsposition mit Rücksicht auf die Wirtschaftslage unterstützt.

(3)

Am 27. April 2009 entschied der Rat gemäß Artikel 104 Absatz 6 des Vertrags zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft (EGV), dass in Griechenland ein übermäßiges Defizit besteht.

(4)

Am 10. Mai 2010 erließ der Rat aufgrund des Artikels 126 Absatz 9 und des Artikels 136 AEUV den an Griechenland gerichteten Beschluss 2010/320/EU (1) zwecks Ausweitung und Intensivierung der haushaltspolitischen Überwachung und zur Inverzugsetzung Griechenlands mit der Maßgabe, die zur Beendigung des übermäßigen Defizits bis spätestens 2014 als notwendig erachteten Maßnahmen zu treffen. Der Rat setzte für die Korrektur des übermäßigen Defizits eine Frist bis 2014 und legte jährliche Ziele für das öffentliche Defizit fest.

(5)

Der Beschluss 2010/320/EU wurde mehrfach erheblich geändert. Da weitere Änderungen erforderlich wurden, wurde er aus Gründen der Klarheit am 12. Juli 2011 durch den Beschluss 2011/734/EU (2) neu gefasst.

(6)

Aktuelle Schätzungen und Prognosen gehen für den Zeitraum 2011-2014 von einer erheblich schwächeren Konjunktur aus, als bei Erlass der Beschlüsse 2010/320/EU und 2011/734/EU des Rates erwartet wurde. Im Jahr 2011 ist die Wirtschaft um schätzungsweise 6,9 % geschrumpft. Aktuell rechnet die Kommission damit, dass das reale griechische BIP im Jahr 2012 um 4,7 % schrumpfen und im Jahr 2013 stagnieren, bevor es im Jahr 2014 wieder um 2,5 % wachsen wird. Nominal ist das BIP im Jahr 2011 um 5,2 % geschrumpft und wird in den Jahren 2012 und 2013 voraussichtlich um 5,4 % bzw. 0,4 % schrumpfen, bevor es im Jahr 2014 wieder um 2,5 % wächst.

(7)

Im Februar 2012 kündigte die griechische Regierung Maßnahmen zur Senkung des Primärdefizits im Jahr 2012 an, darunter die Verabschiedung eines Nachtragshaushalts. Diese Maßnahmen wurden in Gesprächen zwischen den griechischen Behörden und den Dienststellen der Kommission ausführlich erörtert. Dabei wurden nicht nur die finanzpolitischen Konsolidierungsmaßnahmen erwogen, sondern auch die Notwendigkeit, diese Maßnahmen wachstumsfreundlicher zu gestalten und soziale Auswirkungen so gering wie möglich zu halten.

(8)

Im März 2012 hat Griechenland eine Umschuldungsaktion in Gang gesetzt und durchgeführt, die den Schuldenstand und die Zinsausgaben im Jahr 2012 und in den Folgejahren wesentlich verringert und zur Tragfähigkeit des öffentlichen Schuldenstands beiträgt.

(9)

Angesichts der vorstehenden Erwägungen scheint es angebracht, den Beschluss 2011/734/EU in verschiedenen Punkten, unter anderem in Bezug auf den Konsolidierungspfad, zu ändern, wobei die Frist für die Korrektur des übermäßigen Defizits unverändert bleiben sollte —

HAT FOLGENDEN BESCHLUSS ERLASSEN:

Artikel 1

Der Beschluss 2011/734/EU wird wie folgt geändert:

1.

In Artikel 1 erhalten die Absätze 2 und 3 folgende Fassung:

„(2)   Der Anpassungspfad zur Korrektur des übermäßigen Defizits zielt darauf ab, ein gesamtstaatliches Primärdefizit (Defizit ohne Zinsausgaben) von höchstens 2 037 Mio. EUR (1,0 % des BIP) im Jahr 2012 sowie einen Primärüberschuss von mindestens 3 652 Mio. EUR (1,8 % des BIP) im Jahr 2013 und 9 352 Mio. EUR (4,5 % des BIP) im Jahr 2014 zu erreichen. Nach der Umschuldung sind diese Primärsaldo-Ziele mit einem Gesamtdefizit von 14 811 Mio. EUR (7,3 % des BIP) im Jahr 2012, 9 462 Mio. EUR (4,7 % des BIP) im Jahr 2013 und 4 499 Mio. EUR (2,2 % des BIP) im Jahr 2014 vereinbar. Zur Erreichung dieses Ziels muss im Zeitraum von 2009 bis 2014 eine Verbesserung des strukturellen Saldos um mindestens 10 % des BIP erzielt werden. Erlöse aus der Privatisierung von (finanziellen und nichtfinanziellen) Vermögenswerten sowie alle Transferzahlungen im Zusammenhang mit dem Beschluss der Eurogruppe vom 21. Februar 2012 zu den Einkünften der nationalen Zentralbanken der Eurozone, einschließlich der Bank of Greece, die aus den Anteilen ihrer Investitionsportfolios an griechischen Staatsanleihen stammen, dürfen die geforderte Konsolidierungsanstrengung nicht verringern und werden bei der Bewertung dieser Ziele nicht berücksichtigt.

(3)   Der in Absatz 2 genannte Anpassungspfad steht in Einklang mit einer jährlichen Veränderung des konsolidierten gesamtstaatlichen Schuldenstands um -26 954 Mio. EUR im Jahr 2012, 6 775 Mio. EUR im Jahr 2013 und 1 492 Mio. EUR im Jahr 2014.“

2.

In Artikel 2 wird folgender Absatz eingefügt:

„(7a)   Griechenland trifft unverzüglich die folgenden Maßnahmen:

a)

Senkung der Arzneimittelausgaben um mindestens 1 076 Mio. EUR im Jahr 2012;

b)

Senkung der Überstundenvergütung für Krankenhausärzte um mindestens 50 Mio. EUR im Jahr 2012;

c)

Kürzungen bei der Beschaffung von Militärgütern um 300 Mio. EUR (Zahlungen und Lieferungen) im Jahr 2012;

d)

Kürzung um 10 % bei der Vergütung von gewählten Amtsträgern und zugehörigen Mitarbeitern auf kommunaler Ebene im Jahr 2012 und Senkung der Zahl der stellvertretenden Bürgermeister und zugehörigen Mitarbeiter im Jahr 2013 mit dem Ziel, im Jahr 2012 mindestens 9 Mio. EUR und im Jahr 2013 weitere 28 Mio. EUR einzusparen;

e)

Senkung der zentralstaatlichen operativen Ausgaben und der wahlbedingten Ausgaben um mindestens 370 Mio. EUR (gegenüber dem Haushalt 2012), davon mindestens 100 Mio. EUR bei operativen Ausgaben im militärischen Bereich und mindestens 70 Mio. EUR im Bereich der Wahlausgaben;

f)

Senkung der operativen Ausgaben der Kommunalverwaltung mit dem Ziel, im Jahr 2012 mindestens 50 Mio. EUR einzusparen;

g)

Kürzungen der Beihilfen für Bewohner entlegener Gebiete und der Zuschüsse an verschiedene, den Ministerien unterstehende Einrichtungen mit dem Ziel, die Ausgaben im Jahr 2012 um mindestens 190 Mio. EUR zu senken;

h)

Kürzung der Mittel für öffentliche Investitionen um 400 Mio. EUR im Jahr 2012. Diese Kürzung der Investitionsmittel wird keine Auswirkungen auf Projekte haben, die mit Strukturfondsmitteln kofinanziert werden (unter anderem TEN-T-Vorhaben);

i)

Veränderungen bei Zusatzrentenkassen und Pensionskassen, die hohe Durchschnittsrenten auszahlen oder hohe Zuschüsse aus dem Haushalt erhalten, sowie Kürzungen bei anderen hohen Renten mit dem Ziel, im Jahr 2012 mindestens 450 Mio. EUR (netto, nach Abrechnung der Auswirkungen auf Steuern und Sozialversicherungsbeiträge) einzusparen;

j)

Kürzungen bei den Familienbeihilfen für einkommensstarke Haushalte mit dem Ziel, im Jahr 2012 43 Mio. EUR einzusparen;

k)

Ministerialentscheidungen zur vollständigen Einführung der neuen Lohn- und Gehaltstabelle in allen einschlägigen Einrichtungen und gesetzliche Regelung der Modalitäten für die Rückforderung zu viel gezahlter Löhne und Gehälter rückwirkend ab November 2011;

l)

Änderung der Artikel 3 und 21 des Gesetzes 4038/2012 zur Überarbeitung der Voraussetzungen für eine Verlängerung der Ratenzahlungspläne für überfällige Steuern und Sozialversicherungsbeiträge: Ratenzahlungspläne werden nur für bestehende überfällige Beträge von unter 10 000 EUR für Privatpersonen und 75 000 EUR für Unternehmen gelten. Steuerpflichtige, die einen verlängerten Ratenzahlungsplan beantragen, sollten gegenüber den Steuerbehörden sämtliche Rechnungsabschlüsse offenlegen;

m)

Rahmengesetz mit einer gründlichen Überarbeitung der Funktionsweise ergänzender/zusätzlicher öffentlicher Altersversorgungssysteme, mit dem Ziel, die Rentenausgaben zu stabilisieren, die Haushaltsneutralität dieser Systeme zu sichern und die mittel- und langfristige Tragfähigkeit des Gesamtsystems zu gewährleisten.“

3.

Artikel 2 Absatz 8 wird wie folgt geändert:

a)

Die Buchstaben a und b erhalten folgende Fassung:

„a)

Reform der ergänzenden/zusätzlichen Altersversorgungssysteme, die in Absprache mit der Europäischen Kommission, der Europäischen Zentralbank und dem Internationalen Währungsfonds gestaltet und im Hinblick auf ihre geschätzten Auswirkungen auf die langfristige Tragfähigkeit vom Ausschuss für Wirtschaftspolitik validiert wird. Die Parameter des neuen ergänzenden fiktiven beitragsdefinierten Systems gewährleisten einer Bewertung der nationalen Behörde für Versicherungsmathematik zufolge ein langfristiges versicherungsmathematisches Gleichgewicht.

b)

Anpassung der Gewinnspannen der Apotheken und Einführung regressiver Gewinnspannen mit dem Ziel, die Gesamtgewinnspanne auf unter 15 % zu senken.“

b)

Die folgenden Buchstaben werden eingefügt:

„g)

Abschluss der laufenden funktionalen Überprüfung der Sozialprogramme;

h)

Ernennung der Mitglieder der zentralen Beschaffungsbehörde (Single Public Procurement Authority — SPPA);

i)

Ermittlung der Versorgungssysteme, bei denen die einmaligen Pauschalzahlungen bei Renteneintritt nicht mit den eingezahlten Beiträgen in Einklang stehen, und entsprechende Anpassung der Zahlungen;

j)

Senkung der Gewinnspannen von Arzneimittel-Großhändlern in Richtung einer Obergrenze von 5 %;

k)

Durchführung der nötigen Ausschreibungsverfahren, um ein umfassendes und einheitliches IT-System für das Gesundheitswesen (e-Health-System) einzuführen;

l)

Ernennung der Rechts-, Technik- und Finanzberater für die für die Jahre 2012 und 2013 geplanten Privatisierungen.“

4.

Artikel 2 Absatz 9 Buchstabe a erhält folgende Fassung:

„a)

Abschluss der Überprüfung der öffentlichen Ausgabenprogramme. Dabei wird externe technische Hilfe in Anspruch genommen und das Augenmerk insbesondere auf Renten und soziale Transferleistungen (unter Gewährleistung der sozialen Grundsicherung), auf die Verteidigungsausgaben unbeschadet der Verteidigungsfähigkeit des Landes und auf die Restrukturierung der zentralen und kommunalen Verwaltungen gelegt; des weiteren werden die Einzelheiten für die weitere Rationalisierung der Ausgaben für Arzneimittel und den Betrieb von Krankenhäusern sowie der Sozialhilfe-Geldleistungen festgelegt;

b)

Erlass einer Steuerreform zur Vereinfachung des Steuersystems unter Abschaffung von Steuerbefreiungen und -vergünstigungen und Verbreiterung der Steuerbemessungsgrundlagen, um die Steuersätze graduell senken zu können, wenn das Steueraufkommen steigt. Diese Reform betrifft die Einkommensteuer, die Körperschaftsteuer und die Mehrwertsteuer, die Vermögensteuern sowie die Sozialversicherungsbeiträge und wird die relative Belastung durch indirekte Steuern unverändert lassen;

c)

Überprüfung des Rechtswerts von Immobilien zur stärkeren Ausrichtung dieser Werte an den Marktpreisen;

d)

Abschaffung von Bar- und Scheckzahlungen in Finanzämtern zugunsten von Banküberweisungen, damit sich mehr Mitarbeiter auf Arbeiten mit höherem Mehrwert (Rechnungsprüfung, Steuerbeitreibung und Auskünfte an Steuerpflichtige) konzentrieren können;

e)

Senkung der nicht durch die neue Lohn- und Gehaltstabelle geregelten außertariflichen Löhne und Gehälter im öffentlichen Sektor um durchschnittlich 12 %. Dies wird zum 1. Juli 2012 in Kraft gesetzt und führt zu Einsparungen in Höhe von mindestens 205 Mio. EUR (netto, nach Abrechnung der Auswirkungen auf Steuern und Sozialversicherungsbeiträge);

f)

Beschlüsse zur Schaffung der Durchführungsverordnung zur SPPA; die SPPA nimmt ihren Betrieb zur Erfüllung ihres Mandats, ihrer Ziele, Zuständigkeiten und Befugnisse auf, die im Gesetz über die SPPA und in dem mit der Europäischen Kommission im November 2010 vereinbarten Aktionsplan festgelegt sind.“

5.

In Artikel 2 werden folgende Absätze angefügt:

„(10)   Griechenland trifft bis Ende September 2012 folgende Maßnahmen:

a)

Vorlage eines Haushaltsentwurf für das Jahr 2013 in Einklang mit dem in Artikel 1 Absatz 2 festgelegten Primärüberschussziel;

b)

Schaffung von Vorschriften und Verfahren für zentralisierte Beschaffungs-/Rahmenverträge für häufig erworbene Güter und Dienstleistungen auf zentralstaatlicher Ebene, wobei die Beschaffung mittels dieser Verträge den Ministerien und zentralstaatlichen Einrichtungen vorgeschrieben und regionalen Einrichtungen freigestellt ist.

(11)   Griechenland trifft bis Ende Dezember 2012 folgende Maßnahmen:

a)

endgültige Verabschiedung des Haushalts für das Jahr 2013 im Einklang mit dem in Artikel 1 Absatz 2 festgelegten Primärüberschussziel;

b)

Rechtsvorschriften zur Straffung des Verfahrens für die Vorlage und Verabschiedung von Nachtragshaushalten.“

Artikel 2

Dieser Beschluss wird am Tag seiner Bekanntgabe wirksam.

Artikel 3

Dieser Beschluss ist an die Hellenische Republik gerichtet.

Geschehen zu Brüssel am 13. März 2012.

Im Namen des Rates

Der Präsident

N. WAMMEN


(1)  ABl. L 145 vom 11.6.2010, S. 6.

(2)  ABl. L 296 vom 15.11.2011, S. 38.