23.12.2011   

DE

Amtsblatt der Europäischen Union

L 343/91


DURCHFÜHRUNGSBESCHLUSS DER KOMMISSION

vom 19. Dezember 2011

zur Festlegung harmonisierter Wirkungsgrad-Referenzwerte für die getrennte Erzeugung von Strom und Wärme in Anwendung der Richtlinie 2004/8/EG des Europäischen Parlaments und des Rates und zur Aufhebung der Entscheidung 2007/74/EG der Kommission

(Bekanntgegeben unter Aktenzeichen K(2011) 9523)

(2011/877/EU)

DIE EUROPÄISCHE KOMMISSION —

gestützt auf den Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union,

gestützt auf die Richtlinie 2004/8/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. Februar 2004 über die Förderung einer am Nutzwärmebedarf orientierten Kraft-Wärme-Kopplung im Energiebinnenmarkt und zur Änderung der Richtlinie 92/42/EWG (1), insbesondere auf Artikel 4 Absatz 2,

in Erwägung nachstehender Gründe:

(1)

Die Kommission hat gemäß der Richtlinie 2004/8/EG in der Entscheidung 2007/74/EG (2) harmonisierte Wirkungsgrad-Referenzwerte für die getrennte Erzeugung von Strom und Wärme in Form einer nach relevanten Faktoren wie Baujahr und Brennstofftypen aufgeschlüsselten Matrix von Werten festgelegt.

(2)

Die Kommission muss die harmonisierten Wirkungsgrad-Referenzwerte für die getrennte Erzeugung von Strom und Wärme zum ersten Mal am 21. Februar 2011 und danach alle vier Jahre prüfen, um technologische Entwicklungen und Änderungen bei der Nutzung der verschiedenen Energieträger zu berücksichtigen.

(3)

Die Kommission hat die harmonisierten Wirkungsgrad-Referenzwerte für die getrennte Erzeugung von Strom und Wärme unter Berücksichtigung von Betriebsdaten bei realen Betriebsbedingungen, die von den Mitgliedstaaten übermittelt wurden, geprüft. Aus den Entwicklungen bei der besten verfügbaren und wirtschaftlich vertretbaren Technologie in dem von der Überprüfung abgedeckten Zeitraum 2006-2011 ergibt sich, dass für die harmonisierten Wirkungsgrad-Referenzwerte für die getrennte Erzeugung von Strom die in der Entscheidung 2007/74/EG vorgenommene Unterscheidung nach Baujahren der KWK(Kraft-Wärme-Kopplungs)-Blöcke für nach dem 1. Januar 2006 gebaute Anlagen nicht beibehalten werden sollte. Für KWK-Blöcke, die 2005 oder davor gebaut wurden, sollten die Referenzwerte jedoch weiter so angewandt werden, dass sie das Baujahr widerspiegeln, um den Entwicklungen bei der besten verfügbaren und wirtschaftlich vertretbaren Technologie Rechnung zu tragen. Außerdem hat die Überprüfung auf der Basis der jüngsten Erfahrungen und Analysen bestätigt, dass Korrekturfaktoren auf der Grundlage der klimatischen Bedingungen weiter gelten sollten. Darüber hinaus sollten die Korrekturfaktoren für vermiedene Netzverluste ebenfalls weiter angewendet werden, da sich die Netzverluste in den letzten Jahren nicht geändert haben. Zudem sollten die Korrekturfaktoren für vermiedene Netzverluste auch für Anlagen gelten, die Holzbrennstoffe und Biogas einsetzen.

(4)

Die Überprüfung ergab keine Hinweise darauf, dass sich die Energieeffizienz von Heizkesseln im betrachteten Zeitraum geändert hat, weshalb die harmonisierten Wirkungsgrad-Referenzwerte für die getrennte Erzeugung von Wärme sich nicht auf das Baujahr beziehen sollten. Korrekturfaktoren auf der Grundlage der klimatischen Bedingungen sind nicht erforderlich, da die Thermodynamik der Wärmeerzeugung aus Brennstoffen nicht signifikant von der Umgebungstemperatur abhängig ist. Korrekturfaktoren für Wärmeverluste im Netz sind ebenfalls nicht notwendig, da Wärme immer in der Nähe des Erzeugungsortes genutzt wird.

(5)

Für Investitionen in die Kraft-Wärme-Kopplung werden stabile Bedingungen sowie fortgesetztes Vertrauen der Investoren benötigt. Im Hinblick darauf ist es sinnvoll, die aktuellen harmonisierten Referenzwerte für Strom und Wärme im Zeitraum 2012-2015 beizubehalten.

(6)

Die Betriebsdaten bei realen Betriebsbedingungen zeigen keine statistisch signifikante Verbesserung der tatsächlichen Leistung von dem Stand der Technik entsprechenden Anlagen während des Zeitraums, auf den sich die Überprüfung erstreckte. Daher sollten die in der Entscheidung 2007/74/EG für den Zeitraum 2006-2011 festgelegten Referenzwerte im Zeitraum 2012-2015 beibehalten werden.

(7)

Die Überprüfung hat die Gültigkeit der bestehenden Korrekturfaktoren auf der Grundlage der klimatischen Bedingungen und für vermiedene Netzverluste bestätigt.

(8)

Die Verwendung einheitlicher Referenzwerte für den gesamten Zeitraum und der Verzicht auf Korrekturfaktoren für klimatische Unterschiede und Netzverluste wurden auch für die Wärmeerzeugung bestätigt.

(9)

Unter Berücksichtigung des Hauptziels der Richtlinie 2004/8/EG, die Kraft-Wärme-Kopplung zur Einsparung von Energie zu fördern, sollte ein Anreiz zur Nachrüstung älterer KWK-Blöcke gegeben werden, damit deren Energieeffizienz verbessert wird. Daher sollten die für KWK-Blöcke geltenden Wirkungsgrad-Referenzwerte für Strom ab dem elften Jahr nach dem Bau des jeweiligen Blocks höher sein.

(10)

Dieser Ansatz steht im Einklang mit der Anforderung, wonach die harmonisierten Wirkungsgrad-Referenzwerte auf den in der Richtlinie 2004/8/EG Anhang III Buchstabe f genannten Grundsätzen beruhen müssen.

(11)

Es sollten harmonisierte Wirkungsgrad-Referenzwerte für die getrennte Erzeugung von Strom und Wärme festgelegt werden. Die Entscheidung 2007/74/EG sollte deshalb aufgehoben werden.

(12)

Die in diesem Beschluss vorgesehenen Maßnahmen entsprechen der Stellungnahme des Ausschusses für Kraft-Wärme-Kopplung —

HAT FOLGENDEN BESCHLUSS ERLASSEN:

Artikel 1

Festlegung der harmonisierten Wirkungsgrad-Referenzwerte

Die harmonisierten Wirkungsgrad-Referenzwerte für die getrennte Erzeugung von Strom und Wärme werden in den Anhängen I und II festgelegt.

Artikel 2

Anwendung der harmonisierten Wirkungsgrad-Referenzwerte

(1)   Die Mitgliedstaaten wenden die in Anhang I festgelegten harmonisierten Wirkungsgrad-Referenzwerte des Baujahres des jeweiligen KWK-Blocks an. Diese gelten zehn Jahre ab dem Baujahr des jeweiligen KWK-Blocks.

(2)   Ab dem elften Jahr nach dem Jahr des Baus des jeweiligen KWK-Blocks wenden die Mitgliedstaaten die harmonisierten Wirkungsgrad-Referenzwerte an, die gemäß Absatz 1 für einen zehn Jahre alten KWK-Block gelten. Diese Wirkungsgrad-Referenzwerte gelten ein Jahr lang.

(3)   Für die Zwecke dieses Artikels gilt als Baujahr eines KWK-Blocks das Kalenderjahr, in dem die Stromerzeugung aufgenommen wurde.

Artikel 3

Korrekturfaktoren für die harmonisierten Wirkungsgrad-Referenzwerte für die getrennte Erzeugung von Strom

(1)   Die Mitgliedstaaten wenden die in Anhang III Buchstabe a genannten Korrekturfaktoren an, um die in Anhang I festgelegten harmonisierten Wirkungsgrad-Referenzwerte an die durchschnittlichen klimatischen Bedingungen der einzelnen Mitgliedstaaten anzupassen.

Werden im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats auf der Grundlage der offiziellen meteorologischen Daten Unterschiede von 5 °C oder mehr bei den jährlichen Umgebungstemperaturen festgestellt, kann dieser Mitgliedstaat nach Mitteilung an die Kommission zur Anwendung von Unterabsatz 1 mehrere Klimazonen zugrunde legen, wobei das in Anhang III Buchstabe b genannte Verfahren anzuwenden ist.

(2)   Die Mitgliedstaaten wenden die in Anhang IV genannten Korrekturfaktoren an, um die in Anhang I festgelegten harmonisierten Wirkungsgrad-Referenzwerte aufgrund vermiedener Netzverluste anzupassen.

(3)   Wenden die Mitgliedstaaten sowohl die in Anhang III Buchstabe a als auch die in Anhang IV genannten Korrekturfaktoren an, so geht die Anwendung von Anhang III Buchstabe a der Anwendung von Anhang IV voraus.

Artikel 4

Nachrüstung eines KWK-Blocks

Betragen die Kosten der Nachrüstung eines bestehenden KWK-Blocks mehr als 50 % der Investitionskosten eines vergleichbaren neuen KWK-Blocks, gilt das Kalenderjahr, in dem der nachgerüstete KWK-Block zum ersten Mal Strom erzeugt, als Baujahr für die Zwecke des Artikels 2.

Artikel 5

Brennstoffmix

Wird der KWK-Block mit einem Brennstoffmix betrieben, sind die harmonisierten Wirkungsgrad-Referenzwerte für die getrennte Erzeugung proportional zum gewichteten Mittel der Energiezufuhr der einzelnen Brennstoffe anzuwenden.

Artikel 6

Aufhebung

Die Entscheidung 2007/74/EG wird aufgehoben.

Artikel 7

Dieser Beschluss ist an die Mitgliedstaaten gerichtet.

Brüssel, den 19. Dezember 2011

Für die Kommission

Günther OETTINGER

Mitglied der Kommission


(1)  ABl. L 52 vom 21.2.2004, S. 50.

(2)  ABl. L 32 vom 6.2.2007, S. 183.


ANHANG I

Harmonisierte Wirkungsgrad-Referenzwerte für die getrennte Erzeugung von Strom (gemäß Artikel 1)

Die harmonisierten Wirkungsgrad-Referenzwerte für die getrennte Erzeugung von Strom in nachstehender Tabelle beruhen auf dem Netto-Heizwert und ISO-Standardbedingungen (15 °C Umgebungstemperatur bei 1,013 bar und 60 % relativer Luftfeuchtigkeit).

 

Baujahr:

Art des Brennstoffs:

bis einschließlich 2001

2002

2003

2004

2005

2006-2011

2012-2015

Feststoff

Steinkohle/Koks

42,7

43,1

43,5

43,8

44,0

44,2

44,2

Braunkohle/Braunkohlebriketts

40,3

40,7

41,1

41,4

41,6

41,8

41,8

Torf/Torfbriketts

38,1

38,4

38,6

38,8

38,9

39,0

39,0

Holzbrennstoffe

30,4

31,1

31,7

32,2

32,6

33,0

33,0

Landwirtschaftliche Biomasse

23,1

23,5

24,0

24,4

24,7

25,0

25,0

Biologisch abbaubare (Siedlungs-)Abfälle

23,1

23,5

24,0

24,4

24,7

25,0

25,0

Nicht erneuerbare (Siedlungs-und Industrie-)Abfälle

23,1

23,5

24,0

24,4

24,7

25,0

25,0

Ölschiefer

38,9

38,9

38,9

38,9

38,9

39,0

39,0

Flüssigkeit

Öl (Gasöl + Rückstandsheizöl), LPG

42,7

43,1

43,5

43,8

44,0

44,2

44,2

Biobrennstoffe

42,7

43,1

43,5

43,8

44,0

44,2

44,2

Biologisch abbaubare Abfälle

23,1

23,5

24,0

24,4

24,7

25,0

25,0

Nicht erneuerbare Abfälle

23,1

23,5

24,0

24,4

24,7

25,0

25,0

Gas

Erdgas

51,7

51,9

52,1

52,3

52,4

52,5

52,5

Raffineriegas/Wasserstoff

42,7

43,1

43,5

43,8

44,0

44,2

44,2

Biogas

40,1

40,6

41,0

41,4

41,7

42,0

42,0

Kokereigas, Hochofengas, andere Abfallgase, rückgewonnene Abwärme

35

35

35

35

35

35

35


ANHANG II

Harmonisierte Wirkungsgrad-Referenzwerte für die getrennte Erzeugung von Wärme (gemäß Artikel 1)

Die harmonisierten Wirkungsgrad-Referenzwerte für die getrennte Erzeugung von Wärme in nachstehender Tabelle beruhen auf dem Netto-Heizwert und ISO-Standardbedingungen (15 °C Umgebungstemperatur bei 1,013 bar und 60 % relativer Luftfeuchtigkeit).

 

Art des Brennstoffs

Dampf/Heißwasser

Unmittelbare Nutzung von Abgasen (1)

Feststoff

Steinkohle/Koks

88

80

Braunkohle/Braunkohlebriketts

86

78

Torf/Torfbriketts

86

78

Holzbrennstoffe

86

78

Landwirtschaftliche Biomasse

80

72

Biologisch abbaubare (Siedlungs-)Abfälle

80

72

Nicht erneuerbare (Siedlungs-und Industrie-) Abfälle

80

72

Ölschiefer

86

78

Flüssigkeit

Öl (Gasöl + Rückstandsheizöl), LPG

89

81

Biobrennstoffe

89

81

Biologisch abbaubare Abfälle

80

72

Nicht erneuerbare Abfälle

80

72

Gas

Erdgas

90

82

Raffineriegas/Wasserstoff

89

81

Biogas

70

62

Kokereigas, Hochofengas, andere Abfallgase, rückgewonnene Abwärme

80

72


(1)  Die Werte für die unmittelbare Nutzung von Wärme sind zu verwenden, wenn die Temperatur 250 °C oder mehr beträgt.


ANHANG III

Korrekturfaktoren auf der Grundlage der durchschnittlichen klimatischen Bedingungen und Verfahren zur Festlegung von Klimazonen bei der Anwendung der harmonisierten Wirkungsgrad-Referenzwerte auf die getrennte Erzeugung von Strom (gemäß Artikel 3 Absatz 1)

a)   Korrekturfaktoren auf der Grundlage der durchschnittlichen klimatischen Bedingungen

Die Korrektur der Umgebungstemperatur stützt sich auf die Differenz zwischen der jährlichen Durchschnittstemperatur in einem Mitgliedstaat und den ISO-Standardbedingungen (15 °C).

Es werden folgende Korrekturen vorgenommen:

i)

Herabsetzung des Wirkungsgrades um 0,1 Prozentpunkte für jedes Grad Celsius über 15 °C;

ii)

Heraufsetzung des Wirkungsgrades um 0,1 Prozentpunkte für jedes Grad Celsius unter 15 °C.

Beispiel:

Beträgt die jährliche Durchschnittstemperatur in einem Mitgliedstaat 10 °C, muss der Referenzwert eines KWK-Blocks in diesem Mitgliedstaat um 0,5 Prozentpunkte heraufgesetzt werden.

b)   Verfahren zur Festlegung der Klimazonen

Die Grenzen der einzelnen Klimazonen werden durch Isothermen (in vollen Grad Celsius) der jährlichen mittleren Umgebungstemperaturen gebildet, die jeweils um mindestens 4 °C voneinander abweichen. Die Temperaturdifferenz zwischen den mittleren jährlichen Umgebungstemperaturen in angrenzenden Klimazonen muss mindestens 4 °C betragen.

Beispiel:

In einem Mitgliedstaat beträgt die mittlere jährliche Umgebungstemperatur an Ort A 12 °C und an Ort B 6 °C. Die Differenz ist größer als 5 °C. Der Mitgliedstaat kann nun zwei Klimazonen bestimmen, die durch die Isotherme 9 °C getrennt werden: eine Klimazone zwischen den Isothermen 9 °C and 13 °C mit einer mittleren jährlichen Umgebungstemperatur von 11 °C und eine zweite Klimazone zwischen den Isothermen 5 °C und 9 °C mit einer mittleren jährlichen Umgebungstemperatur von 7 °C.


ANHANG IV

Korrekturfaktoren für vermiedene Netzverluste bei der Anwendung der harmonisierten Wirkungsgrad-Referenzwerte auf die getrennte Erzeugung von Strom (gemäß Artikel 3 Absatz 2)

Netzspannung

Ins Netz eingespeister Strom

Vor Ort verbrauchter Strom

> 200 kV

1

0,985

100-200 kV

0,985

0,965

50-100 kV

0,965

0,945

0,4-50 kV

0,945

0,925

< 0,4 kV

0,925

0,860

Beispiel:

Ein 100-kWel-KWK-Block mit einem erdgasbetriebenen Kolbenmotor produziert Strom mit einer Spannung von 380 V. Hiervon sind 85 % für den Eigenverbrauch bestimmt, 15 % werden ins Netz eingespeist. Die Anlage wurde 1999 errichtet. Die jährliche Umgebungstemperatur beträgt 15 °C (eine Korrektur aufgrund der klimatischen Bedingungen ist daher nicht erforderlich).

Gemäß Artikel 2 dieses Beschlusses sollten für KWK-Blöcke, die älter als 10 Jahre sind, die Referenzwerte für 10 Jahre alte Blöcke angewendet werden. Gemäß Anhang I dieses Beschlusses ist für einen 1999 errichteten und nicht nachgerüsteten erdgasbetriebenen KWK-Block der im Jahr 2011 anzuwendende harmonisierte Wirkungsgrad-Referenzwert der Referenzwert für 2001, d. h. 51,7 %. Nach der Korrektur für Netzverluste ergibt sich — auf der Grundlage des gewichteten Mittels der in diesem Anhang genannten Faktoren — folgender Wirkungsgrad-Referenzwert für die getrennte Erzeugung von Strom in diesem KWK-Block:

Ref Εη = 51,7 % * (0,860 * 85 % + 0,925 * 15 %) = 45,0 %